DE3822922C2 - Verfahren zur Abtrennung von Schwermetallen aus Abwässern durch Sulfidfällung mittels Calciumpolysulfid - Google Patents
Verfahren zur Abtrennung von Schwermetallen aus Abwässern durch Sulfidfällung mittels CalciumpolysulfidInfo
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Description
Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Abtrennung von
Schwermetallen aus Abwässern durch Sulfidfällung mittels
Calciumpolysulfid.
Schwermetalle finden in breiten Bereichen der modernen
Volkswirtschaft Verwendung. Zum Schutze vor Korrosion
und zur Verschönerung werden Metalle und Kunststoffe
mit Zink, Chrom, Nickel, Kupfer, Cadmium, Zinn und
Silber überzogen. Zur Speicherung von Elektrizität
werden Blei, Nickel, Cadmium in Batterien und Akkumu
latoren in großen Mengen eingebaut. In Ruß und Schlacken
nach Verbrennung von Mineralöl reichert sich Vanadin,
im Prozeßwasser von Papierfabriken Selen an. Viel
Quecksilber wird in Form von Amalgam in Zahnarzt
praxen aber auch zur Herstellung von Thermometern
und anderen Meßinstrumenten verbraucht, um nur einige
Beispiele zu nennen.
Nach Erfüllung ihrer Aufgaben gelangen die Schwerme
talle in den Müll und die Abwässer. Im Gegensatz zu
organischen Schadstoffen können Schwermetalle, alle
samt giftig, nicht durch biologischen Abbau oder Ver
brennung vernichtet, d.h. in harmlose Substanzen um
gewandelt werden. Sie können nur durch Zusatz geeig
neter Mittel, in der chemischen Fachsprache Fällungs
mittel genannt, im Wasser unlöslich gemacht und als
Schlamm aus dem Wasser entfernt werden. In höheren
Konzentrationen kommen Schwermetalle überwiegend in
sauren Wässern vor, da diese säurelöslich sind.
Bei der Neutralisierung, d.h. durch Zugabe von Ätz
natron, Ätzkali, Kalk, Salmiak, u.ä.m. zum Wasser,
fallen sie zum großen Teil als Hydroxide aus; es sei
denn, sie liegen komplexgebunden vor oder bilden al
kalische Salze, wie Chromate, Zinkate, Stannate u.ä.m.
Alle Schwermetalle können jedoch durch irgendwelche Um
stände Komplexe bilden, sei es mit Phosphaten und sog.
Komplexbildnern, wie EDTA und NTA, die aus Waschmitteln
stammen, sei es durch Salmiak und seine Salze, die etwa
aus menschlichen und tierischen Ausscheidungen ins Ab
wasser gelangen. Auch die Pflanzenwelt erzeugt Komplex
bildner, wie z.B. Citronensäure und andere Obstsäuren
und deren Salze, das Blattgrün Chlorophyll, oder die
Siderophore von Bakterien.
Die alkalische, hydroxidische Fällung hat somit nach
stehend aufgeführte, gravierende Nachteile.
Komplexgebundene Schwermetalle werden nicht gefällt.
Bei Fällungsmittelüberschuß können einzelne Schwerme
talle wieder aufgelöst werden. Auf Deponien verbracht,
können basisch gefällte Schlämme etwa durch sauren Re
gen oder Komplexbildung irgendwelcher Art wieder in das
Wasser gelangen. Nach der Fällung verbleiben - bedingt
durch ihre Löslichkeit - geringe Reste im Wasser gelöst.
Diese Restlöslichkeit, in der Chemie häufig als Löslich
keitsprodukt formuliert und datiert, bildet die natürliche
Grenze eines jeden Fällungsprozesses. Die Löslichkeitsproduk
te der Schwermetallhydroxide übersteigen in manchen Fällen,
z.B. bei Cadmium, die gesetzlich vorgegebenen Restwerte.
Die Löslichkeitsprodukte sind auch eher als theoretische
Werte zu betrachten, da diese unter idealen Bedingungen
ermittelt wurden. Die in der Praxis zu behandelnden Ab
wässer liegen jedoch selten in idealem Zustand vor. Zu
meist sind sie mit löslichen Verbindungen, wie Chloriden,
Nitraten und anderen löslichen Salzen von Natrium, Kalium
oder Ammonium belastet. Die Ballastsalze erhöhen in der
Regel noch die Restlöslichkeit der Schwermetalle. Ferner
bilden frischgefällte, hydroxidische Niederschläge etwa
mit Hilfe von Ballastionen leicht hartnäckige, kolloi
dale Lösungen. Der Restmetallgehalt des behandelten Wassers
wird somit um einen weiteren Betrag, der vom Löslichkeitspro
dukt außer acht gelassen wird, erhöht. Billige Fällungs
mittel, ebenfalls Verursacher der kolloidalen Auflösung,
werden in der Praxis gerne im Überschuß angewandt, um die
ungenügende alkalische Fällung zu verbessern. Dies wird
durch behördliche Vorschriften noch begünstigt, die Rest
alkalitäten bis zu pH 10, offensichtlich im Hinblick auf
sauren Regen, im Abwasser zulassen. Gesetzliche Auflagen
für Schwermetallrestgehalte in Abwässern, von Jahr zu Jahr
verschärft und allmählich auch effizienter kontrolliert,
können mit alkalisch-hydroxidischer Fällung nicht mehr
erfüllt werden.
Weiterhin ist bekannt, daß die sulfidische Fällung, d.h.
die Abtrennung der Schwermetalle mit Schwefelwasserstoff
oder löslichen Sulfiden, wie Natriumsulfid und Ammonium
sulfid, im sauren Medium wesentlich wirksamer
ist als die alkalisch-hydroxidische.
Wie groß aber der Unterschied zwischen den beiden Fällungs
arten ist, verdeutlicht Tabelle 1.
Die Differenz der Löslichkeitsprodukte liegt zwischen 10-7
und 10-14. Überschlägig umgerechnet liegen Restmetallgehalte
aus Hydroxiden zehntausend bis zehnmillionen mal höher als
die aus Sulfiden (in Mol/l). Hinzu kommen noch weitere,
nachstehend angegebene Vorteile:
Sulfidisch können Schwermetalle auch aus ihren Komplexen
gedrängt und gefällt werden. Sie können durch saure Wässer
nicht wieder in Lösung gelangen, da sie aus Säure gefällt
wurden.
Trotz ihrer potentiellen Vorteile und Möglichkeiten hat
die sulfidische Fällung bisher keinen allgemeinen Eingang
in die Technik gefunden. Hierfür sind die nachstehend an
gegebenen, ebenfalls gravierenden Nachteile dieses Ver
fahrens verantwortlich.
