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Stand der Technik
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Die Erfindung betrifft ein aktives Lenksystem nach dem Oberbegriff von Anspruch 1
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Ein derartiges aktives Lenksystem ist aus der
DE OS 40 31 316 A1 bekannt und ist in der beiliegenden
1 schematisch dargestellt. Der vom Fahrer am Lenkrad
21 eingestellte Lenkradwinkel δL liegt einem Eingang eines Überlagerungsgetriebes
22 an. Aus von der Fahrsituation und von der Umgebungssituation abhängigen Signalen ermittelt eine Steuer/Regeleinheit
37 einen Zusatzlenkwinkel δM und führt einem elektrischen Stellmotor
23 einen entsprechenden Ansteuerstrom zu. Der Zusatzlenkwinkel δM liegt dem anderen Eingang des Überlagerungsgetriebes
22 an. Ausgangsseitig erzeugt das Überlagerungsgetriebe
22 einen überlagerten Lenkwinkel δL· für die gelenkten Räder
25a,
25b, so daß dieser unabhängig von dem am Lenkrad eingestellten Lenkradwinkel δL verändert werden kann. Ein Lenkgetriebe
24 setzt den überlagerten Winkel δL· in eine entsprechende Bewegung der Lenkwelle
26 um. Mit der in
1 gezeigten Anordnung können verschiedene Funktionen, die die Fahrdynamik, Fahrsicherheit sowie das Fahrzeugverhalten verbessern, realisiert werden. Eine kraftunterstützende Funktion wie bei einer Servolenkung kann damit nicht erreicht werden. Der vom Fahrer vorgegebene Lenkradwinkel δL soll sich nicht verändern und das Lenkrad seine Position beibehalten.
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Im Überlagerungsgetriebe 22 wird mechanische Leistung mit fest vorgegebenen Drehmomentverhältnis bzw. Kraftverhältnis aber freien Drehzahlen bzw. Geschwindigkeiten summiert. Das vorn Stellmotor aufgebrachte Drehmoment muß am Lenkrad 21 abgestützt werden, damit es in Richtung des Lenkgetriebes 24 geleitet wird. Wird dieses Drehmoment am Lenkrad 21 nicht oder nur teilweise abgestützt, beginnt sich das Lenkrad 21 anstatt der Räder 25a, 25b zu verdrehen. Es ist deshalb notwendig, daß das Lenkrad 21 während eines Eingriffs des Stellmotors 23 nicht vom Fahrer losgelassen wird.
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Das vom Fahrer abzustützende, auf das Lenkrad 21 rückwirkende Motormoment ist von der Beschleunigung des Stellmotors 23 und den vorhandenen Massenträgheiten abhängig. Das abzustützende Moment ist vom Fahrer ab einem gewissen Betrag spürbar. Dieses spürbare Moment verschlechtert den subjektiven Fahreindruck des Fahrers. Das sehr gute subjektive Lenkgefühl konventioneller Lenksysteme darf durch den Einsatz von elektronischen Lenksystemen mit Überlagerungsgetriebe nicht verschlechtert werden.
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Wenn ein solches elektronisches Lenksystem zur Korrektur fahrdynamisch kritischer Fahrsituationen aktiviert wird, ist es notwendig, innerhalb kurzer Zeit den benötigten Zusatzlenkwinkel δM zu erzeugen. Der Stellmotor, der den Zusatzlenkwinkel erzeugen soll, muß aus diesem Grund schnell eine hohe Drehzahl erreichen. Die Motordrehzahl n
not erhält man durch zeitliche Integration des Motormoments m
mot und Gewichtung mit der Massenträgheit J wie folgt:
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Damit der Stellmotor 23 schnell eine hohe Drehzahl erreichen kann, muß er bei gegebener Massenträgheit J ein hohes Moment erzeugen. Große Motormomente haben eine große Beschleunigung des Motors zur Folge. Große Motormomente wirken sich durch die oben geschilderte Rückwirkung auf das Lenkrad negativ auf das subjektive Fahrgefühl des Fahrers aus. Große Motormomente sind deshalb in Fahrsituationen, in denen sie nicht benötigt werden zu vermeiden. Dennoch muß der Motor so dimensioniert sein, daß er bei Bedarf große Momente bereitstellen kann.
