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Die Erfindung betrifft eine Vorrichtung und ein Verfahren zum Steuern eines Lenksystems in einem Fahrzeug nach den Oberbegriffen der Ansprüche 1 und 6.
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Zukünftige Fahrassistenzsysteme und aktive Sicherheitseinrichtungen müssen in der Lage sein, auf das Lenksystem über eine elektronische Steuerung Einfluß zu nehmen. Freiheitsgrade bei der Lenkung umfassen im Allgemeinen die Lenkposition (Winkelposition der Räder) und das Lenkempfinden (Hand/Lenkrad-Drehmoment). Beide Freiheitsgrade können jeweils durch geeignete Aktuatoren geregelt werden, was im Allgemeinen als ECS (= ”elektronisch steuerbare Regelung”) bezeichnet wird. Beispiele von ECS-Systemen, bei denen die Lenkposition unabhängig von Fahrereingaben gesteuert werden kann, sind aktive Lenksysteme (AFS = ”Active Front Steering”), ”Steer-by-Wire-Systeme” (bei denen Lenkbefehle ausschließlich elektronisch zu dem den Lenkbefehl ausführenden Aktuator weitergeleitet werden, kurz auch als SbW-Systeme bezeichnet) und Systeme mit lenkender Hinterachse (RAS = ”Rear Axle Steering”).
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Wenn der Fahrer keinen Einfluß auf das Lateralverhalten des Fahrzeugs ausübt (also z. B. seine Hände vom Lenkrad nimmt), kann eine Lenkpositionskontrolle über zusätzliche Lenksysteme, bei welchen das Lenk-Drehmoment geregelt wird, wie z. B. bei einer elektrisch unterstützten Lenkung (EPAS = ”Electric Power Assisted Steering”), erzielt werden. EPAS-Systeme oder Kombinationen wie z. B. die Kombination eines AFS/SbW-Systems mit einem EPAS-System sind dazu in der Lage, eine Lenkempfinden/Drehmoment-Regelung durchzuführen. In diesem Falle übt auch der Fahrer ein gewisses Lenk-Drehmoment aus, was in der Regelungsarchitektur zu berücksichtigen ist. Darüber hinaus kann eine elektrohydraulisch unterstützte Lenkung (EHPAS = ”Electro Hydraulic Power Assisted Steering”) das Lenk-Drehmoment unterstützen, was jedoch üblicherweise in einem im Vergleich zum EPAS-System eingeschränkten Regelungsbereich erfolgt.
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In der künftigen Fahrzeugentwicklung ist es erforderlich, unterschiedliche Lenkfunktionalitäten gleichzeitig abzudecken, und zwar unter Umständen auch dann, wenn die Regelungsschleifen für die Lenkposition und das Lenk-Drehmoment gleichzeitig Befehle erteilen.
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Insbesondere tritt das Problem auf, dass, obwohl jedes einzelne System seine Aktivierung in Bezug auf bestimmte Fahrtzustände und/oder Fahrereingaben überprüft, mehrere miteinander nicht unmittelbar kompatible Systeme gleichzeitig eine Aktivierung fordern können. Außerdem kann der Fall auftreten, dass, obwohl jedes einzelne System die durch das jeweilige System erzeugte Winkel- oder Drehmoment-Anforderung überwacht, der resultierende Gesamtwert für den Winkel bzw. das Drehmoment einen bestimmten durch die Steuerbarkeit seitens des Fahrers vorgegebenen Grenzwert überschreitet. Eine inkorrekte Arbitration und Begrenzung kann zu einem unkomfortablen Lenkverhalten führen und im schlimmsten Falle sogar bewirken, dass ein durchschnittlicher Fahrer die Kontrolle über das Lenksystem verliert.
