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Die vorliegende Erfindung bezieht sich auf eine Vorrichtung (Bioreaktor) zur mehrdimensionalen mechanischen Belastung von Epithelzellen sowie von multizellulären Epithelzellverbänden mit anderen Zelltypen (in Geweben) in einem Bioreaktor mit flexibler und permeabler Membran zur in vitro-Erprobung der Wirksamkeit von endogenen und exogenen bioaktiven Substanzen.
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Stand der Technik
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Die Kultivierung tierischer oder pflanzlicher Zellen in einem Nährmedium außerhalb des Organismus wird als Zellkultur bezeichnet. Die Zellkulturen finden in der naturwissenschaftlichen Forschung und Entwicklung breite Anwendung, da sie die genauere Untersuchung einzelner Zellen abhängig vom Zelltyp ermöglichen (Zell- und Gewebekultur, Von den Grundlagen zur Laborbank. Lindl, Toni, Gstraunthaler, Gerhard. 6. Aufl., 2008, XVI, S. 432).
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So werden Zellkulturen von tierischen bzw. menschlichen Zellen besonders in der Biomedizin als Untersuchungssysteme für die Wirkung von endogenen oder exogenen Substanzen auf die intrazellulären Signalwege und den Zelltod genutzt. Ein großer Vorteil der Zellkulturen ist dabei, dass diese die Anzahl von Tierversuchen dramatisch reduziert haben. Dennoch kann die Zellkultur die Tierversuche nicht vollständig ersetzen, da diese auch eine Reihe von Nachteilen aufweist.
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Ein Nachteil der Zellkultur ist, dass diese in der Regel aus der Kultivierung von nur einem Zelltyp maximal von zwei Zelltypen besteht. Die Gewebe bzw. Organe setzten sich aber aus einer Vielzahl von verschiedenen Typen von Zellen zusammen, die sich gegenseitig in ihrer Funktion beeinflussen. Dieser Nachteil kann nur teilweise durch die Kultivierung von Geweben ausgeglichen werden, da die Gewebekultur nicht für alle Arten von Geweben praktisch umsetzbar ist.
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Ein anderer Nachtteil der Zellkultur ist, dass die Zellen in der Zellkultur in der Regel polarisiert werden (d. h. eine apikale und basale Seite mit differenzierter Funktion erhalten) und durch definierte Nährmedien von der apikalen Seite her versorgt werden. Im Falle von Epithelzellen der Lunge oder der Haut befindet sich z. B. auf der apikalen Zellseite Luft und die Zellen werden von der basalen Seite her versorgt. Andere Zellen, wie Bindegewebszellen, sind im Organismus nicht polarisiert, sondern in einem festen Gewebeverband eingebettet.
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Ein weiterer wesentlicher Nachteil der Zellkultur ist, dass diese die Zellen in einem sehr statischen Zustand beschreibt. Viele Typen von Zellen sind im tierischen Organismus aber mechanischen Kräften ausgesetzt. Im Rahmen der zellulären Biomechanik im Gewebe wirken Zug-, Druck- und Scherbelastungen, die in artifiziellen Systemen extern aufgeprägt werden müssen.
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Bei dieser Art von artifiziellen Systemen spricht man nicht mehr von einer Zellkultur (aus der Biologie stammend), sondern von einem Bioreaktor (aus der Biotechnologie stammend).
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Zum gegenwärtigen Zeitpunkt existieren geschlossene Bioreaktoren, in denen die Steuerung ausgewählter Kultivierungsparameter, wie CO2/O2/N2-Beladung, Temperatur und Medienaustausch, möglich sind. Die mechanische Stimulation erfolgt in diesen Bioreaktoren meist über Vorrichtungen zur Scherung, über Druckstempel, Membranen oder hydrostatische Druckkammern. Die Erzeugung eines komplexen, mehrdimensionalen Spannungszustands ist mit diesen Reaktoren nicht bzw. nur bedingt möglich.
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Bioreaktoren zur Erzeugung einer Scherbelastung
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So stellen Freed et al. (1993) (und Andere) einen Reaktor zur Kultivierung von z. B. Chondrozyten vor, der aus einer auf einem Orbitalschüttler fixierten Petrischale besteht. Der Orbitalschüttler setzt das über einer Zellmonolage befindliche Zellkulturmedium in eine zyklische Bewegung. Über die Frequenz und die Amplitude des Orbitalschüttlers lassen sich so innerhalb des Zellkulturmediums Schergradienten einstellen. Vunjak-Novakovic et al. (1996) (und Andere) nutzen einen Reaktor, in dem durch langsame Rotation einer Zellkulturflasche eine Scherspannung auf die auf der Flaschenwand adhärierten Zellen übertragen wird. In einem weiteren von Chang et al. (2004) vorgeschlagenen Reaktor wird das Zellkulturmedium durch einen Magnetrührer bewegt. Das sich ausbildende hydrodynamische Scherfeld wird auf die am Reaktor adhärierten Zellen übertragen.
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Bioreaktoren zur Erzeugung einer Zugbelastung
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In einer von Wright et. al. (1996) vorgestellten Reaktorkonstruktion wird eine Zellmonoschicht auf dem flexiblen Boden einer Zellkulturschale adhäriert. Der Boden befindet sich zwischen zwei Gasdruckkammern. Durch Anlegen einer Druckdifferenz zwischen den Membranseiten tritt eine mechanische Verformung der Zellschicht auf. Durch Verringerung des Gasdrucks über ein Druckreglerventil kann der Gasdruck in der Kammer gemindert werden, was zu einer Rückverformung des Bodens der Zellkulturschale führt. Über eine elektropneumatische Ansteuerung der Gasdruckkammern lassen sich gezielt zeitabhängige Verformungen des Bodens der Zellkulturschale erreichen. Bedingt durch die Adhäsion der Zellen auf der Oberfläche des Schalenbodens wird dessen Verformung auf die Zellen übertragen.
