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Spontan auskrauselnde, multikomponente Chemiefasern
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Die Erfindung bezieht sich auf ein Verfahren zur Herstellung von spontan
auskräuselnden, multikomponenten Chemiefasern nach dem Oberbegriff des Anspruchs
1 sowie auf die nach diesem Verfahren hergestellten Produkte und auf die Anwendung
dieser Produkte.
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Multikomponente Chemiefasern nach dieser Erfindung sind Chemiefasern,
die aus zwei oder mehreren aneinanderhaftenden, aber deutlich getrennten Polymeren
mit unterschiedlichen physikalischen und/oder chemischen Eigenschaften aufgebaut
sind. Sie sind zu unterscheiden von Filamentmischaarnen oder Heterogarnen, d.h.
Garnen, die aus Mischungen von Filamenten mit unterschiedlicher chemischer oder
physikalischer Zusammensetzung aufgebaut sind. Ebenso sind sie zu unterscheiden
von bistrukturellen oder bikonsttuenten Fasern, d.h. Chemiefasern, die aus einem
Polymer, aber mit unterschiedlicher physikalischer Struktur, mit mehr oder weniger
scharfen Übergängen, asymmetrisch innerhalb der Einzelfilamente aufgebaut sind.
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Demnach sind Bikomponentenfasern solche Chemiefasern, die aus zwei
fest, aber trennbar miteinander verbundenen Polymeren unterschiedlichen chemischen
und/oder physikalischen Aufbaus, z.B. aus einem Homopolymer und einem modifizierten
Copolymer oder aus zwei artverschiedenen Polymeren, schichtig nebeneinander (Seite-an-Seite-Struktur)
oder umeinander (Kern-Mantel-Struktur) bzw. in einer Mischung mit inhomogener Verteilung
(Matrix/Fibrillensystem) aufgebaut sind.
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Derartige multikomponente Chemiefasern bestehen also aus spinnbaren
ersten und zweiten, insbesondere artverwandten thermoplastischen Polymeren, die
einer gemeinsamen Spinndüse getrennt zugeführt und dann zu in Längsrichtung aneinanderhaftenden
Filamentfäden versponnen werden und die daraufhin verstreckt und weiterbearbeitet
oder abgelegt werden. Die meisten der bekannten bikomponenten oder multikomponenten
Chemiefasern bezwecken, eine Selbstkräuselung der Fäden dadurch herbeizuführen,
daß unterschiedliche physikalische oder chemische Strukturen der aneinanderhaftenden
Polymeren dazu ausgenutzt werden, um in den Fasern latente Biegekräfte zu erzeugen.
Diese entstehen insbesondere durch ein unterschiedliches Schrumpfverhalten der Polymeren
und werden durch Wärmeeinwirkung entwickelt. Dabei stellt sich eine mehr oder weniger
starke schraubenlinienförmige Kräuselung ein, bei der die stärker schrumpfende Komponente
- ähnlich wie bei einem Bimetallstreifen - auf der Innenseite der Schraubenlinie
liegt.
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Sämtliche bikomponenten oder multikomponenten Chemiefasern, deren
Kräuselung auf einem unterschiedlichen Schrumpfverhalten der einzelnen Komponenten
beruht, werden üblicherweise durch Wärmeeinwirkung im spannungsreduzierten Zustand
entwickelt. Hierbei kommt es zu einer Rekristallisation oder zu einer Nachkristallisation
noch amorpher Restbereiche.
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Ein unterschiedliches Kristallisationsverhalten schafft dabei Schrumpfspannungen
zwischen den unterschiedlichen Komponenten des Filamentes, die über eine unregelmäßige
und nicht gezielt einstellbare Kräuselung abgebaut werden.
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Wesentlich für die textilen Eigenschaften der bekannten multikomponenten
Fasern ist es, daß zumindest die eine Komponente, üblicherweise diejenige, welche
zur Festigkeit der Fasern hauptsächlich beiträgt, bis zum niedrigsten maximalen
Verstreckverhältnis verstreckt wird, während der Anteil
des anderen
Polymeren im Faserquerschnitt ebenfalls in einem hohen Maße viskoplastisch, jedoch
unterhalb des maximalen Streckverhältnisses dieses Polymeren beansprucht wird. Dies
bedeutet, daß auf jeden Fall der größte Teil der durch Verstreckkräfte aufgebrachten
Dehnung im gesamten Faserquerschnitt irreversibel vorliegt.