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Aus der
US 7 253 419 B2 ist ein Steuerungssystem für ein Fahrzeug bekannt mit einer Fahrer-Eingabe, einem Steuerungs-Betätigungsmittel und einem Steuerungsprozessor, der dazu ausgestaltet ist, die Fahrer-Eingabe zu verarbeiten, einen aktuellen Fahrer-Wunsch abzuleiten und das Fahrzeug gemäß dem Fahrer-Wunsch über das Steuerungs-Betätigungsmittel zu steuern.
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Aus
US 7 243 014 B2 ist ein integriertes Fahrzeugsteuerungssystem bekannt, welches eine Mehrzahl von Steuereinheiten, die mindestens eine Antriebssystem-Steuereinheit und eine Bremssystem-Steuereinheit umfassen, welche jeweils eine Funktion des Steuerns/Regelns eines Fahrzustandes eines Fahrzeugs auf der Grundlage einer Betätigungsanforderung besitzen, eine Verarbeitungseinheit zum Erzeugen von Informationen zur Verwendung an jeder der Steuereinheiten, wenn das Fahrzeug veranlaßt wird, sich um eine Strecke oder zu einer Position zu bewegen, die auf der Grundlage von visuellen Informationen des Fahrers eingestellt wird, und zum Ausgeben der erzeugten Informationen an jede der Steuereinheiten, und einen Erfassungsabschnitt zum Erfassen einer Betriebsanforderung in Bezug auf mindestens eine Steuereinheit aufweist.
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Weitere im Stand der Technik bekannte Lösungsansätze beinhalten ein sogenanntes Mehrfacheingangs-Mehrfachausgangs-Konzept (MIMO = ”Multi-Input Multi-Output”), bei dem mehrere miteinander gekoppelte Regelungsschleifen durch einen zentralen Controller gesteuert werden. Wenngleich mittels eines derartigen Konzeptes unterschiedliche Funktionalitäten bei maximaler Funktionalität der einzelnen Systeme selbst im Falle gleichzeitiger Aktivierung der Systeme gesteuert werden können, können bei der Verwaltung gleichzeitiger Anforderungen an ein Lenksystem diverse Nachteile auftreten. Zum einen kann der Fall auftreten, dass nicht sämtliche Nichtlinearitäten durch das MIMO-Konzept abgedeckt werden. Des Weiteren führt der Aufbau eines zentralen MIMO-Controllers zu einer beträchtlichen Erhöhung der Abstimmungskomplexität. Bei Hinzufügung oder Entfernung eines Systems muß der gesamte MIMO-Controller neu abgestimmt werden. Außerdem ist die Robustheit eines zentralen MIMO-Controllers gegenüber einer Variation der Parameter (z. B. infolge Alterungsprozessen) geringer als bei Regelungsschleifen mit einem einzigen Ausgang.
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Aus
DE 102 54 211 A1 ist eine Vorrichtung zum Steuern eines Lenksystems in einem Fahrzeug bekannt, wobei das Lenksystem eine Mehrzahl von Sub-Systemen aufweist, welche dazu ausgelegt sind, jeweils wenigstens eine Lenkanforderung an das Lenksystem zu richten, mit einer Arbitrations- und Begrenzungslogik, welche in Abhängigkeit von der Fahrsituation von unterschiedlichen Sub-Systemen an das Lenkrad gerichtete Lenkanforderungen priorisiert und ggf. zusammenfallende Lenkanforderungen derart unterdrückt, dass ein vorgegebenes Gesamtniveau des durch das Lenksystem ausgeübten Lenkdrehmoments nicht überschritten wird.
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Vor dem obigen Hintergrund ist es eine Aufgabe der vorliegenden Erfindung, eine Vorrichtung und ein Verfahren zum Steuern eines Lenksystems in einem Fahrzeug bereitzustellen, mittels derer unterschiedliche Anforderungen an das Lenksystem abhängig vom Fahrzeugzustand und der aktuellen Fahrweise miteinander vereinbart werden können.
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Diese Aufgabe wird durch eine Vorrichtung und ein Verfahren zum Steuern eines Lenksystems nach Anspruch 1 und Anspruch 6 gelöst.
