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Die
Erfindung betrifft eine Vorrichtung zur physiologischen, dynamischen
in-vitro-Zelldehnung, umfassend eine Dehnungseinheit, die einen
Stempel aufweist, und eine Zellkultivierungsschale, die einen Deckel
und eine flexible Membran als Boden aufweist, auf der Zellen angezogen
werden können, wobei der Stempel zur Dehnung der Membran
gegen diese drückt.
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Zellkultivierungsschalen
sind hinreichend bekannt. Eine Anordnung von sechs derartiger Schalen,
wie sie im Sinne der Erfindung Verwendung finden können,
ist aus den
US Patenten 6,048,723 und
6,472,202 B1 bekannt.
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Es
existieren verschiedene Ansätze um Zellen in-vitro zu verformen.
Diese verschiedenen Ansätze können in den folgenden
fünf Gruppen zusammengefasst werden.
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Die Dehnung eines Trägermaterials, auf dem Zellen angewachsen
sind. Dies kann längs-, quer- oder radialsymmetrisch gedehnt
werden. Es gibt verschiedene Techniken diese Dehnung zu erzeugen:
Das Trägermaterial wird an zwei gegenüberliegenden
Seiten eingespannt und in die Länge gezogen. Es kann durch
das Einbringen einer Flüssigkeit unter das Trägermaterial
gedehnt oder per Vakuum oder Gewichtskraft über eine Druckplatte/einen
Druckstempel gezogen werden. Hierbei hat die Form des Druckstempels
einen entscheidenden Einfluss auf die Verteilung der Dehnungen des
Trägermaterials. Eingebrachte Flüssigkeiten etwa bewirken
eine nichtlineare Dehnungsverteilung eines radialsymmetrischen Trägermaterials.
- (2) Die Erzeugung von Scherspannungen, indem ein stationäres
Substrat mit angewachsenen Zellen von Flüssigkeit umspült
wird.
- (3) Die Erzeugung eines hydrostatischen Überdrucks
in einer Kammer, in der Zellen gewachsen sind. Dies kann z. B. eine
Zellkulturflasche sein.
- (4) Das Manipulieren einzelner Zellen unter dem Mikroskop mit
Mikro-Pipetten.
- (5) Kombinationen aus diesen Techniken.
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Von
diesen Methoden sind die ersten drei für Zellkulturen geeignet.
Hiervon hat das erste System den Vorteil, dass die Zellen in einem
eindeutig definierten Zustand der Dehnung oder Scherung gehalten
werden können. Im Gegensatz dazu erzeugt die Scherung in
einer strömenden Flüssigkeit eine nicht kontrollierbare
Superposition verschiedener Deformationsmodi. Mit Versuchsansätzen
der Methode drei kann ausschließlich Kompression erzeugt
werden. Hingegen ist eine Zelldehnung unter Zugspannung der primäre
Deformationsmodus für Zellen in Knorpelgewebe, Sehnen,
Ligamenten, Muskeln, Haut und Lungengewebe.
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Die
bekannten Verfahren haben die folgenden Nachteile: Die Dehnungsverteilungen über
ein Trägermaterial, auf dem Zellen angewachsen sind, sind
bei nahezu allen Systemen nichtlinear. Unter anderem dadurch sind
die Dehnungen nicht an allen Stellen genau definiert. Weiterhin
sind kommerzielle Systeme teuer.
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Vakuumsysteme
sind bedingt durch die Pumpen laut und brauchen viel Platz. Die
Pumpen erzeugen Gase/Öldunst in der Umgebungsluft und brauchen
verhältnismäßig viel Energie. Zudem sind sie
wartungsintensiv. Im Übrigen ist deren Handhabung teilweise
sehr kompliziert und aufwändig. Dies ist insbesondere bei
der Verwendung von Vakuumstempeln der Fall.
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Es
ist daher Aufgabe der Erfindung, Zellen in einer In-vitro-Zellkultur
in einem physiologisch möglichst großen Bereich
zu dehnen, wobei eine einfache, bedienungsfreundliche, preiswerte
und wartungsarme Vorrichtung zur Zelldehnung geschaffen werden soll,
die eine dynamische Dehnung der Zellen ermöglicht.