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De Witt et al. (1984) beschreibt einen Bioreaktor, in dem ein Gewebe zwischen zwei Spannbacken befestigt wird und diese zyklisch in Zugrichtung zueinander bewegt werden. Dies bewirkt eine elastische eindimensionale Dehnung. Durch die so in der Zellschicht induzierte Dehnung wird eine Zugkraft auf die Zellen im Gewebe ausgeübt.
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In anderen Bioreaktorversionen werden Zellen auf einer Membran kultiviert und diese dann zyklisch auf Zug/Druck belastet. Verschiedene Systeme mit nicht permeablen Membranen sind unter dem Namen Flexcell® bekannt.
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Bioreaktoren zur Co-Kultivierung
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Unter patho-physiologischen Bedingungen sind die verschiedenen Typen von Zellen in ihrer Funktion häufig dereguliert (z. B. nach mechanischer oder chemischer Verletzung, nach Virusinfektion, durch UV–Strahlung, durch Diabetes mellitus-bedingt hohe Zuckergehalte, nach Gabe von Pharmazeutika). Aus diesem Grund ist für die biomedizinische Forschung die Wechselwirkung zwischen den Epithelzellen bzw. Endothelzellen und den anderen Typen von Zellen unter der gleichzeitigen Einwirkung von mechanischen Kräften von großem Interesse.
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Inzwischen gibt es Kultivierungsmethoden, mit denen man die Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Typen von Zellen untersuchen kann (d. h. indirekte Kokultur mithilfe einer permeablen Membran, direkte Kokultur mithilfe markierter Zellen). Darüber hinaus gibt es auch Kultivierungsmethoden, mit denen man den Einfluss mechanischer Kräfte auf die Zellen untersuchen kann. Es gibt bisher aber noch keine Möglichkeit der Zellkultur, die die indirekte Kokultur von verschiedenen Typen von Zellen unter gleichzeitiger mechanischer Beanspruchung der Zellen ermöglicht.
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Biologische Notwendigkeit eines neuen Bioreaktorkonzeptes
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Die oben genannten Möglichkeiten zur Stimulation von Zellen mit Hilfe von Scherbelastung, Zugbelastung oder Drucksteuerung führen jedoch immer dazu, dass die Zellen auf einem nicht permeablen Substrat adhäriert sind. Diese in vitro-Situation spiegelt jedoch die Situation in vivo nicht korrekt wider. Viele Zelltypen, wie die Epithelzellen, exprimieren funktionsbedingt apikal und basal unterschiedliche Oberflächenmoleküle einschließlich Rezeptoren. Daneben befinden sich die Epithelzellen immer in einem Zellverband mit anderen Typen von Zellen, die sich gegenseitig beeinflussen. Für die mechanische Stimulation von Epithelzellen und Epithelzellverbänden ist es daher wichtig, dass diese während ihrer mechanischen Stimulation von beiden Seiten für Substanzen aller Art zugänglich sind. Dies können zugesetzte (exogen) Substanzen wie Pharmazeutika sein, aber auch Substanzen, die von den Zellen bzw. Nachbarzellen freigesetzt werden (endogene Substanzen).
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Aufgabe der Erfindung
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Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es daher, einen Bioreaktor sowie ein Verfahren zur kombinierten mechanischen Stimulation und Stimulation mit exogenen bzw. endogenen bioaktiven Substanzen von Zellen, Zellverbänden und/oder Geweben zur Verfügung zu stellen, wobei die Bedingungen der beidseitigen Stimulation von Oberflächenrezeptoren an den Zellen, Zellverbänden und/oder Geweben mit den bioaktiven Substanzen möglichst realitätsgetreu gewährleistet sind, d. h. dass die Zellen, Zellverbände und/oder Gewebe auf einem porösen Substrat einem mehrdimensionalen Spannungsfeld ausgesetzt sind und die bioaktiven Substanzen beidseitig binden können.
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Ebenso ist es Aufgabe der vorliegenden Erfindung, einen Bioreaktor und ein Verfahren zur mechanischen Stimulation von Zellen, Zellverbänden und/oder Geweben zur Verfügung zu stellen, bei dem gleichzeitig die Versorgung dieser mit exogenen bzw. endogenen bioaktiven Substanzen, z. B. Wachstumsfaktoren, Signalproteinen, Proteasen, Zytokinen, Nährstoffen, Pharmazeutika, Noxen, über ein poröses/permeables Trägersubstrat ermöglicht wird.
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Diese Aufgabe wird bezüglich des Bioreaktors mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 sowie bezüglich des Verfahrens zur definierten mechanischen Stimulation mit den Merkmalen des Patentanspruchs 17 gelöst. Vorteilhafte Weiterbildungen des erfindungsgemäßen Bioreaktors sowie des erfindungsgemäßen Verfahrens werden in den jeweiligen abhängigen Ansprüchen angegeben. Die Verwendung des erfindungsgemäßen Bioreaktors sowie des erfindungsgemäßen Verfahrens geht aus Anspruch 25 hervor.
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Erfindungsgemäß wird somit ein Bioreaktor zur mechanischen Stimulation von Zellen, Zellverbänden und/oder Gewebe bereitgestellt, der mindestens zwei Reaktorteilvolumina aufweist. Die beiden Reaktorteilvolumina sind dabei durch eine Trägermembran voneinander getrennt. Zumindest ein Reaktorteilvolumen ist dabei zumindest teilweise mit einem flüssigen Zellkulturmedium gefüllt. Der Bioreaktor ist erfindungsgemäß derart ausgebildet, dass die mindestens eine Trägermembran durch Anlegen einer externen mechanischen Feldgröße verformbar ist. Zudem weist die Trägermembran das erste und das zweite Reaktorteilvolumen verbindende Poren auf, d. h. Poren, welche das erste und das zweite Reaktorteilvolumen verbinden.