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Eine Vorrichtung zum Steuern eines Lenksystems in einem Fahrzeug, wobei das Lenksystem eine Mehrzahl von Sub-Systemen aufweist, welche dazu ausgelegt sind, jeweils wenigstens eine Lenkanforderung an das Lenksystem zu richten, weist eine Arbitrations- und Begrenzungslogik auf, welche in Abhängigkeit von der Fahrtsituation von unterschiedlichen Sub-Systemen an das Lenksystem gerichtete Lenkanforderungen priorisiert und gegebenenfalls zusammenfallende Lenkanforderungen derart unterdrückt, dass ein vorgegebenes Gesamtniveau des durch das Lenksystem ausgeübten Lenkdrehmoments nicht überschritten wird.
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Gemäß der Erfindung werden unterschiedliche Anforderungen an das Lenksystem einer Arbitration bzw. Priorisierung unterzogen, um diese Lenkfunktionalitäten abhängig vom Fahrzeugzustand und der aktuellen Fahrweise miteinander zu vereinbaren. Darüber hinaus erfolgt gemäß der Erfindung zur Sicherstellung der Funktionssicherheit in sämtlichen Fahrtsituationen eine Beschränkung auf ein durch den Fahrer steuerbares bzw. handhabbares Maß bzw. Niveau des Lenkeingriffs, bei dem gegebenenfalls zusammentreffende Anforderungen auf ein insgesamt akzeptables Niveau im Hinblick auf die minimale Beeinträchtigung der Funktionalität begrenzt werden.
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Die erfindungsgemäße Arbitrations- und Begrenzungslogik kann insbesondere innerhalb der elektronischen Steuereinheit (ECU) des ECS-Systems realisiert sein, da die externen Anforderungen mit internen Lenkfunktionalitäten zu vereinbaren sind, welche ein typisches Lenkempfinden erzeugen. Alternativ können hierzu auch andere Steuermodule verwendet werden.
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Gegenstand der Erfindung ist insbesondere eine Arbitrations- und Begrenzungslogik für externe Lenkanforderungen. Derartige externe Lenkanforderungen werden üblicherweise in Abhängigkeit von einem (gemessenen oder abgeschätzten) Fahrtzustand berechnet. Solche Anforderungen können eine große Vielfalt von Signalformen umfassen.
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Durch die vorliegende Erfindung wird insbesondere eine Arbitrations- und Begrenzungslogik bereitgestellt, welche unabhängig von der mathematischen Beschreibung der die jeweiligen Lenkanforderungen ausgebenden Sub-Systeme bzw. Funktionen ist (z. B. in Form von algebraischen Differentialgleichungen, neuronalen Netzwerken, Fuzzylogik etc.). Die erfindungsgemäße Logik kann abhängig von den funktionalen Anforderungen in einfacher Weise realisiert und abgestimmt werden. Infolge des modulhaften Aufbaus ist eine Robustheit gegenüber Parametervariationen gegeben.
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Dabei ermöglicht die erfindungsgemäße, zentralisierte Arbitrations- und Begrenzungslogik eine Kombination mehrerer Fahrassistenz- und/oder Sicherheitsfunktionalitäten, bei der in sämtlichen Fahrtsituationen der Bereich einer Steuerbarkeit durch den Fahrer nicht verlassen wird.
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Die Arbitrations- und Begrenzungslogik wird zunächst auf der Signalebene des Aktuators definiert, im Falle eines EPAS-Systems also basierend auf einem Drehmoment, welches durch einen Elektromotor ausgeübt wird. Hierzu werden Anforderungen auf Winkel-Basis in Anforderungen auf Drehmoment-Basis in einer eigens hierzu vorgesehenen Regelungsschleife umgewandelt, bevor die Arbitration und Begrenzung durchgeführt wird. Im Falle eines Winkel-basierten Aktuators wie bei einem AFS-System wird hingegen die Arbitrations- und Begrenzungslogik auf Winkel-Basis durchgeführt, so dass anderweitige Anforderungen durch die Logik zunächst entsprechend umgewandelt werden.