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Dies
wird erfindungsgemäß durch die Merkmale des Anspruchs
1 gelöst. Vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung sind
in den Unteransprüchen formuliert und werden nachfolgend
erläutert.
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Es
wird eine Vorrichtung zur physiologischen, dynamischen in-vitro-Zelldehnung
vorgeschlagen, umfassend eine Dehnungseinheit, die einen Stempel
aufweist, und eine Zellkultivierungsschale, die einen Deckel und
eine flexible Membran als Boden aufweist, auf der Zellen angezogen
werden können, wobei der Stempel zur Dehnung der Membran
gegen diese drückt, indem der Stempel und die Membran in
einer Linearbewegung relativ zueinander beweglich angeordnet sind
und sich die Membran auf dem Stempel abstützt, und die
Vorrichtung einen elektromotorischen Linearantrieb umfasst, mittels
welchem ein mechanischer Druck über ein Übertragungsmittel
auf den Deckel der Zellkultivierungsschale und/oder den Stempel
ausübbar ist.
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Die
Ausübung eines Drucks auf den Deckel der Zellkultivierungsschale
oder alternativ auf den Stempel oder in einer dritten Variante sowohl
auf den Deckel als auch auf den Stempel bewirkt, dass der Stempel
gegen die flexible Membran gedrückt wird und sich diese
dadurch dehnt. Infolgedessen werden auch die auf der Membran angezogenen
Zellen gedehnt. Diese physiologische Dehnung kann zwischen 3% und
25% betragen.
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Die
Krafteinwirkung auf den Deckel respektive auf den Stempel kann durch
den elektromotorischen Linearantrieb automatisch, äußerst
präzise und gemäß einem vorgebbaren Dehnungsprofil
vorzugsweise dynamisch eingestellt werden. Damit ist mit der erfindungsgemäßen
Vorrichtung eine besonders variable Einstellbarkeit des Dehnungsgrades einschließlich
seiner zeitlichen Änderung möglich. Gegenüber
den herkömmlichen Verfahren zur Dehnung von Zellen, beispielsweise
den bekannten Vakuumverfahren, ist die vorgeschlagene Vorrichtung robust
und weniger wartungsintensiv.
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Die
Kombination aus kommerziell verfügbaren Zellkulturplatten,
wie sie beispielsweise unter der Bezeichnung Bioflex® des
Herstellers Flexcell International Corporation, Hillsborough, NC,
USA, hergestellt und vertrieben werden, mit einer einfach zu bedienenden
mechanischen Dehnungseinheit stellt einen entscheidenden Vorteil
gegenüber anderen (kommerziellen) Systemen dar.
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Besonders
vorteilhaft ist bei der vorgeschlagenen Vorrichtung, dass die Dehnungen
des Bioflex®-Trägermaterials
durch Druck auf den Deckel der Zellkulturplatte realisiert werden.
Hierdurch wird die Zellkulturmembran über den Stempel gedrückt.
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In
einer vorteilhaften Weiterbildung der Erfindung kann die Dehnungseinheit
einen Rahmen aufweisen, in dem die Zellkultivierungsschale gehalten wird.
Der von dem Linearantrieb erzeugte Druck wird dabei auf den Rahmen übertragen.
Durch den Hubweg des Rahmens wird die Dehnung festgelegt, so dass
von einem motorgesteuertem Rahmen gesprochen werden kann.
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Vorzugsweise
kann das Übertragungsmittel eine Auflage sein, die auf
dem Rahmen aufliegt, wobei der Rahmen den Druck auf den Deckel überträgt, so
dass von einem motorgetriebenen Deckel gesprochen werden kann.
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Der
Stempel kann sich auf einer Platte abstützen, auf der der
Linearantrieb fixiert ist. Die Platte nimmt somit die über
den Deckel auf den Stempel übertragene Kraft auf und setzt
ihm eine entsprechende Gegenkraft entgegen. Dies bewirkt eine lineare
Relativbewegung von Stempel und Membran zueinander, wobei die Membran über
den Stempel gestülpt wird, so dass sie sich und damit gleichzeitig auch
die Zellen dehnt bzw. dehnen.
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Der
Stempel kann sich unmittelbar oder mittelbar auf der Platte abstützen.
