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Verfahren und Vorrichtung zum Messen von Festkörperoberflächenspannungen
Die Erfindung betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Messen von Festkörperoberflächenspannungen.
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Es sind bereits verschiedene spezielle Verfahren dieser Art bekannt.
Zum Beispiel läßt sich aus Messungen der Temperaturabhängigkeit der Oberflächenspannung
von Schmelzen und Extrapolation zur Schmelztemperatur ein Oberflächenenergiewert
erhalten, der mit der Festkörperoberflächenspannung gleichgesetzt wird. Dieses Verfahren
berücksichtigt jedoch nicht die Bildung von Ordnungszuständen in der Festkörperoberfläche
und den Beitrag der Schmelzwärme zur freien Oberflächenenergie, so daß es lediglich
dazu benutzt werden kann, Festkörperoberflächenspannungen in der Nähe des Schmelzpunktes
abzuschätzen.
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Für lösliche Salze ist ein Verfahren bekannt, gemäß dem die Oberflächenspannung
aus der Abhängigkeit der Löslichkeit von der Korngröße bestimmt wird. Hierbei wird
jedoch nicht direkt die Oberflächenspannung gemessen, sondern die Grenzflächenspannung
fest-flüssig bzw. deren Mittelwert über die verschieden indizierten Kristallflächen.
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Es ist ferner bekannt, die Oberflächenspannung von Festkörpern aus
der Spaltarbeit zu ermitteln.
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Dieses an sich naheliegende Verfahren läßt sich jedoch lediglich bei
Glimmer befriedigend ausführen.
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Diese bekannten Verfahren lassen sich nur zur Bestimmung der Festkörperoberflächenspannung
ganz bestimmter Stoffgruppen verwenden. Ein allgemeiner verwendbares Verfahren besteht
darin, die Schleiffestigkeiten von Festkörpern zum Bestimmen von freien Festkörperoberflächenenergien
auszuwerten. Hierbei wird von der Voraussetzung ausgegangen, daß die Volumina bzw.
Oberflächen der abgeriebenen Teilchen für verschiedene Festkörper gleich sind oder
zumindest gleiche Verteilungen aufweisen.
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Bei diesem Verfahren lassen sich jedoch Einflüsse plastischer Verformungen
nicht eliminieren.
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Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren und eine
Vorrichtung zum Messen von Festkörperoberflächenspannungen zu schaffen, die allgemein
anwendbar sind und verhältnismäßig genaue Meßergebnisse erzielen lassen.
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Das Verfahren zur Lösung dieser Aufgabe ist erfindungsgemäß dadurch
gekennzeichnet, daß die Isotensoliquide einer Flüssigkeit, deren Oberflächenspannung
größer ist als die zu erwartende Festkörperoberflächenspannung, bestimmt wird, daß
der zu untersuchende Festkörper in die Flüssigkeit eingetaucht und der Randwinkel
der Flüssigkeit gegen den Festkörper bestimmt wird. Eine Isotensoliquide ist
eine
Kurve konstanter Flüssigkeitsoberflächenspannung die gewonnen wird durch Auftragen
von Oberflächenspannungen (oder Funktionen derselben) verschiedener Festkörper gegen
die zugehörigen Randwinkel (oder Funktionen derselben) für jeweils ein und dieselbe
Flüssigkeit. Dieser funktionale Zusammenhang zwischen der Festkörperoberflächenspannung,
der Flüssigkeitsoberflächenspannung und der Grenzflächenspannung ist völlig überraschend,
da nach der klassischen Kapillaritätstheorie die Antonowsche Regel postuliert, daß
alle Randwinkel gleich Null sind - eine offensichtlich nicht aufrechtzuerhaltende
Forderung. Auch vom Standpunkt der zwischenmolekularen Kräfte aus sind funktionale