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Weitere Ausgestaltungen sind der Beschreibung sowie in den Unteransprüchen zu entnehmen.
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Die Erfindung wird nachfolgend anhand bevorzugter Ausführungsbeispiele und unter Bezugnahme auf die beigefügten Abbildungen näher erläutert.
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Es zeigen:
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1 ein schematisches Diagramm zur Erläuterung der grundsätzlichen Einbindung einer Arbitrations- und Begrenzungslogik in das erfindungsgemäße Verfahren;
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2 ein Diagramm zur Erläuterung des modularen Aufbaus der Arbitrations- und Begrenzungslogik;
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3 ein Diagramm zur Erläuterung des Aufbaus eines ”Gateway- & Begrenzer”-Moduls in der Arbitrations- und Begrenzungslogik von 2;
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4 ein Diagramm zur Erläuterung der Funktionsweise einer in der Arbitrations- und Begrenzungslogik von 2 vorhandenen Arbitrationseinheit;
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5 eine Darstellung zur Erläuterung einer bei dem erfindungsgemäßen Verfahren verwendeten Arbitrations-Regel-Basis;
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6 eine Darstellung zur Erläuterung einer bei dem erfindungsgemäßen Verfahren verwendeten Deaktivierungs-Regel-Basis;
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7 ein Diagramm zur Erläuterung des Aufbaus eines Gesamtdrehmoment-Begrenzers in der Arbitrations- und Begrenzungslogik von 2;
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8 ein Diagramm zur Erläuterung des Aufbaus einer zentralen Begrenzungseinheit in dem Gesamtdrehmoment-Begrenzer von 7;
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9–13 Diagramme zur Erläuterung der Funktionsweise der der Arbitrations- und Begrenzungslogik von 2.
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1 zeigt zunächst in einem schematischen Diagramm die grundsätzliche Einbindung einer Arbitrations- und Begrenzungslogik 130 zwischen eine Mehrzahl von Sub-Systemen 111, 112, 113, ... und eine Drehmomentregelung 140.
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Die Sub-Systeme 111, 112, 113, ... umfassen gemäß dem Ausführungsbeispiel ein SAPP-System (SAPP = ”Semi-Automatic Parallel Parking”) 111, ein PDC-System (PDC = ”Pull-Drift-Compensation”) 112, ein TSC-System 113 (TSC = ”Torque-Steer-Compensation”), ein NDA-System (NDA = ”Nibble Detection Algorithm”), sowie ein nicht dargestelltes DSR-System (DSR = ”Driver Steer Recommendation”) und ein LDW-System (LDW = ”Lane Departure Warning).
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Durch die Arbitrations- und Begrenzungslogik 130 werden insbesondere folgende Aufgaben erfüllt:
- – Entscheidung über Systemeingriffe abhängig von der Fahrtsituation,
- – Entscheidung über die Priorität des Sub-Systems,
- – Aktivierung/Deaktivierung jedes Sub-Systems in einer für sämtliche Fahrtsituationen optimalen Weise,
- – Kommunikation mit den Sub-Systemen zum Austausch des jeweiligen Status,
- – Bearbeitung von Sub-Systemanforderungen in unterschiedlichen Bereichen: Lenkwinkel, Lenkrad-Drehmoment, und Lenkparameteränderungs-Anforderungen,
- – sanfte bzw. allmähliche Übergänge zwischen den Sub-Systemen,
- – Unterdrückung jeglicher Störungen (z. B. unerwünschter Schwingungen), welche durch Kombinationen der Sub-Systeme hervorgerufen werden können,
- – Sicherstellung, dass die Grenzen der Steuerbarkeit durch den Fahrer in sämtlichen Fahrtsituationen nicht überschritten werden,
- – Erfassung von Situationen, bei denen der Fahrer das Lenkrad losläßt,
- – Minimierung der Abstimmungskomplexität, und
- – Koordination von Sub-Systemen, welche die gleichen Fahrzeugsignale analysieren, in solcher Weise, dass die Aktivierung eines Sub-Systems nicht zu einer Beeinträchtigung der Resultate eines anderen Sub-Systems führt.
