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Verfahren zur Herstellung von Formstücken aus Azetylzellulose. Bekanntlich
ist es schon vor längerer Zeit gelungen, Azetylzellulose mit Kampferersatzmitteln
bei Gegenwart von flüchtigen Lösungsmitteln in gleicher Weise wie Nitrozellulose
mit Kampfer durch intensive mechanische Verarbeitung im Knetapparat und auf der
Mischwalze zu plastischen Massen zu verarbeiten, welche, zu Platten und Stäben geschnitten,
beim allmählichen Verdunsten des Lösungsmittels durch längeres - bei größeren Stärken
monatelanges - Austrocknen ein zelluloidartiges und dem Zelluloid gleichwertiges
Material bilden.
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Dagegen ist es nicht möglich gewesen, die Azetylzellulose zu Formstücken
zu pressen, wie dies mit anderen pulverförmigen Materialien, insbesondere mit Hartgummi,
ohne weiteres gelingt, so daß das große Gebiet der Herstellung gepreßter und geformter
Gegenstände, Apparateteile, Isoliermaterialien, ja sogar dasjenige der Fabrikation
von hartgummiartigen Arbeitsstücken größerer Dimensionen (Zylindern, dickwandigen
Röhren, Würfeln usw.) der Azetylzellulose bisher verschlossen war. Man hat zwar
versucht, Azetvlzellulose mit Kampferersatzmitteln von besonders gut lösenden Eigenschaften
ohne :Anwendung eine flüchtigen Lösungsmittels mittels der Knetmaschine zu bearbeiten,
um auf diese Weise ein Material herzustellen, welches nicht einem langwierigen Trockenprozeß
unterworfen zu werden braucht, doch ließ sich dieser Prozeß nur bei Gegenwart solch
großer @@'Icngr@i Kampferersatzmittel durchführen, daß keine harte, sondern eine
weiche, biegsame Masse entstand, Es wurde auch versucht. unter Verzicht auf eine
mechanische Durchmischung im Knetapparat Azetylzellulose unter Druck zu formen,
indem man sie beispielsweise bei Gegenwart von nicht lösenden Flüssigkeiten im Autoklaven
unter erhöhtem Druck erwärmte. Hierbei entstand jedoch nur eine poröse, meerschaumartige
Masse. Ebensowenig führten Versuche, frisch gefällte Azetylzellulose in gequollenem
Zustande in Abwesenheit von lösenden hampferersatzinitteln in Formen zu pressen.
zu einem Resultat, da hierbei nur Produkte von ganz ungenügender Festigkeit entstanden.
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Es hat sich nun die überraschende Tatsache herausgestellt. daß, wenn
man feinkörnige oder besser noch gemahlene AzetvIzellulose in trockenem Zustande
unter starkem Druck, beispielsweise einem- solchen von i ooo kg pro Quadratzentimeter,
und bei einer Temperatur, welche nahe am Zersetzungspunkt der Azetylzellulose liegt,
mittels einer hvdra._ilischen oder anderen Presse stark zusammenpreßt und den Preßling
unter Druck erkalten läßt, man Formstücke von großer mechanischer Festigkeit erhält,
ohne daß eine partielle Zersetzung der Azetylzellulose eingetreten @t-äre, wie sie
beim Erhitzen derselben ohne oder bei geringem Druck stets eintritt. loch leichter
und bei niedrigerer Temperatur, z. B. einer solchen von i _#o°. sowie niedrigerein
Druck verläuft die Reaktion, wenn mau der Azetvlzellulose Spuren, beispielsweise
a bis Prozent von indifferenten Substanzen, beimischt, welche unterhalb der angewandten
Temperatur sieden, wie Wasser, Alkohol usw.,
oder auch festen Körpern
mit hohen 1)anipftensionen, wie \aplithalin, Kampfer usw. Die Dämpfe dieser flüchtigen
Substanzen scheinen eine innere Berührun (r und Verklebung der rinzelnen A@etatkcirner.
vielleicht durch Atsireibuni der zwischen denselben vorhandenen Luftschichten. zu
bewirken und die Vereinigung des Preßgutes zu einer kompakten Masse zu fördern.
Eigentümlicherweise wird die gleiche Wirkung erzielt. wenn man (las Azetylzellulosepulver
mit anderen indifferenten feinkörnigen, jedoch nicht flüchtigen Substanze:l. wie
Mineralpulvern, vor der Verpressung vermischt. Auch hierdurch wird der Preßprozeß
erleichtert und die Gleichmäßigkeit und Festigkeit des Preßlings erhöht. obschon
man in Anbetracht der durch die Fremdkörper verursachten Pressung der einzelnen
Azetatkörner die gegenteilige Wirkung, nämlich das Ent->tehen einer leicht zerfallenden,
bröckeligen Masse erwarten soll. Man kann, insbesondere wenn man auch gleichzeitig
- wie oben beschrieben - spurenweise flüchtige Körper hinzumischt, die Azetylzellelose
mit sehr großen Mengen, z. B. mit ioo Prozent Mineralpulvern, verpressen.