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Vorzugsweise
stützt sich der Stempel auf dem Boden einer Schale ab,
die wiederum fest mit der Platte verbunden ist, und auf der der
Linearantrieb fixiert ist.
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Die
Platte kann vorzugsweise aus Aluminium gebildet sein, welches als
inertes Material widerstandsfähig gegen feuchte und chemische
Umgebungen ist, einfach zu desinfizieren und geeignet für einen
Inkubator ist.
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Für
ein präzises Einstellen des Drucks und damit des Dehnungsgrads
kann der Linearantrieb einen Schrittmotor aufweisen, der in Inkrementschritten
von 0,1 Mikrometern bewegbar ist.
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Die
Einstellung eines bestimmten Drucks, insbesondere dessen zeitliche
Veränderung kann vorzugsweise automatisch und programmgesteuert erfolgen.
Der Linearantrieb kann hierfür mit einem Rechner in Verbindung
stehen, auf dem ein Programm zur Steuerung des Linearantriebs ausführbar ist.
Das Programm kann die Dauer und/oder die Höhe des ausgeübten
Drucks dynamisch, insbesondere gemäß einem vorgegebenen
Profil ändern. Vorzugsweise kann die Amplitude und/oder
die Frequenz des Drucks von dem Programm gesteuert werden. Die Membran
der Zellkulturplatte kann dabei frequenz- und zeitabhängig
in einem Bereich von 3% bis 25% definiert linear gedehnt werden.
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Weiterhin
ist es von Vorteil, den Stempel aus einem inerten Material, insbesondere
aus Polyoxymethylen (POM) und/oder Aluminium zu fertigen. Aluminium
kann dabei insbesondere zur Verstärkung dienen. Polyoxymethylen
und Aluminium sind chemisch inert und können in feuchter
Umgebung und in Kontakt mit biologischen Materialien genutzt werden.
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Die
erfindungsgemäße Vorrichtung bringt die folgenden
Vorteile mit sich:
- – Die Kosten können
im Vergleich zu anderen Systemen in einem adäquaten Rahmen
gehalten werden, wobei die reinen Materialkosten gering sind.
- – Alle Materialien zur Herstellung des Systems sind
handelsüblich.
- – Die Anwendersoftware kann mit relativ wenig Aufwand
an spezielle Wünsche eines Anwenders angepasst werden.
- – Die Abmaße sind so, dass die Belastungseinheit in
einen handelsüblichen Inkubator passt und der dazu gehörige
Controller und der PC nur minimalen Platz benötigen, so
dass sie auf den Inkubator gestellt werden können. Das
System ist dadurch auch für kleine Labore geeignet.
- – Das System ist einfach zu handhaben, leicht zu reinigen
und zu desinfizieren.
- – Die berechnete Dehnung ist gleichmäßig
linear über die gesamte Membran verteilt, wodurch die darauf
angewachsenen Zellen homogen gedehnt werden.
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Nachfolgend
wird die Erfindung anhand eines Ausführungsbeispiels und
der beigefügten Abbildungen näher erläutert.
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Es
zeigen:
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1:
Ergebnisse der FEA. Verschiebungen einer Membran einer BioFlex®-Zellkulturplatte unter Vakuum.
Die Verteilung von Verschiebungen und Dehnungen ist nicht gleichmäßig.
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2: (A) Demontierte Dehnungsapparatur und
BioFlex®-Zellkulturplatte (rechts).
(B) BioFlex®-Zellkulturplatte auf
der Belastungsbasis. (C) Zusammengebaute Dehnungsapparatur, die
Zellen einer dauerhaften biophysikalischen Dehnung aussetzt.
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3: Überblick über
das System zur dynamischen Zelldehnung.
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Zusammenfassung
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Das
Ziel dieser Arbeit war die Entwicklung neuer Geräte zum
Aufbringen von Zugdehnungen auf Zellen. Ein Basissystem wurde geplant
um damit Zellen mit physiologischen statischen Kräften
zu dehnen. Da biologische Systeme jedoch dynamisch sind, wurde ein
zweites Gerät als automatische dynamische Apparatur gebaut.
Um einen standardisierten Prozess sicherzustellen, wurden handelsübliche
BioFlex®-Zellkulturplatten (Flexcell
International, NC, USA) als Zelladhäsions-Membranen integriert.