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Die erfindungsgemäße Arbitrations- und Begrenzungslogik 130 weist gemäß 2 einen modularen Aufbau auf und umfaßt insbesondere folgende Funktionsblöcke:
- – ein Gateway- & Begrenzungsmodul 211, 212, 213, ... für jedes Sub-System,
- – eine Arbitrationseinrichtung 220,
- – einen Gesamtdrehmoment-Begrenzer 230, und
- – einen Modus- & Fehler-Handhaber 240.
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Gemäß 2 werden durch den jeweiligen Sub-Systemen zugeordnete Gateway- & Begrenzer-Module 211, 212, 213, ... jeweils Anforderungen des betreffenden Sub-Systems empfangen, Antworten mit einer jeweiligen Statusinformation ausgegeben und erforderlichenfalls Ausgangswerte auf vorgegebene Bereiche begrenzt. Zugleich kommuniziert das jeweilige Gateway- & Begrenzungs-Modul 211, 212, 213, ... den Status des jeweiligen Sub-Systems an eine zentrale Arbitrationseinheit 220 und empfängt von diesem eine Aktivierungs-/Deaktivierungs-Entscheidung. Das ”Gateway- & Begrenzer”-Konzept ist parallel verfügbar, um unterschiedliche Eingangssignalebenen des EPAS zu berücksichtigen (z. B. Lenkrad-Drehmoment-Basis). Ein weiterer ”Gateway- & Begrenzer”-Signalstrom unterstützt eine direkte Änderung von Lenksystemparametern. Erforderliche Lenkwinkel-Änderungen werden in einer geschlossenen Regelungsschleife verarbeitet, bevor eine Arbitration und Begrenzung erfolgt, wobei eine Drehmomentanforderung an das Gateway- & Begrenzungsmodul geliefert wird. Weitere Sub-Systeme können in diesem Aufbau ohne nennenswerten Abstimmungsaufwand integriert werden.
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In der weiteren Beschreibung wird insbesondere auf den Spezialfall eines EPAS-Aktuators Bezug genommen.
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3 zeigt den Aufbau eines Gateway- & Begrenzungsmoduls 211, welches insbesondere Module zur Begrenzung sowohl des absoluten Wertes als auch der Rate einer Anforderung umfaßt (z. B. ”Grenzwert-Drehmoment”, ”Grenzwert-Rate”). Ein weiterer Block 211c (”Fade-In/Out”) führt eine Überwachung hinsichtlich Übergangsprozessen durch, wohingegen der Austausch mit dem System über einen Kommunikationsblock 211d (”Activation Handshake”) durchgeführt wird. Außerdem werden in einem separaten Modul 211e Mitteilungen bezüglich Drehmoment-Rate oder Drehmoment-Grenzwert-Fehlern gesammelt.
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Gemäß 4 weist die Arbitrationseinheit 220 eine Arbitrations-Regel-Basis 220a, welche über System-Eingriffe und Priorisierungen entscheidet, eine dazu separate Deaktivierungs-Regel-Basis 220b zur korrekten Deaktivierung von Systemen und einen Fehlerspeicher auf. Die Deaktivierungs-Regel-Basis 220b dient dazu, im Falle eines Abbruchs einer Anforderung infolge Überschreitens eines steuerbaren Bereichs das Lenksystem sanft bzw. allmählich in einen gültigen Zustand zurück zu überführen, ohne dass der Fahrer hierdurch in irgendeiner Weise irritiert wird.
