DE3639780A1 - Arzneimittel zur behandlung von viruserkrankungen - Google Patents
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Description
Die Erfindung betrifft ein Arzneimittel zur Behandlung
von Erkrankungen, die durch Viren mit RNA-abhängiger
DNA-Polymerase, insbesondere Human-Immunodeficiency-
Viren (HIV) hervorgerufen werden, z. B. von AIDS oder
ARC (AIDS-Related Complex) und damit verbundenen neurologischen
Komplikationen.
Seit 1984, als die Erreger von Acquired Immune Deficiency
Syndrome (AIDS) isoliert wurden, wird in großem Umfang
nach einem geeigneten Arzneimittel gesucht, welches bei
dieser in der Regel lethal verlaufenden Erkrankung
wirksam ist. Zwar wurden einige wenige erfolgversprechende
Mittel vorgeschlagen, der Nachweis ihrer Wirksamkeit
durch klinische Versuche steht jedoch noch aus. Es besteht
daher großer Bedarf an einem derartigen Arzneimittel,
insbesondere an einem Arzneimittel mit einem ausreichend
großen therapeutischen Index, also einem Abstand
zwischen wirksamer Dosis und toxischer Dosis, der
eine einfache Verabreichung des Medikaments ermöglicht
ohne die Gefahr, hierbei schon in den toxischen Bereich
zu geraten.
Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, dieses Problem
zu lösen.
Erfindungsgemäß gelingt dies durch ein Arzneimittel zur
Behandlung von Viruserkrankungen, deren Erreger für
ihre Vermehrung eine RNA-abhängige DNA-Polymerase benötigen,
insbesondere solche, die durch das Human-Immunodeficiency-
Virus (HIV) hervorgerufen werden, welches
dadurch gekennzeichnet ist, daß es als Wirkstoff mindestens
eine Verbindung der allgemeinen Formel
in der B einen Guanin- oder Hypoxanthinrest und X einen
Azido- oder -OCH₃-Rest oder ein Fluoratom bedeuten oder
ein pharmazeutisch verträgliches Salz davon, gegebenenfalls
zusammen mit üblichen pharmazeutischen Träger-
und Verdünnungsmitteln enthält. Bei den erfindungsgemäßen
Wirkstoffen handelt es sich um die 9-(β-D-2-deoxyribofuranosyl)-
nucleoside der Guanosin- bzw. Inosinreihe.
Der bevorzugte Wirkstoff des erfindungsgemäßen Arzneimittels
ist 3′-Azido-2′,3′-dideoxy-guanosin.
Der bevorzugte Wirkstoff gemäß der Erfindung und seine
Herstellung sind bekannt aus J. of Org. Chem., 43, 3044
bis 3048 (1978). Die Herstellung erfolgt danach im
Prinzip durch Transglykolsylierung des entsprechenden
5′-O-Acetyl- oder 5′-O-Trimethylsilyl-3′-azido-3′-deoxythymidins
mit silyliertem N²-Plamitolylguanin in Gegenwart
von Trimethylsilyl-trifluoromethansulfonat als Katalysator.
Die entsprechende Hypoxanthinverbindung läßt sich in
analoger Weise unter Verwendung des entsprechenden
Palmitoyl-hypoxanthins erhalten. Alternativ können
diese Verbindungen erhalten werden, aus der Reaktion der
1-O-Methyl-5-O-(4-methylbenzoyl)-3-azido-2,3-dideoxy-D-
ribofuranose, erhalten nach der Vorschrift von N. B.
Dyatkina und A. V. Azhayev in Synthesis, 1984, S. 961,
durch Umsetzung mit silyliertem Guanin bzw. Hypoxanthin
unter Zuhilfenahme eines Katalysators wie Trimethylsilyltrifluoromethansulfonat
nach der Vorschrift von H.
Vorbrüggen, K. Krokiewicz und B. Benna (1981), Chem. Ber.,
114, 1234. Die entsprechenden Verbindungen mit einer
Fluor- oder Methoxylgruppe in Position 3 des 2-Deoxyribofuranosylgerüstes
lassen sich aus 3′-Fluor-3′-deoxy-
bzw. 3′-O-Methyl-3′-deoxythymidin durch dieselbe Transglykosidierungsreaktion
erhalten. Dabei dient 2,3′-Anhydro-
1-(2-deoxy-β-D-xylofuranosyl)-thymin (kurz genannt
o²,o³′-Cyclothymidin), hergestellt nach G. Kowollik, K.
Gaertner und P. Langen in Tetrahedron Letters, 1969, S.
3863, wieder als Ausgangsmaterial. Durch Umsetzung mit
Natriummethylat wird es in das 3′-O-Methyl-3′-deoxythymidin
umgesetzt. Zur Darstellung des 3′-Fluor-3′-deoxythymidins
wird das Cyclothymidin nach der von G. Kowollik, G.
Etzold, M. von Janta, Lipinski, K. Gaertner und P.