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Die Poren können beispielsweise durch Ionenstrahl-Durchschussverfahren in die Membranen eingebracht werden. Ebenso sind andere, aus dem Stand der Technik bekannte Verfahren, beispielsweise das aus der
DE 699 31 800 T2 bekannte Verfahren, denkbar, um Poren in die Membranen einzubringen.
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Erfindungsgemäß wird durch die poröse Trägermembran gewährleistet, dass zwischen dem ersten und dem zweiten Reaktorteilvolumen ein Stoffaustausch, beispielsweise ein Austausch von Gasen, Flüssigkeiten und/oder Wirkstoffen, stattfinden kann, so dass die auf der Trägermembran adhärierten Zellen sowohl von ihrer Oberseite, d. h. der Seite, die der Membranseite abgewandt ist, als auch von ihrer Unterseite, d. h. der Seite, mit der die Zellen auf die Membran adhäriert sind, mit Gasen, Flüssigkeiten oder Nähr- und/oder Wirkstoffen versorgt werden können. Die Membran ist bevorzugt elastisch verformbar ausgestaltet, so dass während der Kultivierung der Zellen in vivo-Bedingungen simuliert werden können. Zumindest ein Reaktorteilvolumen ist dabei teilweise oder ganz mit einer Flüssigkeit gefüllt, ebenso ist jedoch die Möglichkeit gegeben, dass beide Reaktorteilvolumina mit der gleichen oder unterschiedlichen Flüssigkeiten gefüllt sein können. Diese Flüssigkeiten können beispielsweise Nährmedien für die Zellen sein. Somit ist es möglich, gezielte Bedingungen zu simulieren, also Zellen, die beispielsweise bei Lungenepithel-, Hautepithel- oder Darmepithelzellen vorherrschen, die jeweils an einer „Phasengrenze”, d. h. dem Übergang von Gewebe zu einer gasförmigen bzw. flüssigen Umgebung, liegen.
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Eine bevorzugte Ausführungsform des Bioreaktors sieht vor, dass die Poren einen mittleren Durchmesser d50 zwischen 5 und 1000 nm, bevorzugt zwischen 10 und 600 nm, besonders bevorzugt zwischen 300 und 500 nm aufweisen. Über diese besonders bevorzugte Porengröße ist gewährleistet, dass die Durchlässigkeit der Membran nicht derart groß wird, dass beispielsweise eine mechanische Verformung durch Druckbeaufschlagung der Membran noch gewährleistbar ist.
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Weiter ist es vorteilhaft, wenn die mittlere Porendichte zwischen 1·106 und 1·1010 Poren/cm2 der Oberfläche der Trägermembran, bevorzugt zwischen 1·10 und 1·109 Poren/cm2 der Oberfläche der Trägermembran, besonders bevorzugt zwischen 5·107 und 5·108 Poren/cm2 der Oberfläche der Trägermembran beträgt.
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Vorteilhafte Materialien, die der Membran zugrunde liegen, sind dabei Elastomere, insbesondere Kautschuk, Naturkautschuk, Silikonkautschuk und/oder Proteine, z. B. Elastin.
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Über die Dicke der Membran kann einerseits die elastische Verformbarkeit, d. h. die Härte der Membran, beeinflusst werden, andererseits kann auch durch die sich dadurch ergebende Länge des Kanals, der die beiden Seiten der Trägermembranen über die Poren miteinander verbindet, die Permeabilität gesteuert werden. Bevorzugte Dicken der Trägermembran liegen dabei zwischen 10 und 1000 μm, bevorzugt zwischen 20 und 500 μm, besonders bevorzugt zwischen 50 und 200 μm.
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Weiterhin ist es vorteilhaft, wenn die Trägermembran eine maximale elastische Bruchdehnung von mindestens 10%, bevorzugt zwischen 100 und 300%, besonders bevorzugt zwischen 20 und 100% aufweist. Die Bruchdehnung entspricht der maximalen Längenänderung, bis zu der die Membran ohne Bruch oder irreversible Schädigung gedehnt werden kann.
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Bevorzugt ist der Bioreaktor als Zweikammer-Bioreaktor ausgebildet. Die beiden Kammern sind dabei über eine freitragende poröse/permeable Membran, die als Zellsubstrat dient, voneinander getrennt. Auf dieser Membran werden je nach Ausführungsbeispiel Zellen kultiviert. Über eine Ansteuerung, die bevorzugt pneumatisch oder hydraulisch ausgebildet ist, erfolgt eine mechanische Verformung der Membran und darüber eine verformungsgeregelte mechanische Stimulation der Zellen, Zellverbände und/oder Gewebe. Zur Erfassung der Membranverformung können vorzugsweise optische, kapazitive oder mechanische Wegmessverfahren Anwendung finden. Als mögliche optische Verfahren sind das Triangulationsprinzip (Ausführungsbeispiel X), das Lichtschrankenprinzip (Ausführungsbeispiel VIII) oder das Interferometer-Prinzip (nicht gezeigt) besonders zu nennen. Bei einer kapazitiven Messung der Membranverformung durch das Triangulationsprinzip (Ausführungsbeispiel X) können darüber hinaus noch elektrische Potentiale über die Schicht aus Zellen, Zellverbänden und/oder Geweben erfasst werden. Die pneumatische oder hydraulische Ansteuerung erfolgt vorzugsweise über extern am Bioreaktor angebrachte magnetische Stellventile (Ausführungsbeispiel VII) oder einen Hubkolben (Ausführungsbeispiel VI) und kann Koch- oder niederfrequent erfolgen. Über die Ventile kann somit gezielt Luft oder Aerosol bzw. Flüssigkeit zur pneumatischen bzw. hydraulischen Ansteuerung in das erste und/oder das zweite Reaktorteilvolumen eingebracht werden, um die Stellung der Membran und damit die Verformung der Membran zu steuern. Die Ansteuerungsvorrichtung, insbesondere die Stellventile, sind dabei in fluidischer Verbindung mit den jeweiligen Reaktorteilvolumen, insbesondere sind die Stellventile, die als Magnetventile ausgebildet sein können, am zweiten Reaktorteilvolumen angebracht und stehen mit diesem in fluidischer Verbindung. Alternativ hierzu kann vorgesehen sein, dass die Steuerungsvorrichtung zur Steuerung der Verformung der Trägermembran als Hubkolben ausgeführt ist, der beispielsweise über ein Pleuel gesteuert werden kann. Durch den Hubkolben kann das Volumen, beispielsweise des zweiten Reaktorteilvolumens, variiert werden, so dass sich der dadurch erzeugte Über- bzw. Unterdruck auf die Stellung der Membran auswirkt.