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Gemäß 5 definiert die Arbitrations-Regel-Basis 220a die Reaktion des Arbitrations- und Begrenzungsmoduls auf Systemanforderungen in einer zweidimensionalen Matrix. Abhängig vom aktuellen Zustand der (aktiven oder nicht aktiven) Systeme enthält diese zweidimensionale Matrix die Information, ob eine Anforderung akzeptiert oder abgelehnt werden soll. Wenn einige Sub-Systeme bereits aktiviert sind, reicht bereits ein ”Zurückweisungs”-Feld in einer Zeile aus, um eine Anforderung zurückzuweisen. Die Matrixwerte werden einer Abstimmung unterzogen und sind von möglichen Eingriffen anderer Sub-Systeme abhängig.
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Für einen zufriedenstellenden Eingriff der Sub-Systeme ist eine geeignete Deaktivierungsroutine erforderlich. Dies wird in ähnlicher Weise wie bei der Arbitrations-Regel-Basis 220a erreicht. Es wird überprüft, ob ein neues aktives Sub-System, welches durch die Arbitrations-Regel-Basis freigegeben wird, es erforderlich macht, dass ein bereits aktives Sub-System deaktiviert werden muss. Gemäß 6 umfaßt die Deaktivierungs-Regel-Basis 220b ”Fortführungs”- und ”Deaktivierungs”-Befehle, welche abhängig vom aktuellen Systemstatus ausgegeben werden. Außerdem führt ein ”Grenze überschritten”-Signal vom Gesamtdrehmoment-Begrenzer 230 dazu, dass ein Sub-System in der durch die Prioritäten vorgeschriebenen Reihenfolge deaktiviert wird. Sowohl der Inhalt der Matrix als auch die Prioritätsliste für die Sub-Systeme werden einer Abstimmung unterzogen.
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Gemäß 7 weist der Gesamtdrehmoment-Begrenzer 230 eine zentrale Begrenzungseinheit 230a auf, welche die geforderten Drehmomente oder die geforderten Zahnstangenkräfte, die aktuelle Fahrzeuggeschwindigkeit und ein Nachweissignal für ein Loslassen des Lenkrades einliest. Basierend auf dieser Information begrenzt die zentrale Begrenzungseinheit 230a dynamisch die maximal erlaubten Werte an beiden Anforderungskanälen auf einen gewünschten Bereich. Darüber hinaus überwacht die Begrenzungseinheit 230a die Situation für den Fall, dass ein Grenzwert erreicht wurde und der Signaldurchsatz in die Sättigung übergeht.
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Die zentrale Begrenzungseinheit 230a ist gemäß 8 aus mehreren Blöcken aufgebaut. Ein Grenzwerttabelle-Block 231 definiert das maximal zulässige Lenkdrehmoment in Abhängigkeit der Rampe, Signalform, Frequenz und Fahrzeuggeschwindigkeit und dem Zustand (Gierrate, Längsbeschleunigung und Lenkmomentenanforderung) bezüglich eines möglichen Loslassens des Lenkrades. Dieser Grenzwerttabelle-Block 231 kann gemäß 9 als Nachschlagtabelle implementiert sein. Eine weitere Methode zur Grenzwertberechnung ist die Anforderung über eine definierte Zeitspanne zu beobachten, um die Kontrollierbarkeit zu berücksichtigen. Es sind Kurven sowohl für das maximal zulässige Drehmoment als auch für das minimal zulässige Drehmoment definiert, wobei zusätzlich für Situationen mit losgelassenem Lenkrad separate, verringerte Grenzwerte verwendet werden können. Ein Umschalten zwischen den Grenzwerten hängt von den Eingangssignalen ab, wobei ein sanfter Übergang mittels eines Übergangs zwischen den Kurven gewährleistet werden kann. Je nach den jeweils betrachteten Systemen können die Drehmomentgrenzwerte auch für negative Fahrzeuggeschwindigkeiten definiert werden.
