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Die
Erfindung betrifft ein Verfahren und eine Apparatur zur Herstellung
von dreidimensionalen Gewebezellkulturen auf speziellen Trägermaterialen, eine
Apparatur zur zyklischen oder permanenten mechanischen Belastung
des Zell-Strukturat-Komplexes
sowie Verwendungen der Verfahren und Apparaturen.
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Anwendungsgebiete
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Beim
sog. "Tissue Engineering" ist es das Ziel,
künstliche
Bindegewebs- und Epithelgewebe sowie neuronale Organoide mittels
Zellen, die auf verschiedensten Biomatrices (Strukturate) kultiviert werden,
zu erstellen. Gefordert ist die Herstellung von Gewebestrukturen
mit speziellen, möglichst
körperspezifischen
Eigenschaften. Anwendungsbereiche für das "Tissue Engineering" sind etwa die Implantatherstellung
(Generierung von Binde- und Stützgeweben,
funktionellen Epithelien, Gefäßen oder
Gewebesystemen (Leber, Knorpel etc.)), physiologische Untersuchungen
an "in vitro"-Gewebekulturen (Medium,
Metabolismus etc.), Kompatibilitäsuntersuchungen
an Biomaterialien oder Verträglichkeitsprüfungen von
Medikamenten. Bei der Herstellung von Knorpelimplantaten ist es
zusätzlich
zu der differenzierten Technik des "Tissue Engineering" nach dem derzeitigen Stand des Wissens
erforderlich, die physiologische Funktionalität durch mechanische Belastung (zyklisch,
statisch) zu verbessern.
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Bei
der Herstellung von funktionsfähigen
Geweben kann in mehreren Schritten vorgegangen werden, wobei der
zentrale Punkt die Steuerung der Differenzierung im kultivierten
Gewebe ist. In einem ersten Schritt werden die Zellen in Flaschenkulturen
vermehrt. Für
die weitergehende Kultivierung sieht ein Konzept, wie es z. B. Minut
et al. /1/ vorschlagen, vor, die Zellen auf eine spezielle Gewebeunterlage
aufzubringen. Hierbei kann es sich um Filterunterlagen, Vliese oder
Matrices mit einer Schwammstruktur, ggf. aus bioabbaubaren Polymeren
handeln. Die so erstellten Gewebe werden anschließend in
eine Perfusionskammer eingebracht, in der eine verbesserte und kontrollierte
Versorgung mit Substraten und Sauerstoff sowie eine Entsorgung von
Stoffwechselprodukten stattfinden kann.
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Vorrichtungen
und Verfahren für
die Anzucht von Gewebezellen sind bekannt. Von Minuth /1-3/ wird
ein Perfusionsgerät
beschrieben, in dem die Zellen auf einer geeigneten Unterlage in
einem Gewebeträger
aufwachsen können.
Letzterer wird anschließend
in einen Kulturcontainer eingesetzt und permanent mit frischem Medium
durchströmt.
In einem speziellen Gradientencontainer lassen sich bis zu 6 Gewebeträger unterbringen.
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Die
genannte Vorrichtung hat mehrere Nachteile. Das Aufbringen der Zellen
auf dem Gewebeträger
sowie dessen Einsetzen in den Kulturcontainer muß manuell mit Hilfe von Pipetten
und Pinzetten erfolgen. Diese Vorgehensweise ist mit einem hohen Kontaminationsrisiko
verbunden und die Zellen lassen sich nicht in den notwendigen hohen
Dichten auf das Trägermaterial
aufbringen. Zudem lassen sich nur flächige Trägermaterialien verwenden, nicht
jedoch partikelförmige,
wie sie etwa bei der Erstellung von Knorpelstrukturen erforderlich
sind.
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Des
weiteren lassen sich bei den genannten Apparaturen auf Grund der
Konstruktion keine mechanischen Belastungen auf die kultivierten
Zellen aufbringen. Generell ist festzustellen, daß Versuche mit
mechanischer Belastung bislang zwar in statischen Kulturen durchgeführt und
veröffentlicht
wurden /4/, ein System mit kontinuierlicher Versorgung der Zellen
während
der Belastung bisher aber nicht vorgestellt wurde.
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Bei
dem neuartigen Verfahren werden die Zellen in einem speziellen Zentrifugationseinsatz
mit variabler Dichte auf ein Trägermaterial
aufzentrifugiert. Das Unterteil des Zentrifugationseinsatzes wird anschließend in
eine speziell konstruierte Fließkammer
eingesetzt, in der die Zellen kontinuierlich mit frischem Medium
versorgt werden können.