Schwefelwasserstoff ist gasförmig und infolge Giftigkeit
und Explosionsgefahr unter gegebenen Umständen praktisch
nicht zu handhaben. Lösliche Sulfide, wie Natrium-, Kalium-
oder Ammonium-Sulfid, geben bei der Zudosierung zum sauer
eingestellten Abwasser sehr schnell, wenn nicht sogar
schlagartig, Schwefelwasserstoff frei. Somit besteht die
Gefahr einer giftigen Gaswolke, wenn zu schnell dosiert
oder gar überdosiert wird. Der Sicherheitsabstand ist
zu gering, Fehler sind nicht zulässig. Nur durch großen
apparativen Aufwand und/oder chemisch geschultes Perso
nal läßt sich diese Gefahr mindern. Eine Forderung, die
nicht realisierbar ist, wenn man bedenkt, an wieviel
verschiedenen Stellen metallhaltige Abwässer in der Wirt
schaft zu behandeln sind.
Um die Nachteile der sulfidischen Fällung zu vermeiden
ist es bekannt organische Schwefelverbindungen zu ver
wenden, wie beispielsweise Xanthogenate und Trimethyl
triazin, allerdings mit dem Nachteil, daß eine relativ
große organische Masse eingesetzt werden muß, was bei
Xanthogenaten zu einem erhöhten apparativen Aufwand
(größere Filterflächen, Absatzbecken) führt. Mit Trime
thyltriazin können keine dreiwertigen Schwermetalle,
z.B. Chrom III, gefällt werden. Es wird in alkalischem
Medium gefällt, wodurch die Gefahr der anionischen Wie
derauflösung (z.B. Zink, Chrom durch Natron) sowie die
der Komplexbildung (z.B. durch Ammoniak) nicht oder
nur schwer zu beseitigen ist.
Alle diese bekannten Verfahren einschließlich der hy
droxidischen Fällungen und Behandlungen mit Montmorillo
nit und anderen Tonmineralien haben den Nachteil, daß
sie komplexgebundene Schwermetalle, insbesondere sol
che mit hohen Beständigkeitskonstanten, wie z.B. EDTA-
Komplexe, die sehr häufig vorkommen, nicht oder nicht
ohne zusätzlichen Aufwand an Material oder Apparatur
fällen können.
Das gleiche gilt für anionisch gebundene Metalle, die
entweder als solche im Abwasser vorliegen, oder durch al
kalische Behandlung wieder aufgelöst werden können. Sie
sind entweder amphoter, wie Zinkate, Plumbate (Blei),
oder können zu höheren Oxidationsstufen oxidiert wer
den, wie Chromate, Vanadate, und werden dadurch alka
lisch löslich. Letztere können sogar in saurem Medium
Bestand haben, es sei denn, sie werden reduziert.
Ein besonders umweltrelevanter Fall ist die Chromatent
giftung etwa in den Abwässern der Automobilindustrie.
Sie wird in zwei wesentlichen Verfahrensschritten durch
geführt: Reduktion mit Natriumsulfit und hydroxidischer
Fällung. Bei sulfidischer Fällung im sauren Medium wird
nur ein Verfahrensschritt und ein Fällungsmittel benötigt,
was ein Vorteil ist, wenn Chromate allein im Abwasser vor
liegen. Zunehmend werden aber Abwässer aus verschiedenen
Betriebsteilen zusammengeführt, um in einer gemeinsamen
Endstufe behandelt zu werden. Aus gegenseitigen Neutrali
sierungen, Verdünnungen und Fällungen der Wässer ver
schiedener Provenienz entsteht ein Sammelabwasser, das
mehrere Schwermetalle kationisch, anionisch oder kom
plexiert enthält. Trotz Verdünnungen können Restmetall
gehalte zehn- bis tausendfach höher liegen als die ge
setzlich vorgeschriebenen Werte.
Wie vorstehend dargelegt, sind im heutigen Stadium der
Umweltvorsorge sulfidische Mittel und Verfahren zur Schwer
metallabscheidung aus Abwässern nicht mehr wegzudenken,
ja sie werden volkswirtschaftlich dringend benötigt,
allerdings nur mit einer in das System integrierten
Sicherheitsbarriere, die die Abgabe des gefährlichen
Schwefelwasserstoffes in die Atmosphäre auf ein erträg
liches Maß reduziert. Lösliche Sulfide zu sauren Medien
dosiert, wandeln sich sekundenschnell in Schwefelwasser
stoff um, wenn sie von vorhandenen Schwermetallen nicht
gefällt werden.
Schwefelwasserstoff ist giftig und explosionsgefährlich,
vergleichbar mit Cyanwasserstoff. Im Gegensatz zu letzterem
verrät sich dieser jedoch frühzeitig durch seinen intensi
ven Geruch. Durch Tabelle 2 sollen die Gefahren und das
erträgliche Maß verdeutlicht werden. Die Zahlenwerte sind
in ppm., d.h. in Teilen Schwefelwasserstoff pro Million-Teilen
Luft, angegeben.
Geruchsschwelle der menschlichen Nase|0,1 bis 0,2 | |
sehr scharfer, kaum erträglicher Geruch | 3 bis 5 |
Schwellenwert (MAK) | 10 |
Ernsthafte Augenverletzung (Gasauge) | 50 bis 100 |
Geruchslähmung | 150 bis 250 |
Lungenödem, unmittelbare Lebensgefahr | 300 bis 500 |
sofortiger Zusammenbruch mit Atemlähmung | 1000 bis 2000 |
Wie ohne weiteres ersichtlich, liegen keine tückischen
Wirkungen vor. Der Sicherheitsabstand zwischen Wahr
nehmung und ernsthafter Verletzung beträgt 50/0,2 = 250(fach),
wobei davon ausgegangen werden kann, daß vorher jedermann
fliehen wird. Der Geruch von Schwefelwasserstoff ist un
angenehm, aber nicht gefährlich.
Es gilt also zu verhindern, daß Schwefelwasserstoff plötz
lich und in größeren Mengen, sozusagen schlagartig, frei
wird, und zwischen Wahrnehmung und der gefährlichen Dosis
keine Zeit mehr zum Fliehen verbleibt.
Bekannte sulfidische Verfahren versuchen daher auch die
ses Gefahrenmoment auszuschalten, allerdings mit geringem
Erfolg und zumeist mit vergleichsweise großem Aufwand.
Die DE-OS 32 45 314 beschreibt ein Verfahren, nach dem ein
lösliches Sulfidprodukt im Unterschuß - gemessen an der
stöchiometrisch erforderlichen Menge zur Fällung aller
Schwermetalle - eingesetzt wird, um alle Sulfidionen
garantiert abzuscheiden und auch um den Geruch gänzlich zu
binden. Zur Kontrolle und Regelung des Prozesses wird ein
Meßinstrument für Sulfid und Schwefelwasserstoff unter
halb bzw. oberhalb des Flüssigkeitsspiegels vorgeschlagen.
