DE4118550C2 - Tierarzneimittel - Google Patents
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Description
Die Erfindung betrifft ein Tierarzneimittel nach dem
Oberbegriff des Anspruchs 1.
Die ganzjährige Fortpflanzungsfähigkeit von Stadttauben,
das meist reichliche Nahrungsangebot in den Städten sowie
ausreichende Nistplatzmöglichkeiten sind als hauptsächli
che Ursachen der ausgesprochen hohen Zahl von Stadttauben
anzusehen.
Tauben in den Städten verursachen in solch hoher Zahl
beträchtliche Schäden. Diese Schäden werden vor allem
durch den ausgeschiedenen Kot, der pro Taube im Jahr ca.
10-12 kg Naßkot ausmacht, hervorgerufen. Der Taubenkot
verschmutzt nicht nur die Gebäude, Denkmäler, Kirchen
usw. oberflächlich, er führt durch seinen Harnsäureanteil
auch zu einer Zerstörung der Bausubstanzen.
Darüber hinaus ist eine gesundheitliche Gefährdung von
Mensch und Tier gegeben, die von pathogenen Keimen und
von Parasiten der Tauben ausgehen kann. Die Tauben selbst
erleiden durch die nicht natürliche Umwelt, in der sie
leben, und die dadurch bedingte unphysiologische Ernäh
rung Schäden an ihrer Gesundheit. Weitere Schäden, wie
Abschnüren der Extremitäten, können auch von Abwehrvor
richtungen gegen Tauben ausgehen, die von Gebäudeeignern
z. B. in Form von Netzen installiert werden.
Um die Zahl der Stadttauben zu vermindern, wurden in der
Vergangenheit unterschiedliche Maßnahmen durchgeführt.
Diese bestanden unter anderem in Vergiftungsaktionen
durch mit Zyanid getränktem Brot. Diese auch für andere
Lebewesen gefährlichen Gifte führten nur sehr kurzfristig
zu einer Verringerung der Zahl der Stadttauben, da die
Tauben mit der Zeit lernten, das Gift zu meiden. Auch an
Gebäuden angebrachte Hindernisse in Form von Netzen,
Drähten oder Nägeln, die die Nistmöglichkeiten einschrän
ken sollten, blieben im Hinblick auf eine Reduzierung der
Taubenzahl erfolglos.
Darüber hinaus wurden auch Versuche unternommen, die
Fruchtbarkeit von Tauben zu beeinflussen. In diesem
Zusammenhang wurden mit Ornitrol oder Glysol-T-Neu im
prägnierte Ganzkornkörper den Tauben angeboten. Die
Brauchbarkeit von Ornitrol zur Verminderung der Taubenpo
pulation ist jedoch umstritten und es wurde nachgewiesen,
daß auch die Aufnahme derartig imprägnierter Köder von
den Tauben abgelehnt wurde. Das weiterhin verwendete
Glysol-T-Neu enthält als Wirkstoff das Zytostatikum
Busulfan, das Untersuchungen zu Folge eine systemische
Beeinträchtigung des Taubenorganismus bewirkt und aus
tierärztlicher Sicht einen Einsatz dieses Mittels als
nicht geeignet erscheinen läßt. Dieses Mittel ist inzwi
schen auch nicht mehr zugelassen.
Aus der US 36 29 390 ist eine Tierarzneimittel mit einer
Matrix bekannt, die allgemein als harte Kunststoffmatrix
mit abrasiven und erosiven Eigenschaften beschrieben
wird. Im Ausführungsbeispiel wird ein Epoxyharz genannt.
Die Wirkstoffe sind als Cluster eingebettet.
In der DE-AS 11 23 437 sind ferner als Wirkstoffmatrices
nicht quellende, gegenüber Magen-Darm-Säften resistente,
aber für Flüssigkeiten permeable Polymersubstanzen, wie
z. B. Polymethylmethacrylat genannt, wobei zur Erhöhung
der Permeabilität der Matrix wasserlösliche Substanzen
zugesetzt werden. Die Wirkstoffabgabe erfolgt hierbei
durch Diffusion/Erosion, wobei die Matrix unverändert
bleibt.
Ferner ist in Brockhaus ABC 1987 Chemie, Seite 910 Poly
methylmethacrylat als harte, gegenüber Wasser, Säuren,
Laugen beständige Substanz genannt, die u. a. in der
Medizin als Grundstoff für Zahnprothesen und Knochener
satz eingesetzt wird.
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt besteht mit den bekannten
Substanzen kein wirksames, tierschutzgerechtes Mittel zur
Verminderung der Taubenpopulation.
Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Tierarznei
mittel zur temporären Fortpflanzungshemmung von Stadttau
ben anzugeben, welches tierschutzgerecht und unter einer
langen Wirkungszeit eine sichere Reduzierung der Tauben
population ermöglicht.
Diese Aufgabe wird bei einem Tierarzneimittel nach dem
Oberbegriff des Anspruchs 1 durch die im Kennzeichen
angegebenen Merkmale gelöst.
Eine wesentliche Eigenschaft des erfindungsgemäßen Tier
arzneimittels ist die Fähigkeit, einen Wirkstoff kontrol
liert über einen längeren Zeitraum abgeben zu können.
Dadurch soll einerseits eine kurzzeitige Überdosierung
verhindert werden, die den Stoffwechsel und die natürli
chen Lebensgewohnheiten der Tauben beeinflußt, anderer
seits soll aber eine ausreichende Konzentration des Wirk
stoffes im Blut gewährleistet werden, damit die fort
pflanzungshemmenden Wirkungen auch zuverlässig eintreten.
Da angesichts der hohen Anzahl der zu behandelnden Tauben
eine geeignete Verabreichungsform des Tierarzneimittels
nur über das Futter gegeben ist, muß es so beschaffen
sein, daß es von den Tauben freiwillig aufgenommen wird
und im Taubenmagen längere Zeit, d. h. mehrere Monate ver
weilen kann. Die Erreichung einer so langen Verweildauer
stellt ein besonderes Problem dar, das von bisherigen
Arzneimitteln, die über den Verdauungstrakt verabreicht
wurden, nicht gelöst werden konnte. Erschwerend kommt
nämlich noch hinzu, daß im Magen von Tauben, wie
allgemein bei Vögeln, ständig eine größere Anzahl von
Grids, also kleinen Steinchen vorhanden ist, die durch
die Magenmuskulatur in Bewegung gehalten werden und den
Mageninhalt einer abrasiven Einwirkung aussetzen.
Das erfindungsgemäße Tierarzneimittel ist durch den als
harte, nicht-resorbierbare Matrix aus Polymethylmethacry
lat, auch als Knochenzement bezeichnet, ausgebildeten
Träger in der Lage, sowohl den chemischen Einwirkungen
der Magensäfte als auch den mechanischen Einwirkungen der
Grids besonders lange Zeit standzuhalten. Demgegenüber
haben sich andere, auch sehr harte polymere Materialien,
wie z. B. Polyhydroxybuttersäure/Hydroxyvaleriansäure
oder Polylaktid/Glykolid, als ungeeignet erwiesen, da sie
innerhalb von Tagen bzw. wenigen Wochen zermahlen wurden.
Die Unbedenklichkeit von Polymethylmethacrylat ergibt
sich daraus, daß dieser Stoff als Arzneimittelträger
bereits in der Humanmedizin verwendet wurde, allerdings
zu anderen Zwecken. Ein solcher Einsatz zur Freisetzung
von Antibiotika wurde bereits in der EP 01 57 910 be
schrieben. Dort kommt es aber nicht auf die den abrasiven
Kräften widerstehende Eigenschaft des Trägers an, sondern
vielmehr auf die Porigkeit der Substanz, wasserlösliche
Antibiotika innerhalb relativ kurzer Zeit, z. B. in offe
nen Wunden, abzugeben.
Die homogene Einlagerung des Wirkstoffes sorgt in Verbin
dung mit den Eigenschaften der Matrix dafür, daß der
Wirkstoff erst dann freigesetzt wird, wenn die Matrix
durch die abrasiven Einwirkungen allmählich in ihrer
Größe abnimmt.
Solange der Matrixkörper eine bestimmte Mindestgröße
nicht unterschritten hat, bleibt er aufgrund der physio
logischen Eigenschaften des Taubenmagens noch in diesem
enthalten und wird nicht vorzeitig durch den Pförtner in
den Darm entlassen und ausgeschieden.
Der fortpflanzungshemmende Stoff ist außerdem schwer
wasserlöslich. Zwar würde auch bei einem leicht wasser
löslichen Stoff eine verzögerte Freisetzung stattfinden,
da eine in den äußeren Schichten des Trägers entstehende
Erschöpfungszone ein Nachdiffundieren aus inneren
Schichten erschwert, bei einem schwer wasserlöslichen,
fortpflanzungshemmenden Stoff wird die Freisetzung jedoch
ausschließlich durch den mechanischen Abrieb der Matrix-
Schichten ermöglicht.
