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Hochfeuerfeste Formkörper und Verfahren zu deren Herstellung Die Fortschritte
in der Gasturbinen- und Raketentechnik erfordern Stoffe, die bei Temperaturen über
1000° C noch ausgezeichnete mechanische Eigenschaften aufweisen. Die Temperatur
von 1000° C wird dabei gewöhnlich als die maximale Arbeitstemperatur für warmfeste
Legierungen angesehen. Mit Legierungen auf Molybdän- oder Niobbasis lassen sich
vielleicht noch Stoffe herstellen, die selbst oder auch mit Hilfe eines besonderen
Überzuges eine entsprechende Zunderfestigkeit bei guter Warmfestigkeit aufweisen.
Es wurde auch versucht, Cermets -herzustellen, um die Feuerfestigkeit der einen
Komponente mit der Dehnbarkeit der anderen zu kombinieren und so ein duktiles Material
mit guten mechanischen Eigenschaften einschließlich Zunderfestigkeit für hohe Arbeitstemperaturen
zu erhalten.
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Es ist bereits ein Verfahren bekannt zur Herstellung von Formkörpern
auf der Basis von Siliciumcarbid mit einem geringen Gehalt an Siliciumnitrid. Es
wird ein grobkörniges Ausgangsmaterial verwendet. Man erhält ziemlich poröse Körper.
Die Produkte besitzen nicht die Hochtemperatureigenschaften von Siliciumnitrid und
auch nicht eine besondere Dichte, was aus der hohen Porosität leicht zu ersehen
ist. Zur Sinterung ist im allgemeinen ein Katalysator erforderlich. Es ist auch
bereits ein Verfahren zur Herstellung von Formkörpern auf der Basis von Siliciumnitrid
ohne Katalysator bekannt, jedoch handelt es sich hierbei um Körper aus reinem Siliciumnitrid.
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Bisher waren jedoch keine Werkstoffe bekannt, die in den erwähnten
Temperaturbereichen zufriedenstellende Eigenschaften zeigen. Stoffe mit guter Stabilität,
Festigkeit und Oxydationsbeständigkeit bei hohen Temperaturen besitzen eine unzureichende
Temperaturwechselbeständigkeit, d. h., sie sind gegenüber Abschrecken oder plötzlichem
Erhitzen auf sehr hohe Temperatur sehr empfindlich. Es wurde daher versucht, Werkstoffe
zu finden, die sämtliche erforderlichen Eigenschaften z. B. für die Verwendung als
Leitschaufeln für Düsen von Gasturbinen mit Arbeitstemperaturen in der Größenordnung
von 1200° C aufweisen.
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Es wurden deshalb eine Anzahl von Verbindungen und Cermets hergestellt,
die aber bei guter Zunderfestigkeit bei 1200° C stets bei Raumtemperatur spröde
und - mit Ausnahme von Siliciumnitrid -gegenüber Temperaturwechsel sehr empfindlich
waren. Dabei wurde zunächst die Sprödigkeit des Siliciumnitrids bei Raumtemperatur
in Kauf genommen. Es wurde festgestellt, daß Siliciumnitrid ausgezeichnete Oxydationsbeständigkeit
und einen niedrigen Ausdehnungskoeffizienten besitzt und folglich auch eine gute
Temperaturwechselbeständigkeit zeigt. Dies ist aus den von der British Ceramic Research
Association veröffentlichten Aufsätzen von B. Vassiliou, T. A. Ingles, P. Popp er
und S. N. Rudd-1 e s den zu ersehen.
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Es wurden im folgenden zunächst Versuche durchgeführt, um die Beständigkeit
gegenüber Thermoschock von Siliciumnitrid festzustellen, wobei die Proben wiederholt
auf 1000° C erhitzt und anschließend in kaltes Wasser getaucht wurden. Dabei zeigten
sich die Proben als erheblich stabil. Es wurde weiter versucht, Proben von der höchstmöglichen
Dichte unter optimalen physikalischen Bedingungen herzustellen und ihre physikalischen
und mechanischen Eigenschaften dann zu bestimmen. Dabei zeigte sich, daß die Kriechfestigkeit
von reinem Siliciumnitrid bei 1200° C ungenügend war; es wurden Versuche angestellt,
diese zu verbessern, jedoch nicht auf Kosten der anderen ausgezeichneten Hochtemperatureigenschaften.
