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Verfahren zur Steuerung von Gärungen für das Gewinnen von Stoffwechselprodukten
Im Verlauf der Gärverfahren für das Gewinnen von Stoffwechselprodukten der Mikroorganismen
ist zwischen den beiden Gärphasen, der vegetativen oder Wachstumsphase im ersten
Teil des Gärungsverlaufs und der fermentativen oder Biosynthesephase im zweiten
Teil der Gärung zu unterscheiden. Während sich im ersten Stadium die Mikroorganismen
schnell vermehren sollen, um die rasche Gärung zu ermöglichen, ist im zweiten Stadium
die Vermehrung weitgehend zugunsten der Bildung von Stoffwechselprodukten und somit
zur Erzielung optimaler Ausbeuten zurückzudrängen. Ein übermäßiges Wachstum der
Mikroorganismen geht auf Kosten des Verbrauchs an Nährsubstraten, ohne daß aus diesen
eine entsprechende Menge an wertvollen Stoffwechselprodukten gebildet wird. Diese
beiden Stadien gehen während des Gärverlaufs mehr oder weniger ineinander über und
lassen sich nicht immer gegeneinander abgrenzen, wenngleich eine Scheidung voneinander
vorteilhaft wäre.
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Die bisherigen Versuche, durch Gärhemmittel die vegetative Entfaltung
der Mikroorganismen in der zweiten Phase der Gärung zu beschränken, haben zu keinem
wesentlichen Erfolg geführt, da diese Mittel anscheinend auch die für die Stoffwechselbildung
wichtigen Enzymsysteme ganz oder teilweise ausschalten und damit auch die Ausbeute
mindern.
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Ausgehend vom Stand der Technik, Gärungen für das Gewinnen von Stoffwechselprodukten
durch Zusatz eines die vegetativen Funktionen der Mikroorganismen hemmenden Mittels
zu steuern, ist das erfindungsgemäße Verfahren dadurch gekennzeichnet, daß man zu
Beginn und/oder während der zweiten Gärungsphase Pyrokohlensäurediäthylester zusetzt.
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überraschenderweise hat sich gezeigt, daß der als Konservierungsmittel
und als gärhemmendes Mittel bereits bekannte Pyrokohlensäurediäthylester das vegetative
Wachstum von Mikroorganismen zu hemmen vermag, ohne die fermentative Tätigkeit der
Mikroorganismen beeinträchtigen zu können; infolge seiner Eigenschaft, innerhalb
von Stunden hydrolytisch in Kohlensäure und Äthylalkohol zu zerfallen, hält außerdem
seine Wirkung nur eine gewisse Zeit an, so daß die jeweilig gewünschte Hemmwirkung
auf das Wachstum der Mikroorganismen zu Beginn und/oder während der zweiten Gärungsphase
herbeigeführt werden kann.
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Diese Wirkung war nicht vorauszusehen. K. Hennig (»Deutsche Lebensmittel-Rundschau«
[1959], H. 12, S. 297/298) nimmt als Wirkung des gärhemmenden Pyrokohlensäurediäthylesters
an, daß ein Teil der Gärungsfermente dadurch blockiert wird und somit auch die fermentativen
Funktionen gestört werden. Auch das in der deutschen Auslegeschrift 1011709
beschriebene Verfahren, durch den Zusatz von Pyrokohlensäurediäthylester bei der
Silierung unerwünschte Gärvorgänge, etwa eine Buttersäuregärung, ganz oder teilweise
für eine gewisse Zeit zu verhindern, ist darauf gegründet, die gesamten vegetativen
und fermentativen Fermentreaktionen der Buttersäuregärung lahmzulegen; es läßt die
Möglichkeit nicht erkennen, mit dem Pyrokohlensäurediäthylester überwiegend nur
die Fermente der vegetativen Art zu stören. Dagegen wird in der deutschen Patentschrift
641988 ein Verfahren zur Erzielung von Höchstausbeuten an Äthylalkohol vorgeschlagen,
nach dem zum Hemmen der vegetativen Funktionen der Hefezellen Furfurol, Zinkchlorid
oder Zinksulfat zugesetzt wird, ohne daß dabei die Gärwirkung beeinträchtigt wird;
dieser Zusatz erfolgt aber von vornherein und nicht vor oder während der zweiten
Gärphase, wie bei dem erfindungsgemäßen Verfahren, und muß so bemessen werden, daß
er die Wirkung der fermentativen Enzyme nicht beeinträchtigt, da diese Mittel während
des Gesamtverlaufs der Gärung im Gärmedium verbleiben und nicht wieder verschwinden
wie der Pyrokohlensäurediäthylester, der daher stoßweise in verhältnismäßig größeren
Konzentrationen eingesetzt werden kann; seine Wirksamkeit ist infolgedessen spezifischer
und höher. Während durch die bekannten Mittel, deren Wirkung sich über den gesamten
Gärverlauf erstreckt, unkontrolliert alle Enzymgruppen, also auch die Gärungsenzyme,
mehr oder weniger beeinträchtigt werden, kann die Wirkung des Pyrokohlensäurediäthylesters
vorwiegend auf die Atmungsenzyme und das vegetative Wachstum beschränkt werden;
es ergeben sich im Vergleich zu den bekannten Verfahren daher höhere Ausbeuten an
den Stoffwechselprodukten.