Zusammenhänge zwischen Grenzflächenspannungen einerseits und Oberflächenspannungen
andererseits nicht zu erwarten, da man sich nicht vorstellen kann, daß beispielsweise
eine polare und eine unpolare Flüssigkeit etwa gleiche Oberflächenspannungen besitzen,
jedoch auf Grund ihrer verschiedenen Polarität mit ein und demselben Festkörper
in verschieden starke Adhäsionswechselwirkungen treten und somit gegen diesen Festkörper
verschiedene Grenzflächenspannungen haben. Um so überraschender war die Existenz
einer Isotensoliquiden. Die Bestimmung einer Isotensoliquiden kann in der Weise
geschehen,
daß mittels bereits bekannter Festkörperoberflächenspannungen
die Randwinkel gegen eine geeignete Meßflüssigkeit, z. B. Wasser, gemessen werden
und die Kosinus der Randwinkel gegen die Festkörperoberflächenspannungen aufgetragen
werden. Die derart gewonnene Kurve ist nicht nur für Wasser spezifisch, sondern
für alle Flüssigkeiten von der Oberflächenspannung des Wassers. Hat man auf diese
Weise eine Isotensoliquide bestimmt, so kann durch eine einzige Randwinkelmessung
also die Oberflächenspannung eines Festkörpers bestimmt werden, da, wie eingangs
erwähnt, ein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Festkörperoberflächenspannung,
der Flüssigkeitsoberflächenspannung und dem Randwinkel besteht. Es ist lediglich
dafür Sorge zu tragen, daß die mit dem Festkörper in Berührung kommende Flüssigkeit
dessen Oberfläche nicht verändert. Veränderungen treten mit Sicherheit auf, wenn
die Flüssigkeitsoberflächenspannung kleiner ist als die Festkörperoberflächenspannung.
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Die Vorrichtung zum Ausführen des Verfahrens nach der Erfindung umfaßt
eine Wägevorrichtung zum Bestimmen des Randwinkels, an der der zu untersuchende
Festkörper über einem höhenverstellbaren Flüssigkeitsbehälter aufgehängt ist.
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Die Erfindung ist im folgenden an Hand schematischer Zeichnungen
an einem Ausführungsbeispiel ergänzend beschrieben.
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F i g. 1 zeigt eine Vorrichtung zum Ausführen des Verfahrens nach
der Erfindung; Fig. 2 enthält Eichkurven zum Bestimmen der Festkörperoberflächenspannung
mit der Vorrichtung nach F i g. 1 und mit Wasser als Meßflüssigkeit.
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Die in F i g. 1 dargestellte Vorrichtung umfaßt eine Torsionswaage
1, die auf einer Grundplatte 2 angeordnet ist. Der Waagearm 3 der Torsionswaage
trägt an seinem Ende einen Faden 4, an dem der zu messende Körper 5 aufgehängt ist.
Dieser Körper ist zweckmäßigerweise etwa 1 cm lang und hat einen Durchmesser von
8 bis 12 mm. Er ist zylindrisch gestaltet, da die interessierenden Festkörper im
allgemeinen als Rundstangen vorliegen dürften oder mit einfachen Mitteln in eine
solche Form gebracht werden können. Auf der Grundplatte 2 ist ferner ein Meßtisch
6 befestigt, der über ein Mikrometergetriebe 7 höhenverstellbar ist. Auf dem Tisch
6 befindet sich ein oben offenes erstes Gefäß 14, in das die Meßflüssigkeit 8 eingefüllt
und der zu messende Körper 5 hineingehängt ist. Die Öffnung 9 des ersten Gefäßes
14 ist konisch ausgebildet und paßt mit einem entsprechenden AnsatzlO eines zweiten
Gefäßes 11 zusammen, welches an den Stimbereichen zentrale Durchbrüche aufweist
und an dem unteren Durchbruch mit einer nach innen ragenden Wand 12 versehen ist,
die die Aufnahme von etwas Meßflüssigkeit in dem Bodenbereich 13 des zweiten Gefäßes
11 ermöglicht. Der Faden 4 ist freischwebend durch die beiden Durchtritte hindurchgeführt,
so daß die Wägung durch dieses Gefäß nicht beeinflußt wird. Die beiden Gefäße 14
und lt sind durch eine Schliffverbindung miteinander verbunden.