In vorausgehenden Studien wurde das mechanische Verhalten dieser
Zellkulturplatten-Membranen analysiert. Bei beiden Systemen wurden
die Membranen über zylindrische Stempel gezogen, um gleichmäßig verteilte
Dehnungen zu erreichen. Das statische System bestand überwiegend
aus Polyoxymethylen (POM), das dynamische System wurde mit Aluminium
verstärkt.
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Das
dynamische System war ausgerüstet mit einem hochauflösenden
linearen Mikrostelltisch und wurde mit einem Programm, das in LabViewTM geschrieben wurde, computergesteuert.
Verschiedene Zellarten wurden mit verschiedenen Dehnungen über
unterschiedliche Zeiträume belastet und erste Ergebnisse
sind veröffentlicht worden. Messungen der um 3% gedehnten
Zellkulturplatten-Membran und der auf ihnen angewachsenen Zellen
ergaben Zellelongationen von 3,7%. Die Ergebnisse zeigten eine hohe
Wiederholgenauigkeit, und die Systeme wurden als leicht zu bedienen
angesehen.
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Einleitung
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Biomechanische
Belastung ist von grundlegender Bedeutung für die Entwicklung,
Erhaltung und Reparatur einer Vielzahl von Zellen. Jüngste
Studien haben gezeigt, dass dynamische biomechanische Kräfte
entzündungshemmende Wirkungen haben können und
sich auf andere Merkmale von Krankheiten wie Arthrose auswirken
können. Außerdem kann dynamische und statische
mechanische Belastung die Fibrochondrozyt-Genexpression und -Proteinsynthese
unterschiedlich regulieren.
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Um
die verschiedenen Auswirkungen statischer und dynamischer Kräfte
auf Zellen unterscheiden zu können, wurden für
diese Studien zwei neuartige Geräte zur Belastung von Zellen
mit definierten Dehnungen entwickelt. Das erste Gerät war
für statische Anwendungen bestimmt. Da biologische Systeme
im Allgemeinen dynamisch sind, wurde das zweite Gerät für
dynamische Dehnungsbelastungen entwickelt. Wichtige Kriterien waren
hierbei ein möglichst geringer Platzbedarf, die Eignung
für einen Inkubator und Kosteneffizienz. Um dies und ein
standardisiertes Verfahren zu erreichen, wurden die handelsüblichen
BioFlex®-Zellkulturplatte (Flexcell
International, NC, USA) eingesetzt, die bei Wissenschaftlern in
diesem Fachgebiet bereits gut eingeführt sind.
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An
die übrigen Materialien wurden folgende technische Anforderungen
gestellt: (1) sie sollten feuchtigkeitsbeständig sein,
da die Vorrichtungen widerstandsfähig gegenüber
relativ feuchten Umgebungen sein müssen, (2) sie sollten
chemisch inert sein, da die Systeme einfach zu desinfizieren sein müssen,
und (3) sie sollten biologisch inert sein, da sie für den
Kontakt mit Zellmaterialien vorgesehen sind.
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Als
mechanische Anforderungen wurde festgelegt, dass die Dehnung gleichmäßig über
die Zellmembranen verteilt sein sollte. Die Dehnungen sollten zwischen
3% und 25% betragen, d. h. innerhalb des physiologischen Bereichs
liegen. Der Motor, der in dem dynamischen System zur Dehnung der
Zellkulturplatten eingesetzt werden sollte, musste mit sehr hoher
Positioniergenauigkeit und Wiederholgenauigkeit arbeiten. Darüber
hinaus waren die Systeme für die Nutzung durch verschiedene
Wissenschaftler bestimmt, weshalb die Anwendung des Geräts
leicht zu erlernen und einfach an verschiedene Versuchsanordnungen
anzupassen sein musste.
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II. MATERIALIEN UND METHODEN
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A. Grundlegendes
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Die
zellbiomechanische Forschung erfordert ein standardisiertes Verfahren.
