Die Erfindung betrifft eine Vorrichtung zur Gewinnung von Kurzfasern für technische
Anwendungen aus getrockneten vorzerkleinerten Bastfasergewächsen, insbeson
dere aus Hanf und Flachs.
Zur Langfasergewinnung für die textile Verarbeitung sind einige Verfahren bekannt.
Die Bastfasergewächse werden traditionell zunächst einer Röste unterzogen. Durch
die Röste wird die Pektinschicht als Verbindungsmedium zwischen den Fasern und
dem Holz durch die Einwirkung von Mikroorganismen abgebaut. Angewendet
werden die Tau-, Kalt- und Warmwasserröste. Die Tauröste erfolgt auf dem Feld
nach der Mahd über einen Zeitraum von 2-6 Wochen. Die Wasserröste geschieht
entweder im Kaltwasserbecken über eine Dauer von ca. 2 Wochen oder in einem
Warmwasserbecken über einen Zeitraum von einer Woche.
Das getrocknete Stroh der gerösteten Bastfasern wird Brechen zugeführt, die den
holzigen Kern des Strohs in kleine Stücke (Schäben) zerbrechen, die anschließend
in Schwingen oder Turbinen von den Langfasern abgeschlagen werden.
Einerseits sind der technische und personelle Aufwand für die Gewinnung einer
Langfaser in Deutschland sowie die Umweltbelastung bei der Wasserröste und das
Witterungsrisiko bei der Tauröste auf dem Feld viel zu hoch, andererseits sind für
technische Anwendungen solche Langfasern meist nicht erforderlich und auch nicht
verwertbar.
Für die Gewinnung von Kurzfasern sind Anlagen bekannt, die bei Nutzung der
konventionellen Brech- und Schwingeinrichtungen ungekürztes Rohmaterial
verwenden und erst in den nachfolgenden Faseröffnungs- und -reinigungsstufen
eine Fasereinkürzung vornehmen. Diese Verfahren verursachen durch ihren hohen
technischen Aufwand Faserkosten, die weder für eine textile noch für eine
technische Nutzung relevant sind.
Bekannt ist auch ein Verfahren, bei dem getrocknete Flachsstengel durch ein
zerschlagendes Schneiden oder Abscheren in Abschnitte einer Länge zwischen 2
und 12 mm getrennt und dabei entholzt werden. Durch Siebung werden die
Holzbestandteile abgeschieden. Die Gewährleistung eines hohen Röstzustandes
sowie der hohe Energieaufwand, die ungleichmäßige Faserlänge und die damit
einhergehende Wickelgefahr erweisen sich als Nachteile dieses Verfahrens.
Weitere bekannte Einrichtungen zum Entfasern betreffen hochtourig rotierende
Mühlen, wobei das Gut in zerkleinerter Form als Schüttgut zugeführt wird.
Bekannt ist eine Mahleinrichtung mit einem rotierenden Werkzeugträger, der mit
vorzugsweise elastisch schwenkbaren Schlägern oder Hämmern bestückt ist, die in
einem Mahlraum umlaufen. Die Hämmer oder Schläger weisen verschiedene
Formen auf, z. B. einen dreieckig gezahnten Querschnitt, und kämmen zwischen
zylindrischen gelochten oder ungelochten Mahlbahnen mit längs und quer geriffelten
Mahlsegmenten. Das Gut wird pneumatisch gefördert. Das Prinzip wird für die .
Zerkleinerung von faserigem Schüttgut für die anschließende Brikettierung ohne
Bindemittel eingesetzt.
Bekannt ist auch eine Mühle mit einem vertikal angeordneten Hammerrotor in einem
aus zylindrischen Siebelementen bestehenden Mahlraum. Die gehäckselten
Bastfaserstengel werden an der oberen Stirnseite des zylindrischen Mahlraumes
zugeführt und bewegen sich unter der Einwirkung von Zentrifugal-, Tangential- und
Schwerkraft schraubenförmig im Inneren des Mahlraumes nach unten. Die während
der Bearbeitung gelösten Schäben gelangen infolge der Zentrifugalkraft durch das
Sieb und werden separat von den Fasern, die im Inneren des Mahlraumes unten
anfallen, abgeführt. Diese Vorrichtung ist lediglich zur Gewinnung einer kurzen Faser
für die Papierherstellung bei Verwendung eines kurzen Aufgabegutes bedingt
geeignet. Die Bearbeitungsdauer des Gutes im Mahlraum ist durch die Länge des
Mahlraumes vorgegeben und somit nicht steuerbar. Bei Verwendung eines gröberen
Häckselgutes zum Erzielen von mittleren Faserlängen zwischen 5 und 10 cm für
technische Anwendungen sind wegen der zu kurzen Bearbeitungszeit sowohl der
Faseraufschluß als auch die Zerkleinerung der Schäben und damit deren
Abscheidung durch das Sieb unbefriedigend. Der Einbau von Prallelementen ist bei
der vertikalen Bauform nicht sinnvoll, da das durch diese Einbauten abgebremste
Gut außerhalb des Wirkungsbereiches der rotierenden Hämmer unbearbeitet nach
unten durchfallen kann. Der freie Durchgang der Fasern am unteren Ende des
Mahlraumes ist durch die Stege für die Rotorlagerung nicht gewährleistet. Dies führt
insbesondere bei o. g. Faserlängen zu Verstopfungen. Weitere Nachteile sind die
mangelnde Gutzuführung infolge des Fehlens von Saugluft, die Gefahr der
Siebverstopfung und die aufwendige vertikale Bauform.