Die Aufbringung mechanischer Kompression oder hydrostatischen Druckes über Stößel bietet
die Möglichkeit
der mechanischen Stimulation der Zellen.
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Vorteile
der Erfindung sind einerseits in der Minimierung der Arbeitsgänge und
damit der Fehlerquellen (Unsterilität) sowie der zuverlässigeren Durchführbarkeit
zu sehen. Des weiteren lassen sich durch die Zentrifugation schon
bei der Erstellung des Gewebepellets die für die Chondrogenese optimalen Zelldichten
einstellen. Die geometrische Struktur des Gewebepellets kann klar
definiert werden. Der Betrieb in der Fließkammer erlaubt es, definierte
und reproduzierbare Prozeßbedingungen
einzustellen und die Prozeßparameter
zu kontrollieren. Durch Ergänzung
mit einer Dialysestufe lassen sich inhibierende niedermolekulare
Metabolite ohne Verlust an unersetzbaren parakrinen Faktoren abtrennen
oder auch höhermolekulare
Faktoren in geringeren Dosen zufüttern.
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Die
zyklische mechanische Belastung der Zellen ermöglicht die Simulation von „in vivo" Zuständen und
die Stimulation der Produktion von Matrixbestandteilen sowie die
Umstrukturierung der interzellularen Substanzen. Dies kann bei dieser
Erfindung über
längere
Zeiträume
als bei statischen Kulturen geschehen, da eine kontinuierliche Versorgung
sichergestellt ist.
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Beschreibung
von Ausführungsbeispielen
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Weitere
Merkmale, Einzelheiten und Vorzüge
der Erfindung sind in den Zeichnungen dargestellt und werden im
folgenden beschrieben.
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Abbildungen
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1 :
Ablaufschema inkl. mechanischer Belastung
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2 :
Schema Gesamtreaktor
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3 :
Konstuktionszeichnung des Zentrifugationseinsatzes
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4 :
Konstruktionszeichnung Kulturkammer
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5 :
Konstruktionszeichnung Belastungsapparatur
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1 : Ablaufschema
inkl. mechanischer Belastung
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1 verdeutlicht
ein mögliches
Anwendungsgebiet des neuartigen Verfahrens, die Gewinnung autologer
Knorpelproben für
die Implantation. In einem ersten Schritt (1) wird gesundes
Knorpelgewebe entnommen. Die Zellen werden in einem Verdau ungsschritt
(2) vereinzelt und in Kulturflaschen ausgesät. In der
Proliferationsphase kann die Matrixsynthese durch geeignete Maßnahmen
zugunsten einer erhöhten
Mitoserate weitgehend abgeschaltet werden. Sind ausreichend Zellen
vorhanden, werden diese in einem speziellen Zentrifugeneinsatz auf
ein Trägermaterial
(z. B. Hydroxyapatit) zu einem Zellpellet zentrifugiert (3).
Es ist bekannt, daß Chondrozyten
unter solchen Kulturbedingungen redifferenzieren und mt der Sezernierung
der für
die Ausbildung des Knorpels wichtigen Substanzen beginnen.
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Nach
der Zentrifugation werden die Zellpellets in eine Fließkammer
für Gewebekulturen
eingesetzt (4). In dieser Phase kann durch Aufbringen von mechanischer
Belastung die Ausbildung der Knorpelmatrix verbessert werden. Nach
wenigen Wochen hat sich ein implantierbares Knorpelpellet gebildet, das
entnommen (5) wird und anschließend in das defekte Gelenk
eingebracht wird (6).
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2 : Schema
Gesamtreaktor
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2 zeigt
eine mögliche
Ausführungsform des
Anzucht-Reaktors bestehend aus einer Kulturkammer (1),
einem Vorlagegefäß für das Kulturmedium
(2) sowie einer Umwälzpumpe
(3). Kulturkammer und Vorlagegefäß werden temperiert. In der
Kulturkammer, die in 4 im Detail beschrieben wird,
erfolgt die Anzucht der Gewebe-Zellpellets. Im Vorlagegefäß erfolgt
die Begasung und Durchmischung des Kulturmediums sowie die Probenahme.
Ergänzend können Meßsonden
zur Bestimmung der Sauersoffkonzentration oder des pH-Wertes eingesteckt
werden. Das Kulturmedium wird entweder satzweise (batch) oder kontinuierlich
ausgetauscht. Mit Hilfe der Umwälzpumpe
wird das Medium aus dem Vorlagegefäß durch die Kulturkammer und
zurück
gepumpt.