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Diese Methode leidet iedoch an dem l`.bel-<tande, daß relativ hohe
Temperaturen und Drucke erforderlich sind, daß ein Erkalten unter hohem Druck notwendig
ist, um ein Aufblähen und Auftreiben der Masse zu verhindern und das Austreiben
aus der Form zu ermöglichen, und daß ferner bei dickeren Formstücken, etwa bei Zylindern
von Zoo min Durchmesser, eine vollkommene Homogenität ini Innern des Formstückes
schwer zu erzielen .st.
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Es hat sich nun weiterhin die überraschende Tatsache ergeben, daß,
wenn man diese durch die erste Pressung erzielte harte und meist etwas spröde Masse
zerkleinert und die einzelnen Bruchstücke nochmals dem Preßprozeß unterwirft, oder
besser noch, wenn man dieselben pulverisiert und dieses Pulver wiederum einer Pressung
unter Erwärmung unterwirft, inan nicht nur ein auch im Innern vollkommen lioniogenes
Preßgut erhält, sondern daß sich die Bruchfestigkeit und Zähigkeit des 'Materials
außerordentlich erhöht hat. Diese Zerlegung des Preßprozesses in drei Phasen läßt
sich unter Vermeidung des Erkaltenlassens unter Druck dadurch vereinfachen, daß
man die erste Druckform mit Öffnungen, wie Düsen ()aer Schlitzen von kleinem Ouerschnitt,
versieht, durch welche das Preßgut noch heiß in dünnen Fäden oder Bändern ausgestoßen
wird. Hierbei wird durch die plötzliche Druckentlastung nicht nur die kompakte Preßmasse
auf-"etrieben und gelockert, so daß sie sich mit Leichtigkeit zerkleinern läßt,
sondern es wird auch den geringen Beimischungen an flüchtinen Lösungsmitteln die
1vlöglichkeit gegeben. noch heiß in Dampfform auszutreten, so daß das zerkleinerte
Preßgut in absolut trockenem 7ustande gewonnen wird. Die; ist- für die Festigkeit
der endgültigen Preßforin von großem Wert, (1a nur durch flie Abwesenheit jeglichen
flüchtigen Lösungsmittels die Gewähr für absolute Unveränderlichkeit, d. h. las
Nichteintreten irgendwelcher Schrumpfung, gegeben ist. Gegebenenfalls kann auch
noch eine scharfe Nachtrocknung des zerkleinerten Preßgutes erfolgen, urn jede Spur
Feuchtigkeit vor der endgültigen Pressung auszutreiben.
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:11s weiterer Vorzug der Zerlegung des Preßprozesses in drei Phasen:
a) Pressung. 1i) Zerkleinerung unter nochmaliger :Mischung und c). nochmalige endgültige
Pressung, hat sich die Tatsache ergeben, däß es einerseits ,möglich ist. das Preßpulver
der zweiten Phase nochmals mit weiteren Mengen von Füllmaterialien zu mischen, wobei
auch Füllmaterialien anderer Art und anderer (gröberer) Körnung, wie die bei der
ersten Pressung "angewandten. benutzt werden können, und daß andererseits die Pressungen
unter viel niedrigerem Druck und bei viel niedrigerer Temperatur erfolgen können
als bei einer nur einmaligen Pressung, ilaß das Erkalten nur bei ganz. geringem
Druck .u erfolgen braucht und daß eine Ausstoßung des Formstückes schon in der Wärme
bei etwa 6o°, ohne daß ein Auftreiben des Formstückes eintritt, möglich ist.
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Naturgemäß ist es auch möglich, das Verfahren statt unter Zusatz von
indifferenten Substanzen, wie Naphthalin, unter Beiinischung von solchen Körpern
auszuführen. welche imstande sind, die Azetylzellulose zu plastifizieren, also von
sogenannten Kampferersatzmitteln, von hochsiedenden Lösungsmitteln oder von organischen
schmelzbaren Körpern. Man kann j e nach der Menge und der Art dieser Beimischungen
den Härtegrad und die Zähigkeit der Preßlinge beliebig variieren. Die Möglichkeit,
derartige Plastifizierungsmittel zuzumischen, ohne daß bei den hohen Preßtemperaturen
eine Zersetzung eintritt, ist ebenfalls überraschend, denn es ist bekannt, daß die
mit Hilfe derartiger Substanzen nach den bisher üblichen Verfahren hergestellten
plastischen Massen schon bei 70 bis 80° erweichen und bei etwa ioo° unter
Entwicklung von Dämpfen sich zu verändern, bei nur wenig höherer Temperatur sich
zu zersetzen beginnen. Diese Zersetzung wird unter den vorliegenden Bedingungen
vollkommen vermieden und tritt bei dem hohen Druck, selbst bei Temperaturen von
i6o bis i8o°, nicht ein. '?s entstehen auch keine plastischen, bei unter ioo" weich
werdenden, sondern ,ehr harte, temperaturbeständige Preßstücke. Ein @'orzug der
Anwendung von Plastifizierungsmitteln
liegt darin, dali die Temperatur
bei der Pressung wesentlich niedriger gehalten werdvii kann als bei reiner Azetylzellulose,
da die Plastifizierungsinittel @lie \"ereinigung der einzelnen Az<#tatlciirncr
und die vollkoininenc Austreibung der Luft aus dein Preßmaterial erleichtern. -Infolgedessen
kann schon bei einer Temperatur von - i io° und bei dein hohen Druck (von etwa 2ooo
kg) und andererseits bei einer Temperatur von i .;o' und einem Druck, von 5oo kg
ein homogenes Produkt erhalten werden. Nioch günstiger liegen die Verhältnisse,
wenn man hei Gegenwart von Plastifizierungsmitteln nach dem Dreiphasenverfahren
arbeitet, weil dann bei der ersten Pressung keine Homogenität, sondern mir eine
Verdichtung des Materials erzielt zu werden braucht. so daß auch für die erste Pressung
mittlerer Druck (etwa 500 kg) -ausreicht.