Dabei wurde nun festgestellt, daß dispergiertes Siliciumcarbid enthaltendes Siliciumnitrid
gegenüber Thermoschock bei hoher Temperatur unerwartet beständig ist und zusätzlich
eine ausgezeichnete Dauerstandfestigkeit mit guter Kriechbeständigkeit aufweist.
Ausgezeichnete Eigenschaften beobachtet man vor allem mit Siliciumnitrid, enthaltend
5- bis 10o/oiges Siliciumcarbid in sehr feiner Dispersion, die während des Sinterns
gebildet wird.
Silicium wird im Gemisch mit der erforderlichen Menge
an Siliciumcarbid durch Erhitzen in einer Stickstoffatmosphäre >1200° C nitriert.
Wird körniges Silicium als Ausgangsprodukt verwendet, ist die Reaktion nur auf die
Oberfläche beschränkt, und es bildet sich nur eine dünne Nitridschicht. Diese Schicht
besteht aus zwei definierten Phasen, die frei wachsende hexagonale Modifikationen
zeigen. Diese beiden Phasen sind wahrscheilich x- und ß-hexagonales Siliciumnitrid,
deren Gitterkonstanten sich nur wenig unterscheiden. Die a-Phase wird wahrscheinlich
durch Nitrieren zwischen 1200 und 1400° C gebildet, die ß-Phase >1450° C. Eine Umwandlung
der x- in die ß-Phase findet beim Erhitzen der x-Phase über 1550° C statt; offensichtlich
findet diese Umwandlung jedoch in Gegenwart von ungebundenem Silicium unter 1450°
C nicht leicht statt.
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Wird ein verdichtetes Pulver als Ausgangsmaterial verwendet, erhöht
die erheblich größere spezifische Oberfläche die Geschwindigkeit der Nitrierung,
wobei eine Gewichtszunahme stattfindet, die einer Bildung eines Produktes der Formel
Si3N4 sehr nahe kommt. Der Nitrierprozeß scheint mit der Diffusion von Stickstoff
in das Siliciumpulver verbunden zu sein. Temperaturen > 1200° C führen zur Ausbildung
eines füllenden Gerüstes von Si3N4 aus den benachbarten Siliciumteilchen. Damit
werden die Poren des Pulverpreßlings gefüllt, wodurch die mechanische Festigkeit
verbessert wird. Da das Material mikroporös ist, gestattet es eine kontinuierliche
Diffusion des Stickstoffs in das Innere. Die Reaktionsgeschwindigkeit ist temperaturabhängig.
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Der Nitrierprozeß ist bei einer Temperatur von 1450° C in verhältnismäßig
kurzer Zeit beendet, bei tieferer Temperatur werden mehrere Stunden benötigt. Da
die höchsten dieser Temperaturen über dem Schmelzpunkt des Siliciums (1420° C) liegen,
ist ein vorhergehendes Reaktionssintern bei Temperaturen zwischen 1250 und 1350°
C nötig, so daß ein Zusammenfallen des Pulvers zu einer Schmelze vermieden wird.
Dadurch bildet sich ein starres Netzwerk, das das ungebundene Silicium zurückhält
und somit eine Gas-Fest-Flüssig-Reaktion bei Temperaturen über dem Schmelzpunkt
des Siliciums ermöglicht. Der Stickstoff wird von dem sich verbindenden Siliciumnitridgerüst
in das Innere des Preßlings geleitet. Die mäßig schnelle Reaktion bei 1450° C führt
zur Umwandlung des restlichen Siliciums in eine dichtere Form von Siliciumnitrid
mit wesentlich größerer Härte und Dichte als ein Nitrid eines Gerüstes, das durch
Festkörperreaktion bei niedriger Temperatur gebildet wurde. Die relative Härte des
Siliciumnitridgerüstes, des verdichteten Siliciumnitrids und des nicht gebundenen
Siliciums läßt sich durch Mikrohärteprüfung feststellen.