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2 zeigt graphisch Simulationsergebnisse, die das Motorverhalten als Antwort auf einen Führungsgrößensprung, d. h. Sprung des Zusatzlenkwinkels δM darstellen. Den dargestellten Simulationsergebnissen lag ein geschlossener Regelkreis mit einem PD-Regler zugrunde. In der graphischen Darstellung sind mit A der zeitliche Verlauf der Führungsgröße, d. h. dem Sollwinkel in Grad LR, mit B der zeitliche Verlauf des Istwinkels in Grad LR, mit C der zeitliche Verlauf der Motordrehzahl in 1/s und mit D der zeitliche Verlauf des auf die Lenkwelle wirkenden Motormoments in Nm dargestellt. Wie die Figur zeigt, erreicht der Stellmotor seine Sollposition nach annähernd 200 ms. Gemäß Kurve D erreicht das Moment, das der Stellmotor auf die Lenkwelle aufbringt Spitzenwerte, die größer als 50 Nm sind. Diese hohen Drehmomentspitzen sind vom Fahrer deutlich spürbar und nicht akzeptabel.
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3 zeigt graphisch das Motorverhalten als Antwort auf einen Führungsgrößensprung mit Gradientenbegrenzung. Durch die Begrenzung der Sollwinkelgeschwindigkeit steigt die Führungsgröße ”Sollwert des Zusatzlenkwinkels δM” rampenförmig an. Im Vergleich mit 2 zeigt sich, dass durch die Gradientenbegrenzung der Sollwinkelgeschwindigkeit die Motormomente wesentlich kleiner werden. Außerdem erreicht der Motor nicht seine höchste Drehzahl und benötigt ca. 400 ms bis er seine Sollposition erreicht hat. 3 verdeutlicht die Ergebnisse der bislang üblichen Methode der Gradientenbegrenzung. Diese hat den deutlichen Nachteil, dass der Motor nicht mehr so schnell seine Sollposition erreicht.
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Die
EP 0 712 775 A2 zeigt eine elektrische Lenkung, bei der, zur Vermeidung einer Überhitzung des Stellantriebs, eine variable Begrenzung für das Stellmoment vorgesehen ist. Die
DE 42 32 256 C2 offenbart ein Lenksystem mit einer festen Begrenzung der Stellmotoren.
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Aufgabe und Vorteile der Erfindung
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Es ist Aufgabe der Erfindung, das subjektive Fahrgefühl des Fahrers bei einem aktiven Lenksystem mit Überlagerungsgetriebe zu verbessern. Spürbare Lenkradrückwirkungen, die durch das vom Stellmotor erzeugte Moment verursacht werden, sollen situationsabhängig vermieden oder auf ein akzeptables Maß reduziert werden. Dabei soll die hohe Stellgeschwindigkeit des Motors erhalten bleiben.
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Die erfindungsgemäße Lösung der Aufgabe erfolgt durch ein aktives Lenksystem mit den Merkmalen des Anspruchs 1. Eine vorteilhafte Weiterbildung ergibt sich aus dem Unteranspruch.
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Die Aufgabe wird anspruchsgemäß gelöst. Dazu ist dem erfindungsgemäßen Lenksystem zur Verminderung der Rückwirkung auf das Lenkrad eines Kraftfahrzeugs bei einem durch einen elektrischen Stellmotor angetriebenen aktiven Lenksystem dadurch gekennzeichnet, dass ein erster Erkennungsschritt vorgesehen ist, der erkennt, ob ein Sollwertsprung des Zusatzlenkwinkels auftritt, dass ein zweiter Erkennungsschritt vorgesehen ist, der, wenn der erste Erkennungsschritt ergibt, dass ein Sollwertsprung des Zusatzlenkwinkels auftritt erkennt, ob eine fahrdynamisch kritische Situation vorliegt oder nicht, und dass ein Begrenzungsschritt vorgesehen ist, der die Stärke des vom elektrischen Stellmotor auf das Überlagerungsgetriebe übertragenen Stellmoments abhängig vom Ergebnis des zweiten Erkennungsschritts derart begrenzt, dass das Stellmoment bei einer fahrdynamisch unkritischen Situation verringert und bei einer fahrdynamisch kritischen Situation vergrößert wird.
