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Thermoplastische Formmassen zur Herstellung selbstverlöschender Formkörper
Es ist bekannt, daß man schwerflüchtige bromhaltige organische Verbindungen als
Flammschutzmittel für thermoplastische Kunststoffe verwenden kann. Technische Bedeutung
haben vor allem bromierte Butadien-oder Isoprenpolymerisate erlangt, die sich insbesondere
als Flammschutzmittel für selbstverlöschende Formkörper aus schaumförmigen Styrolpolymerisaten
eignen. Diese Verbindungen sind jedoch noch nicht in allen für das Flammfestausrüsten
erforderlichen Eigenschaften befriedigend. So hat es sich beispielsweise gezeigt,
daß einige dieser Verbindungen den Erweichungspunkt der Polymerisate geringfügig
herabsetzen, so daß durch das Zumischen dieser Flammschutzmittel zu den thermoplastischen
Kunststoffen die Eigenschaften der Kunststoffe nachteilig verändert werden.
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Erfindungsgegenstand sind thermoplastische Formmassen, die ein Styrolpolymerisat
und eine bromhaltige organische Verbindung enthalten, dadurch gekennzeichnet, daß
sie als bromhaltige organische Verbindungen Ester oder Halbester des 2, 2, 3, 3-Tetrabrombutandiol-
(1, 4) mit Carbonsäuren mit 1 bis 8 C-Atomen oder mit Salpeter-, Phosphor-oder Schwefelsäure
in einer Menge, die einem Bromgehalt von 0, 1 bis 5 Gewichtsprozent entspricht,
enthalten.
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Es hat sich gezeigt, daß die erfindungsgemäß zu verwendenden Flammschutzmittel
eine wesentlich bessere Flammschutzwirkung als bekannte bromhaltige Flammschutzmittel
haben. Es ist außerdem von besonderem Vorteil, daß die erfindungsgemäßen Flammschutzmittel
den Erweichungspunkt der Styrolpolymerisate nur unwesentlich erniedrigen, so daß
die erfindungsgemäßen Formmassen vergleichbare Eigenschaften wie die reinen Styrolpolymerisate
haben.
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Die Ester des Tetrabrombutandiols werden in solchen Mengen verwendet,
daß die Formmassen einen Bromgehalt von 0, 1 bis 5 Gewichtsprozent haben. Vorzugsweise
enthalten die Massen 0, 5 bis 3 Gewichtsprozent Brom.
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Von den genannten Flammschutzmitteln eignen sich insbesondere die
Ester des Tetrabrombutandiols mit Salpetersäure.
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Die Formmassen können außerdem eine oder mehrere übliche synergistisch
wirksame Verbindungen enthalten, welche die Wirkung der bromhaltigen Flammschutzmittel
erhöhen.
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Solche Synergisten sind z. B. radikalbildende Substanzen, wie organische
Peroxyde, 2, 3-Dimethyl-2, 3-diphenylbutan, Polymere des Diisopropylbenzols, organische
Azoverbindungen, organische Sulfonamide, Hydrazone, organische Disulfide, o ;-Diphenylmethoxydibenzyl
und Chinonimine.
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Styrolpolymerisate im Sinne der Erfindung sind Polystyrol und Mischpolymerisate
des Styrols, die mindestens 50 Gewichtsprozent Styrol einpolymerisiert enthalten.
Als Mischpolymerisationskomponenten kommen z. B. in Frage ec-Methylstyrol, Acrylnitril,
Methacrylnitril, Ester der Acryl-oder Methacrylsäure und Alkohole mit 1 bis 8 C-Atomen,
Fumarsaureester aus Alkoholen mit 1 bis 8 C-Atomen, Vinylpyridin, N-Vinylverbindungen,
wie N-Vinylcarbazol, Butadien oder auch geringe Mengen, z. B.
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0, Q01 bis 1, 0, vorzugsweise 0, 01 bis 0, 1 Gewichtsprozent an Divinylbenzol.
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Die Formmassen zur Herstellung selbstverloschender Formkörper können
außerdem sogenannte schlagzähe Styrolpolymerisate enthalten. Zu diesen schlagzähen
Styrolpolymerisaten rechnet man z. B. Mischungen, die durch Polymerisieren von Styrol
eventuell zusammen mit anderen Monomeren in Gegenwart von feinverteilten kautschukartigen
Polymerisaten erhalten werden, wobei als Vernetzungsmittel für die kautschukartigen
Polymerisate insbesondere das Tetrabrombutandiol-diacrylat eingesetzt werden kann.