Eine Weiterbildung der Erfindung sieht vor, daß der
Träger die Größe und Form eines Maiskorns besitzt.
Dadurch ist sichergestellt, daß andere Vögel, z. B.
kleine Singvögel, davon abgehalten werden, dieses Tier
arzneimittel aufzunehmen. Zum anderen wird erreicht, daß
die Tauben ein derartiges Arzneimittel bevorzugt fressen
und außerdem gewährleistet ist, daß es entsprechend lange
im Taubenmagen verweilt, bis durch die Einwirkung der
abrasiven Grids schließlich eine Größenreduzierung
erreicht ist, die einen Übergang in den Darmtrakt des
Tieres ermöglicht.
Vorzugsweise weist der Träger einen gefärbten und mit
Geschmacksstoffen versehenen Überzug auf.
Dadurch wird erreicht, daß dieses Tierarzneimittel nicht
nur kurzfristig eingenommen und anschließend gemieden
wird, sondern daß die Tauben es wiederholt zu sich nehmen
werden und damit auch eine mehrmalige Verabreichung über
mehrere Jahre ermöglicht wird.
Als bevorzugter Wirkstoff hat sich ein Steroidhormon oder
eine Mehrzahl oder eine Kombination von Steroidhormonen
geeignet erwiesen. Dabei kommen Levonorgestrel und
Ethinylestradiol in Frage. Bei einer bevorzugten Ausge
staltung enthält ein Pellet des Tierarzneimittels eine
Menge von 0,3 mg Levonorgestrel und 0,1 mg Ethinylestra
diol.
Diese Wirkstoffe beeinflussen die Fortpflanzung aber
schädigen nicht den Organismus der Taube. Sie sind daher
als tierschutzgerechte Wirkstoffe anzusehen.
Außer Hormonwirkstoffen kommen auch zusätzlich oder
ausschließlich andere in Frage, die die Fortpflanzung
beeinträchtigen, in dem sie z. B. die Eischalbildung
hemmen. Hierbei kann es sich um Substanzen handeln, die
dies über den Kalzium-Stoffwechsel beeinflussen.
Die erfindungsgemäße Ausführung des Tierarzneimittels
ermöglicht so eine kontrollierte Freisetzung von Wirk
stoff, der zu einer wirksamen Dosierung führt, aber eine
Über- oder Unterdosierung vermeidet. Dabei tritt die
Freisetzung des Wirkstoffes nicht über eine Diffusion,
sondern über Abrasion ein.
Weiterbildungen und vorteilhafte Ausgestaltungen der Er
findung ergeben sich aus den Ansprüchen, der Beschreibung
und der Zeichnung, die ein Ausführungsbeispiel veran
schaulicht.
Die Zeichnung zeigt einen Querschnitt durch ein Pellet
eines Tierarzneimittels gemäß der Erfindung.
In Fig. 1 ist ein Pellet eines Tierarzneimittels darge
stellt, das die Form und Größe eines Maiskorns besitzt.
Das Tierarzneimittel besteht aus einem Träger 10 aus
einer harten, nicht-resorbierbaren Matrix, in der ein
Wirkstoff 12 eingelagert ist. Der Wirkstoff 12 ist homo
gen innerhalb der Matrix 10 verteilt und besteht aus
einem schwer wasserlöslichen fortpflanzungshemmenden
Stoff.
Bei der Matrix handelt es sich um ein Polymethylme
thacrylat, das nicht resorbierbar ist. Diese Matrix ist
außerdem in der Lage, mehrere Monate den abrasiven
Kräften von Grids im Taubenmagen zu widerstehen. In der
Zeichnung sind diese abrasiven Kräfte durch Pfeile
angedeutet, die auf die Oberfläche des Trägers 10
einwirken.
Der Träger 10 weist ferner einen gefärbten und mit Ge
schmacksstoffen versehenen Überzug 14 auf. Dieser Überzug
14 dient lediglich dazu, das Tierarzneimittel für die
Taube als akzeptables Futter auszuweisen. Im Taubenmagen
wird der Überzug 14 dann sehr schnell von den Grids abge
rieben.
Das hier dargestellte Pellet eines Tierarzneimittels ent
hält als Wirkstoffe 0,3 mg Levonorgestrel und 0,1 mg
Ethinylestradiol. Bei der Herstellung wird handelsübli
cher Knochenzement verwendet. Die Hormone Levonorgestrel
und Ethinylestradiol werden homogen mit den Einzelkompo
nenten des zu polymerisierenden Gemisches vermischt.