Verfährt man nach den Vorschlägen in
der deutschen Patentschrift 641988 und setzt 0,078 bzw. 0,004 g Furfurol zu einer
angesäuerten Melassemaische (2,3 1 Melasse mit 5011/o vergärbarem Zucker und 5,5
1 Wasser) zu, setzt 50 g Preßhefe bei und läßt 3 Tage vergären, so ergibt sich eine
Alkoholausbeute von 920 bzw. 930 ccm r.A. Wird die davon abzentrifugierte Hefe (etwa
80 bis 83 g) in frische Melassemaische gleicher Menge und Zusammensetzung und mit
gleichen Furfurolzusätzen übergeführt, so ergeben sich nach 3tägiger Gärzeit Alkoholausbeuten
von höchstens 940 bzw. 950 ccm r.A.
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Eine übereinstimung mit den Angaben von Pasteur, wonach die Vermehrung
der Hefe 6 % und mehr des eingemaischten Zuckers verschlingt, und diese Menge auf
Kosten der Alkoholausbeute geht, ist nicht festzustellen.
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Unter Befolgung derselben Versuchsbedingungen mit dem Unterschied,
daß statt Furfurol je 0,09 g Pyrokohlensäurediäthylester (als 40%ige Lösung in Methanol)
nach 12- und 24stündiger Gärzeit zugesetzt werden, ergibt sich nach der ersten Gärung
eine Alkoholausbeute von 990 ccm r.A. und nach der zweiten Gärung eine solche von
1050 ccm r.A.
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Neben der die Ausbeute steigernden Wirkung geht eine infektionssichere
Gärung her. Der Wachstumshemmwert des Pyrokohlensäurediäthylesters liegt je nach
der Resistenz der Mikrobenspezies verschieden. Für Schimmelpilze sind höhere Konzentrationen
anzuwenden als für Bakterien, und für Hefen niedrigere als für Bakterien. Die Wirkung
entfaltet sich schnell, so daß jedes Überschreiten des im Hinblick auf eine maximale
Stoflwechselausbeute erforderlichen Trokkengewichtes an Mikroorganismenmasse in
der Nährflüssigkeit im Verlauf der Gärung jederzeit vermieden werden kann. Beispiel
1 501 der sterilisierten, mit Kaliumferrocyanid behandelten und mit 51 Sporensuspension
von Aspergillus niger beimpften Nährflüssigkeit in der Zusammensetzung von 20 g
Rübenmelasse, 0,05 g KH2P04, destilliertem Wasser 100 ccm, pH 6, werden bei Belüftung
und Rühren bei 31° C submers vergoren; nach den ersten 12 Stunden werden 0,4 g Pyrokohlensäurediäthylester
(als 40%ige Lösung in Methylalkohol) je Liter zugemischt, und der gleiche Zusatz
von 0,4 g Pyrokohlensäurediäthylester je Liter wird nach weiteren 24 Stunden wiederholt,
so daß das Myceltrockengewicht in der Gärflüssigkeit 1,5% nicht übersteigt. Es werden
nach 5 Tagen 77% Zitronensäure aus dem vorhandenen Zucker (77 kg Zitronensäure aus
100 kg Zucker) gewonnen. Die nicht mit Pyrokohlensäurediäthylester behandelte Nährflüssigkeit
ergibt eine Ausbeute von nur 69% Zitronensäure. Beispiel 2 1001 Melasseschlempe
werden mit l kg Glukose und 0,15 kg Diammonphosphat sowie mit 1 kg Kalziumkarbonat
versetzt, 30 Minuten bei 125° C sterilisiert, mit 10 1 einer Vorkultur von Bacillus
propioni Shermanii beimpft und ohne Belüftung bei 30° C unter langsamem Umrühren
vergoren. Nach 6stündiger Gärzeit werden 0,2 g Pyrokohlensäurediäthylester (als
40%ige Lösung in Äthylalkohol) je Liter zugemischt, und dieser Zusatz wird nach
weiteren 24 Stunden wiederholt. Nach 3tägiger Gärzeit enthält die Nährflüssigkeit
1,5 mg Vitamin B12 im Liter; die nicht mit dem Pyrokohlensäurediäthylester behandelte
Nährflüssigkeit ergibt nur eine Ausbeute von 1,1. mg B12 je Liter. Beispiel 3 501
der sterilisierten und mit 5 1 Sporensuspension von Penicillium notatum-chrysogenum
beimpften Nährflüssigkeit in der bekannten Zusammensetzung von 20 g Laktose, 20
g Maisquellwasser-Trockensubstanz, Nährsalze und Phenylessigsäurederivate, 11 Wasser
werden bei Belüftung und Rühren bei 25° C submers vergoren. Nach den ersten 16 Stunden
werden 0,4 g Pyrokohlensäurediäthylester (als 40%ige Lösung in Äthylalkohol) je
Liter zugemischt, und der gleiche Zusatz wird nach weiteren 36 Stunden wiederholt.
Es werden nach 4 Tagen Penicillinausbeuten von 250 Einheiten/ml erzielt; die nicht
mit dem Pyrokohlensäurediäthylester behandelten Nährflüssigkeiten ergeben nur eine
Ausbeute von etwa 200 EinheitenJml.