Man kann solche Polymerisate auch durch Mischen von Styrolacrylnitrilcopolymerisaten
mit Butadien-oder Acrylsäureesterpolymerisaten herstellen.
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In den Formmassen können noch weitere ähnliche Komponenten enthalten
sein, z. B. Füllstoffe, Farbpigmente, Gleitmittel, Weichmacher, Antistatika, Alte-
rungsschutzmittel,
Stabilisatoren oder solche Verbindungen, die die Schaumbildung fördern.
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Die Formmassen können in feinteiliger Form, z. B. in Perlform, in
Form zylindrischer Granulate oder in Form von Brocken vorliegen, wie sie beim Mahlen
von Substanzpolymerisaten erhalten werden. Die Teilchen haben vorteilhaft einen
Durchmesser von 0, 1 bis 6 mm, vorzugsweise von rund 0, 4 bis 3 mm.
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Die Formmassen können beispielsweise durch Spritzgießen oder Strangpressen
zu selbstverlöschenden Formkörpern oder Profilen verarbeitet werden.
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Besondere Bedeutung haben Formmassen, die sich zur Herstellung selbstverlöschender
schaumförmiger Gebilde eignen. Sie enthalten neben Styrolpolymerisaten und der organischen
Bromverbindung ein Treibmittel.
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Als Treibmittel eignen sich zweckmäßig flüssige oder gasförmige organische
Verbindungen, die das Polymerisat nicht lösen und deren Siedepunkt unterhalb des
Erweichungspunktes des Polymerisates liegt.
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Es ist vorteilhaft, 3 bis 10 Gewichtsprozent, bezogen auf das Styrolpolymerisat,
an Treibmittel zu verwenden.
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Zur Herstellung von selbstverlöschenden schaumförmigen Bahnen oder
Folien können. die einzelnen Komponenten der Formmassen zusammen mit einem Treibmittel
gemischt werden. Das Mischen wird vorteilhaft in einer kontinuierlich arbeitenden
Mischvorrichtung, z. B. in einem Extruder, vorgenommen.
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Zur Herstellung der Formmassen können die Polymeren und die Ester
des Tetrabrombutandiols gegebenenfalls noch mit weiteren Komponenten gemischt werden.
Man kann sie beispielsweise auf der Walze, im Extruder oder in einem Kneter in den
Kunststoff einbringen. Sie können in vielen Fällen bereits vor der Polymerisation
den Monomeren zugesetzt werden. Auch ist es möglich, z. B. bei der Herstellung von
Gießfolien, die Polymeren zusammen mit der Bromverbindung einer Lösung des Kunststoffes
zuzusetzen und das Lösungsmittel abzudampfen. Mitunter ist es vorteilhaft, die Bromverbindungen
auf die Oberfläche der Kunststoffteilchen aufzubringen und zu fixieren, was sich
insbesondere beim Mono-oder Diacrylsäureester des Tetrabrombutandiols anbietet,
da diese gegebenenfalls mit weiteren Zusätzen durch Polymerisation fixiert und dadurch
besonders abriebfest gemacht werden können.
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Die aus den Formmassen hergestellten selbstverlöschenden Formkörper
werden auf folgende Weise geprüft : Zur Prüfung ungeschäumter Massen werden Formkörper
mit der Abmessung 0, 1-10'30 cm, zur Prüfung geschäumter Massen solche mit der Abmessung
0, 5 15 40 cm 5 Selcunden lang in eine leuchtende Gasflamme von 40 mm Flammenhöhe
gehalten und die Flamme anschließend mit ruhiger Bewegung entfernt. Die Verlöschzeit
des Formkörpers nach Entfernen aus der Flamme ist ein Maß für dessen Flammwidrigkeit,
Ungenügend oder nicht schwerentflammbare ausgerüstete Formmassen brennen nach Entfernen
aus der Flamme vollständig ab.
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Die in den Beispielen genannten Teile sind Gewichtsteile, die Prozente
Gewichtsprozente.