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Vorzugsweise verfügt das erste Reaktorteilvolumen und/oder das zweite Reaktorteilvolumen über einen Sterilfilter, der zum Druckausgleich dient.
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Weiter bevorzugt verfügt das erste Reaktorteilvolumen und/oder das zweite Reaktorteilvolumen über mindestens eine Vorrichtung, insbesondere mindestens eine Düse, über die externe Stoffe, insbesondere Wirkstoffe, in das jeweilige Reaktorvolumen einbringbar sind.
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Über die Integration von Düsen im Reaktorraum können Wirkstoffe im flüssigen Zellkulturmedium oder im Gasraum kontrolliert freigesetzt werden. Als Aerosol wirkende Substanzen können auch bereits vor dem Eintritt des Gasstroms in den Reaktor zugesetzt werden. Der Reaktor ist so beschaffen, dass die Zellen mittels (Konfokaler-)Fluoreszenzmikroskopie direkt untersucht werden können. Im Fall einer transparenten Ausführung der porösen/permeablen Membran ist eine Untersuchung beider Membranseiten direkt möglich. Eine Kombination von zwei Optiken ist bei nicht transparenter Ausführung denkbar.
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Weiter ist es von Vorteil, wenn das erste Reaktorteilvolumen mindestens eine Filmbenetzungsvorrichtung, insbesondere Servoventile umfasst, mit denen eine Benetzung der Trägermembran möglich ist.
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Bei dieser konstruktiven Ausführung des Reaktors als Filmreaktor (wie in Ausführungsbeispiel VII) wird das Zellkulturmedium zur Zellversorgung kontinuierlich in einem Film über die Membran geleitet.
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Bevorzugt ist der Bioreaktor dabei vertikal ausgerichtet, wobei über die Magnetventile bzw. -düsen o. ä. eine kontinuierliche Benetzung der Trägermembran mit Kulturmedium erfolgt. Vorzugsweise wird das Kulturmedium von oben nach unten über die Membran geleitet.
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In einer weiteren vorteilhaften Ausführungsform des Bioreaktors ist eine Messvorrichtung zur Erfassung der Membranverformung im ersten und/oder zweiten Reaktorteilvolumen integriert. Insbesondere kann die Messvorrichtung optisch, kapazitiv oder mechanisch ausgestaltet sein. Im Beispielsfalle einer optischen Messvorrichtung kommen dabei LEDs und dazugehöriges CCD-Array (Lichtschrankenmessprinzip) bzw. ein Laser, mit dem eine Bestrahlung der Trägermembran erfolgt sowie ein Detektor zur Erfassung des von der Membran reflektierten Laserstrahls (Triangulationsprinzip) in Frage. Auch eine optisch interferometrisch arbeitende Messvorrichtung ist möglich. Als mechanische Messvorrichtungen können aus dem Stand der Technik bekannte Messvorrichtungen zur Erfassung von Verformungen, wie beispielsweise Federn o. ä., verwendet werden.
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Weiter ist bevorzugt, wenn der Bioreaktor über eine Steuereinheit verfügt, mit der die externe mechanische Feldgröße zur Verformung der Trägermembran gesteuert werden kann. Insbesondere kommen hier Mikroprozessoren in Frage, wodurch eine vorprogrammierte Steuerung der Membranverformung ermöglicht wird. Insbesondere lassen sich dabei statische Steuerungen (z. B. vorgegebene Frequenzrate) bzw. eine dynamische Steuerung der Membranverformung einstellen. Ebenso ist die Möglichkeit gegeben, dass die Steuerung derart erfolgt, dass ein feedback von den oben erwähnten Messvorrichtungen, die die Stellung der Trägermembran online verfolgen, ermöglicht ist.
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Der Bioreaktor ist bevorzugt weiter so ausgebildet, dass das zweite Reaktorteilvolumen mit einer Gasatmosphäre gefüllt ist; ebenso ist jedoch die Möglichkeit gegeben, dass auch das zweite Reaktorteilvolumen zumindest teilweise mit einer Flüssigkeit gefüllt sein kann. Insbesondere kommen folgende Zelltypen zum Einsatz, die in Form von einzelnen Zellen, als Zellverbände oder als komplettes Zellgewebe auf der Trägermembran immobilisiert werden können: Lungenepithelzellen, Gefäßepithelzellen (= Endothelzellen), Darmepithelzellen, Hautepithelzellen (= Epidermiszellen), Kombinationen aus den zuvor genannten Zelltypen untereinander und/oder Kombinationen der zuvor genannten Zelltypen und/oder der Kombination mit mindestens einem weiteren Zelltyp. Außerdem können die Zellen gentechnisch verändert sein, z. B. Überexpression von Genen und/oder Genvarianten, (partielles) Ausschalten von Genen und/oder Genvarianten).