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Das Nitrieren des Siliciums kann als Reaktionssinterverfahren bezeichnet
werden. Durch ein längeres Reaktionssintern bei Temperaturen unterhalb des Schmelzpunktes
des Siliciums wird ein Skelett von verdichtetem Siliciumnitrid gebildet. Durch Anwendung
verschiedener Reaktionssinterzeiten bei Temperaturen unterhalb und oberhalb des
Schmelzpunktes des Siliciums werden verschiedenartige innere Strukturen des gebildeten
Siliciumnitrids erhalten; bei sehr langem Reaktionssintern < 1440° C wird ein
äußerst dichtes Gerüst und schließlich ein hartes Skelett von Siliciumnitridkristallen
gebildet. Andererseits erhält man in einem kurzen zweistufigen Reaktionssinterprozeß
bei 1350 und 1450° C eine weichere Matrix aus Siliciumnitrid, in der Inseln eines
harten, verfestigten Siliciumnitrids dispergiert sind. Die Dichte des völlig gesinterten
Materials ist in jedem Fall dieselbe.
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Diese langen Reaktionssinterzeiten zur völligen Nitrierung des Siliciumpulvers
bei Temperaturen unter dem Schmelzpunkt des Siliciums sind für großtechnische Herstellung
nicht tragbar. Es wurde deshalb folgendes Programm der Sinterreaktion zur Untersuchung
der Eigenschaften von Siliciumnitrid durchgeführt: 1. Das dichte Pulver wird zunächst
unterhalb des Schmelzpunktes des Siliciums bei einer Temperatur von l.250° C bis
zu 16 Stunden lang nitriert; dabei bildet sich ein miteinander in Verbindung stehendes
Siliciumnitrid-Netzwerk. Die Reaktionsgeschwindigkeit verlangsamt sich, je dichter
das Siliciumnitrid-Netzwerk wird.
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2. Dann wird bei einer Temperatur oberhalb des Schmelzpunkts des Siliciums
(etwa 1450° C) 3 bis 4 Stunden nitriert, um das restliche Silicium in Nitrid umzuwandeln.
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Die Oberfläche des nietrierten Siliciumpulvers ist gleichmäßig mit
einer weißen, wollähnlichen Substanz bedeckt, die einkristalline Whiskers aus Siliciumnitrid
sind. Es scheint, daß das Netzwerk zwischen den Siliciumteilchen des teilweise reagierten
Pulvers innerhalb des Formkörpers eine durchdringende Masse dieser Einkristalle
darstellt, die unter Umständen bei verlängertem Nitrieren bei Temperaturen über
l300° C zusammenschmelzen.
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An der Schnittfläche ist das Siliciumnitrid gesprenkelt grau. Falls
Sauerstoff während des Nitrierens vorliegt, ist noch eine weitere Phase, die möglicherweise
ein weißes Siliciumoxynitrid darstellt, vorhanden. Nicht reagiertes Silicium erkennt
man an kleinen glitzernden Teilchen auf der Bruchfläche oder als helle Inseln in
Mikroschliffen.
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Das verwendete Silicium enthielt etwa 2% Verunreinigungen, die in
der Hauptsache aus Eisen und Sauerstoff bestanden. Die Analysenwerte des aus diesem
Siliciumpulver erhaltenen Siliciumnitrids waren folgende (ohne Berücksichtigung
des Gehalts an Siliciumcarbid): Gesamtsilicium ........ 59,350/0 Stickstoff
............. 39,2% Eisen ................ 0,9% Aluminium ........... 0,05% Sauerstoff
............ 0,41% Die Werte zeigen, daß, abgesehen von einer geringen Menge an
Eisenoxyd, das Siliciumnitrid ziemlich rein war. Si3N4 enthält theoretisch 60,24%
Si und 39,76 0/0 N.