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Im Falle von Zahnstangenkraft-Anforderungen müssen diese in ein Lenkdrehmoment in einem separaten Block, dem ”äquivalentes Lenkdrehmoment”-Block 232 gemäß 8 umgewandelt werden. Die Summe der geforderten Lenkdrehmomente wird dann mit dem im Gesamtwerttabelle-Block 231 definierten aktuellen Grenzwert verglichen, was durch den ”≤ – Block” (= ”kleiner/gleich-Block”) 233 erfolgt. Bei jedem Überschreiten des aktuell gültigen Grenzwertes wird ein entsprechendes Flagzeichen gesetzt.
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Im Falle eines ”Standard-Boost”-Ansatzes für die Lenkimplementierung kann die folgende, indirekte Relation zwischen dem Lenkraddrehmoment TSW und der geforderten Zahnstangenkraft bzw. dem Ausgangsdrehmoment verwendet werden: TSW + f(TSW) = TOutputTorqueRequest (1)
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Typischerweise ist die Funktion f als Nachschlagtabelle definiert, so dass eine explizite Auswertung von TSW in Abhängigkeit von dem geforderten Ausgangsdrehmoment nicht unmittelbar erfolgt. Es kann jedoch eine inverse Nachschlagtabelle ”off-line” bestimmt werden, welche für die Auswertung verwendet wird. Das Diagramm in 10 gibt die allgemeine Form einer inversen Boost-Kurve (durchgezogene Linie) für einen einzigen Wert der Fahrzeuggeschwindigkeit wieder. Da die Boost-Kurve im Allgemeinen recht stark von der Fahrzeuggeschwindigkeit abhängt, müßte die inverse Tabelle ebenfalls für sämtliche möglichen Fahrzeuggeschwindigkeiten definiert werden. Das gleiche gilt für zusätzliche Fahrtzustandssignale.
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Um den notwendigen Speicherplatz signifikant zu reduzieren, kann eine näherungsweise Beschreibung der inversen Boost-Kurve verwendet werden (gestrichelte Kurve in 10), welche nur eine x-y-Koordinate (A) und einen Steigungswert (B) für eine Fahrzeuggeschwindigkeit zur vollständigen Definition benötigt, da die Kurve symmetrisch bezüglich dem Wert des Ausgangsdrehmomentes verläuft. Die Näherungskurve, welche auf den tangentialen Werten bei x = 0 und x = ∞ beruht, ist immer größer oder gleich dem ursprünglichen inversen Wert, so dass die Begrenzung unter Sicherheitsaspekten restriktiver als notwendig ist.
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In dem in 11 gezeigten ”Grenzwerte”-Block erfolgt eine Umwandlung der Ausgangsdrehmoment-Anforderung und des maximal erlaubten Lenkraddrehmoments in zwei getrennte Werte für die Drehmomentgrenzen für das Lenkdrehmoment und die Zahnstangenkraft. Die Struktur dieses Signalflusses zeigt, dass jegliche Zahnstangenkraft-Anforderung ein Drehmoment auf Seiten des Lenkrades besetzt.
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Gemäß 8 wird ein Zustand bezüglich eines möglichen Loslassens des Lenkrades erfaßt und dem Gesamtdrehmoment-Begrenzer 230 mitgeteilt. Dies beruht darauf, dass bei Fahren mit losgelassenem Lenkrad eine beliebige Anforderung eines Fahrtassistenz- oder Sicherheitssystems hinsichtlich des Lenkdrehmoments eine seitliche Abweichung des Fahrzeugs von der ursprünglichen Fahrtroute bewirken kann, die größer ist als erwartet. Somit geht in Situationen mit losgelassenem Lenkrad der Gesamtdrehmoment-Begrenzer 230 zu einer anderen Begrenzungskurve als zuvor beschrieben über.
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Die hier vorgeschlagene Funktion der aktiven Erfassung von Situationen mit losgelassenem Lenkrad kann gemäß 12 insbesondere als Sensorsignale den Lenkradwinkel, die Fahrzeuggeschwindigkeit, das Torsionsdrehmoment und zusätzlich das vom Gesamtdrehmoment-Begrenzer 230 geforderte Drehmoment verwenden.