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Erfindungsgemäß wird ebenso ein Verfahren zur mehrdimensionalen mechanischen Stimulation mindestens einer Zelle, mindestens eines Zellverbands und/oder mindestens eines Zellgewebes bereitgestellt, bei dem mindestens eine Zelle, mindestens ein Zellverband und/oder mindestens ein Zellgewebe auf der dem ersten Reaktorteilvolumen 3 zugewandten Seite und/oder der dem zweiten Reaktorteilvolumen 4 zugewandten Seite der mindestens einen Trägermembran immobilisiert, zumindest das erste Reaktorteilvolumen 3 zumindest teilweise mit einem flüssigen Kulturmedium befüllt wird und die mindestens eine Zelle, mindestens ein Zellverband und/oder mindestens ein Zellgewebe kultiviert werden, wobei zumindest zeitweise während der Kultivierung die mindestens eine Trägermembran durch Anlegen einer externen mechanischen Feldgröße alternierend verformt wird.
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Der Begriff „mehrdimensionale Stimulation” ist dabei so zu verstehen, dass durch das Anlegen der externen mechanischen Feldgröße eine Ausstülpung der Membran aus einem planaren Ruhezustand resultiert, die aus der mechanischen Flexibilität, d. h. der Elastizität der Membran, resultiert. Durch die Ausstülpung der Membran erfolgt einerseits eine Dehnung (evtl. in zwei Dimensionen), wodurch sich die Oberfläche der Membran vergrößert, andererseits erfolgt auch eine Bewegung in die Tiefe, d. h. in die dritte Dimension, wodurch beispielsweise Zellverbände mechanischem Stress ausgesetzt werden.
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Das Verfahren ist dabei so durchführbar, dass zumindest das erste Reaktorteilvolumen ganz oder vollständig mit einer Flüssigkeit, beispielsweise einem Nährmedium, gefüllt wird, während das zweite Reaktorteilvolumen mit einem Gas, beispielsweise Luft, befüllt wird. Die Zellen können auf die Seite der Membran adhäriert werden, die mit dem zweiten Reaktorteilvolumen, d. h. dem Gasraum, in Kontakt steht. Ebenso ist jedoch die Anbringung der Zellen auf der dem ersten Reaktorteilvolumen zugewandten Seite der Membran möglich, d. h. in diesem Fall sind die Zellen mit einem flüssigen Medium umgeben. Durch Anlegen einer mechanischen Stellgröße, beispielsweise eines Unterdrucks bzw. Überdrucks in einem der Reaktorteilvolumina, beispielsweise im ersten Reaktorteilvolumen, erfolgt nun eine Verformung, beispielsweise eine Ausstülpung der Trägermembran, auf der die Zellen adhäriert sind. Durch die Porosität der Membran ist gewährleistet, dass diese beispielsweise mit flüssigen Nährstoffen oder gasförmigen Medien von der Unterseite, d. h. der Seite, mit der sie auf der Membran adhäriert sind, versorgt werden können.
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Ebenso ist es jedoch möglich, beide Reaktorteilvolumina mit Flüssigkeit zu füllen und die Zellen derart zu kultivieren.
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Die Verformung der Trägermembran kann dabei periodisch erfolgen, vorzugsweise mit einer Frequenz im Bereich von 0,001 Hz bis 200 Hz, weiter bevorzugt im Bereich von 0,01 Hz bis 20 Hz, besonders bevorzugt im Bereich von 0,1 Hz bis 2 Hz, jedoch ist auch eine aperiodische Betriebsweise des Bioreaktors möglich.
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In einer bevorzugten Ausführungsform des Verfahrens werden über die mindestens eine Vorrichtung, insbesondere mindestens eine Düse, endogene und/oder exogene Substanzen, vorzugsweise Substanzen mit einem Molekulargewicht bis zu 1000 kDa, insbesondere Hormone, Wachstumsfaktoren, Antikörper, Signalmoleküle, Pharmazeutika, (ggf. nichtinfektiöse Bestandteile von Bakterien und/oder Viren) und/oder Noxen in das erste und/oder zweite Reaktorteilvolumen aufgegeben. Somit können sowohl in das erste, in das zweite oder in beide Reaktorteilvolumina die oben genannten Stoffe eingebracht werden und auf die auf der Membran immobilisierten Zellen einwirken. Für den Fall, dass die genannten Wirkstoffe und Substanzen in das erste Reaktorteilvolumen eingebracht werden, kann eine Einwirkung der Substanzen auf die apikale Seite der Zellen erfolgen. Falls die Substanzen in das zweite Reaktorteilvolumen eingebracht werden, erfolgt eine Einwirkung der Substanzen bzw. Stoffe von der basalen Seite der Zellen, d. h. der Seite der Zellen, mit der sie auf die Membran aufgewachsen bzw. immobilisiert sind. Dabei permeieren die eingebrachten Substanzen durch die semi-permeable Membran hindurch zu den jeweiligen Zellen hin.
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Somit ist ein Stoffaustausch von lösbaren und/oder verdampfbaren endogenen Substanzen, insbesondere Zytokinen, Hormonen, Gerinnungsfaktoren, Wachstumsfaktoren, Signalmolekülen, Extrazellularmatrices, Stoffwechselprodukten und/oder Antikörpern, und/oder lösbaren und/oder verdampfbaren exogenen Substanzen, insbesondere Pharmazeutika, Umweltschadstoffen, Spurenelementen, Nanopartikel, Nährstoffen, Genussmittelstoffen, Allergenen, (ggf. nichtinfektiöse Bestandteile von Bakterien und/oder Viren), gentechnisch und/oder chemisch hergestellten Stoffen, gentechnisch und/oder chemisch hergestellten Analoga von endogenen Substanzen möglich.
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In einer weiteren Ausführungsform des Verfahrens ist vorgesehen, dass während der Kultivierung zumindest zeitweise eine Behandlung der mindestens einen Zelle, des mindestens einen Zellverbands und/oder des mindestens einen Zellgewebes mit elektromagnetischer Strahlung, insbesondere Wärmestrahlung, sichtbarem Licht, UV-Strahlung, Röntgenstrahlung, Gammastrahlung und/oder Teilchenstrahlung erfolgt.