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3 : Konstruktionszeichnung
Zentrifugationseinsatz
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3 zeigt
den Zentrifugationseinsatz bestehend aus einem Einsatz für die Zellpellets
(1) mit einer Vertiefung für die Aufnahme des Zellträgers (4) und
einem Oberteil (2), daß durch
ein Diaphragma (3) verschlossen ist. Beide Teile sind so
konstruiert, daß sie
im verschraubten Zustand in die Standardvorrichtung einer Zentrifuge
passen. In die Vertiefung des Einsatz für die Zellpellets werden die
Trägermaterialien,
auf denen die Gewebezellen immobilisiert werden sollen, vorgelegt.
Bei temperaturstabilen Trägermaterialien
wird der Einsatz mit dem Oberteil verschraubt und dieser mit einem
Diaphragma verschlossen. Die verschraubte Einheit wird bei 121° C autoklaviert.
Bei nicht temperaturstabilen kann der Einsatz z.B. mit Ethylenoxid
separat sterilisiert und anschließend mit dem autoklavierten
Oberteil verschraubt werden.
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Nach
der Sterilisation wird über
das Diaphragma mittels einer sterilen Spritze eine Suspension mit
den Gewebezellen eingefüllt.
In einer Zentrifuge werden die Zellen auf die Trägermaterialien aufzentrifugiert.
Anschließend
wird über
das Diaphragma der zellfreie Überstand
abgezogen und der Einsatz mit den jetzt aufzentrifugierten Zellen
in die Kulturkammer eingesetzt. Die gesamten Arbeiten müssen unter
sterilen Bedingungen erfolgen.
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4 : Konstruktionszeichnung
Kulturkammer
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4 zeigt
eine mögliche
Ausführungsform der
Kulturkammer (1) mit mehreren Einsätzen für Zellpellets, den jeweiligen
Einschraubeinsätzen
(2) sowie der Abdeckung (3). Die Kulturkammer
besteht aus einer Grundplatte, in die ein rechteckiger Kanal eingearbeitet
ist. Über
Schlauchanschlüsse
und Verteilerschlitze (Zulauf (4), Ablauf (5))
kann Medium durch den Kanal gepumpt werden. In den Kanal sind mehrere
Bohrungen gesetzt, in die entweder Blindverschlüsse oder die in 2 beschriebenen
Einsätze
mit aufzentrifugierten Zellpellet eingeschraubt werden.
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Die
Abdeckung kann entweder aus einem Sichtglas oder einer elastischen
Membran bestehen, die es ermöglicht,
mechanische Belastungen aufzubringen (siehe 5).
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5 : Konstruktionszeichnung
Belastungsapparatur
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5 zeigt
eine mögliche
Ausführungsform der
Belastungsappartur. Der Reaktor (1) ist auf einer Grundplatte
(2) befestigt, an deren Ecken vier Wellen (3)
montiert sind. Gleitlager (4), die an den Ecken einer über dem
Reaktor gelagerten Platte (5) angebracht sind, laufen auf
diesen Wellen (4) in vertikaler Richtung. In dieser Platte
sind von unten Stößel (6) angebracht,
die die mechanische Belastung auf das Konstrukt übertragen sollen. Über einen
pneumatischen Hubzylinder (7), der über ein Magnetventil angesteuert
wird, kann eine dem gewählten
Vordruck entsprechende Kraft in die Platte eingeleitet werden. Federn
(8) an den Wellen bewirken eine schnelle Rückstellung
beziehungsweise Entlastung. Mit Druckfedern an den einzelnen Stößeln (9)
kann die auf das Konstrukt wirkende Kraft eingestellt werden. Des
weiteren ist durch Abstandshalter (10) eine genau Vorgabe
der Kompressionsstrecke möglich.
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Projektrelevante
Veröffentlichungen
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- /1/ Minuth, W.W., S.Kloth, J.Aigner, P. Steiner: MINUSHEET-Pertusionskultur:
Simulierung eines gewebetypischen Milieus. BIOSCOPE 4: 20-25 (1995).
- /2/ Patentschrift DE
42 00 446 C2 (Minuth)
- /3/ Patentschrift US 5.316.945 (Minuth)
- /4/ N. M. Bachrach, W. B. Valhmu, E. Stazzone, A. Ratcliffe,
W. M. Lai, V. C. Mow: Changes in proteoglycan synthesis of chondrocytes
in articular cartilage are associated with the time-dependent changes
in their mechanical environment. J. BIOMECHANICS, Vol. 28, NO. 12,
pp 1561-1569 (1995).