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Bei den ersten Versuchen wurde technischer Stickstoff verwendet, wobei
der eventuell als Verunreinigung vorliegende Sauerstoff durch Leiten über eine auf
600° C erhitzte Kupfergaze entfernt wurde. Der Stickstoff wird erst in einem Calciumchloridturm
und schließlich über Phosphorpentoxyd getrocknet. In späteren Versuchen wurde reinerer
Stickstoff verwendet, wobei das Gas zum Entfernen der letzten Feuchtigkeitsspuren
nur mehr über Phosphorpentoxyd geleitet wurde.
Als Vorrichtung zur
Herstellung des Siliciumnitrids wurde ein nicht poröses feuerfestes Reaktionsrohr
aus rekristaliisierter Tonerde oder Mullit verwendet, das an einem Ende verschlossen
und in die Mitte einer Anzahl von Widerstands-Heizelementen, die den zentralen Teil
des Reaktionsrohres auf 1500° C zu erhitzen vermochten, angeordnet war. Ein Temperaturregelsystem
wird so angeordnet, daß eine heiße Zone von etwa 12,5 cm Länge während langer Zeit
auf einer bestimmten Temperatur mit einer Genauigkeit ±5° C gehalten werden kann.
Das offene Ende des Reaktionsrohres (7,5 cm Durchmesser) wird mit einer wassergekühlten
O-Ring-Vakuumendkappe verschlossen, welche Öffnungen für Thermoelement und für den
Gaseintritt und -austritt besitzt. Ein Wärmeschild aus rostfreiem Stahl zwischen
der heißen Zone und der Endkappe war vorgesehen.
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Der Ofen wurde vor dem Einführen des Stickstoffs auf einen Druck von
etwa 150 mm Hg evakuiert. Das Pulvergemisch von Silicium und Siliciumcarbid befand
sich in einem Tonerdeschiffchen oder als Preßlinge auf Tonerderinnen oder Siliciumnitridplatten.
Ein Heiz- und Kühlungskreislauf wurde eingebaut, um eine Beschädigung des Ofens
auf ein Minimum zu beschränken.
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Um das Siliciumnitrid als Werkstoff anwendbar zu machen, muß es in
entsprechender Form und unter bestmöglichen physikalischen und mechanischen Bedingungen
hergestellt werden. DurchNitrieren eines lockeren Siliciumpulvers in einem feuerfesten
Schiffchen ist zwar ein Produkt mit einiger mechanischer Festigkeit zu erhalten,
jedoch ist es sehr porös und muß sorgfältig behandelt werden.
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Um die mechanischen Eigenschaften zu verbessern, war es notwendig,
das Pulver vor dem Nitrieren durch Pressen zu verdichten. Das Pulver läßt sich jedoch
nur bis zu einem bestimmten optimalen Grad verdichten, darüber hinaus wird ein gleichmäßiges
Reaktionssintern erschwert, verlängert, und es kommt noch zu anderen Schwierigkeiten.
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Die Verdichtung des Siliciumpulvers zu einer geeigneten Form geschieht
üblicherweise durch Kaltpressen in einer Form. Einfache zylindrische oder rechteckige
Preßformen geben die am leichtesten kontrollierbaren Möglichkeiten, eine gleichmäßige
Packung zu erreichen. Die Kantig- und Eckigkeit der harten, nicht duktilen, feinen
Siliciumpulverteilchen ist die Ursache des Widerstandes gegen ein Fließen unter
Druck, so daß tiefe und komplizierte Formen unvorteilhaft sind. Die Anwendung von
geeigneten Schmiermitteln, die vor dem Pressen dem Pulver zugefügt werden, ist vorteilhaft.
Diese Schmierung erhöht auch die Grünfestigkeit des Preßlings. Es ist ebenfalls
von Vorteil, das Pulver in der zusammengesetzten Preßform durch leichtes Rütteln
vor der Druckanwendung gleichmäßig zu verteilen und teilweise etwas zu verdichten.