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Erfindungsgemäß werden ebenso Verwendungsmöglichkeiten des Bioreaktors bzw. des Verfahrens angegeben, diese sind insbesondere mehrdimensionale Stimulation, Untersuchung von Zellen, Zellverbänden und/oder Zellgeweben.
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Die Erfindung wird anhand der nachfolgenden Ausführungen, Figuren sowie Ausführungsbeispiele näher erläutert, ohne die Erfindung auf die genannten speziellen Parameter zu beschränken.
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Die Anwendung der vorgeschlagenen Reaktorprinzipen ist auf verschiedenen Arten von Epithelzellen, Epithelzellverbänden und/oder Geweben möglich. In 1 sind vier ausgewählte Gewebe-spezifische Ausführungsbeispiele für den Zellkultureinsatz des o. g. Bioreaktors schematisch dargestellt. Dies sind das Lungenepithel, Gefäßepithel, Darmepithel und Hautepithel, auf die im Folgenden eingegangen wird.
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Ausführungsbeispiel I: Lungenepithel (Fig. 1-1)
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Durch die kontinuierliche Ein- und Ausatmung werden insbesondere die Epithelzellen der Lunge einer kontinuierlichen Dehnung unterworfen. So kann der Einfluss der mechanischen Dehnung der Lungenepithelzellen auf definierte zellbiologische Parameter, z. B. Expression von Genen und Proteinen, Signaltransduktion, Anordnung des Zytoskeletts, Sekretion löslicher Stoffe, wie Zytokine und Proteasen, in Abhängigkeit von Ausmaß und Frequenz der Zelldehnung analysiert werden. Des Weiteren erlaubt die Möglichkeit zur Kokultivierung Analysen zum Einfluss weiterer Zelltypen (Fibroblasten, Monozyten etc.) auf definierte zellbiologische Parameter in den Lungenepithelzellen unter gleichzeitiger mechanischer Dehnung der Zellen in Abhängigkeit von Ausmaß und Frequenz der Zelldehnung. Diese Analysen wären insbesondere für klinische Fragestellungen zum Einfluss der Hypo-/Hyperventilation oder zum Einfluss der Überdehnung der Lungenalveolen (bei Einsatz der künstlichen Beatmung) auf das Lungenepithel interessant.
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Ferner sind Untersuchungen zum Einfluss von löslichen Substanzen, z. B. Wachstumsfaktoren, Signalproteinen, Proteasen, Zytokinen, Nährstoffen, Pharmazeutika, Noxen, oder vernebelbaren Substanzen, z. B. Pharmazeutika, Noxen, auf definierte zellbiologische Parameter in den Lungenepithelzellen sowie in den kokultivierten Zellen (Fibroblasten, Monozyten etc.) unter gleichzeitiger mechanischer Dehnung der Zellen möglich. Die Beschaffenheit sowie Veränderungen der Extrazellularmatrix haben einen großen Einfluss auf die biologische Funktion des Lungenepithels. Daher erlaubt dieser Bioreaktor auch Analysen zum Einfluss von Komponenten der Extrazellularmatrix, z. B. Kollagenen, Lamininen, Fibronektin, auf definierte zellbiologische Parameter, z. B. die Expression von Zelloberflächenproteinen, die mit der Extrazellularmatrix interagieren, in den Lungenepithelzellen sowie in den kokultivierten Zellen (Fibroblasten, Monozyten etc.) unter gleichzeitiger mechanischer Dehnung der Zellen.
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Ausführungsbeispiel II: Gefäßepithel (Fig. 1-2)
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Neben der Scherbelastung durch den Blutstrom tritt durch den stoßweisen (pulsierenden) Blutstrom auch eine zyklische Dehnung der Gefäße und somit der Gefäßepithelzellen (Endothelzellen) auf. Im Gegensatz zur Scherbelastung ist deren biologische Bedeutung auf die Gefäßfunktion aber kaum bekannt.
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Analog zu Ausführungsbeispiel I lässt sich der Einfluss der mechanischen Dehnung der Endothelzellen auf definierte zellbiologische Parameter, wie z. B. die Expression von Genen und Proteinen, Signaltransduktion, Anordnung des Zytoskeletts, Sekretion löslicher Stoffe, wie Zytokine und Proteasen, in Abhängigkeit vom Ausmaß und Frequenz der Zelldehnung analysieren. Des Weiteren sind Studien zum Einfluss von weiteren Zelltypen (Fibroblasten, Monozyten etc.) auf definierte zellbiologische Parameter in den Endothelzellen unter gleichzeitiger mechanischer Dehnung der Zellen in Abhängigkeit von Ausmaß und Frequenz der Zelldehnung interessant. Auch im Blut zirkulierende Substanzen, z. B. Wachstumsfaktoren, Zytokine, Nährstoffe, Pharmazeutika, können auf definierte zellbiologische Parameter in den Endothelzellen sowie in den kokultivierten Zellen (Fibroblasten, Monozyten etc.) unter gleichzeitiger mechanischer Dehnung der Zellen analysiert werden. Da die Extrazellularmatrix der Gefäßwände beispielsweise bei Diabetikern durch den hohen Glukosespiegel modifiziert wird (Potenza, MA, Gagliardi, S., Nacci, C., Carratu, MR, Montagnani, M., (2009), „Endothelial dysfunction in diabetes: from mechanisms to therapeutic targets", Curr. Med. Chem. 16: S. 94–112) kann auch der Einfluss von Glukose-modifizierten Komponenten der Extrazellularmatrix, z. B. Glukose-modifiziertes Kollagen, auf definierte zellbiologische Parameter, z. B. die Expression von Zytokinen, in den Endothelzellen sowie in den kokultivierten Zellen (Fibroblasten, Monozyten etc.) unter gleichzeitiger mechanischer Dehnung der Zellen untersucht werden.