Auch bei diesem Verfahren entsteht der unangenehme Geruch
des Schwefelwasserstoffs, da die sulfidischen Fällungs
mittel unterhalb des Flüssigkeitsspiegels zugesetzt wer
den. Dieses bekannte Verfahren erfordert eine genaue
Kenntnis der Schwermetallgehalte zu jeder Zeit und damit
einen sehr hohen analytischen Aufwand. In Richtung einer
sicheren Verhinderung eines Schwefelwasserstoffunfalles
ist aber nur ein kleiner Schritt getan. Überdosieren kann
man auch bei 2/3 der Sulfidmenge, wenn etwa durch einen
betrieblichen Fehlgriff das Zulaufwasser keine Schwer
metalle enthält. In dieser Literaturstelle wird eine
Reihe von Merkmalen der sauer bis schwach alkalischen
Sulfidfällung für sich beansprucht, wie z.B. die Grup
penfällung in verschiedenen pH-Bereichen oder der Ein
satz von billigen, trivialen Fällungsmitteln, wie Natrium
sulfid, Ammoniumsulfid ect.
Durch die DE-OS 32 42 189 ist ein Verfahren bekannt, nach
dem das komplexgebundene Schwermetall zunächst durch Zu
gabe eines nicht toxischen Metalls, z.B. Eisen, aus dem
Komplex verdrängt und danach sulfidisch gefällt wird. Die
Fällung erfolgt im alkalischen Medium, in dem fein ver
teilt schlecht filtrierbare Sulfidniederschläge entstehen
können. Aus diesem Grunde werden Filterhilfsmittel, wie
Aktivkohle und Tonmineralien, zugesetzt, die zugleich auch
als Sulfid-Depot dienen sollen. Als Fällungsmittel wer
den lösliche Sulfide und Polysulfide genannt. Polysul
fide sind aber in alkalischem Medium sehr instabil und
können sich unter Abgabe von Schwefelwasserstoff schnell
zersetzen.
Die DE-PS 34 33 618 gibt einen Einblick darüber, welcher
apparative Aufwand erforderlich ist, um die sulfidische
Fällung der Schwermetalle in einem kontinuierlichen Prozeß
kontrolliert durchzuführen. Das Abwasser wird zuerst neutra
lisiert (hydroxidische Fällung oder Teilfällung) und danach
mit einem löslichen Sulfid kontrolliert versetzt. Da keine
näheren pH-Angaben gemacht werden, läßt sich nicht mit
Sicherheit beurteilen, ob die Gefahr eines Schwefelwasser
stoffausbruches nicht mehr relevant ist.
Aus Martinetz, "Immobilisation, Entgiftung und Zerstörung von
Chemikalien" (1980), zweite überarbeitete Auflage, insbesondere
Seite 147, ab Absatz 5, ist ein Verfahren zur Ausfällung von Schwermetall aus sauren Abwässern mittels hauptsächlich Cal
ciumtetrasulfid (CaS₄) enthaltender Schwefelkalklösung bekannt,
deren Herstellung jedoch nicht näher beschrieben ist. In dieser
Druckschrift wird unter den Literaturzitaten [5.126] und
[5.337] auf Yano et al., "Dechema-Monographien", Band 80
(1976), Teil 1, Seiten 179 bis 190, und auf Aratani et al.,
"Bull. Chem. Soc. Japan" 51 (1978), 2705; 52 (1979) 218, hinge
wiesen, die alle die auf Yano et al. zurückgehenden Verfahren
zur Reinigung von mit Schwermetallen belastetem Industrieabwasser
mit Calciumtetrasulfid betreffen. Bei diesen Verfahren er
folgt die Sulfidfällung im alkalischen Bereich unter Einleitung
von Luft und Kohlendioxid.
Ausgehend von diesem Stand der Technik hat sich die Anmelderin
zur Vermeidung der obengenannten Nachteile die Aufgabe ge
stellt, bei einem Verfahren zur Abtrennung von Schwermetallen
aus Abwässern die Vorteile der sulfischen Fällung in saurem Medium,
nämlich der außerordentlich niedrigen Restlöslichkeiten
der Schwermetallsulfide, mit den Vorteilen der erheblich ge
ringeren Gefahr der Schwefelwasserstoffbildung und der restlosen
Beseitigung der Fällungsmittelreste (Sulfidionen) zu vereinigen.
Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß gelöst durch ein Verfahren,
wie es im Patentanspruch 1 gekennzeichnet ist, mit dessen Hilfe
es möglich ist, Schwermetalle aus Abwässern besonders wirkungs
voll zu entfernen im Rahmen eines großtechnisch durchführbaren
Verfahrens, ohne daß die Gefahr eines unerwünschten Schwefel
wasserstoff-Ausbruches besteht, und ohne daß Fällungsmittelreste
im behandelten Abwasser zurückbleiben.
Bevorzugte Ausgestaltungen des erfindungsgemäßen Verfahrens er
geben sich aus den abhängigen Patentansprüchen 2 und 3.
Weitere Merkmale und Vorteile der Erfindung gehen aus der nach
stehenden detaillierten Erläuterung der Erfindung hervor.
Als Fällungsmittel wird eine komplexe Mischung aus Calcium
polysulfiden mit kleinen Anteilen von Calciumsulfid, Cal
ciumdihydrosulfid, Calciumthiosulfat und Calciumhydroxid
verwendet. Diese Mischung ist im Wasser wenig löslich,
etwa 3-4% bezogen auf
Trockensubstanz. Die systemge
bundene Sicherheit gegen schlagartige Freisetzung von
Schwefelwasserstoff im sauren Medium ist wie folgt ge
geben:
Infolge der niedrigen Löslichkeit kann Fällungsmittel
niemals in hoher Konzentration zum sauren Abwasser zu
dosiert werden. Selbst wenn einmal infolge einer Fehl
bedienung größere Lösungsmengen mit einem recht stark
sauren Wasser, beispielsweise bis pH = 0, vermischt
werden, können nur kleine Mengen Schwefelwasserstoffs
in die Atmosphäre gelangen, da die Polysulfidionen in
Säure stabil sind.
Die Fällung beginnt mit der Einstellung des pH-Wertes
des Abwassers, welcher sich aus den optimalen Fällungs
bedingungen des jeweiligen Schwermetallions (bekannt
aus der analytischen Chemie) ergibt. Beispielsweise kann
der pH-Wert für Quecksilber, Kupfer, Blei auf pH = 0-3
(Schwefelwasserstoffgruppe einschl. der Chlorid-Gruppe)
und für Cadmium und Zink auf pH = 5-6 (Ammoniumsul
fid-Gruppe) eingestellt werden.
Ist das Abwasser in seiner Zusammensetzung und sonstigen
Eigenarten wohlbekannt, so können diese gleich zu Anfang
berücksichtigt werden. Wenn z.B. ein saures, schwermetall
haltiges Wasser irgendwo im Betrieb anfällt, so kann das
erfindungsgemäße Fällungsmittel bereits an dieser Stelle
zudosiert und anschließend an die gemeinsame Neutralisa
tionsstelle gepumpt werden, wo mehrere Abwassersorten
zusammenlaufen. Diese Fahrweise kann besonders vorteilhaft
für die gesamte Schwermetallentgiftung des Betriebes sein,
da die einmal sulfidisch gefällten Metalle durch komplex
bildende Substanzen, die evtl. aus anderen Betriebsteilen
zuströmen, praktisch nicht mehr aufgelöst werden können.