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Beispiel 1 Es werden jeweils 20 Teile Polystyrol, 4 Teile Pentan
und die in der Tabelle 1 angegebene Menge eines Flammschutzmittels in 150 Teilen
Methylenchlorid gelöst. Danach gießt man die Lösungen auf Glasplatten aus und läßt
das Methylenchlorid bei Raum-
teìnperatur verdunsten. Dabei bleibt das Pentan in
homogener Verteilung in der Mischung. Die so erhaltene Folie wird in Wasserdampf
von 100° C aufgeschäumt und im Vakuum bei 50°C für die Dauer von 12 Stunden getrocknet.
Die erhaltenen Schaumstoffolien werden nach der oben angegebenen Methode auf ihre
Schwerentflammbarkeit geprüft. Die Ergebnisse sind in der Tabelle wiedergegeben.
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Tabelle 1
Verlösch- |
% Brom |
Menge |
zeit |
Flammschutzmittel (in der |
Teile Masse) Sekunden |
2, 2, 3, 3-Tetrabrom- 0, 156 0, 5 1, 2 |
butandioldinitrat 0, 234 0, 75 1, 1 |
2, 2, 3, 3-Tetrabrom- 0, 1620, 59, 7 |
butandioldipropionat 0, 243 0, 75 5, 0 |
2, 2, 3, 3-Tetrabrom- 0, 160 0, 5 9, 2 |
butandioldiacrylat 0, 240 0, 75 6, 0 |
2, 2, 3, 3-Tetrabrom- 0, 1300, 510, 1 |
butandiol-di-2, 3-di-0, 196 0, 75 5, 4 |
brompropionat |
Hexabromcyclododecan 0, 200 0, 75 >15 |
Vergleichsversuch In analoger Weise, wie im Beispiel 1 der Erfindung beschrieben,
wurde eine Schaumstoffolie unter Verwendung des aus der deutschen Auslegeschrift
1182810 bekannten Flammschutzmittels N, N', N"-Tris- (1, 2-dibrompropionyl)-trimethylentriamin
hergestellt. Das Flammschutzmittel wurde in einer solchen Menge verwendet, daß die
Schaumstoffolie 0, 75 Gewichtsprozent Brom enthält. Es wurde eine Verlöschzeit von
9 Sekunden gemessen.
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Beispiel 2 a) In einem Extruder wird kontinuierlich treibmittelhaltiges
Polystyrol mit den in der Tabelle angegebenen Flammschutzmitteln gemischt. Dabei
werden solche Mengen des Flammschutzmittels verwendet, daß die in der Tabelle 2
angegebenen Mengen auf jeweils 500 Gewichtsteile Polystyrol entfallen. Die Polystyrolperlen
enthalten 6 Gewichtsprozent Pentan als Treibmittel. In der Einzugszone des Extruders
herrscht eine Temperatur von 60°C, in der Mittelzone 120°C.
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Die Temperatur in der Düse beträgt 100°C. Der aus der Düse austretende
Strang wird unmittelbar nach dem Verlassen der Düse in Wasser von Raumtemperatur
eingeleitet und nach dem Abkühlen granuliert.
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Man erhält verschäumbares Granulat, das zu selbstverlöschenden Formkörpern
verarbeitet werden kann. b) Man arbeitet wie oben angegeben und verwendet an Stelle
einer Lochdüse eine Breitschlitzdüse. Das treibmittehaltige Polystyrol wird unter
den gleichen Bedingungen mit Flammschutzmitteln gemischt. Man läßt die Mischung
nach dem Austritt aus der Düse bei Raumtemperatur aufschäumen. Es werden flammschutzmittelhaltige
Schaumstoffolien erhalten, die nach lwöchiger Ablagerung bei Raumtemperatur nach
der oben angegebenen Methode auf ihre Schwerentflammbarkeit geprüft werden. Die
Ergebnisse sind in der Tabelle 2 zusammengefaßt.