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Ausführungsbeispiel III: Darmepithel (Fig. 1-3)
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Infolge der Darmperistaltik wird auch das Epithel des Darms entsprechend der Darmabschnitte kontinuierlich gedehnt. Aus diesem Grund sind auch die Darmepithelzellen ein potentielles Zellmodell für den o. g. Bioreaktor. So kann wie unter den Ausführungsbeispielen I und II der Einfluss der mechanischen Dehnung auf definierte zellbiologische Parameter, z. B. die Expression von Genen und Proteinen, Signaltransduktion, Anordnung des Zytoskeletts, Sekretion löslicher Stoffe, wie Zytokine und Proteasen, in Abhängigkeit von Ausmaß und Frequenz der Zelldehnung sowie der gleichzeitigen Kokultur mit anderen Zelltypen (Fibroblasten, Monozyten etc.) analysiert werden.
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Die Untersuchungen zur biologischen Funktion des Darmepithels unter gleichzeitiger Dehnung der Zellen sind insbesondere für ernährungswissenschaftliche Studien von großem Interesse. So erlauben diese dehnungsabhängige Analysen zum Einfluss von Nährstoffen bzw. Abbauprodukten von Nährstoffen sowie anderen Stoffen, z. B. Medikamenten, Schadstoffen in Lebensmitteln, die mit der Ernährung aufgenommen werden.
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Ausführungsbeispiel IV: Hautepithel (Fig. 1-4)
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Es kommt unter normalen Umständen auch zur sporadischen Dehnung des Epithels der Haut (Epidermis) in bestimmten Hautpartien (Hautpartien nahe der Gelenke), so dass mithilfe des o. g. Bioreaktors auch spezifische Fragestellungen an Epidermiszellen beantwortet werden können. Dies sind beispielsweise Fragestellungen zum Einfluss von Hautpflegemitteln und medizinischen Salben, z. B. zur Wundheilung oder Neurodermitis-Behandlung, auf definierte zellbiologische Parameter in den Epidermiszellen unter gleichzeitiger mechanischer Dehnung der Zellen.
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Ausführungsbeispiel V (Fig. 2)
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Konstruktive Ausführung als pneumatisch betriebener Bioreaktor.
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Der Reaktor besteht aus einem zusammensetzbaren Hohlzylinder 1, dessen Innenraum über eine poröse/permeable und dehnbare Membran 2, die je nach Ausführungsbeispiel I, II, III oder IV mit Zellen besiedelt ist und den Reaktor in zwei Kammern 3, 4 teilt. Das zur Zellversorgung nötige flüssige Kulturmedium befindet sich in einer für die Zellversorgung ausreichenden Menge in Kammer 3. Im Zellkulturschrank ist die Kammer 3 über einen Sterilfilter 5 mit der definierten Atmosphäre (Temperatur, Feuchtigkeit und O2/CO2/N2-Konzentration) beispielsweise eines Zellkulturschrankes verbunden.
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Über das öffnen der Magnetventile 6 und 7 kann der Gasdruck innerhalb der Kammer 4 zeitabhängig variiert werden. Durch Befüllung von Kammer 4 mit unterschiedlichen Gasvolumina kann eine definierte variable Verformung der besiedelten porösen/permeablen Membran 2 erfolgen. Die Verformung der besiedelten porösen/permeablen Membran 2 lässt sich über die in Ausführungsbeispiel VII, IIX oder IX gezeigten Ausführungen bestimmen und regeln. Über eingebrachte Düsen 8 werden Wirkstoffe in den Gasraum definiert zugeführt.
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Ausführungsbeispiel VI (Fig. 3)
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Konstruktive Ausführung als mechanisch-pneumatischer Bioreaktor mittels Hubkolben-Antrieb.
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Der Reaktor besteht aus einem zusammensetzbaren Hohlzylinder 1, dessen Innenraum über eine poröse/permeable und dehnbare Membran 2, die je nach Ausführungsbeispiel I, II, III oder IV mit Zellen besiedelt ist und den Reaktor in zwei Kammern 3, 4 teilt. Das zur Versorgung der Zellen nötige flüssige Kulturmedium befindet sich in einer für die Zellversorgung ausreichenden Menge in Kammer 3. Im Zellkulturschrank ist die Kammer 3 über einen Sterilfilter 5 mit der definierten Atmosphäre (Temperatur, Feuchtigkeit und O2/CO2/N2-Konzentration) beispielsweise eines Zellkulturschrankes verbunden.
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An die Kammer 4 schließt sich, entweder direkt oder über ein Leitungssystem, ein mechanisch getriebener Hubkolben 9 an. Über die externe Drehzahlregelung des Motors mit Pleuelgetriebe 10 kann das in Kolben 9 und Kammer 4 befindliche Gasvolumen zyklisch variiert werden. Durch die Verwendung verschiedener Hubkolben ist eine Variation der Membranverformung möglich. Die Regelung der Membranverformung im Reaktor ist statisch.
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Ausführungsbeispiel VII (Fig. 4)
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Konstruktive Ausführung als pneumatisch betriebener Filmbioreaktor.