Die Einstellung des optimalen pH-Wertes hängt somit von
folgenden Faktoren ab; von den Schwermetallarten bzw.
Gruppen, von deren Menge (Konzentration) bzw. Mengenver
teilung, von deren Oxidationsstufen (z.B. ob Chrom drei-
oder sechswertig vorliegt), von der Anwesenheit und Art
von Komplexbildnern (z.B. ob größere Mengen Ammonium
salze wie bei Kraftwerken durch Entstickung und Ent
schwefelung) sowie von Phosphaten, Citraten u.ä.m.
sowie von anderen chemischen, betrieblichen und wirtschaft
lichen Eigenarten.
Bei einem kontinuierlichen Verfahren kann die Auslegung,
d.h. die apparative, meß- und regeltechnische Gestaltung
und die optimale Prozeßführung hochspezifisch von den
vorgenannten Eigenarten abhängen.
Für die Vorkalkulation solcher Anlagen, für kleine Mengen
Abwässer (0-10 m3) und Chargenfällung, für wenig bekannte
Abwässer mit kleinen Schwermetallkonzentrationen, für eine
ganze Reihe dünner Abwässer ohne nennenswerte und relevan
te Eigenarten, wird folgenderweise gefällt:
Der pH-Wert wird auf 4-5, vorzugsweise auf 4,5, einge
stellt, vorteilhaft mit Salzsäure. Es können aber auch
andere mineralische Säuren verwendet werden. Zur gleich
mäßigen Verrührung der Säure wird ein geeignetes Rühr
werk, provisorisch beispielsweise auch Preßluftlanzen, ein
gesetzt oder aber auch die Flüssigkeit intensiv umge
pumpt (zirkuliert).
In einem Vorratsbehälter wird das erfindungsgemäße Fäl
lungsmittel in Suspension 1:10 mit Wasser verdünnt und
verrührt. Nach kurzer Rührzeit entsteht eine homogene,
gelbe Lösung mit geringem Anteil an Ungelöstem, die zugleich
zum Abwasser zugegeben wird. Danach wird der Beckeninhalt
solange gerührt, bis eine innige Vermischung des Fällungs
mittels mit dem Abwasser erreicht ist, in der Regel ca. 10-
20 min. Hierauf erfolgt die Neutralisation, vorteilhaft mit
Kalkmilch. Anzustreben ist ein pH-Wert von 7-8, vorzugsweise
von 7,5.
Beispielsweise wird Weißkalkhydrat 5-10 kg auf 100 l
Wasser in einem Vorrührbehälter eingemaischt und zum
Abwasser gepumpt. Auch Kalkmilch anderer Herkunft und
sonstige alkalische Schlämme können zur Neutralisation
verwendet werden. Nach Zugabe der erforderlichen Menge
Neutralisationsmittels wird noch mäßig ca. 30-60 min
gerührt. Bei einem pH-Wert von 7-8, vorzugsweise 7,5,
flockt der Niederschlag aus und setzt sich ab. Das über
stehende Wasser ist klar.
Zur Kontrolle werden 5-10 ml aus der klaren Wasser
phase in ein Reagenzglas od.dgl. genommen und 1-2
Tropfen Methylorange Indikatorlösung zugetropft. Danach
werden 3,5%ige Salzsäure solange zudosiert, bis die
Farbe von gelb nach rot wechselt (pH 4-4,5). Danach
werden 1-2 Tropfen erfindungsgemäßes Fällungsmittel
zugegeben. Sollten noch Schwermetalle im klaren Wasser
gelöst sein, so tritt eine deutliche, sofortige Trü
bung ein.
Die Ermittlung der erforderlichen Chemikalienmengen er
folgt auf ähnliche Weise. Man füllt 100 ml des zu behan
delnden Abwassers in ein Becherglas und gibt 3-5 Tropfen
Methylorange zu. Danach säuert man die Lösung mit 3,5%iger
Salzsäure bis zum Farbumschlag (10-30 Tropfen Salzsäure
je nach pH-Wert des Abwassers). Hierauf erfolgt die Ti
trierung des Wassers mit dem erfindungsgemäßen Fällungs
mittel, d.h. aus einer eingeteilten Pipette wird solange
Fällungsmittel in das Wasser getropft und umgerührt, bis
pH 6 erreicht ist (Messung mit Pocket-pH-Meter oder Indi
katorpapier). Schließlich neutralisiert man mit 0,05-
0,1 g Kalkhydrat (eine Messerspitze voll).
Auch in diesem Fall muß als Endpunkt pH 7-8, vorzugsweise
7,5, eingehalten werden. Dies ist leicht erkennbar an der
plötzlichen Ausflockung und Aufklarung des vorher immer
trüben Wassers.
Der Bedarf errechnet sich wie folgt:
Bedarf = Verbrauch Fällungsmittel in ml × 35/250 = erfindungsgemäßes Fällungsmittel in l je m³ Abwasser.
Bedarf = Verbrauch Fällungsmittel in ml × 35/250 = erfindungsgemäßes Fällungsmittel in l je m³ Abwasser.
Zahlenbeispiel: Verbrauch 0,7 ml erfindungsgemäßes Fällungsmittel
0,7 × 35/250 = 0,1 l/m³
Säurebedarf: Verbrauch Tropfenzahl 3,5%ige Säure/100 =
l Salzsäure 35%ig je m³ Abwasser
oder in Zahlen: Verbrauch 20 Tropfen Salzsäure, 3,5%ig,
20/100 = 0,2 l Salzsäure 35%ig je m³ Abwasser.
Ebenso einfach errechnet sich der Bedarf an Kalkhydrat.
Bedarf an erfindungsgemäßem Fällungsmittel l/m³ × 1,5
in Zahlen 0,1 × 1,5 = 0,15 kg Kalkhydrat je m³ Abwasser.
Das vorstehende, allgemeine Beispiel zeigt, wie man mit
Hilfe des erfindungsgemäßen Verfahrens
auch im einfachsten Fall Schwermetalle effizient, und zwar
unter Erfüllung der gesetzlichen Auflagen, abtrennen kann.
Für eine große Zahl Gewerbetreibender, für sonstige kleinere
bis mittlere Abwasserproduzenten, sind sonst die Jahr für Jahr
strenger werdenden gesetzlichen Auflagen nicht erfüllbar.
In einer Müllverbrennungsanlage, in der große Mengen
Spezialmüll (z.B. Klinikmüll) aber auch Klärschlamm,
verbrannt werden, mußten Kessel, Absorber usw. rauch
gasseitig gereinigt werden. Es wurden dicke, erdige
Krusten von den Kesselwänden, Wärmeaustauscherrohren
usw. mit Wasser abgewaschen. Krusten lösten sich im
Wasser überwiegend auf unter Einstellung eines pH-
Wertes von 3-5.
Es fielen ca. 80 m3 sauren Abwassers mit wechselnden
Zusammensetzungen und pH-Werten an, je nachdem ob es
sich um Wasch- oder Nachspülwasser, Wasser vom Container
oder vom Absorber, handelte. Eingesammelt wurden die
Wässer in sieben provisorisch aufgestellten Bassins
von ca. 15 m3 Inhalt je Bassin.