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Die Torsionswaage 1 ist mit einem Ablesezylinder versehen, der mit
der Torsionseinrichtung der Torsionswaage 1 gekuppelt ist, so daß der Verdrehungswinkel
des Ablesezylinders eine Funktion der Torsionskraft ist. Der Ablesezylinder kann
z. B. mit einem Ende des Torsionsdrahtes bzw. einer Spiralfeder der Waage verbunden
sein.
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In Richtung einer Mantellinie des Zylinders ist eine auf einem Glasstab
od. dgl. angebrachte Meßmarke verschiebbar angeordnet.
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Die Messung wird folgendermaßen ausgeführt: Der zu untersuchende
zylindrische Körper 5 wird in das Meßgefäß 14 eingebracht und derart an die Torsionswaage
1 mittels des Fadens 4 gehängt, daß der Körper noch nicht in die Meßflüssigkeit
8 eintaucht. Danach wird das zweite Gefäß 11 auf das erste Gefäß 14 aufgesetzt,
wobei der Faden 4 durch die Durchtritte des zweiten Gefäßes 11 gesteckt wird. Die
Reihenfolge des Zusammenbaus kann natürlich auch anders vorgenommen werden.
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Nach Tarierung der Torsionswaage 1 und anschließender Arretierung
wird der Tisch 6 mittels des Mikrometergetriebes 7 so weit gehoben, daß der Körper
5 die Flüssigkeitsoberfläche gerade berührt, d. h. die Eintauchtiefe Null hat. Der
bei diesem Vorgang sich ständig verringernde Abstand zwischen der Flüssigkeitsoberfläche
und der unteren Stirnfläche des Körpers 5 kann bequem durch Beobachtung der Annäherung
des Körpers und seines an der Flüssigkeit erzeugten Spiegelbildes bis zum Augenblick
der Berührung verfolgt werden. Sodann wird mittels des Mikrometergetriebes 7 die
den Eichkurven von Fig. 2 zugrunde liegende Eintauchtiefe von 4 mm eingestellt,
die Torsionswaagel entarretiert und die Torsionswaage in die Gleichgewichtsstellung
gebracht, wobei sich auch der die Skala tragende Ablesezylinder verdreht. Die Festkörperoberflächenspannung
läßt sich an dieser direkt ablesen.
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Bei abgeänderten Vorrichtungen läßt sich auf jeden Fall aus der Differenz
zweier Wägungen bei verschiedenen Eintauchtiefen und dem mittels einer Mikrometerschraube
bestimmten Durchmesser des Körpers 5 aus Eichkurven gemäß F i g. 2 die Festkörperoberflächenspannung
bestimmen. Die Eichkurven von F i g. 2, die beispielsweise auf dem Ablesezylinder
angebracht sind, beziehen sich auf reines Wasser der Oberflächenspannung 72,8 dyn/cm
bei 200 C, so daß nach dem vorstehend beschriebenen Meßverfahren Festkörperoberflächenspannungen
wasserunlöslicher Festkörper unterhalb dieses Wertes bestimmt werden können. Zur
Messung der Oberflächenspannung wasserlöslicher Körper oder höherer Festkörperoberflächenspannungen
sind analoge Messungen mit anderen geeigneten Flüssigkeiten, z. B. organischen Flüssigkeiten,
Quecksilber, Lösungen, Mischungen oder Schmelzen, notwendig. Zu einer bestimmten
Flüssigkeit müssen auch bestimmte Eichkurven aufgestellt werden.
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Die Messung der Festkörperoberflächenspannung kann auch für Körper
in Form von kantigen Stäben, Röhren oder Fäden durchgeführt werden, wobei die Meßgenauigkeit
bei solchen Querschnittsformen erhöht wird, die ein relativ großes Verhältnis von
Umfang zu Querschnitt aufweisen.