Weiterhin bekannt ist eine Hammermühle, bei der im Radialflußprinzip die
gehäckselten Bastfaserstengel zugeführt und entfasert werden und sowohl die
Fasern als auch die Schäben als Gemenge nach entsprechender Einkürzung und
Zerkleinerung ein im Mahlraum befindliches Sieb passieren. Nachteile dieser
Einrichtung sind die kurze Faserlänge, der hohe Energieaufwand für die
prinzipbedingte, aber ungewollte Fasereinkürzung und der hohe Aufwand für die
nachfolgende Trennung der Schäben von den Fasern.
Darüber hinaus sind physikalisch-chemische Verfahren (Dampfdruck-, FLASIN- und
Ultraschallverfahren) bekannt, die einen Feinaufschluß der mechanisch grob
aufgeschlossenen Faser bewirken. Diese Verfahren sind für technische Anwen
dungen der Faser viel zu teuer und auch nicht notwendig.
Aufgabe der Erfindung ist es, eine kostengünstige Vorrichtung zur Gewinnung von
Kurzfasern mit einer mittleren Länge bis 10 cm bei geringer Faserschädigung für
technische Anwendungen aus getrockneten vorzerkleinerten Bastfasergewächsen,
insbesondere aus Hanf und Flachs, zu schaffen, bei der während des
Zerfaserungsprozesses auch eine Abscheidung der abgelösten Holzbestandteile von
den Fasern realisiert wird und eine gute Steuerung der Bearbeitungsdauer in
Abhängigkeit vom Röstzustand des Rohmaterials und vom gewünschten
Aufschlußgrad für die jeweilige technische Anwendung erfolgt.
Diese Aufgabe wird durch hochtourig rotierende Mühlen mit Bandstahlschlägern mit
den Merkmalen im Kennzeichen des Anspruches 1 gelöst.
Durch die vorteilhafte Modifikation des bekannten Prinzips hochtouriger Mühlen mit
in der vertikalen Ebene umlaufenden Bandstahlschlägern wird in einem
Verfahrensschritt sowohl die Zerfaserung als auch die Abscheidung der Schäben
von den Fasern vorgenommen. Der technische Aufwand für eine nachfolgende
Faserreinigung wird damit reduziert. Ferner bleibt die Faser im Aufgabegut
weitestgehend ungekürzt erhalten, woraus sich Anwendervorteile und Einsparungen
beim Energieaufwand ergeben.
Die Bearbeitungsdauer des Gutes ist über die axiale Luftgeschwindigkeit im
Mahlraum, über das Abprall- und Ablenkverhalten auf Prallplatten, Leiteinrichtungen
und Fingerleisten sowie über den Drehversatz der auf der langen Rotorwelle
hintereinander angeordneten Werkzeugträger beeinflußbar. Die axiale
Luftgeschwindigkeit im Mahlraum als dominante Einflußgröße auf die
Bearbeitungsdauer für faserhaltige Stoffe ist von der Saugleistung im
Faserabführkanal und in den Schäbenabführkanälen, von der Drehzahl der
Rotorwelle, vom Querschnitt des Zuführkanals, von der Art und Anordnung der
passiven Mahlelemente sowie von der Größe und Position der Luftansaugöffnungen
in der Mahlraumwandung abhängig. Sowohl über die Größe und Position o. g.
Luftansaugöffnungen als auch über verstellbare Leiteinrichtungen in der oberen
Mahlraumhälfte kann eine gute Steuerung der Bearbeitungsdauer erreicht werden.
Die Steuerung der Bearbeitungsdauer ist von entscheidender Bedeutung, um in
Abhängigkeit von der Qualität des Rohmaterials den für die jeweilige technische
Anwendung gewünschten Aufschlußgrad zu erzielen.
Der für den Faser- und Schäbentransport aus dem Zuführkanal angesaugte
Luftstrom hat den Vorteil einer zügigen und verstopfungsfreien Gutzuführung.
