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Verhütung Rißbildung an Nietlöchern. Die Frage der Rißbildung in den
Nietnähten von Dampfkesseln hat, sowohl in Deutschland als auch im Ausland, infolge
der aufs höchste gesteigerten Anforderungen des Weltkrieges -und infolge von sonstigen
rnit letzterem in Zusammenhang stehenden Auswirkungen und neuerdings infolge der
zwecks Steigerung der Wirtschaftlichkeit vorgenominenen Erhöhung des Dampfdruckes
ganz besondere Bedeutung erlangt. Ein Verfahren,
welches der Rißbildung
vorbeugt, stellt daher einen wichtigen technischen Fortschritt und ein dringendes
Bedürfnis im Interesse der Betriebssicherheit der Dampfkessel, begleitet von erheblichem
wirtschaftlichen Nutzen, dar.
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Die Voraussetzung für die Möglichkeit der Ausarbeitung eines Verfahrens
zur Vorbeugung gegen Nietlochrisse ist die Erkenntnis der letzteren.
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Nach Maßgabe der derzeitigen Erkenntnisse kann die Rißbildung in Nietnähten
durch folgende Umstände begünstigt werden.
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i. Anwendung zu hoher Kräfte bei Herstellung der Nietung, vgl. die
Arbeit von R. B a u m a n n in Heft 252 der Forschungsarbeiten auf dem Gebiete des
Ingenieurwesens, 2. mangelhafter Glühzustand des Materials, 3. Rollen der Bleche
quer zur Walzrichtung, 4.. unsachgemäßes Anbiegen der die Nietnähte enthaltenden
Blechenden.
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Durch das Rollen des Bleches (Ziff. 3) und das Anbiegen der Blechenden
(Ziff.4) werden die Bleche an sich schon, auch bei sachgemäßem Vorgehen, über die
Streckgrenze beansprucht; hierzu treten noch die ungünstigen Beanspruchungen, welche
infolge unsachgemäßer Behandlung (Ziff. 3 und q.) entstehen können. Ferner kann
durch zu hohen Nietdruck (Ziff. i) eine weitergehende Schädigung des Blechmaterials
an den Nietlöchern hervorgerufen werden. Hierzu kommen noch die beim Einziehen der
Niete und die später im Betrieb auftretenden Temperatureinflüsse.
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Diese Erkenntnisse stellen eine weitgehende Klarstellung der Rißbildungsfrage
hinsichtlich der bei Herstellung des Kessels auf die Materialbeschaffenheit Einfluß
nehmenden Momente dar; sie lassen aber die Rißbildungsfrage hinsichtlich der Art
der vom Kesseldruck herrührenden Anstrengungsverhältnisse innerhalb der Nietnähte
unberührt.
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Die über die letzteren herrschende Auffassung rührt von den Arbeiten
her, welche C. B a c h anfangs der goer Jahreveröffentlicht hat. Hiernach erfolgt
in einer Nietverbindung die Kraftübertragung von dem einen Blechende auf das angenietete
andere Blechende nicht durch eine Schub- oder Scheerbeanspruchung der Niete senkrecht
zu ihrer Achse, sondern durch den Widerstand, welchen die in den Anlageflächen der
Bleche auftretende Reibung einem Verschieben oder Gleiten der Bleche entgegensetzt,
den »Gleitwiderstand«. Hiernach werden die Verhältnisse gewissermaßen so aufgefaßt,
wie wenn die Blechenden in den Anlageflächen, d. i. in dem in Abb. i durch Schrägstriche
gekennzeichneten Gebiet, miteinander, sei es überlappt oder mittels Laschen, verkittet
wären. Diese Auffassung schenkt einem wesentlichen Umstand nicht die seiner Bedeutung
entsprechende Beachtung, welcher ganz erheblich höhere Beanspruchungen in sich schließt
als bisher angenommen worden ist. Dieser Umstand beruht auf folgendem.
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Durch das Erkalten der «-arm eingezogenen Niete wenden die Bleche
aneinandergepreßt. Dieses Aneinanderpressen erfolgt aber nicht in gleichförmiger
Weise über die ganze Anlagefläche der Bleche; die Kraft, welche von den Nietköpfen
ausgeht, bewirkt, daß die Bleche um die Nietlöcher herum in einem mehr oder weniger
großen, kreisringförmigen Gebiet eine elastische, teilweise -je nach der Genauigkeit
der Anlage der Blechenden sowie der Höhe des Nietdrucks -auch eine bleibende Durchdrückung
erfahren. Infolge dieser Dur chdrückung wird der Reibungsschluß in der Anlagefläche
der Bleche in dem um den Nietschaft herumliegenden kreisförmigen Gebiet am stärksten
und nimmt mit der Entfernung vom Nietschaft ziemlich rasch ab. Diese Abnahme des
keibungsschlusses wird noch beschleunigt dadurch, daß mit der beschriebenen Durchdrückung
der Bleche um die Nietköpfe herum eine Wölbung der Bleche verbunden ist, wie sie
durch Abb.2 veranschaulicht wird, so daß in einiger Entfernung vorn Nietschaft überhaupt
mit keinem Reibungsschluß mehr gerechnet werden kann. Die Übertragung der Kräfte
in der Nietnaht erfolgt also nicht durch Reibungsschluß in der ganzen in Abb. i
hervorgehobenen Anlagefläche, sondern sie erfolgt gewissermaßen wie bei einer elektrischen
Punktschweißung durch stellenweise Verbindung der Blechflächen, und zwar in kreisringförmigen
um die Nietschäfte herumliegenden Flächen, welche in Abb.3 durch Schrägstriche gekennzeichnet
sind. Aber auch innerhalb dieser Flächen erfolgt die Übertragung der Kraft nicht
gleichförmig, vielmehr sind die Beanspruchungen am Nietlochrand am höchsten und
nehmen nach dem äußeren Rande der Kreisringflächen hin ab, entsprechend der Abnahme
des Reibungswiderstandes. Hierzu kommt noch der weitere, durch die Versuche von
P r e u ß (Stahl und Eisen igi2) nachgewiesene Umstand, daß an Lochrändern die tatsächliche
Anstrengung das mehr als zweifache der rechnungsmäßig in den Stegen der Bleche auftretenden
Anstrengung beträgt.