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Durch das erfindungsgemäße Lenksystem wird bei Eingriffen des Stellmotors in fahrdynamisch unkritischen Situationen das Motormoment so reduziert, dass es vom Fahrer nicht mehr wahrnehmbar ist. Dies kann deshalb geschehen, da ein solches aktives Lenksystem mit Überlagerungsgetriebe in fahrdynamisch unkritischen Situationen keine extrem schnelle Beschleunigung des Motors benötigt und deshalb ein reduziertes Motormoment ausreicht.
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Dagegen wird bei fahrdynamisch kritischen Situationen ein größeres Motormoment zugelassen. Das zugelassene Motormoment steigt progressiv mit der Gefährlichkeit der Situation. In solchen kritischen Fahrsituationen, wie beim Schleudern oder bei Bremsungen mit unterschiedlichen Reibbeiwerten der linken und rechten Räder (F-split-Bremsung), wird das vom Stellmotor erzeugte Drehmoment so begrenzt, dass es vom Fahrer kaum mehr wahrgenommen wird. Die hohen Stellgeschwindigkeiten des Motors, die in solchen kritischen Fahrsituationen benötigt werden, bleiben trotzdem erhalten.
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Das vom Stellmotor erzeugt Moment mmot ist proportional zur Motorstromstärke imot nach folgender Beziehung mmot = k·imot worin k eine Konstante ist. Die obige Beziehung macht deutlich, daß sich durch die Begrenzung der Motorstromstärke auf einen vorgegebenen Wert sicherstellen läßt, daß am Stellmotor ein gewünschtes Moment nicht überschritten wird. Die Begrenzung des Motorstroms läßt sich durch geeignete Maßnahmen, wie z. B. eine Stromregeleinheit mit variabler Sollwertbegrenzung realisieren.
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Nachfolgend wird ein Ausführungsbeispiel der Erfindung anhand der Zeichnung näher beschrieben.
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Zeichnung
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1 zeigt ein Blockschaltbild des bereits beschriebenen bekannten aktiven Lenksystems.
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2 zeigt graphisch das Verhalten des Stellmotors als Antwort auf einen Führungsgrößensprung ohne Gradientenbegrenzung.
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3 zeigt graphisch das Verhalten des Stellmotors als Antwort auf einen Führungsgrößensprung mit Gradientenbegrenzung.
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4 zeigt ein Funktionsblockschaltbild eines zur Durchführung des Verfahrens eingerichteten aktiven Lenksystems, und
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5 zeigt graphisch das Verhalten des Stellmotors auf einen Führungsgrößensprung mit Begrenzung des Drehmoments des Stellmotors.
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Ausführungsbeispiel
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Anhand des in 4 dargestellten Funktionsblockschaltbilds wird nun ein zur Durchführung des Verfahrens geeignetes aktives Lenksystem beschrieben. Der an einem Lenkrad 31 eines Fahrzeugs 35 vorgegebene Lenkradwinkel δL, der über die (nicht dargestellte) Lenkradwelle eingangsseitig an einem Überlagerungsgetriebe 32 angreift, wird von einem mit der Lenkradwelle gekoppelten Sensor 38 erfaßt und eingangsseitig einer Steuer/Regeleinheit 37 zugeführt. Ausgangsseitig erzeugt das Überlagerungsgetriebe 32 einen überlagerten Lenkwinkel δL, der einem Lenkgetriebe 34 zugeführt wird. Weitere im Fahrzeug vorhandene Sensoren 36 dienen zur Erfassung des vom Lenkgetriebe 34 erzeugten Ist-Lenkwinkels δV der Vorderräder, der Fahrgeschwindigkeit sowie anderer Fahrzeug- und Umgebungsbedingungen und werden ebenfalls Eingängen der Steuer/Regeleinheit 37 zugeführt. Die Steuer/Regeleinheit 37 weist eine Stromregel- und -begrenzungseinheit 39 auf, die die Stärke des dem Stellmotor 33 zugeführten Motorstroms imot variabel begrenzt und zwar abhängig von der Gefährlichkeit der Fahrsituation, die die Steuer/-Regeleinheit 37 anhand der ihr zugeführten Signale und gegebenenfalls anhand eines gespeicherten Fahrzeug- und/oder Umgebungsmodells 40 ermittelt.