Durch die sägezahn- oder trapezförmige Ausbildung der Prallplatten, die einen
intermittierenden in Drehrichtung der Rotorwelle sich verengenden Mahlspalt
bewirken, wird der Entfaserungsprozeß vorwiegend durch Prall- und
Reibbeanspruchung intensiviert.
Die bei Linksdrehsinn der Rotorwelle im oberen linken Mahlraumsektor
angeordneten Fingerleisten haben den Vorteil, daß beim Aufprall des Faser-
Schäben-Gemisches sowohl eine weitere Zerkleinerung der Schäben infolge
Biegebeanspruchung als auch eine Entmischung erfolgt. Das Fasergemenge wird
auf Grund seiner Verflechtung und der großen Faserlänge im Vergleich zur
Schäbenlänge durch die Fingerleisten radial zurückgehalten, während die
zerkleinerten Schäben durch deren Trägheit radial weiter nach außen und damit
näher zum Sieb gelangen und somit besser abgeschieden werden. Durch eine zur
Schlägerbahnebene geneigte Anordnung der Finger wird der axiale Guttransport im
Mahlraum unterstützt.
Siebsegmente mit Querschlitzen, bezogen auf die Bewegung der Bandstahlschläger,
haben gegenüber Siebsegmenten mit Rundlöchern den Vorteil einer besseren
Schäbenabscheidung bei reduziertem Faserfehlaustrag.
Nachfolgend wird die Vorrichtung anhand der beiden Figuren der Zeichnung
erläutert, wobei
Fig. 1 schematisch den Längsschnitt durch die Entfaserungseinrichtung und
Fig. 2 dieselbe Einrichtung schematisch im Querschnitt
darstellt.
Nach Fig. 1 und Fig. 2 enthält die Entfaserungseinrichtung eine lange horizontale
Rotorwelle 9, auf der mehrere Werkzeugträger 8 mit schwenkbaren flachen
Bandstahlschlägern 5 derart schraubenförmig verdreht unmittelbar hintereinander
fest angeordnet sind, daß der letzte Werkzeugträger 8 gegenüber dem ersten um
maximal eine Teilung der Schlägerreihen nachläuft. Die Bandstahlschläger 5 laufen
in einem Mahlraum 2 um. Der Mahlraum 2 wird nach unten durch zylindrische
Siebsegmente 6 begrenzt. Die obere Hälfte des Mahlraumes 2 ist
nacheinanderfolgend, beginnend von rechts bei linksdrehender Rotorwelle 9, mit
Prallplatten 7, Leiteinrichtungen 14 und Fingerleisten 15 bestückt. Am vorderen Ende
des Mahlraumes 2 ist ein vorzugsweise radialer Zuführkanal 1 und am axial
gegenüberliegenden Ende ein Faserabführkanal 10 angeordnet. Unterhalb der den
Mahlraum 2 nach unten begrenzenden Siebsegmente 6 sind ein oder mehrere
Schäbenabführkanäle 11 vorgesehen. In der Wandung des Mahlraumes 2,
vorzugsweise im Gehäusedeckel 3, sind verstellbare Luftansaugöffnungen 4
angeordnet.
Die gehäckselten Bastfaserstengel gelangen über den Zuführkanal 1 in den
Mahlraum 2.
Die Entfaserung erfolgt durch die Wechselwirkung des Gutes mit den schnell
umlaufenden Bandstahlschlägern 5 und den passiven Mahlelementen
(Siebsegmente 6, Prallplatten 7, Leiteinrichtungen 14 und Fingerleisten 15) unter
Ausnutzung der Prall-, Scher- und Biegebeanspruchung. Das Gut wird dabei
schraubenförmig durch den Mahlraum 2 bewegt. Die Fasern werden am der
Aufgabeseite axial gegenüberliegenden Ende des Mahlraumes 2 abgesaugt.
Während des Entfaserungsprozesses gelangen die gelösten und zerkleinerten
Schäben durch die Siebsegmente 6 und werden über ein oder mehrere
Schäbenabführkanäle 11 separat von den Fasern abgeführt. Aus dem Zuführkanal 1
und den in der Wandung des Mahlraumes 2 angeordneten verstellbaren
Luftansaugöffnungen 4 werden zwei Teilluftströme für den Schäben- und
Fasertransport abgesaugt.
Verzeichnis der verwendeten Bezugszeichen
1
Zuführkanal
2
Mahlraum
3
Gehäusedeckel
4
verstellbare Luftansaugöffnung
5
Bandstahlschläger
6
zylindrisches Siebsegment
7
Prallplatte
8
Werkzeugträger
9
Rotorwelle
10
Faserabführkanal
11
Schäbenabführkanal
12
faserabführseitige Deckelstirnwand
13
faserabführseitige Gehäusestirnwand
14
Leiteinrichtung
15
Fingerleiste