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Als ein typisches Beispiel für eine derartige Bikomponentenfaser sei
die US-PS 2,439,815 genannt. Da hier die erste Polymerkomponente bis zum maximalen
Verstreckverhältnis verstreckt ist, während das zweite Polymere noch eine bestimmte
Reserve für eine weitere Verstreckung bzw. Dehnung hat - diese Reserve aber nicht
ausgenutzt werden kann, um das erste Polymere nicht zu stark zu beanspruchen und
den Faden zu zerreißen - besteht aufgrund in geringem Umfang vorhandender resersibler
Dehnungsanteile ein sehr geringes Potential zur Auskräuselung. Der wesentliche Anteil
der Kräuselung resultiert dagegen aus den unterschiedlichen Schrumpfeigenschaften
der beiden Polymeren, die nach Angaben aus der Literatur bis zu 40% - je nach Wahl
der gemeinsam versponnenen Polymertypen - betragen können.
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Die Erfindung macht sich nun zur Aufgabe, ein Verfahren zur Herstellung
von spontan auskräuselnden, multikomponenten Chemiefasern aus thermoplastischen,
verspinnbaren Polymeren zu schaffen, bei dem die Kräuselung nicht auf den durch
unterschiedlicheS Schrumpfverhalten der Komponenten bedingten Längenänderungen beruht
und bei dem die Einkräuselung daher auch nicht durch eine thermische Behandlung
unter Zugbeanspruchung rückgängig gemacht werden kann.
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Die Lösung dieser Aufgabe erfolgt mit den im Kennzeichenteil des Anspruchs
1 angegebenen Merkmalen.
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Wesentlich bei dieser Lösung ist es in verfahrenstechnischer Hinsicht,
daß neben einem reichlich verfügbaren thermoplastischen Grundpolymer ein artverwandtes
Block- oder Copolymer, ein Polymergemisch oder Mischpolymerisat auf der Basis des
Grundpolymeren zur Anwendung kommt, welches ohne besondere Schwierigkeiten oder
chemische Abbauerscheinungen aufgeschmolzen und bei etwa gleichen Temperaturen und
Viskositäten versponnen werden kann wie das Grundpolymer selbst. Dieses artverwandte
Polymere ist gemäß der Erfindung jedoch in einer solchen Weise modifiziert, daß
es nach dem Verspinnen ein elastomerähnliches, entropie-elastisches Verformungsverhalten
aufweist. Dies bedeutet, daß der Anteil des modifizierten Polymeren oder des Polymergemisches
nach dem Verstrecken des Einzelfilamentes bis zum maximalen Verstreckverhältnis
des Grundpolymeren eine viskoelastische, d.h. eine im wesentlichen vollständig reversible
Längenänderung besitzt und beim Nachlassen der äußeren Zugbeanspruchung versucht,
zu seiner ursprünglichen Länge vor der Verstreckung zurückzukehren.
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Dies ist aber wegen der irreversiblen, viskoplastischen Dehnung des
Grundpolymeren nicht möglich, so daß nunmehr eine spontane Kräuselung eintritt,
um den Zustand des inneren Kräfte- und Momentengleichgewichts im Filament wiederherzustellen.
Die Kräuselung wird beim Nachlassen der äußeren Zugbeanspruchung im Filament in
einer intensiven,schraubenlinienförmigen Textur sichtbar, die durch verschiedene
Parameter im Sinne des vorgesehenen Einsatzzweckes eingestellt werden kann. Die
Drehrichtung der Schraubenlinie wechselt dabei in unregelmäßigen Abständen von einer
S-Drehung zu einer Z-Drehung und umgekehrt. Zwischen den Stellen der änderung der
Drehrichtung liegen jeweils Umkehrstellen vor.
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Das erfindungsgemäße Herstellungsverfahren eignet sich sowohl für
endlose Filamentfäden als auch für Stapelfasern.