Dadurch wird eingeschlossene Luft entfernt und eine gleichmäßige Dichte vor dem
Anlegen des Drucks ermöglicht. Die Preßformen sollen so gebaut sein, daß die grünen
Preßlinge leicht ausgeformt werden können, was zumeist sehr schwierig ist, da diese
sehr sorgfältig gehandhabt werden müssen. Wenn möglich, soll der grüne Preßling
direkt auf eine Brennunterlage stranggepreßt werden, so daß er dann ohne weiterer
Handhabung in die Reaktionskammer gebracht werden kann.
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Es wurde zunächst 10% Cetylalkohol in denaturiertem Alkohol als Bindemittel
und Schmiermittel zum Anmachen verwendet. Zufriedenstellende Ergebnisse ließen sich
durch Verwendung von 2 bis 3 ml dieser Lösung auf 10g Siliciumpulver mit einer Korngröße
von etwa <74 u erreichen. Der Cetylalkohol wurde in den ersten Phasen des Nitrierens
ausgetrieben, wobei noch etwas freier Kohlenstoff in dem Reaktionsrohr zurückblieb.
Soll sehr reines Siliciumnitrid erhalten werden, ist die Verwendung dieses Schmiermittels
nicht gewünscht.
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Preßlinge ohne Bindemittel sind sehr weich und deshalb schwierig zu
behandeln. Es wurde aber festgestellt, daß Feuchtigkeit sowohl als Bindemittel wie
auch als Schmiermittel bei der Herstellung von zufriedenstellenden grünen Preßlingen
dienen kann; diese Preßlinge können von der Preßform auf die Brennunterlage gebracht
werden. Die Feuchtigkeit wird langsam durch Luft oder durch Trocknen entfernt. Die
optimale Wassermenge hängt von der Teilchengröße des Siliciumpulvers ab; etwa 3
ml aus 10 g Pulver < 74 Ni führten zu zufriedenstellenden Ergebnissen.
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Da Siliciumpulver nicht duktil ist, ist der maximale Preßdruck beschränkt,
da sonst Risse entlang den Ebenen maximaler Scherbelastung auftreten. Derartige
Risse, die offensichtlich bei zu großen Drucken unvermeidbar sind, verschwinden
auch während des gesamten Reaktionssinterverfahrens nicht und sind auch im Endprodukt
als kleine Spalte vorhanden, deren Oberflächen mit einer weißen Schicht bedeckt
sind. Diese weiße Schicht ist möglicherweise Siliciumoxynitrid, das durch eingeschlossenen
Sauerstoff, der entlang der Bruchstelle während der ersten Phase des Nitrierens
entweichen konnte, gebildet wurde. Der jeweils anzuwendende Maximaldruck unter Vermeidung
von Innenrissen muß vorher an einem Versuchspreßling durch Prüfung der Oberflächen
und eventueller Risse festgestellt werden. Das Ausformen der Preßlinge muß sehr
vorsichtig geschehen, um örtliche Beschädigungen und Brüche zu vermeiden. Bei Verwendung
von Wasser als Binde- und Schmiermittel ist es möglich, bruchfreie Preßlinge herzustellen,
und zwar für ein Siliciumpulver < 74 #t bei einem Preßdruck von 608 kg/cm2 und
bei einem Pulver < 37 u von 304 kg/cm2 in einer einfachen rechteckigen Preßform.
Wird das Siliciumpulver ohne Schmiermittel in derselben Preßform gepreßt, so genügt
schon eine Belastung von 152 kg/cm2 für die Bildung von Rissen. Es wurde festgestellt,
daß sich Preßlinge in jeder verhältnismäßig einfachen geometrischen Form erhalten
lassen.
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Reaktionsgesintertes Siliciumnitrid ist sehr schwer zu bearbeiten.