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Das Konzept der aktiven Erfassung von Situationen mit losgelassenem Lenkrad soll eine große Verfügbarkeit von Funktionen für den Fahrer unterstützen. Deshalb wird ein Flagzeichen für ”losgelassenes Lenkrad” nur als ”wahr” ausgegeben, wenn der Fahrer seine Hände nicht am Lenkrad hat und eine seitliche Abweichung durch eine Systemanforderung hervorgerufen wird. Was die Implementierung betrifft, so überwacht dieses Erfassungskonzept die Lenkradgeschwindigkeit und -beschleunigung, welche aus dem Lenkradwinkel abgeleitet werden, sowie das Torsionsdrehmoment, und überprüft in Abhängigkeit von den jeweiligen Systemanforderungen ein Vorliegen folgender Situationen:
- – Systemanforderung liegt vor,
- – Fahrzeuggeschwindigkeit liegt innerhalb eines bestimmten Bereichs,
- – es treten eine hohe Lenkradbeschleunigung und ein niedriges Torsionsdrehmoment in zur Lenkradbeschleunigung entgegengesetzter Richtung auf,
- – es treten eine hohe Lenkradgeschwindigkeit und ein niedriges Torsionsdrehmoment in zur Geschwindigkeit entgegengesetzter Richtung auf, und
- – der Lenkradwinkel liegt innerhalb eines definierten Bereichs bzw. Fensters um die Mittelposition.
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Diese Methode basiert auf dem physikalischen Hintergrund, dass ein Fahrer eine gewisse Dämpfung und Trägheit in das Lenksystem bezüglich des erzeugten Lenkwinkels einbringt, so dass Situationen mit festgehaltenem bzw. losgelassenem Lenkrad durch Differentialgleichungen mit signifikant unterschiedlichen Parametergruppen beschrieben werden. Für die vereinfachte Situation eines Lenksystems, welches aus einer Mittelposition gegen eine Zahnstangenkraft (modellweise beschrieben als Feder) und ohne Reibungseinflüsse wirkt, beschreibt die folgende Gleichung den erzeugten Lenkwinkel:
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Die Unterscheidung zwischen einem Zustand mit festgehaltenem Lenkrad und einem Zustand mit losgelassenem Lenkrad kann folglich aufgrund der unterschiedlichen Lenkwinkel- und Torsionsdrehmoment-Reaktionen auf eine Änderung des Motordrehmoments getroffen werden.
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Für bestimmte Fahrassistenz- oder Sicherheitssysteme kann die Motordrehmoment-Anforderung einen vorgegebenen Drehmomentgrenzwert überschreiten, ohne dass hierbei wirklich das entsprechende kritische Lenkraddrehmoment erzeugt wird. Ein Beispiel ist etwa eine harmonische Drehmomentanforderung von höherer Frequenz, wobei die Trägheits- und Dämpfungseinflüsse auf das Lenksystem die Wirkung eines Tiefpaßfilters für das erzeugte Lenkraddrehmoment haben. In diesem Falle sollte der Gesamtdrehmoment-Begrenzer 230 so aktualisiert werden, dass die Amplituden des harmonischen Signals nicht unnötigerweise beschränkt werden.
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13 zeigt ein Konzept des Gesamtdrehmoment-Begrenzers 230, bei dem der Maximalwert der äquivalenten Lenkraddrehmoment-Anforderung durch einen Tiefpaßfilter geeigneter Ordnung geführt wird, bevor er mit dem aktuellen Grenzwert verglichen wird. Die Zeitkonstante des Tiefpaßfilters wird so ausgelegt, dass das dynamische Verhalten der Lenkmechanik wiedergegeben wird. Für die Funktion des Gesamtdrehmoment-Begrenzers 230 ist es vorteilhaft, dass die Filterung nicht im Eingangs-Ausgangs-Signalpfad enthalten ist, sondern nur im Entscheidungsabschnitt, damit das erzeugte Lenkdrehmoment nicht beeinträchtigt wird.