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Im letzteren Falle kann eine Mehrzahl von feintitrigen, multikomponenten
Filamentfäden gemeinsam ersponnen, vor oder nach dem Verstrecken zu einem Spinnkabel
gefacht, aufgewickelt und im Wickel zu Stapelfasern geschnitten werden.
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Vorrichtungen zum Schneiden des Spinnkabels in Stapelfasern gleicher
Länge, bei denen das Spinnkabel beispielsweise auf eine Messerwalze mit radial angeordneten
Messern gewickelt und bei denen jeweils die innerste Lage der Windungen zerschnitten
wird, sind bekannt. Ebenfalls sind Schneidvorrichtungen bekannt, bei denen das Spinnkabel
unter Ausnutzung von Fliehkräften unter Zugspannung gegen einen Messerkranz gewickelt
wird, wobei die äußerste Lage der Windungen unter dem Druck einer Andrückrolle fortlaufend
zu Stapelfasern zerschnitten wird. Die gefachten Filamentfäden können aber auch
nach herkömmlichen Verfahren nach der Verstreckung zu Stapelfasern geschnitten werden.
Die nach dem erfindungsgemäßen Verfahren erzielte Kräuselung ist jedoch nach beiden
Ausführungsvarianten wesentlich gleichförmiger und intensiver als die bei der Anwendung
eines Stauchkammerkräuselverfahrens vorliegende Kräuselung und bedarf dazu eines
wesentlich geringeren maschinentechnischen Aufwandes.
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Die multikomponenten Filamentfäden können entweder eine Kern-Mantel-Struktur
aufweisen, wobei das modifizierte Polymere mit Elastomereigenschaften im Kern, bevorzugt
exzentrisch im Kern, und das Grundpolymere in der Hülle vorliegt. Dies hat den Vorteil,
daß die die Kräuselung bewirkende Polymerkomponente in einem Gewebe oder dgl. nach
außen hin nicht in Erscheinung tritt und das Anfärbeverhalten oder den Griff. und
ähnliche textile Eigenschaften nicht beeinflußt.
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Diese werden im wesentlichen ausschließlich durch das Eigenschaftsprofil
des thermoplastischen Grundpolymeren vorgegeben.
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Alternativ ist es möglich, daß die multikomponenten Filamentfäden
in einer Seite-an-Seite-Struktur gesponnen werden und nur eine Grenzfläche zwischen
den beiden Polymeren vorliegt.
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Der Querschnitt dieser Fäden weicht vorzugsweise stark von der Kreisform
ab und ist beispielsweise elliptisch, trilobal oder andersweitig profiliert. Da
die Grundpolymeren für die Chemiefasererzeugung, wie beispielsweise Polyäthylenterephthalat,
Polyamid 6, Polyamid 6.6 oder die Polyolefine wie insbesondere Polypropylen in großen
Mengen hergestellt werden, während die erfindungsgemäß zur Anwendung kommenden modifizierten
Copolymeren oder Mischpolymeren mit entropieelastischen Verformungseigenschaften
im Vergleich dazu nur in kleinen Chargen hergestellt werden und dementsprechend
teurer sind, sollte man schon aufgrund wirtschaftlicher Überlegungen einen möglichst
geringen Anteil der modifizierten Polymeren im Querschnitt der multikomponenten
Filamentfäden anwenden und die Kräuselfrequenz durch Variation anderer Parameter
optimieren. Vorzugsweise liegt der Flächenanteil der modifzierten Polymere im Gesamtquerschnitt
der Filamentfäden zwischen 5% und 20%.
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Die erfindungsgemäß zur Anwendung kommenden modifizierten Polymere
sind bei verschiedenen Polymerherstellern erhältlich.
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So wird beispielsweise ein modifiziertes Polypropylen mit einem derartigen
Eigenschaftsprofil von den Chemischen Werken Hüls AG unter dem Markennamen Vestopren
TP angeboten. Ein thermoplastisches Polyesterelastomer auf der Basis von Polyätherester
wird dagegen von der Firma Akzo Plastics BV unter dem Markennamen Arnitel angeboten.