Daher wurden die weit verbreiteten, handelsüblichen BioFlex®-Zellkulturplatte (2A)
für die biologischen Tests ausgewählt. Häufig
werden diese Zellkulturplatten mit einem Vakuumsystem gedehnt. Um
die Dehnungsverteilung vor der Konstruktion der Geräte
kontrollieren zu können, wurde eine Finite-Elemente-Analyse (FEA)
durchgeführt. Diese ergab, dass die Verschiebungen und
daher auch die Dehnungen der Zellkulturplatten-Membran nicht gleichmäßig
verteilt waren (1). Auf Grundlage dieser Ergebnisse
wurde festgestellt, dass gleichmäßig verteilte
Dehnungen erzielt werden konnten, wenn die Membran über
einen zylindrischen Stempel gezogen wird. Für diese Konfiguration
sind die Dehnungen einfach zu berechnen.
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B. Statische Zeltbelastung
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Voraussetzung
für das statische Gerät war, dass die Konstruktion
so einfach wie möglich sein sollte. Die Funktionsanforderungen
waren, dass handelsübliche BioFlex®-Zellkulturplatte
(Flexcell International Corporation, Hillsborough, NC, USA) verwendet
werden sollten, dass die Sicht auf die Zellkulturplatten gegeben
bleibt und dass die Dehnungen einstellbar sein sollten. Aufgrund
der vorgegebenen technischen Anforderungen an das Material, beispielsweise
chemisch und biologisch inerte Eigenschaft und Feuchtigkeitsbeständigkeit,
wurde das System für die statische Zellbelastung aus weißem Polyoxymethylen
(POM) hergestellt. POM zeichnet sich durch hohe Festigkeit, Härte
und Steifigkeit über einen breiten Temperaturbereich aus.
Es hat eine hohe Abriebbeständigkeit, einen geringen Reibungskoeffizienten
und eine geringe Wasserabsorption.
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Die
Vorrichtung bestand aus einem Unterteil, das als Belastungsbasis
diente und einem Oberteil, das als Belastungsrahmen diente, der
mittels Schrauben fest mit dem Unterteil verbunden werden konnte.
Die Belastungsbasis konnte mit auswechselbaren, zylindrischen Stempeln
ausgestattet werden (2A). Die Stempel wurden durch
eine zylindrische Presspassung in der Belastungsbasis befestigt. Abhängig
von der Höhe der verwendeten Stempel (13,5 und 16,0 mm)
wurden die Membranen der BioFlex®-Zellkulturplatte
kontinuierlich um 3% bzw. 20% gedehnt. Die Konstruktion der Belastungseinheit
erfolgte derart, dass die BioFlex®-Zellkulturplatte so
in den Belastungsrahmen eingesetzt werden konnten, dass die Stempel
zentrisch unterhalb der flexiblen Vertiefungen (den sogenannten ”Wells”)
positioniert waren (2B). Danach wurde das Oberteil
der Dehnvorrichtung durch zwei Schrauben (Material: Messing, 2C)
fest mit dem Unterteil verbunden. Dadurch wurde die BioFlex®-Zellkulturplatte nach unten bewegt,
wodurch der flexible Boden jedes Wells gezwungen wurde, sich an
die Stempel anzupassen. Alle Komponenten können mit Alkohol
desinfiziert und in einen Autoklav eingebracht werden.
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C. Dynamische Zellbelastung
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Hinsichtlich
der dynamischen Aufgabenstellung musste eine zweite Vorrichtung
konstruiert werden. Das statische Gerät diente dabei als
Grundlage für die Konstruktion des dynamischen Systems
zur Aufbringung von dynamischen Belastungen auf die BioFlex®-Zellkulturplatte. Die Anforderungen
an die Materialien waren die gleichen wie bei dem zuvor beschriebenen
System. Das Konstruktionsmaterial für dieses Gerät
war POM und zur Verstärkung diente Aluminium. Zusätzlich
zu den zuvor aufgeführten Funktionsanforderungen wurde
für das System zur dynamischen Zellbelastung das Folgende
definiert: automatische Einstellung der Dehnung mit einem Computerprogramm,
getrennte Einstellung der belasteten und unbelasteten Expositionsdauer
sowie der Einstellung der Versuchsdauer nach Zeit und Zykluszahl.
Ausgehend von diesen Anforderungen wurde die statische Zelldehnungsapparatur
zu einem dynamischen System weiterentwickelt.
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Die
Belastungsbasis wurde auf einer Aluminium-Grundplatte befestigt.