Es ist so hart, daß es an gewöhnlichen spanenden Werkzeugen zu hohem Verschleiß
führt; sie lassen sich nur mit Diamantschleifscheiben bearbeiten. Eine vorteilhafte
Methode zur Herstellung von komplizierten Formen besteht darin, vorerst einen Rohling
aus Siliciumpulver herzustellen, ihn in einer Stickstoffatmosphäre bei 1200° C etwa
1 Stunde oder so lange zu sintern, daß ein leicht gesintertes Produkt in der Art
weicher Kreide entsteht. Das Ausmaß des Reaktionssinterns in dieser Phase ist ein
Kompromiß zwischen der benötigten mechanischen Festigkeit, damit es sich spanend
bearbeiten läßt, und einer zu großen Härte, die einen zu hohen Verschleiß der Werkzeuge
bewirken würde. Nachdem das locker gesinterte Material auf die Endabmaße bearbeitet
worden war, wird es in eine Reaktionskammer gebracht und in der üblichen Weise fertig
nitriert. Nach
dem Reaktionssintern ist das Produkt nur etwa 0,01%
geschrumpft, was für die meisten praktischen Zwecke unerheblich ist. Auf diese Weise
lassen sich komplizierte Formen mit geringen Toleranzen herstellen.
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Die Standfestigkeit und Kriechfestigkeit von Siliciumnitrid wurde
an einem Stab bei 1200° C und Auflage an vier Punkten untersucht. Die Prüfstäbe
hatten im Durchschnitt eine Dichte von 2,1 g/cm3 und wurden bis zu 4 Stunden mit
230 kg/cm2 belastet. Die Ergebnisse zeigten, daß die Kriechfestigkeit besonders
bei einem Material mit durchschnittlicher Dichte enttäuschend war. Deshalb wurde
die Wirkung einer feinen Dispersion von harten, stabilen Verbindungen, die während
der Sinterreaktion eingelagert werden können, untersucht; es wurde Tonerde, Kieselerde,
Molybdändisilicid, Siliciumcarbid und Kohle einzeln verwendet. Die größte Verbesserung
der Kriechfestigkeit wurde bei einem 5%igen Zusatz an Siliciumcarbid erhalten. Es
wurde noch festgestellt, daß die Feinheit der Dispersion wesentlich ist. Die besten
Resultate sind mit einer 5- bis 10%igen Zugabe feinverteilten Siliciumcarbidpulvers,
Korngröße < 37 [,, erhalten worden. Einige der besten Ergebnisse zeigen, daß
eine Dispersion von Siliciumcarbid in Siliciumnitrid das erste Kriechen herabsetzt
und eine geringe zweite Kriechgeschwindigkeit bewirkt, so daß nach 300 Stunden die
gesamte Deformation nur ein Viertel der des reinen Siliciumnitrids derselben Dichte
ist. Es ist bisher nicht bekannt, ob diese Versteifung und Vergrößerung der Dauerfestigkeit
einer genau festgelegten Menge der Siliciumcarbiddispersion in den Siliciumnitridkristallen
oder einem gewissen Ausmaß einer Härtung durch eine feste Lösung oder einem physikalischen
Einfluß der Siliciumcarbidteilchen während des Nitrierprozesses zuzuschreiben ist.
Es liegen Anzeichen dafür vor, daß die Verbesserung der Kriechfestigkeit mit der
Feinheit der Teilchen des Siliciumcarbids in Verbindung steht. Um die Teilchengröße
des Siliciumcarbids noch weiter zu verringern, wurde Siliciumpulver mit kolloidalem
Graphit gut vermischt, bevor nitriert wurde. Standversuche an Siliciumnitrid, das
aus Siliciumpulverpreßlingen mit ursprünglich 5 bis 10% Kohlenstoff gebildet wurde,
zeigten, daß zwar einige Verbesserungen erzielt wurden, diese jedoch kleiner sind,
als man sie durch Zusatz von feinem Siliciumcarbid erhalten kann. Wie zu erwarten,
ist die Dichte ein wesentlicher Faktor für die Kriechfestigkeit des Siliciumnitrids.
Die Kriechfestigkeit von Siliciumnitridkörpern aus hydrostatisch gepreßtem Pulver
ist etwa die gleiche wie die eines Materials mit einer geringeren Dichte, die jedoch
eine Dispersion von Siliciumcarbid enthält.