Folgende repräsentative Analysen wurden erstellt, aller
dings nur repräsentativ in bezug auf die Art und Ver
teilung der Bestandteile, nicht aber auf die Höhe ihrer
Konzentrationen.
Die Werte ergeben sich nachstehend aus Tabelle 3, wobei
diese in ppm = mg/l angegeben sind:
Für jedes Bassin wurde der Bedarf an erfindungsgemäßem
Fällungsmittel nach der Schnellbestimmung, wie vorstehend
bereits beschrieben, ermittelt und die Wassermenge gemes
sen (11-14 m3 je Bassin).
Die benötigte Menge an erfindungsgemäßem Fällungsmittel
(zwischen 1,5-11,5 l/m3 Abwasser je nach Bassin) wurde
dann in 30-100 l Wasser vorgelöst und die Lösung unter
Rührung des gesamten Bassininhaltes zu großer Wassermen
ge zugepumpt.
Danach wurde eine Stunde lang kraftvoll gerührt, wobei
sich pH-Werte um 5 einpendelten. Veränderte sich der pH-
Wert nicht weiter, wurde mit Kalkmilch neutralisiert
(pH 7,5 angestrebt, jedoch zumeist überschritten). Der
Verbauch an Kalkhydrat lag zwischen 30 und 100 kg je Bassin
(2,5-8,5 kg/m3).
Nach einer weiteren Rührzeit von 1,5-2 h konnte die
Rührung eingestellt werden (der Erfolg der Fällung wurde
durch den vorerwähnten schnellen Nachweis und mit Zink-
und Cadmium-Stäbchen verfolgt und überwacht).
Der Schlamm setzte sich in ca. 30 min bereits ab und
verdichtete sich nach einer Stunde soweit, daß das über
stehende, klare Wasser abgepumpt (dekantiert) und der
Dünnschlamm über eine mobile Kammerfilterpresse filtriert
werden konnte.
Vom Dakantat und Filtrat jedes Bassins wurden Proben gezogen,
Restschwermetallgehalte durch AAS bestimmt (Atom-Absorptions-
Spektroskopie) und danach für die Ablassung zur öffent
lichen Kanalisation freigegeben.
Aus Tabelle 4 sind die Analysenergebnisse in mg/l ersicht
lich:
In dem Passivierungsbetrieb von Automobilwerken fallen
ständig chromhaltige Abwässer an, die das sechswertige
Chrom in verschiedenen Konzentrationen enthalten (Chroma
tierung). Bekanntlich kann das Chromat mit üblichen Fäl
lungsmittel nicht entfernt und das Wasser muß einer Sonder
behandlung unterzogen werden (Chromatentgiftung durch Sulfit
behandlung). Mit dem erfindungsgemäß verwendeten Fällungsmittel erfolgt
die Abtrennung des sechswertigen Chroms in einem Schritt.
Drei solche Abwässer, zuvor mit üblichen Mitteln gereinigt,
neutralisiert und filtriert, wurden mit dem Fällungsmittel,
wie folgt angegeben, nachbehandelt:
Der pH-Wert wurde mit Salzsäure auf ca. 3 eingestellt. Die
auf die vorstehend angegebene Weise ermittelte Menge an
Fällungsmittel zudosiert und 5-10 min gerührt. Der pH-
Wert wurde durch Zugabe von Kalkmilch auf ca. 7,5 wieder
eingestellt, bei ca. 15 min Rühren. Nach Abstellung des
Rührwerkes setzte sich der Niederschlag in ca. 10 min
ab. Nach insgesamt 30 min Standzeit wurde klares Wasser
dekantiert und der Restschlamm ohne Schwierigkeiten fil
triert.
Aus Tabelle 5 sind die Dosierungen sowie die Chromgehalte
vor und nach der Behandlung ersichtlich:
Die Chrombestimmung erfolgte photometrisch mit Diphenylcarbazid
in einem routinierten analytischen Labor. Die Nachweisgrenze
für diese Methode liegt bei 0,02 mg/l Chrom. Die
Proben wurden danach auch einer AAS-Bestimmung zugeführt.
Ergebnis für alle drei behandelten Proben: nicht nachweisbar.
In einem großen Panzerreparatur- und -Instandsetzungsbetrieb
traten Schwierigkeiten mit Cadmium im Abwasser auf. Die Pan
zer werden gegen Korrosion cadmiert und zu diesem Zweck wird
im Werk eine Galvanisation betrieben. Ferner werden die Panzer
auf einem Waschplatz mit alkalischen Reinigern routine
mäßig gewaschen. Das Abwasser enthält somit, obwohl in einem
werkseigenen Klärwerk behandelt, stets kleine Mengen Cad
miums, die sich im Klärschlamm des zuständigen kommunalen
Klärwerks ansammeln.
Die zuständige Wasserbehörde stellte eine Langzeituntersuchung
(2 Monate) an; es wurden zahlreiche Proben gezogen und in
einem hochleistungsfähigen AAS-Gerät im Mikrogramm-Bereich
analysiert. Die in der nachfolgenden Tabelle 6 angegebenen
Zahlenwerte wurden ermittelt:
Cadmium in µg/l | ||
Galvanisation nach Cyanidentgiftung | ||
2100 | ||
Panzerwaschplatz | 50 bis 160 | |
Werkseigene Klärung (Auslauf) @ | (nur ein Teilstrom wird geklärt) | 5 bis 64 |
Gesamtzulauf zum kom. Klärwerk @ | 74 Einzelmessungen (ca. 56%) | 1 bis 10 |
32 Einzelmessungen (ca. 56%) | 11 bis 50 | |
17 Einzelmessungen (ca. 56%) | 51 bis 100 | |
9 Einzelmessungen (ca. 56%) | 101 bis 850 | |
Rohschlamm im kommunalen Sammler @ | 44 Einzelmessungen 310 bis 340 mg Cd/kg Trockenschlamm |
Von der Untersuchungsbehörde wird angenommen, daß nur ein
Teil des Cadmiums wirklich im Wasser gelöst, der andere
Teil als schwebender Schlamm (Resttrübe) in den kommunalen
Sammler gelangt. Dieses steht im Einklang mit der Erfahrung,
daß hydroxidische Schlämme - im Gegensatz zur sulfidischen -
schwer abzusetzen bzw. zu filtern sind. Das werkseigene
Klärwerk arbeitet nach folgendem Schema:
Aus dem Fließbild ist erkenntlich, daß man sich bemüht,
durch Alternativdosierung von Ätznatron und Phosphorsäure
einen pH-Wert von 12,5 einzustellen und zu halten, um
gleich hinterher durch Schwefelsäurezugabe auf pH 4 zu
kommen. Im Sinne der Schwermetallfällung ist dies einem
unnützen Chemikalienverbrauch und einer Erhöhung des Salz
ballastes des Wassers gleichzusetzen.
Proben wurden aus Auffangbecken, Vorneutralisationsbecken
und Kläreindickerüberlauf entsprechend der eingangs be
schriebenen Methode untersucht.