Die Belastungsbasis, die Stempel und der Belastungsrahmen wurden
aus POM hergestellt und waren in ihrer Konstruktion der statischen
Vorrichtung sehr ähnlich. Das Oberteil wurde ebenfalls
mit einem Aluminiumrahmen stabilisiert.
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Ein
hochauflösender linearer Mikrostelltisch (M-126, Physik
Instrumente (PI) GmbH & Co.
KG, Karlsruhe, Deutschland) wurde als Antriebssystem ausgewählt
und mit der Schrittmotorsteuerung vom Typ Apollo von PI (C-630,
Physik Instrumente) kombiniert. Dieser kostengünstige Mikrostelltisch
ist mit einem 2-Phasen-Schrittmotor ausgestattet, der eine kleinste
Schrittweite von 0,1 μm und eine hohe Wiederholgenauigkeit
von 1 μm ermöglicht. Die Ansteuerung des Motors
kann unmittelbar über die Apollo-Steuerung erfolgen. Das
Motorsystem wurde in eine Aluminiumstrebe eingebaut und diese an
der Grundplatte befestigt. Dieses Positioniersystem betätigt
den Belastungsrahmen der Apparatur, der ähnlich wie bei
der statischen Vorrichtung die Dehnung der Zellkulturplatte bewirkt.
Das Steuerungsprogramm wurde mit der LabViewTM 8.0
Software (National Instruments Corporation (NI), Austin, TX, USA) geschrieben.
Zur einfachen Justierung wurden drei Kontaktsensoren in das Oberteil
integriert, das Druck auf den Deckel der BioFlex® Zellkulturplatte
ausübt. Der Kontakt zwischen dem Belastungsrahmen und dem
Deckel wurde durch Dioden angezeigt, die rot aufleuchten, wenn kein
Kontakt besteht, und grün, wenn Kontakt besteht. Diese
visuelle Kontrollmöglichkeit erleichterte die Festlegung
des Zeitpunkts, an dem die jeweilige Dehnungsbelastung beginnen
sollte. 3 zeigt einen Überblick über
das dynamische Zelldehnungssystem.
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D. Messungen
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In
einem ersten Schritt wurde die Membrandehnung der BioFlex®-Zellkulturplatte kontrolliert. Hierzu
wurde die Plattenmembran mit kleinen Punkten markiert. Anschließend
wurde die Membran im statischen Apparat um 3% bzw. 20% gedehnt,
und die Verformung wurde in zufällig ausgewählten
Gesichtsfeldern unter zehnfacher Primärvergrößerung mit
einem Nikon Mikroskop (H800, Düsseldorf, Deutschland) mit einer
CCD-Kamera (DXP-9100P 3CCD Farbvideo; Sony, Tokio, Japan) und Lucia
Bildgebungssoftware (LIM Laborstory Imaging; vertrieben über
Nikon) untersucht. Danach wurden die Dehnungen von angewachsenen
menschlichen Parodontalligament(PDL)-Zellen kontrolliert. Nach Fixierung
mit 1:1 Methanol/Aceton bei –20°C für
5 Minuten und Waschung mit phosphatgepufferter Salzlösung (PBS)
wurden die Zellen mit einem monoklonalen anti-Actin Antikörper
(1:200 in PBS; Klon AC40, Sigma) bei 4°C über
Nacht eingefärbt. Nach weiterer mehrmaliger Waschung mit
PBS wurde ein mit Alexa488 konjugierter Ziege-anti-Maus IgG2a Sekundärantikörper
(Invitrogen) in einer Verdünnung von 1:400 in PBS bei Zimmertemperatur
für eine Stunde einwirken lassen. Die markierten Zellelongationen
wurden analog zum vorher beschriebenen Verfahren gemessen. Die Leistung
der dynamischen Apparatur wurde in einem Dauerbelastungsversuch
kontrolliert. Das Gerät arbeitete 48 Stunden bei 37°C
in 5% CO2 mit maximalen dynamischen Dehnungen.
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In
einer weiteren Studie wurde die statische Dehnungsapparatur benutzt,
um Dehnungen auf Faserknorpelzellen aus dem Kiefergelenk von Ratten auszuüben.