Langen angegebenen Vorschrift in J. Prakt. Chemie
(1973), 315, S. 895, mit HF und AlF₃ umgesetzt. Alternativ
kann das Cyclothymidin auch mit KF in Gegenwart des
Kronenäthers 18-Kron-6 in Dimethylformamid oder Dioxan
umgesetzt werden. Außerdem lassen sich die Hypoxanthinverbindungen
auch aus den entsprechenden Adeninverbindungen,
die z. T. aus der obigen Literaturstelle bekannt sind,
durch Desaminierung mit salpetriger Säure oder Nitrosylchlorid
herstellen.
Die Wirksamkeit der Wirkstoffverbindung des erfindungsgemäßen
Arzneimittels wurde in einem biologischen
System festgestellt, bei welchem das aus Patienten mit
AIDS und ARC isolierte HIV auf Humanzellinien gezüchtet
wurde. Die in vitro-Pathogenität des so gezüchteten
HIV wurde unter Verwendung von MT₄-Zellen, einer T₄-
Zellinie, für welche HIV cytophathisch ist, bestimmt.
Die MT₄-Zellinie ist beschrieben in Science, Vol. 229
(09. August 1985), Seiten 563-566. Der cytophathologische
Effekt wurde dabei durch Messung des Thymidineinbaus
in die Zelle verfolgt. Wurden die erfindungsgemäßen
Wirkstoffe, insbesondere das 3′-Azido-2′,3′-
dideoxyguanosin, den mit HIV inokulierten MT₄-Zellen
zugesetzt, so gelang es bereits mit nanomolaren Konzentrationen
des Wirkstoffes, den durch das Virus
hervorgerufenen cytopathologischen Effekt zu verhüten.
Im gleichen System erfolgte auch die Toxizitätsbestimmung.
Hierbei wurden MT₄-Zellen dem im erfindungsgemäßen
Arzneimittel als Wirkstoffe enthaltenen Nukleosidanalogen
in Abwesenheit von HIV ausgesetzt und wiederum die
Toxizität anhand des Einbaus von Thymidin bestimmt. Aus
der so bestimmten Konzentration für die Erzielung einer
antiviralen Wirksamkeit im Vergleich zu der für einen
toxischen Effekt erforderlichen Menge an Wirkstoff
wurde ein in vitro therapeutischer Index bestimmt.
Dieser therapeutische Index ist für die bevorzugte
3′-Azido-2′,3-dideoxyguanosinverbindung bei der verwendeten
humanen Zellinie gleich oder größer 10³.
Die Versuche wurden so durchgeführt, daß Proben des
Überstandes der das Virus erzeugenden Zellinie in
schrittweiser Verdünnung in Mikrotiterplatten eingebracht
wurden, welche die Zellinie MT₄ enthalten.
Gleichzeitig wurde in die Mikrotiterplatten radioaktiv
markiertes Thymidin gegeben und der Einbau dieser Substanz,
der der Lebenstätigkeit dieser Zellen parallel
läuft, gemessen. Unter dem Einfluß toxischer Konzentrationen
an Wirkstoff gemäß der Erfindung oder cytopathischer
Mengen an Virus enthaltenden Flüssigkeit sinkt
der Einbau an radioaktiv markiertem Thymidin entsprechend.
In Fig. 1 der Zeichnung wird der Einfluß unterschiedlicher
Verdünnungen des HIV-Virus enthaltenden Überstandes
der Virus produzierenden Zellinie (unterschiedliche
Viruskonzentration) auf den Thymidineinbau
in MT₄-Zellen graphisch dargestellt. Die Einbaukurve
zeigt, daß bis zu einer Verdünnung 1 : 30 die Pathogenität
der HIV-Viren zu einem sehr geringen Thymidineinbau
führt. Erst bei weiterer Verdünnung steigt der
Thymidineinbau (Thymidin Uptake) entsprechend an und
erreicht einen Höchstwert bei einer Verdünnung des
virushaltigen Überstandes von 1 : 10 000.
Fig. 1 zeigt also, daß bei einer Verdünnung des Kulturüberstandes
von 1 : 40 noch eine nahezu maximale Pathogenität
des HIV auf die MT₄-Zellen vorliegt. Die Untersuchung
der Wirksamkeit der Wirkstoffe des erfindungsgemäßen
Arzneimittels erfolgte bei dieser Virusverdünnung,
indem eine vorgemischte Lösung von Virusverdünnung und
des zu untersuchenden Wirkstoffes der Zellinienprobe
zugesetzt und wiederum der Thymidineinbau bestimmt
wurde. Die Ergebnisse dieser Versuche mit der bevorzugten
Verbindung sind in Fig. 2 gezeigt. Fig. 2 stellt
graphisch den Zusammenhang zwischen der Menge an zugegebenem
Wirkstoff in µg/ml und der Thymidineinbaurate
in cpm (counts pro Minute) dar. Die mit -HIV bezeichnete
Kurve wurde in Abwesenheit des Virus aufgenommen,
die Kurve +HIV in Anwesenheit des Virus. Sie zeigt, daß
eine Konzentration von 0,3 µg/ml des Wirkstoffes die
Zellen mit halbmaximaler Wirkung gegen den pathogenen
Effekt einer 1 : 40-Verdünnung von HIV-Stammflüssigkeit
schützt.