Schließlich werden von der Ato-Chimie verschiedene Polyäther-Blockamide (PE-BA)
mit unterschiedlichen Eigenschaftsprofilen, d.h. thermoplastische Elastomere auf
Polyamid- und Polyätherbasis angeboten (Kunststoffe-Plastics 12 (1981), S. 12 bis
16), die entsprechend dem Erfindungsgedanken modifziert sind.
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Spinnversuche zur Herstellung von Bikomponentenfäden aus Polyäthylenterephthalat
und zu e einer Arnitel-Extrusionstype haben Fäden mit einer ausgezeichneten und
dauerhaften Kräuselung und Kräuselungsbeständigkeit ergeben; ebenfalls Bikomponentenfäden
aus Polypropylen und einem niedrigen Anteil Vestopren TP.
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Die erfindungsgemäßen multikomponenten Chemiefasern unterscheiden
sich von den in der Literatur beschriebenen spontan kräuselnden Chemiefasern ähnlicher
Art durch die Zusammensetzung der Polymerkomponenten und durch die höhere Kräuselintensität
bei gleicher Konstruktion des Faseraufbaus, was im wesentlichen auf die Entropiestabilisierung
des Molekulargefüges des einen der miteinander versponnenen Polymerwerkstoffe zurückzuführen
ist.
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Sofern man Polymere verspinnen will, die an ihrer gemeinsamen Grenzschicht
keine ausreichenden Bindungskräfte aufweisen, um nach dem Verstrecken und dem Nachbehandeln
bzw. Verarbeiten in Längsrichtung noch fest aneinanderzuhaften, wird vorgeschlagen,
einen geeigneten Haftvermittler für die beiden Polymeranteile in die Grenzschicht
der beiden Komponenten einzuspinnen.
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Besonders hochwertige Fasern werden erhalten, wenn die aus dem Grundpolymeren
bestehenden Filament- oder Faseranteile bis zu ihrem maximalen Verstreckverhältnis
verstreckt sind.
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Bei einem hohen Anteil des Grundpolymeren im Faserquerschnitt von
etwa 90% kann hierbei annähernd die Festigkeit entsprechender Fäden aus dem reinen
Grundpolymeren erzielt werden, obwohl andere Fasereigenschaften wie Dehnung, Kräuselung
und dgl. erheblich verbessert werden.
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Der Titer der hergestellten Fäden richtet sich im wesentlichen nach
dem Verwendungszweck. So können Fäden vorzugsweise mit einem Strecktiter zwischen
1 dtex und 30 dtex hergestellt werden. Die niedrigen Titer werden dabei für textile
Einsatzzwecke verwendet, während die gröberen Titer für Heimtextilien und insbesondere
für technische Anwendungsgebiete benutzt werden, wo neben der Bauschigkeit des Filamentes
oft auch eine hohe Steifigkeit des daraus gebildeten Erzeugnisses verlangt wird.
Es ist jedoch zu beachten, daß mit wachsendem
Titer die Kräuselintensität
geringer wird und der Krümmungsradius der Schraubenlinie bzw. deren Durchmesser
größer ist.
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Dies bedeutet andererseits, daß bei sehr niedrigen Strecktitern eine
sehr feine, gleichrnäßige und spontane Auskrauselung der Filamente erzeugt wird,
die über die Kräuselung der durch Wärmeschrumpf stabilisierten Nolekülketten wesentlich
hinausgeht.
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Wegen eventueller Verarbeitungsprobleine kann es in manchen Fällen
günstig sein, die vorhandene Kräuselung nicht sofort.
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zum Vorschein kommen zu lassen, sondern die Filamentfäden als glatte
Fäden unter Spannung aufzuwickeln und erst im textilen Flächengebilde auskräuseln
zu lassen. Hierzu ist keinerlei zusätzliche thermische Behandlung notwe}1dig, sondern
ausschließlic}1 ein Nachlassen des mechanischen Spannungszustandes und damit das
lairksarlwerdon des unterschiedlichen Dehnungsverhaltens der beiden miteinander
einen Filamentfaden bildenden Komponenten. Dennoch kann eine Schrumpfbehandlung
der Filamente oder der daraus hergestellten textilen Erzeugnisse von Vorteil sein.
Es sei jedoch nociimals betont, daß eine derartige Wärmebehandlung für die Entropiestabilisierung
der Molekülketten und die Kräuselintensität ohne wesentliche Auswirkung bleibt.