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Somit weist die Steuer/Regeleinheit 37 Mittel zur Durchführung des Verfahrens auf, das die Rückwirkung des elektrischen Stellmotors bei Führungsgrößensprüngen auf das Lenkrad des Kraftfahrzeugs verringert. Diese in der Steuer/Regeleinheit vorgesehenen Mittel führen zunächst einen Erkennungsschritt aus, um zu erkennen, ob ein Sollwert- oder Führungsgrößensprung des Zusatzlenkwinkels δM auftritt. Dann folgt ein zweiter Erkennungsschritt, der bei dem Ergebnis des ersten Erkennungsschritts, daß ein Sollwertsprung des Zusatzlenkwinkels auftritt erkennt, ob eine fahrdynamisch kritische Situation vorliegt oder nicht. Die Steuer/Regeleinheit 37 führt der Stromregel- und -begrenzungseinheit 39 Signale zu, die eine fahrsituationsabhängige Begrenzung so durchführen, daß die Stärke des vom Stellmotor 33 auf das Überlagerungsgetriebe 32 übertragenen Stellmoments abhängig vom Ergebnis des zweiten Erkennungsschritts derart begrenzt wird, daß es bei einer fahrdynamisch unkritischen Situation verringert und bei einer fahrdynamisch kritischen Situation vergrößert wird.
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In einem der Steuer/Regeleinheit 37 zugeordneten Speicher 40 kann ein Fahrzeug- und/oder Umgebungsmodell gespeichert sein, welches bei der Durchführung des zweiten Erkennungsschritts verwendet werden kann.
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Wie schon erwähnt, wird die Begrenzung des Motormoments mmot durch die Begrenzung der Stärke des dem Stellmotor zugeführten Stroms durchgeführt.
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Bei einer bevorzugten Ausbildungsform kann die Steuer/-Regeleinheit dazu eingerichtet sein, mehrere verschiedene fahrdynamisch kritische Situation zu unterscheiden, und die Stärke des Motorstroms progressiv mit der Gefährlichkeit der Fahrsituation erhöhen.
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5 zeigt in analoger graphischer Darstellung zu den 2 und 3 das Motorverhalten als Antwort auf einen Führungsgrößensprung, wobei die erfindungsgemäße Begrenzung des Motormoments durchgeführt ist. Kurve A gibt den Sollwinkel in Grad LR, Kurve B den Istwinkel in Grad LR, Kurve C die Motordrehzahl in 1/s und Kurve D das Motormoment auf die Lenkwelle in Nm jeweils in Abhängigkeit von der Zeit an. Wie 5 zeigt, wurden die Momente nach links und rechts jeweils auf 25 Nm begrenzt. Der Motor erreicht seine Sollposition bereits nach annähernd 220 ms, was fast so schnell ist wie bei dem Stellmotor ohne Begrenzung der Sollwinkelgeschwindigkeit, dessen Verhalten graphisch in 2 dargestellt ist. Die auf die Lenkwelle aufgebrachten Momente und damit auch die Lenkradrückwirkungen sind um die Hälfte kleiner als bei dem Stellmotor gemäß 2. Die Zeit, die verstreicht, bis der Stellmotor seine Sollposition erreicht hat, ist um die Hälfte kleiner als bei dem Stellmotor dessen Kennwerte graphisch in 3 dargestellt sind und bei dem die Begrenzung der Sollwinkelgeschwindigkeit auf 4,35 Rad/s durchgeführt wurde.
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Das erfindungsgemäße aktive Lenksystem verbindet somit niedrige Lenkradrückwirkungen mit einem schnellen Erreichen der Sollposition des Stellmotors. Die auf die Lenkwelle aufgebrachten Momente können variabel und situationsabhängig begrenzt werden.