Dies zielte darauf ab, die Auswirkungen von biophysikalischer Belastung
unterschiedlicher Größenordnung und Dauer auf
die Genexpression der Komponenten des Systems des insulinähnlichen Wachstumsfaktors
(IGF) zu untersuchen.
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III. ERGEBNISSE
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Im
ersten Teil der Experimente konnte verifiziert werden, dass das
Prinzip der Belastung mit diesen Stempeln zufriedenstellend funktioniert:
Die Elongationen der markierten Zellkulturplatten-Membran, die durch
die Stempel bewirkt wurden, stimmten genau mit den vorgegebenen
und berechneten Dehnungen überein.
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Die
dynamische Apparatur erwies sich als zuverlässig und dauerbelastbar
in trockener und feuchter Umgebung eines Inkubators. Verschiedene Wissenschaftler
bestätigten, dass die Vorrichtung praktisch und leicht
zu bedienen ist. Die visuelle Kontrollmöglichkeit erwies
sich als zweckmäßig, um den Startpunkt der Belastungszyklen
zu definieren.
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Generell
wurde ein Rückgang der Genexpression nach der Belastung
festgestellt, der von der Höhe und Dauer der Belastung
abhing. Der Unterschied zwischen der Genexpression von gestreckten und
ungestreckten Zellen erwies sich als statistisch signifikant auf
einem Niveau von p < 0,05.
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IV. DISKUSSION
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Die
beschriebenen, neu entwickelten Apparaturen stellen einen neuartigen
Ansatz zur Quantifizierung der Zellreaktion auf Dehnungen dar und
erfüllen die vorher definierten Anforderungen. Die berechnete
Dehnung war gleichmäßig über die gesamte
Membran verteilt. Mit dem statischen System war es möglich,
gleichzeitig verschiedene Dehnungen auszuüben, während
das dynamische System mit einer vorgegebenen Dehnung je Versuch
arbeitete. Beide Systeme sind praktisch und leicht zu reinigen und
zu sterilisieren. Die Anpassung an weitere Anforderungen ist durch
geringfügige Modifikationen der Anordnung möglich.
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Im
Gegensatz zu durch Vakuum betriebene Apparaturen zur Zelldehnung
erzeugen die beschriebenen Vorrichtungen lineare und homogene Membranverformungen.
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Die
Messung der Zellelongation war mit einem systematischen Fehler von
etwa 20% behaftet. Die wichtigste Fehlerkomponente kann in der Dimension
der Zellen und der unregelmäßigen Morphologie gesehen
werden, durch welche die Identifizierung von Bezugsstrukturen nach
der Dehnung erschwert wurde. Ebenfalls zu berücksichtigen
ist die Änderung der dreidimensionalen Form der Zellen,
wahrscheinlich mit einer abflachende Wirkung, die nur indirekt in der
durchgeführten mikroskopischen Untersuchung dargestellt
ist. Die Anpassung der Apparatur an eine konfokale Mikroskopie ist
demzufolge ein weiteres Ziel, das derzeit verfolgt wird.
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Es
ist festzuhalten, dass Fixierung und Permeabilisierung durch ein
Methanol/Aceton-Gemisch einen Einfluss auf das biomechanische Verhalten
der Zellen hat und dass mit dem verwendeten Einfärbungsverfahren
lediglich die mechanische Wirkung der Anordnung nachgewiesen werden
sollte. Weitere morphologische Untersuchungen von lebenden, nicht
fixierten Zellen sind in Vorbereitung.
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Insgesamt
konnte verifiziert werden, dass eine Zelle, die an der BioFlex®-Membran angewachsen ist, zu den
vorgegebenen Dehnungen verformt werden konnte. Es konnte somit nicht
nur die biochemische Zellreaktion bestimmt werden, sondern es war
ebenfalls möglich, die Zelldehnungen mit der gegebenen
Genauigkeit zu quantifizieren.
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V. SCHLUSSFOLGERUNGEN
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Durch
die Versuchsaufbauten konnten die Dehnungen auf den Zellkulturplatten
sehr zuverlässig reguliert werden. In Experimenten konnte
für beide Apparaturen eine hohe Wiederholgenauigkeit nachgewiesen
werden.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- - US 6048723 [0002]
- - US 6472202 B1 [0002]