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Aus Vorstehendem ergibt sich, daß die Anstrengung des Blechmaterials
in den Ecken bei e, e (Abb. 2) eine ganz bedeutend höhere ist, als auf Grund der
bisher herrschenden Auffassung über die Anstrengungsverhältnisse in Nietnähten angenommen
worden ist. Hierzu kommt noch, daß diese gefährliche
Anstrengung
an den Stellen auftritt, an welchen das Blechmaterial ohnehin schon, wie oben dargelegt,
beim Biegen des Bleches und bei der Herstellung der \ ietnalit einen erheblichen
Teil seiner Zähigkeit eingebüßt hat.
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Die im vorstehenden enthaltenen neuen Auffassungen über die Ursache
der Rißbildung in Nietlöchern führten zu folgenden Überlegungen und Maßnahmen gegen
die Entstehung von N ietlochrissen, welche den Gegenstand der Erfindung darstellen.
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Gemäß dein oben Dargelegten können die gefährlichen Anstrengungen
in den Ecken e, e am \ ietlochrand nur beseitigt «-erden, wenn es gelingt, die Kräfte,
welche die gefährlichen Anstrengungen hervorrufen, von den Nietlochrändern weg zu
verlegen. Gelangen diese Kräfte an anderen Stellen zur Wirkung, so treten auch die
Anstrengungen nicht mehr an den ohnehin schon ungünstig beeinflußten ietlochrändern
auf. Eine solche Verlegung der Kräfte kann erfolgen dadurch, daß die Möglichkeit
einer Berührung der Bleche in der Nähe der Nietlöcher ausgeschlossen wird. Dies
wird erreicht, indem in einem mehr oder weniger großen Gebiet um die Nietlöcher
herum ein Hohlraum h. (Abb. 5) angeordnet wird. Dieser Hohlraum 1i. kann konzentrisch
um die Nietlöcher herum liegen, oder er kann in Gestalt einer Nut über mehrere Nietlöcher
laufen; er kann auch durch zwischen die zu verbindenden Bleche eingebrachte Einlagen
mit entsprechenden Aussparungen gebildet werden oder auf andere Weise. Seine Herstellung
kann erfolgen durch Herausarbeiten von Material aus den Blechen oder durch Einpressen
der Hohlräume oder auf andere Weise. Zur Verineidung des Eindringens von N ietschaftinaterial
in den Hohlraum kann das Nietloch durch eine Büchse ausgefüttert oder der Hohlraum
mit einem elastischen Stoff ausgefüllt werden. Zwecks Vermeidung einer Verschiebung
der Büchsen beim Einbringen der 'Niete werden dieselben durch Umbördeln an den Enden
oder anderweitig gesichert.
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Wird beispielsweise ein zum 'Nietschaft konzentrischer Hohlraum angeordnet,
so findet der Reibungsschluß der Bleche nicht mehr gemäß ,#bb. 3 in dem um die Nietlöcher
herum liegenden kreisringförmigen Gebiet statt, sondern dieses Gebiet bleibt frei
von Übertragungskräften. Der Gleitwiderstand äußert sich in dem in Abb. d. durch
Schrägstriche hervorgehobenen Gebiet. Dieses Gebiet ist größer als das in Abb. a
gestrichelte und befindet sich im vollen Blech, so daß die Nietlöcher durch die
Gleitwiderstandskräfte keine unmittelbare Beanspruchung erfahren und demnach die
Voraussetzung für die Entstehung von Rissen fehlt.
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Einer etwaigen Durchdrückung des Bleches unter den Nietköpfen kann
begegnet werden durch etwas größere Stärke der Bleche bzw. der Laschen. Im übrigen
schließt eine solche Durchdrückung lediglich eine einmalige Beanspruchung des Materials
nahe der Streckgrenze in sich, wie sie beim Rollen und Anbiegen der Bleche und beim
Nieten auch in Kauf genommen «-erden muß und kann (v g1. oben).
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Unter Umständen kann eine solche Durcbdrückung absichtlich herbeigeführt
werden, um den Hohlraum so zu verringern, daß kein N ietscliaftniaterial in denselben
eindringen kann und sich dadurch ein Ausbüclisen erübrigt.