Nach Bilanzrechnungen ergab sich ein Fällungsmittel-Be
darf von 0,28 l/m³ Abwasser. Ort der Zudosierung ist das
Becken vor Neutralisation. Ohne apparative Änderung, je
doch unter Weglassung von Ätznatron und Phosphorsäure,
wird erreicht, daß Cadmiumspitzen und -stöße ausbleiben,
der Restcadmiumgehalt unterhalb der Nachweisgrenze der
Standard-AAS (ca. 50 µg/l) gedrückt wird, und durch
Gewinnung eines kompakten Fällungsmittelniederschlages
auch durch Schwebestoffe kein Cadmium mehr hinüberge
tragen wird.
Vorerwähnte Beispiele beruhen nicht auf konstruierten
Laborexperimenten, sondern diese entstammen der Praxis.
Die in den Beispielen angegebenen Abwässer enthielten
nicht nur Schwermetalle in Art und Menge reichlich vari
iert, sondern auch Ballastsalze, wie Natrium, Kalium,
Ammonium, Chlorid, Sulfat, Nitrat und Reinigungsmittel
reste mit anionischen, kationischen Tensiden, mit
Phosphaten, Citraten, Glukonaten und - besonders wichtig -
mit EDTA/NTA Komplexbildnern.
Alle diese Substanzen u.a.m. behindern (inhibieren) die
hydroxidische Fällung. Andererseits bildet EDTA sehr sta
bile Komplexe, so daß die Komplexbildung bereits mit der
sulfidischen Fällungsreaktion durch lösliche Sulfide,
wie Natriumsulfid, zu konkurrieren vermag. Weder bei den
genannten, noch bei anderen, vor Ort oder nur im Labor
mit dem erfindungsgemäßen Fällungsmittel behandelten be
trieblichen Abwässern traten Zeichen dafür auf, daß die
Abtrennung der jeweiligen Schwermetalle in irgendeiner Art
inhibiert worden wäre. Dieser indirekte Nachweis wird
noch durch die Fremdkontrolle unterstrichen. Die behan
delten Abwässer wurden erst nach Bestimmung der Restgehalte
im amtlichen Auftrag für die Ablassung in die Kanalisa
tion freigegeben.
Die Gründe für den geringen Einfluß von EDTA auf die
Fällung mit dem Fällungsmittel bereits bei pH 4 dürf
ten darin liegen, daß die außerordentlich schnelle
Sulfidfällung das Gleichgewicht zwischen EDTA-Komplex
und Schwermetallen ständig und wirksam stört, daß die
mit dem Fällungsmittel zudosierten Calciumionen freie
EDTA-Plätze zumindestens zum Teil belegen, daß die im
Zuge der Neutralisation mit Kalkmilch massig ange
botenen Calciumionen die Verdrängung der Schwermetalle
aus EDTA-Komplexen vollenden.
Wenn auch heutzutage in betrieblichen und kommunalen
Abwässern mit der Anwesenheit von EDTA generell ge
rechnet werden muß, so wird EDTA in den meisten Fällen
in geringer Konzentration (z.B. unter 100 mg/l) vor
handen sein. Andererseits geht die Wasserlöslichkeit
von EDTA durch Herabsetzung des pH-Wertes auf 3 sehr stark
zurück, ein Zeichen dafür, daß die Protonierung der Li
ganden bereits bei pH 4-3 erheblich fortgeschritten
und die Ausbildung des Komplexes mit den zweiwertigen
Schwermetallen erheblich gestört und behindert ist. Für
diese grundlegende Veränderung des EDTA-Verhaltens in o.g.
pH-Bereich spricht auch die starke pH-Abhängigkeit der
Verdrängungsreihe:
pH 3-5 Fe(III)-Cr-Cu-Ni-Zn-Co
pH 5-7 Ni-Cu-Fe(III)-Co-Zn-Cd-Ca-
pH 5-7 Ni-Cu-Fe(III)-Co-Zn-Cd-Ca-
Gegensätzlich verhält sich die Löslichkeit der Sulfide
(am Beispiel von Zink und Nickel ca.-Werte in mg/l).
Das Beispiel des besonders stabilen und gefürchteten
Nickel-EDTA-Komplexes zeigt, daß das erfindungsgemäße
Mittel und Verfahren zumindest potentielle, ausbau
fähige Möglichkeiten bietet, auch in schwierigsten
Fällen der Schwermetallabtrennung praxisgerechte Lö
sungen zu finden.
Der Ni-EDTA-Komplex büßt seine Stabilität bei niedri
gen pH-Werten ein; Ni-Ionen werden freigesetzt.
Bei Erhöhung des pH-Wertes auf 5-7 nimmt zwar die
Ni-EDTA-Stabilität wieder zu, jedoch unter dem starken
Konkurrenzdruck der sulfidischen Fällung. Zugleich
werden Calcium-Ionen massig angeboten. Calcium im
Bereich pH 5-7 ist durchaus mit EDTA komplexfähig
(Calcium-Aufnahme von 20-50 mg Ca2⁺/g EDTA). Im System
Ni2⁺-S2⁻-Ca2⁺-EDTA entstehen Pseudogleichgewichte zu
Ungunsten des Ni-EDTA-Komplexes.
Mit dem erfindungsgemäßen Verfahren
werden nicht nur Kationen, sondern auch eine Reihe anioni
scher Verunreinigungen im Wasser beseitigt, wenn auch
letztere nicht im gesetzlich vorgeschriebenen Maße. Die
Behandlung kommt einer generellen Reinigung des Wassers
oder - je nach Sorte - einer intensiven Vorreinigung
gleich.
Cyanid und Sulfit werden in die wesentlich harmloseren
Substanzen Rodanid bzw. Thiosulfat umgewandelt.
H₂Sn + (n-1) CN⁻ → H₂S + (n-1) SCN⁻
H₂Sn + (n-1) SO₃2⁻ → H₂S + (n-1) S₂O₃2⁻
H₂Sn + (n-1) SO₃2⁻ → H₂S + (n-1) S₂O₃2⁻
Nitrit, Nitrat, Chromat-Bichromat, Chlorat/Perchlorat,
Iodat, Bromat (auch Iodid), Peroxid, Perborat, Vanadat,
Wolframat, Molybdat, Persulfat u.ä.m. werden reduziert
(und sinngemäß auch gefällt).
Fluorid, Carbonat, Silikat, Tetraborat, Arsenit und Ar
senat, Phosphat, Sulfit, Sulfat, Selenat, Tellurat, Ci
trat, Tartrat, Oxalat u.ä.m. werden gefällt.
Auch Seifenreste, anionische Tensidstoffe, Fettsäuren u.ä.
Substanzen werden wasserunlöslich gemacht und dadurch eine
evtl. vorliegende Emulsion wenigstens zum Teil gespalten.
Damit werden Öle und kolloidal gelöste Substanzen aus der
Wasserphase gedrängt.
Die Befreiung des Wassers von Ballaststoffen in gelöstem
und emulgiertem Zustand hat große Vorteile, insbesondere
auch für die Schwermetallfällung.