Die erfindungsgemäßen Arzneimittel können den Wirkstoff
in freier Form oder in Form eines physiologisch verträglichen
Salzes enthalten, und zwar in Form einer Verbindung
oder eines Gemisches von Verbindungen der allgemeinen
Formel. Zusätzlich kann das Arzneimittel die für
die jeweils beabsichtigte Verabreichungsform üblichen
pharmazeutischen Zusatzstoffe und Verdünnungsmittel
enthalten. Die Verabreichung kann oral, parenteral,
intrathekal oder intravenös erfolgen. Die orale Verabreichung
wird bevorzugt.
Die Synthese des 3′-Fluor-2′,3′-dideoxyguanosins erfolgt
in Analogie zu der des 3′-Azido-2′,3′-dideoxyguanosins
[Imazawa und Eckstein, J. Org. Chem., 43 (1978), 3044]
durch Transglycosidierung von 3′-Fluor-3′-deoxythymidin
[synthetisiert nach G. Etzold et al., Tetrahedron, 27
(1971), 2463] mit Palmitoylguanin in Acetonitril unter
Rückfluß für 60 Minuten mit Bis(trimethylsilyl)-acetamid
und Trifluormethylmethansulfonsäure-trimethylsilylester.
Bei Chromatographie an Kieselgel wird ein
Produkt erhalten, das im Dünnschichtchromatogramm
(CHCl₃/MeOH, 9 : 1) einen etwas größeren RF-Wert (0,43)
als Thymidin (0,38) hat. Dieses wird in mit NH₃ gesättigtem
MeOH bei 50°C über Nacht umgesetzt. Nach Eindampfen
wird der Rückstand in H₂O/MeOH gelöst und auf einer
LiChroprep-RP-18-Säule mit einem Gemisch aus 50 mM
Triäthylammoniumbicarbonat
(pH 7,5) und 6% Acetonitril
aufgetrennt. Nach Eindampfen und nochmaligem Eindampfen
mit MeOH erhält man einen Rückstand. Die Substanz wird
in MeOH/H₂O durch Aufkochen herausgelöst. Nach Abfiltrieren
wird eingedampft, wobei 9-(3-Fluor-2′,3′-dideoxy-β-D-
ribofuranosyl)guanin auskristallisiert; mp<230°, ¹H
NMR (DMSO) δ, 6,15 ppm (dd, 1 H, J3′H,F=53 Hz, H-3′),
4,14 (dm, 1 H, J4′H,3′F=32 Hz, H-4′). HPLC-Analyse auf
ODS-Hypersil mit einem linearen Gradienten aus 100 mM
Triäthylammoniumbicarbonat (pH 7,5) und Acetonitril (0
bis 15% in 15 Minuten): Retentionszeit 8,8 Minuten für
das α-Anomere, 6,8 Minuten). Ausbeute ca. 15%.
Die antivirale Aktivität von 3′-Fluor-2′,3′-dideoxyguanosin
wurde, wie in der Beschreibung auf Seite 7 für
Fig. 2 erklärt, durch Untersuchung des (³H)-Thymidin-
Einbaus in die DNA von HIV-infizierten MT₄-Zellen im
Vergleich zu uninfizierten MT₄-Zellen bestimmt. Die
Ergebnisse sind in Fig. 3 dargestellt.
Claims (2)
1. Arzneimittel zur Behandlung von Viruserkrankungen,
deren Erreger für ihre Vermehrung eine RNA-abhängige
DNA-Polymerase benötigen, insbesondere
solche, die durch das Human-Immunodeficiency-Virus
(HIV) hervorgerufen werden, dadurch
gekennzeichnet, daß es als
Wirkstoff mindestens eine Verbindung der allgemeinen
Formel
in der B einen Guanin- oder Hypoxanthinrest und X
einen Azido- oder -OCH₃-Rest oder ein Fluoratom
bedeuten oder ein pharmazeutisch verträgliches
Salz davon, gegebenenfalls zusammen mit üblichen
pharmazeutischen Träger- und Verdünnungsmitteln
enthält.
2. 3′-Azido-2′,3′-dideoxy-guanosin.
Priority Applications (9)
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Cited By (1)
Publication number | Priority date | Publication date | Assignee | Title |
---|---|---|---|---|
EP0381335A1 (de) * | 1989-01-31 | 1990-08-08 | Tanabe Seiyaku Co., Ltd. | Antivirales Agens und Nucleosid |
-
1986
- 1986-11-21 DE DE19863639780 patent/DE3639780A1/de not_active Withdrawn
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Publication number | Priority date | Publication date | Assignee | Title |
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EP0381335A1 (de) * | 1989-01-31 | 1990-08-08 | Tanabe Seiyaku Co., Ltd. | Antivirales Agens und Nucleosid |
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