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Die hergestellten Multifilamentfäden eignen sich für die Weiterverarbeitung
zu textilen Flächengebilden, Vliesstoffen oder Heimtextilien wie Möbelbezugsstoffe
oder Polfäden für Teppichböden. Sie können aber auch in gröberen Titern für technische
Zwecke, wie beispielsweise im Hoch- oder Tiefbau zum Drainieren von Gebäuden, Sportanlagen,
im Straßenbau oder für Deichbefestigungen angewandt werden, wobei aus den groben
Filamentfäden dicke Vliese oder Natten hergestellt werden, die auf bekannte Weise
chemisch, durch Wärmeeinwirkung oder dgl. verfestigt werden.
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Im folgenden wird die Erfindung anhand eines Ausführungsbeispiels
näher erläutert.
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Es zeigen: Fig. 1 das idealisierte Verformungsverhalten eines thermoplastischen
Polymeren; Fig. 2 das idealisierte Verformungsverhalten eines elastomeren Polymeren;
Fig. 3 das idealisierte Verformungsverhalten eines Polymerverbundes mit einer thermoplastischen
und einer elastomeren Komponente; Fig. 4a bis 4c
Querschnitte von bevorzugten Anordnungen der Polymerkomponenten im Filament; Fig.
5 ein schraubenlinienförmig gekräuselter Faden gemäß der Erfindung in starker Vergrößerung.
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Bei der Verstreckung (plastische Verformung) von thermoplastischen
Polymeren in mittleren Temperaturbereichen, wo die Temperatur oberhalb der Glastemperatur
T und unterhalb g der Temperatur des viskosen Fließens liegt, findet ein Aneinandervorbeigleiten
und Ausrichten von Glasstrukturen (amorphe Bereiche) und teilkristallinen Gefügebereichen
statt. Ein solches Verformungsverhalten ist in Fig. 1 vereinfacht dargestellt. Nach
Aufbringung einer Kraft P stellt sich gegenüber der unbelasteten Materialprobe (gemäß
Punkt 1 in Fig. 1) eine Dehnung g (gemäß Punkt 2 in Fig. 1) ein.
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Diese Dehnung£ bleibt bestehen, solange die Kraft P wirkt (0). O).
Wird diese jedoch aufgehoben (fürs = O; für Punkt 3 in Fiy. 1), so bleiben große
Bereiche des polymeren Gebildes plastisch verformt (t plastisch = g4 - 01) während
ein geringer Teil der Längenänderung elastisch relaxiert ( g elastisch = t3 -64)-
Durch
die plastische Verformung hat sich eine Gefügestruktur gebildet, die bis nahe an
die Temperatur, bei der die Kraft P aufgebracht wurde, thermodynamisch stabil ist.
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Der Grund hierfür ist, daß die freie Energie der Kettenmoleküle durch
ein Ausrichten der gefalteten Kettenmoleküle erniedrigt wird und die Moleküle eine
energetisch günstigere Lage einnehmen. Diese Erscheinung wird als Energie-oder Enhalpiestabilisierung
bezeichnet.
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Bei einer Erhöhung der Temperatur kann eine derartige Verformungsstruktur
wieder aufgehoben werden und das Polymere kann unter Bildung von gekneuelten Ketten
und nach außen sichtbaren Schrumpferscheinungen rekristallisieren.
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BeimVerstrecken von Elastomeren oder elastomerähnlich modifizierten
Thermoplasten werden die verkneuelten Kette moleküle auseinandergezogen. Die hierzu
benötigte freie Energie, die die defekte Kette in eine perfekte Kette umwandelt,
eryibt sich aus dem Entropieunterschied zwischen ungeordnet verknäueltem und gestrecktem
Zustand der Molekülkette. Dieser gereckte Zustand ist thermodynamisch jedoch nicht
stabil, da durch die Ausrichtung der Kettenmoleküle in Kraftrichtung die Entropie
erhöht wird, das System aber den Zustand geringster Entropie anstrebt und sich deshalb
zurückzubilden sucht.