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Tabelle 2
Menge °/0 Brom Verlösch- |
Flammschutzmittel (in der zeit |
Teile Masse) Sekunden |
2, 2, 3, 3-Tetrabrombutan- |
dioldinitrat 5, 82 0, 75 0, 7 |
2, 2, 3, 3-Tetrabrom- |
butandioldipropionat.. 6, 05 0, 75 2, 0 |
2, 2, 3, 3-Tetrabrom- |
butandioldiacrylat..... 6, 02 0, 75 3, 1 |
2, 2, 3, 3-Tetrabrom- |
butandiol-di-2, 3-dibrom- |
propionat 4, 88 0, 75 2, 0 |
Hexabromcyclododecan.. 5, 0 0, 75 7, 0 |
Beispiel 3 Mischungen aus jeweils 100 Teilen Styrol, 7, 5 Teilen Pentan, 0, 5 Teilen
Benzoylperoxyd und die in der Tabelle 3 angegebenen Mengen eines Flammschutzmittels
werden in 200 Teilen einer wäßrigen Lösung, die 0, 4 Teile Polyvinylpyrrolidon als
Schutzkolloid enthält, dispergiert. Die Dispersion wird unter Rühren 20 Stunden
bei 70°C und 15 Stunden bei 85°C gehalten. Nach beendeter Polymerisation werden
die Perlen abfiltriert, gewaschen und getrocknet. Die Proben werden jeweils bis
zu einem Schüttgewicht von 20 g/l mittels Heißdampf vorgeschäumt und nach 24stündiger
Zwischenlagerung in einer Form mit den Ausmaßen 30'50-100 cm mit Dampf von 0, 7
atü Druck zu einem Formkörper ausgeschäumt. Aus den so erhaltenen Formkörpern werden
jeweils Proben mit den Ausmaßen 0, 5-15-40 cm herausgeschnitten und 24 Stunden im
Vakuum bei 60°C getrocknet.
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Danach werden die Proben nach der oben angegebenen Methode auf ihre
Brenneigenschaften geprüft. Die Ergebnisse sind in der Tabelle 3 zusammengefaßt.
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Tabelle 3
Menge % Brom Verlösch- |
Flammschutzmittel (in der zeit |
Teile Masse) Sekunden |
2, 2, 3, 3-Tetrabrom- |
butandioldinitrat...... 1, 05 0, 65 0, 2 |
2, 2, 3, 3-Tetrabrom- |
butandioldipropionat.. 1, 52 0, 94 2, 5 |
Hexabromcyclododecan.. 1, 25 0, 94 6, 5 |
Vergleichsversuch Schäumbare, Sammschutzmittelhaltige Perlen, die durch Polymerisation
von Styrol mit Hilfe organischer
Peroxyde in Wasser in Gegenwart eines Flammschutzmittels,
Pentan und eines Suspendierhilfsmittels in üblicher Weise hergestellt worden sind,
werden zum Zwecke des Aufschäumens mit strömendem 100°C heißem Wasserdampf behandelt.
Aussehen des Schaumes |
Verwendetes Flammschutzmittel nach dem Einwirken |
in einer Menge von 100° C heißem |
von 2 Gewichtsprozent, Wasserdampf |
bezogen auf Polystyrol über einen Zeitraum |
von 3 Minuten |
2, 3-Dibrompropanol geschrumpft |
Tris-2, 3-dibrompropyl- |
phosphat geschrumpft |
1, 2, 3, 4-Tetrabrombutan geschrumpft |
1, 2-Dibromäthylbenzol geschrumpft |
2, 2, 3, 3-Tetrabrombutandiol- |
1, 4-dinitrat nicht geschrumpft |
2, 2, 3, 3-Tetrabrombutandiol- |
1, 4-bis- (2, 3-dibrom- |
propionat nicht geschrumpft |
Wie aus diesen Vergleichsversuchen ersichtlich ist, weisen die bromhaltigen organischen
Verbindungen der vorliegenden Erfindung gegenüber den aus den deutschen Auslegeschriften
1067 586 und 1090 852 bekannten flammwidrigen Zusätzen (Dibrompropanol und dessen
Ester bzw. Tetrabrombutan und Dibromäthylbenzol) den Vorteil auf, daß sie die thermoplastischen
Formmassen weniger stark weich machen.
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Die erhaltenen Formmassen sind daher besser verarbeitbar. Der Effekt,
der sich beispielsweise in der Schrumpfungsresistenz beim Behandeln mit Wasserdampf
zeigt, ist für den Fachmann nicht vorhersehbar und völlig überraschend.