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Ein besonderer Vorzug des Dreiphasenverfahrens ist der, daß man dein
Preßpulver ganz überraschend große Mengen von Füllmaterialien, z. B. .40o bis 6oo
Prozent der angewandten Azetvlzellulose. beimischen kann, ohne die Festigkeit der
Formstücke zu beeinträchtigen, ja, im Gegenteil, unter erheblicher Steigerung derselben.
Bei diesen Mengen bildet die Azetylzellulose gewissermaßen nur das Bindematerial
:für die Füllkörper und lassen sich auf diese Weise mit Hilfe von relativ geringen
Mengen Azetvlzellulose aus den verschiedenartigsten 1Iaterialieii, wie Mineralpulvern,
Asbestfasern, Korkschrot, Holzmehl, Lederabfällen usi% :, Formstücke oder Arbeitsgut
von großer Verschiedenheit und hohem technischen Wert herstellen.
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Zur ersten Pressung benutzt man zweckmäßig, uni ein leichtes Ausstoßen
zu ermöglichen, zylinder- oder würfelförmige Preßformen, so daß der erste Preßling
in Zylinder-oder Blockform erhalten wird.
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Die zweite Preßform kann dann in der endgültigen Form des zu erzeugenden
Gegenstandes modelliert, gegebenenfalls poliert werden; und es werden alle Details
durch die Pressung, selbst die feinsten Gewinde, mit absoluter Genauigkeit wiedergegeben.
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Durch Einlage von Kernstücken ist es möglich, in den Preßlingen Hohlräume
auszusparen, ebenso können Kernstücke Stäbe, Röhren usw. umpreßt werden, und man
kann auch Einlagen oder Formstücke aus anderem @1aterial, wie beispielsweise Holz,
Hartgummi, Ernolitli, mit mehr oder weniger dicken Schichten von Azetvlzellulose
umpressen.
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Das Wesentliche des neuen Verfahrens besteht also in der Erzeugung
von Formstücken und Preßlingen (welche keiner weiteren Austrocknung bedürfen, sofort
nach der Herstellung verwendungsfähig oder bearbeitungsfähig sind, keine flüchtigen
Lösungsmittel enthalten und infolgedessen keine Schrumpfung oder Veränderung der
Abmessungen zeigen, große 1,i-uchfestigleit, geringe Plastizität und hohe Wärmebeständigkeit
besitzen) durch Pressung von Azetvlzellulose in fein verteilter Forni unter hohem
Druck und bei hoher Temperatur, gegebenenfalls in Mischung finit Plastifizierungsmitteln
mit oder ohne Zufügung von Füllmaterialien und zweckmäßig bei Anwesenheif von sehr
geringen Mengen von indifferenten flüchtigen bzw. leicht verdampfenden Substanzen,
ohne einen mechanischen \lisch-, Knet-oder Walzprozeß. Das Verfahren kann in einem
Arbeitsgange ausgeführt werden unterhohem Druck, hei hoher Temperatur und unter
Erkalten des Preßa tes unter Druck, wird aber zweckmäßig in drei Phasen zerlegt:
a) in eine Vorpressung bei mittlerem Druck und mittlerer Temperatur, b) in eine
mechanische Zerkleinerung und Durchmischung, -c) in eine endgültige Pressung bei
geringerem Druck und geringerer Temperatur. Diese letzte Phase, die endgültige Verarbeitung
des Preßgutes zu geformten Gegenständen, kann zeitlich und örtlich getrennt von
der ersten Pressung erfolgen, insofern das aus der ersten Phasen resultierende Preßpulv
er ohne Schwierigkeit mit Hilfe von einfachen Handpressen in beliebigen Formen und
an beliebigen Arbeitsstätten von Dritten verarbeitet werden kann, worin ein großer
Vorzug vor verwandten Industriezweigen, wie der Zelluloid- und Zellonindustrie,
wie der Gummiindustrie usw., liegt, welche an ihre Fabrikationsstätten gebunden
sind und große maschinelle Einrichtungen erfordern.