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Dieser Vorgang wird als Entropiestabilisierung des Molekulargefüges
bezeichnet. Voraussetzung für das Auftreten dieser Erscheinung ist es aber, daß
das Elastomer oder der Thermoplast mit elastomerähnlichem Verhalten entweder eine
verkneuelte Molekülkette oder nur eine schwer kristallisierbare Kette oder eine
schwach vernetzte Kette besitzt.
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Ein Polymeres mit einem derartigen Gefügeaufbau zeigt ein viskoelastisches
Verformungsverhalten, wie dies vereinfacht in Fig. 2 dargestellt ist. Nach der u;bringung
einer Kraft P stellt sich zeitlich verzögert eine Dehnuna gein, die
für
6 > O monoton ansteigt, bis sie am Punkt 20 ihren Endwert erreicht hat und die
nach einer Entlastung zeitlich verzögert wieder auf den Wert Null zurückgeht. Bei
modifizierten Thermoplasten liegt ein qualitativ ähnliches Verhalten vor, doch kann
hier - je nach Einstellung des Polymerwerkstoffes -eine geringe plastische Dehnung
verbleiben, die meist vernachlässigt werden darf.
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Das Verformungsverhalten eines Verbundsystems gemäß der Erfindung
aus einem Thermoplasten mit einer im wesentlichen plastischen Dehnung nach Fig.
1 und einem Elastomeren oder einem Polymeren mit elastomerähnlichem Verhalten nach
Fig. 2 ist in Fig. 3 dargestellt. Wird ein solches Verbundsystem aus einem Elastomeren
und einem Thermoplasten, beispielsweise ein Multikomponentenfilament entsprechend
der Erfindung, verstreckt, so stellt sich eine Dehnung g ein, die dazu führt, daß
der thermoplastische Anteil des Querschnitts des Filamentes zum größten Teil plastisch
verformt (Punkt 4) bleibt -zwischen den Punkten 3 bzw. 30 und 4 liegt der Bereich
der elastischen Rückbildung der Verformung - während der elastomere Anteil des Querschnitts
des Filamentes größtenteils elastisch verformt wird und beim Nachlassen der Beanspruchung
seine Dehnung im Idealfall wieder gegen den Wert Null zurückgeht (Punkt 40). Durch
die verbleibende hohe, durch die unterschiedliche elastische Dehnung bedingte Restenergie
kommt es bei dem Verbundsystem nach der vorliegenden Erfindung zu einem Spannungsabbau
durch eine Deformation des Thermoplasten, d.h. insbesondere zu einer helixförmigen
Eigenkräuselung des Filamentes. Da hierbei die Enden des Filamentes jeweils als
eingespannt zu betrachten sind, entsteht ein Falschdrall mit abwechselnder Drehungsrichtung
der Schraubenlinie in S- und Z-Richtung und dazwischen liegendenumkehrstellen.
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Die beschriebene Eigenkräuselung kann durch verschiedene Parameter
eingestellt werden, wie noch gezeigt wird. Dadurch, daß der elastomere oder elastomerähnlich
modifizierte Polymeranteil aber immer den Zustand geringster Entropie anstrebt,
wird diese Kräuselung als entropiestabilisiert bezeichnet.
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In den Figuren 4a bis 4c sind lediglich beispielhaft Querschnitte
von Verbundfäden nach der Erfindung gezeigt, und zwar in Fig. 4a und Fig. 4b eine
Kern-Mantel-Struktur aus einem Grundpolymeren A im Mantel und einem modifizierten
Thermoplasten B mit dem Verformungsverhalten eines Elastomeren im Kern, wobei das
Zentrum der Komponente B im Kern des Filamentes um einen Betrag a asymmetrisch zum
Zentrum des Grundpolymeren A vorliegt. Bei einem Filamentdurchmesser von d gilt
für die Exzentrizität 0a< a Fig. 4b zeigt einen gleichartigen Aufbau des Filamentfadens,
jedoch unter zusätzlicher Verwendung eines bei Verbundsystemen gebräudlichen Haftvermittlers
C. Eine derartige Filamentkonstruktion ist zwar bei verschiedenen Polymeren erforderlich,
gilt aber weyen der wesentlich komplizierter aufgebauten Spinndüsen nicht als bevorzugt.