Durch Verringerung der Ionenstärke wird die Sulfidfällung
effizienter; sie kommt näher zu den idealen Bedingungen,
unter denen die Literaturwerte für Restlöslichkeiten er
mittelt wurden.
Durch die erheblich verringerte Ionenkonzentration und
die Ausschaltung von Schutzkolloiden wird die Ausflockung
der gefällten Sulfide erleichtert, so daß im pH-Bereich
von 6,5-8,5, insbesondere zwischen 7 und 8, eine klare
Wasserphase und ein gut filtrierbarer Niederschlag ent
stehen.
Die Ansäuerung (durch Salzsäure) des Abwassers, das in den
meisten Fällen ein komplexes System von gelösten Stoffen
darstellt und die Behandlung mit dem reaktionsfreudigen
Calciumpolysulfid im erfindungsgemäß verwendeten Fällungsmittel
löst eine Reihe von Reaktionen und sonstigen Vorgängen
aus, an deren Ende ein klares Wasser mit den vorgeschrie
benen Restmetallgehalten und ein definierter Schlamm stehen.
Nicht alle diese Vorgänge sind z.Zt. erklärlich oder kön
nen infolge der Verschiedenheit der Abwässer beschrieben
werden. Der große Teil dieser Vorgänge geht unter Verbrauch
von Sulfidionen vor sich.
Nach der Zugabe des erfindungsgemäßen Fällungsmittels
zu mäßig salzsauren Lösungen werden Polysulfide nicht
schlagartig in Schwefelwasserstoff und Schwefel zer
setzt. Aus der Polysulfidchemie ist es bekannt, daß die
Polysulfide (Sulfane) in Salzsäure metastabile Emulsionen
bilden. Je geringer die Säurekonzentration, umso kleiner
ist die Stabilität. Die kolloidalen, metastabilen Lösun
gen werden in Gegenwart von CaCl2 eher stabilisiert.
Schwermetallionen wirken einerseits als Katalysatoren für
die Beseitigung des metastabilen Gleichgewichts, anderer
seits als Sulfidverbraucher bei ihrer Fällung. Auch andere
Sulfidverbraucher initiieren die Zersetzung, wie vor
stehend bereits ausgeführt. Diese Reaktionen sind zu
analytischen Bestimmungen ausgearbeitet worden, ebenso
wie die Reaktion von Quecksilber mit Trisulfan, die aller
dings in trockenem CCl4 quantitativ verläuft.
H₂S₃ + Hg → H₂S + 2 HgS
Ein möglicher Weg der langsamen, kontrollierten Zer
setzung ist aus der Alterung von Sulfid/Polysulfidlö
sungen her bekannt, die im wesentlichen durch Dispro
portionierung zu immer höheren Homologen und schließlich
in Wochen und Monaten zu elementarem Schwefel gelangt:
2 H₂S₃ → H₂S₂ + H₂S₄
H₂S₂ → H₂S + Snasc.
H₂S₄ + 2 Snasc. → H₂S₆
H₂S₂ → H₂S + Snasc.
H₂S₄ + 2 Snasc. → H₂S₆
Die Disproportionierung von Schwefel in Kalkhydrat-Lösung
verläuft bei 60-80°C unter Aufbrechen des S₈-Ringes
nach
8 S⁰ → 6 S2⁻ + 2 S6 → 4 S2⁻ 2 S₂O₃2⁻
Es ist auch bekannt, daß Schwermetallpolysulfide sich nur
bei Überschuß von Sulfanen und unter besonderen Bedingungen
bilden, wie beispielsweise NiS₃ und CuS₃ aus Essigsäure,
ZnS₃ in CS₂-Lösung von ZnEthylat oder PbS₃ aus Bleibutyl
mercaptid in Benzol gelöst.
Ebenso ist bekannt, daß das Thiosulfat-Ion sich über
Polysulfide zu Sulfid und Sulfat oder zu Schwefel und
Sulfat zersetzt.
Durch NMR-Analysen hat man festgestellt, daß bei der
Protonierung von Na₂Sx (x = 1 bis 5) H₂S₄ immer beherrscht
und H₂S₂ praktisch nicht vorkommt. Beispielsweise ergibt
Na₂S₄ folgende Zusammensetzung der Sulfane:
H₂S₂ 0%, H₂S₃ 18%, H₂S₄ 33%, H₂S₅ 17%, H₂Sn (n = 6) 32%.
Auch bei Calciumpolysulfiden spielt der verhältnismäßig
stabile Tetrasulfid eine dominante Rolle, mehr oder weniger
unabhängig vom Verhältnis S/Ca = 1 bis 5, wie man es von
früheren Erfahrungen kennt.
Im übrigen ist die Verteilung der Sulfane abhängig von der
Säuresorte (HCl, H₂SO₄, H₃PO₄), von der Temperatur, von
den Kationen (Na⁺ oder K⁺) und anderen Umständen der Protonierung.
Alle Lösungen enthalten OH⁻, HS⁻, S₄2⁻ und S₅2⁻,
während niedere Sulfane (H₂S u. H₂S₂) auch in ionischer
Form sehr gering bleiben.
Trotz geringer Konzentration der niederen Sulfane bzw.
Sulfidionen verhält sich das Fällungsmittel-Salzsäure-
Gemisch in der Fällungsreaktion, als bestünde es aus
löslichem Monosulfid, wie nachfolgender Versuch zeigt:
12,5 g Zn Cl2 (wasserfrei) wurde in 100 ml dest. Wasser
aufgelöst (pH = 6). Hiervon wurden 20 ml entnommen und mit
80 ml Wasser versetzt. Der pH-Wert dieser Lösung wurde
dann mit 3%iger Salzsäure auf 4 gebracht.
Die Zinklösung wurde danach mit dem erfindungsgemäß verwendeten
Fällungsmittel (3%ige Lösung in Wasser, Atomverhältnis
Ca : S=1 : 1, Gehalt entsprechend 2,8% CaS) titriert. Die
Titration erfolgte unter Rührung und Erwärmung auf
50°C sowie Messung des pH-Wertes.
Portionsweise wurde die Fällungsmittel-Meßlösung zudo
siert, bis bei pH 6,5 keine Fällung mehr festgestellt
werden konnte. Schließlich wurde der pH-Wert auf 7,5
durch Zugabe von 2% NaOH eingestellt und der Nieder
schlag absitzen gelassen. In der überstehenden Lösung
konnte weder Zink (Dithizon) noch Sulfid, (Silbernitrat)
nachgewiesen werden. Der Verbrauch betrug 55 ml Fällungsmittel.
Berechnung:
Berechnung:
ZnCl₂ - Mole = 12,5 × 0,2/136,3 = 0,0183
CaS - Mole = 55 × 0,028/72 = 0,0214
0,0183/0,0214 = 0,855
CaS - Mole = 55 × 0,028/72 = 0,0214
0,0183/0,0214 = 0,855
Über 85% des zudosierten Schwefels liegt als Zinkmono
sulfid vor.