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Der Reaktor besteht aus einem zusammensetzbaren Hohlzylinder 1, dessen Innenraum über eine poröse/permeable und dehnbare Membran 2, die je nach Ausführungsbeispiel I, II, III oder IV mit Zellen besiedelt ist und den Reaktor in zwei Kammern 3, 4 teilt. Das zur Zellversorgung nötige flüssige Kulturmedium wird mittels eines Schwerkraft-getriebenen Films 13 über die Membran geleitet. Die Filmdicke kann dabei über ein Ventil 11 statisch oder dynamisch eingestellt werden. Außerhalb des Reaktors ist die Anreicherung des Kulturmediums mit Wirkstoffen möglich. Durch Auffangen des über die Membran geleiteten Kulturmediums, beispielsweise mittels eines weiteren Ventils 12, und anschließender Rückführung mittels eines externen Pumpsystems zum Ventil 11 ist ein Kreislaufbetrieb der flüssigen Medienversorgung möglich. Zum Druckausgleich ist die Kammer 3 über einen Sterilfilter 5 mit den Umgebungsbedingungen innerhalb eines Zellkulturschrankes verbunden. Über das Öffnen der Magnetventile 6 und 7 kann der Gasdruck innerhalb der Kammer 4 zeitabhängig variiert werden. Durch Befüllung von Kammer 4 mit unterschiedlichen Gasvolumina kann eine definierte variable Verformung der besiedelten porösen/permeablen Membran 2 erfolgen. Die Verformung der besiedelten porösen/permeablen Membran 2 lässt sich über die in Ausführungsbeispiel VII, IIX oder IX gezeigten Ausführungen bestimmen und regeln.
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Ausführungsbeispiel VIII (Fig. 5)
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Erfassung der Membranverformung mittels Lichtschranken-Prinzip
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Die Messung der Verformung der porösen/permeablen Membran als Regelgröße in den Ausführungsbeispielen V und VII kann über den Einbau einer Lichtschranke erfolgen. Dazu werden in den Zylinder 1 ein LED-Array 14 und ein CCD-Sensor-Array 15 bündig mit der unverformten Membran 2 integriert. Die vom LED-Array 14 ausgestrahlte Wellenlänge wird vorzugsweise so gewählt, dass die Absorption des Lichts innerhalb des zu durchlaufenden Zellkulturmediums möglichst gering ist, jedoch von der verwendeten Membran reflektiert bzw. vollständig absorbiert wird. Das CCD-Sensor-Array 15 ist auf die verwendete Wellenlänge abgestimmt.
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Bei unverformter Membran 2 werden alle Punkte des CCD-Sensor-Arrays beleuchtet. Bedingt durch die optischen Eigenschaften der Membran 2 in verformtem Zustand kommt es zur partiellen Abschattung des CCD-Sensor-Arrays 15. Aus der Anzahl der abgeschatteten Punkte des CCD-Sensor-Arrays 15 kann anhand von diskreten Werten auf die Verformung der Membran 2 zurückgeschlossen werden.
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Das erhaltene Signal dient somit einer kontinuierlichen Steuerung der Ventile 6, 7 oder des Hubkolbens 8 in den Ausführungsbeispielen V und VII (in dieser Ausführungsform nicht dargestellt).
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Ausführungsbeispiel IX (Fig. 6)
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Erfassung der Membranverformung mittels kapazitiver Verfahren
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Die Messung der Verformung der porösen/permeablen Membran als Regelgröße in den Ausführungsbeispielen V und VII kann über den Einbau eines kapazitiven Verfahrens zur Bestimmung der Verschiebung in den dielektrischen Eigenschaften erfolgen.
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In den Zylinder 1 werden zwei flächige Elektroden 16 und 17 eingebracht. Durch Anlegen einer hochfrequenten Wechselspannung kann die Dielektrizitätskonstante, zusammengesetzt aus der elektrischen Feldkonstante und der materialspezifischen Permittivitätszahl, bestimmt werden. In Abhängigkeit von der Verformung der Membran 2 ändert sich die materialspezifische Permittivitätszahl zwischen den Zuständen 2' und 2''. Aus der Erfassung dieser Änderung kann die Membranverformung ermittelt werden. Das erhaltene Signal steht für eine Steuerung der Ventile in den Ausführungsbeispielen V und VII zur Verfügung. Das Verfahren bietet darüber hinaus die Möglichkeit, den Vitalitätszustand der Zellen und die Besiedlungsdichte der Membran online zu erfassen.
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Ausführungsbeispiel X (Fig. 7)
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Erfassung der Membranverformung mittels Triangulationsprinzip
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Die Messung der Verformung der porösen/permeablen Membran 2 als Regelgröße in den Ausführungsbeispielen V und VII kann über die Anwendung eines Laser-Triangulationsprinzips erfolgen. Dazu wird beispielsweise ein Diodenlaser 18 in dem Zylinder 1, wenn nötig auch über eine Optik so positioniert, dass der austretende Laserstrahl 19 auf die Membran 2 trifft. Die optischen Eigenschaften der Membran 2 sind so gewählt, dass der Strahl auf einen Detektor 20 (CCD oder PSD) reflektiert wird. Als Detektoren können CCD-Sensor-Arrays oder positions-sensitive Detektoren Anwendung finden. Bei Verformung der Membran 2'' verschiebt sich die Position des Laserstrahls auf dem Detektor. Die Wahl der Laserwellenlänge erfolgt so, dass die Absorption innerhalb des zu durchlaufenden Zellkulturmediums gering ist.
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Das erhaltene Detektorsignal steht für eine Steuerung der Ventile 6, 7 und/oder des Hubkolbens 8 in den Ausführungsbeispielen V und VII zur Verfügung.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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Zitierte Nicht-Patentliteratur
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- Zell- und Gewebekultur, Von den Grundlagen zur Laborbank. Lindl, Toni, Gstraunthaler, Gerhard. 6. Aufl., 2008, XVI, S. 432 [0002]
- Freed et al. (1993) [0009]
- Vunjak-Novakovic et al. (1996) [0009]
- Chang et al. (2004) [0009]
- Wright et. al. (1996) [0010]
- Witt et al. (1984) [0011]
- Potenza, MA, Gagliardi, S., Nacci, C., Carratu, MR, Montagnani, M., (2009), „Endothelial dysfunction in diabetes: from mechanisms to therapeutic targets”, Curr. Med. Chem. 16: S. 94–112 [0051]