Fig. 4c zeigt schematisch eine Seite-an-Seite-Anordnung der Komponenten A und B
im Verbundfaden, wobei zwischen den Grenzschichten der Polymeren ebenfalls ein Haftvermittler
C eingesponnen ist. Die Polymeren haben bevorzugt eine einzige gemeinsame Grenzschicht,
die - wie dargestellt - gekrümmt oder auch geradlinig verlaufen kann. Die Anordnung
der Komponenten nach Fig. 4c kommt bevorzugt dann zum Einsatz, wenn die beiden fadenbildenden
Komponenten sich hinsichtlich ihrer textiltechnischen Eigenschaften nur geringfügig
unterscheiden oder wenn es bei technischen Verwendungen hierauf nicht wesentlich
ankommt.
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In Fig. 5 ist ein Bikomponentenfilament gemäß der Erfindung dargestellt.
Es besteht aus Polypropylen und einem mit EPDM-Anteilen modifizierten Polypropylen
Vestopren TP (vgl. Kunststofftaschenbuch, 20. Auflage. S. 447/448; hiernach ist
EPDM:ein ungesättigter Äthylen-Propylen-Kautschuk, der als Terkomponente Diene enthält
und mit Schwefel vulkanisierbar ist. Da bei den Terpolymeren die ungesättigten Stellen
außerhalb der Hauptkette liegen, bleiben auch bei einer Vernetzung mit Schwefel
die Eigenschaften eines gesättigten, polymeren Olefins erhalten).
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Es handelt sich um ein Seite-an-Seite gesponnenes Verbundfilament,
welches bei einer für Polypropylenfäden üblichen Verstreckung spontan auskräuselt.
Die Xräuselfrequenz beträgt im vorliegenden Beispiel 40 Kräuselbogen je cm Fadenlänge.
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Die Kräuselung ist hinsichtlich Kräuselfrequenz und Krümmungsradius
gezielt einstellbar und reproduzierbar, wie im folgenden gezeigt wird.
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Nach der Verstreckung bewirken die unterschiedlichen Rückstellkräfte
der plastisch und der elastisch verformten Polymerkomponente ein Drehmoment auf
das Verbundfilament, so daß sich die helix- oder schraubenlinienförmige Kräuselung
nach Fig. 5 einstellt. Über die Größe dieses Drehmomentes lassen sich nun unterschiedliche
Kräuselungen einstellen.
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Es gilt t1k = a.PR; mit Mk = Kräuselmoment, a = Asymmetrie oder Exzentrizität
der eingesponnenen Polymerkomponente; Pg = resultierende ?jcstellkraft.
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Hierbei ist PR = PR1 PR2 PRi = Rückstellkraft der einzelnen Komponente.
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Wird davon ausgegangen, daß die Rückstellkraft der gemäß Fig. 1 plastisch
verformten, ersten Komponente etwa gleich Null ist (max. Verstreckung) und die modifizierte,
zweite Komponente bei dieser Verstreckung noch im elastischen Bereich (auf der Newtonschen
Geraden) liegt, so ergibt sich in vereinfachter Form der Zusammenhang: P # = E .#
= A ; worin E = Elastizitätsmodul t = Dehnung # = Zugspannung A = Fläche und mit
R R2 das Kräuselmoment zu: |MK|~E2.#.2. a . A2.a Das Kräuselmoment und damit auch
der Kräuselungsgrad sind -wie aus der angegebenen Beziehung ersichtlich - daher'über
die folgenden Parameter gezielt einstellbar: Materialauswahl (E-Modul); Verstreckungsgrad
(Dehnung); Volumenanteil der modifizierten, zweiten Komponente (Fläche A); und die
Asymmetrie der Einlagerung der modifizierten Komponente (Exzentrizität a). Als weiterer
Parameter kommt u.a. noch der Fadentiter hinzu, der einen Einfluß auf den Krümmungsradius
de-r Helixstruktur hat.
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Die angegebenen Parameter sind von Fall zu Fall so einzustellen, daß
mit einem geringen Aufand für das Material, insbesondere die zweite Polymerkomponente,
eine möglichst starke Kräuselung erzielt wird, indem ein optimal hohes Kräuselmoment
eingestellt wird.
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