Anschließend wird die zähflüssige Masse in eine dem Mais
korn entsprechende Form gefüllt und dort über ca. eine
halbe Stunde belassen. Nach dem Aushärten können die fer
tigen maiskorngroßen Pellets aus der Form entnommen
werden. Zur Verbesserung der Aufnahme durch die Tauben
werden sie in einem weiteren Herstellungsschritt mit
einem Überzug versehen. Dieser Überzug verleiht den
Pellets ein für die Taube farblich und geschmacklich
attraktives Aussehen.
Derartige Pellets können nun zusammen mit anderem Futter
als Köder ausgelegt und so den Stadttauben verabreicht
werden. Dabei ist es aus Tierschutzsicht unbedenklich,
wenn eine Taube mehrere dieser Pellets aufnimmt, da eine
Überdosierung wegen der besonderen Art der Freisetzung
nicht zu erwarten ist.
Versuche haben gezeigt, daß mit einer etwa 6-monatigen
Verweildauer der Pellets im Taubenmagen zu rechnen ist.
Da die Wirkstoffabgabe praktisch mit der Abrasion der
Pellets erfolgt, ist auch über diesen Zeitraum mit einer
gleichmäßigen Wirkstoffkonzentration im Organismus zu
rechnen. Entsprechende Aktionen zur Verabreichung dieses
Tierarzneimittels müssen also lediglich etwa in halbjähr
lichen Folgen vorgenommen werden.
Die Wirkung des erfindungsgemäßen Tierarzneimittels
beruht darauf, daß über eine hormonelle Steuerung bei
weiblichen Tieren eine temporäre Sterilisation eintritt
und männlichen Tieren der Paarungstrieb vermindert wird,
während das sonstige Befinden und damit die übrigen
Lebensgewohnheiten nicht beeinflußt werden. Eine Vermin
derung der Taubenpopulation tritt dann allmählich durch
die natürliche Sterblichkeit ein, die nicht mehr durch
extreme Vermehrung überkompensiert wird.
Claims (9)
1. Tierarzneimittel zur temporären Fortpflanzungs
hemmung von Stadttauben, bestehend aus einem Träger (10)
aus einer harten, nicht-resorbierbaren Matrix, in der als
Wirkstoff (12) wenigstens ein fortpflanzungshemmender
Stoff eingelagert ist, dadurch gekennzeichnet, daß der
fortpflanzungshemmende Stoff schwer wasserlöslich und in
die aus Polymethylmethacrylat bestehende Matrix homogen
eingelagert ist, wobei die Freisetzung des fortpflan
zungshemmenden Stoffes ausschließlich durch Abrasion der
Matrix im Taubenmagen erfolgt.
2. Tierarzneimittel nach Anspruch 1, dadurch gekenn
zeichnet, daß der Träger (10) die Größe und Form eines
Maiskorns besitzt.
3. Tierarzneimittel nach Anspruch 1 oder 2, dadurch
gekennzeichnet, daß der Träger (10) einen gefärbten und
mit Geschmacksstoffen versehenen Überzug (14) aufweist.
4. Tierarzneimittel nach einem der Ansprüche 1 bis 3,
dadurch gekennzeichnet, daß der Wirkstoff (12) ein
Steroid-Hormon oder eine Kombination von Steroid-Hormonen
ist.
5. Tierarzneimittel nach Anspruch 4, dadurch gekenn
zeichnet, daß die Steroid-Hormone Levonorgestrel und
Ethinylestradiol sind.
6. Tierarzneimittel nach Anspruch 5, dadurch gekenn
zeichnet, daß der Wirkstoff (12) eine Menge von etwa 0,3
mg Levonorgestrel und etwa 0,1 mg Ethinylestradiol
enthält.
7. Tierarzneimittel nach einem der Ansprüche 4 bis 6,
dadurch gekennzeichnet, daß der Wirkstoff (12) zusätzlich
eine oder mehrere andere, die Fortpflanzung beein
trächtigende Substanz(en) umfaßt.
8. Tierarzneimittel nach Anspruch 7, dadurch gekenn
zeichnet, daß der Wirkstoff (12) zusätzlich eine oder
mehrere den Kalzium-Stoffwechsel beeinflussende Sub
stanz(en) umfaßt.
9. Tierarzneimittel nach einem der Ansprüche 1 bis 3,
dadurch gekennzeichnet, daß der Wirkstoff (12) eine den
Kalzium-Stoffwechsel beeinflussende Substanz oder eine
Kombination dieser Substanzen ist.
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1992
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