Das metastabile Polysulfan-System in saurer, kolloidaler
Lösung zersetzt sich verhältnismäßig langsam. Es ist
vielseitig reaktionsfähig und seine Reaktionen erfolgen
im Sinne des Massenwirkungsgesetzes, nach Art und Menge
der jeweiligen Reaktionspartner im vorliegenden Abwasser.
Wird Sulfid benötigt und verbraucht, so verschiebt sich
das Gleichgewicht in Richtung Sulfidproduktion. Ist aber
kein Sulfidverbraucher vorhanden, so verändert sich die
Richtung der Reaktion zur Erzeugung von immer höheren
Sulfanhomologen und schließlich zum elementaren Schwefel,
der sich zusammen mit dem übrigen Niederschlag im Ab
wasser absetzt. Die Depotwirkung und die Ausscheidung
als wasserunlösliche Bodenkörper verringert das Risi
ko der Überdosierung, somit die Freisetzung von giftigem
Schwefelwasserstoff, wie auch den Verbleib der Sulfidio
nen im Wasser. Dieses Risiko muß bei der Fällung mit
löslichen Sulfiden mit erheblichem Aufwand an Apparaten,
Kontroll- und Regelinstrumenten oder sonstigen Hilfs
mitteln erst beseitigt werden.
Die Herstellung des erfindungsgemäß verwendeten Fällungsmittels kann
beispielsweise wie folgt durchgeführt werden:
23 kg Weißkalkhydrat und 10 kg Mahlschwefel wurden mit
ca. 90 l Wasser vermengt und das Gemisch mit einem
schnellaufenden Rührwerk unter Aufheizung auf 80°C
gerührt. Nach einer halben Stunde, während die Tempera
tur auf 50°C gestiegen ist, entstand eine homogene,
zitronengelbe Suspension, die sich nur sehr langsam
absetzte. Bei ca. 65°C setzte eine stärkere Reak
tion ein, erkennbar an der Verdunkelung der Farbe ins
Tieforange und an der Beschleunigung der Aufheizung. Nach
einer Rührzeit von insgesamt 1 h ist die Temperatur bis
80°C gestiegen, unter weiterer Vertiefung der Farbe
ins dunkle Zinnober. Daraufhin wurden Rührung und Heizung
abgestellt.
Es entstand ca. 115 kg/Produkt, eine Suspension mit dem
spez. Gew. von 1,15 kg/l und einem pH-Wert von ca. 13,0,
Wirkstoffgehalt ca. 23%.
70 kg Weißkalkhydrat und 35 kg Schwefelpulver wurden in
einer Knetmaschine vorgelegt und mit 125 l heißem Wasser
(65°C) versetzt. 5 min nach Einschaltung der Knetma
schine (langsames Rühren und Kneten) entstand bereits
eine gelbe Suspension von breiiger und cremiger Konsistenz.
Daraufhin wurden weitere 65 kg Weißkalkhydrat und 20 kg
Schwefelpulver zugesetzt und unter Beheizung bei 60-50°C
noch 3 h gerührt und geknetet. 250 kg orangefarbene
Suspension, die sich in mehreren Stunden allmählich ab
setzte, wurde noch homogen in Deckelfässer aus PE abge
füllt und, ohne die Deckel fest zu verschließen, gelagert.
Nach einer Lagerzeit von 7 Monaten konnte der abgesetzte
Schlamm mit der orangenen Flüssigkeit leicht verrührt
und pumpfähig gemacht werden. Allerdings bildeten sich
rötliche, nadelförmige Kristalle, die sich in Wasser
opaleszierend auflösten.
250 kg gelöschter Baukalk in Pulverform wurde mit
900 l Wasser vermischt und das Ganze auf 40°C
erwärmt. Unter Rührung dosierte man 100 kg pulverför
migen Schwefel dazu, der bereits erheblich verklumpt
war. Während die Dosierung nach 1 h beendet war, rührte
man ca. 4 h lang weiter, bis die Temperatur 65°C
erreicht hatte. Ein Blattrührwerk lief mit ca. 40 Upm.
Die Abfüllung erfolgte mit einer kleinen Pumpe der
Leistung ca. 2,0 m3/h über eine Leitung NW 35.
26,5 kg Weißkalkhydrat und 16,5 kg Mahlschwefel wurden
mit 110 l Wasser versetzt und das Gemisch bei 90-95°C
und mit ca. 150 Upm. gerührt. Nach 15 min wurde das Gemisch
vollkommen homogen und von kräftig orangener Farbe. Da
nach rührte man noch 30 min bei 80-88°C. Nach Ab
kühlung entstanden 125 kg einer braunen, festen Masse,
die sich allerdings beim Anstechen und Anrühren als
thixotropisch und somit rühr- und pumpfähig erwies.
Claims (3)
1. Verfahren zur Abtrennung von Schwermetallen aus Abwässern
durch Sulfidfällung mittels Calciumpolysulfid,
dadurch gekennzeichnet, daß
dadurch gekennzeichnet, daß
- a) als Calciumpolysulfid-Fällungsmittel eine komplexe Mischung von Calciumpolysulfiden mit geringen Anteilen von Calcium sulfid, Calciumdihydrosulfid, Calciumthiosulfat und Calcium hydroxid mit einem Atomverhältnis S : Ca von (0,8 bis 1,5) : 1 verwendet wird, die durch Umsetzung von elementarem Schwefel mit Calciumhydroxid und/oder Calciumsulfid bei einer Temperatur von 60 bis 80°C unter Rühren in wäßriger Suspension mit einem Feststoffanteil von 30 bis 60 Gew.-% hergestellt worden ist,
- b) zur Durchführung der Sulfidfällung in saurem Medium das schwermetallhaltige Abwasser, falls es neutral oder alkalisch ist, auf pH 0 bis 6 angesäuert und dann mit dem Sulfid-Fäl lungsmittel gemäß Abschnitt (a) in einer zur Fällung der Schwermetalle als Schwermetallsulfide erforderlichen Menge ver setzt wird, wonach der pH-Wert mit Kalkmilch auf 7,0 bis 8,0 eingestellt wird, und
- c) das ausflockende Schwermetallsulfid 15 bis 60 min lang ab sitzen gelassen wird unter Ausbildung eines Dünnschlammes, der nach dem Dekantieren der überstehenden Flüssigkeit und nach dem Filtrieren durch ein Quantitativ-Filterpapier oder unter Ver wendung einer Kammerfilterpresse zu einem die Schwermetallsul fide enthaltenden Dickschlamm verdichtet und abgezogen wird.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß
das in der Stufe (a) als Suspension anfallende Calciumpolysul
fid-Fällungsmittel vor Durchführung der Stufe (b) mit Wasser im
Verhältnis 1 : 10 verdünnt und verrührt wird.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet,
daß
zur Herstellung des Calciumpolysulfid-Fällungsmittels in der
Stufe (a) als Schwefelquelle gemahlener Schwefel, gefällter
oder durch sonstige chemische Verfahren gewonnener Schwefel,
Natrium- und Kaliumpolysulfide und gealterte Sulfidverbindungen
verwendet werden.
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