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Die Porosität von Siliciumnitrid mit oder ohne Zusätze von Siliciumcarbid
kann ein wesentlicher Nachteil bei bestimmten Anwendungen sein. Die Möglichkeiten,
eine Glasur zu entwickeln, die dicht haftet und die die Oberflächenporen wirkungsvoll
verschließt, wurde deshalb untersucht. Dabei ist verständlich, daß ein derartiger
Überzug einen Wärmedehnungskoeffizienten besitzen muß, der dem des Grundmaterials
ähnlich ist und der auch, wenn möglich, bei einer örtlichen Verletzung selbst heilend
ist. Siliciumdioxyd (Kieselerde) schien hierfür günstig, jedoch erwies sich die
Bildung eines Überzugs lediglich durch Aufstäuben von feinem Pulver und Erhitzen
als erfolglos. Es wurde jedoch festgestellt, daß eine fein bearbeitete Oberfläche
von Siliciumnitrid dazu neigt, selbst zu verglasen, wenn an Luft und in Gegenwart
von Tonerde länger auf 1200° C erhitzt wird. Das Phasendiagramm für A1203 und Si02
zeigt ein nieder schmelzendes Eutektikum bei 5% A1202. Der Schmelzpunkt dieses Eutektikums
wird noch weiter durch Eisenoxyd herabgesetzt. Die besten Ergebnisse wurden bei
>1500° C auf Tonerdeziegeln erhalten, und zwar mit Siliciumnitrid, das Eisen als
Verunreinigung enthielt. Wie schon erwähnt, ist Siliciumnitrid nach Austragen aus
dem Sinterofen mit einem weißen, feinen, wollartigen Produkt bedeckt. Es ist wesentlich,
diesen ersten feinen Belag abzubürsten oder abzuschleifen, bevor ein gleichmäßiger,
haftender Überzug oder Glasur aufgebracht wird. Die Glasierung wird deshalb am zweckmäßigsten
in der Weise durchgeführt, daß man die Oberfläche des entsprechenden Materials erst
säubert und danach eine dünne Schicht eines Gemisches von 5% A1203, 93% SiO2 und
2% Fe2O3, gebunden mit Cetylalkohol, aufträgt. Die Temperatur soll dann langsam
auf 1300 bis 1500° C in Sauerstoffatmosphäre innerhalb 3 bis 4 Stunden gesteigert
werden und kann dann langsam auf Raumtemperatur sinken. Ein Schnitt der auf diese
Weise glasierten Oberfläche des Siliciumnitrids zeigt eine sehr gute Verbindung
des Eutektikums mit der Oberfläche und ein teilweises Eindringen in die Vertiefungen
der Oberfläche. Wird Oxynitrid infolge der Anwesenheit von Sauerstoff als Verunreinigung
gebildet, läßt sich dieses unter dem Mikroskop als eine mattweiße Verbindung identifizieren.
Dieses Oxynitrid bildet sich an der Oberfläche von Innenrissen, die bereits während
des Pressens gebildet worden sind, durch Oxydation während des Nitrierens. Es wurde
beobachtet, daß mit Oxynitrid bedeckte Risse sich auch während des Nitrierens nicht
verschließen. Sie sind auch durch Aufbringen eines Überzugs oder einer Glasur nicht
zu beseitigen.
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Die Eigenschaften des siliciumcarbidhaltigen Siliciumnitrids sind
so günstig, daß seine Anwendung für spezielle Zwecke gerechtfertigt ist, z. B. in
Gasturbinen, Brennkammern und Ausströmleitungen bei Raketendüsen.
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Siliciumnitrid mit einem bestimmten Gehalt an Siliciumcarbid wurde
z. B. als Werkstoff für Statorflügel in heißgehenden, wassergekühlten Gasturbinen
verwendet. Die maximale Arbeitstemperatur der mit Dieselöl arbeitenden Turbine war
750° C. Obwohl diese Temperatur weit unter der für Siliciumnitrid zulässigen liegt,
läßt sich so doch eine spezielle Anwendungstechnik für die neuen Werkstoffe entwikkeln.
Es war nötig, einen entsprechenden Spielraum während des Zusammenbaus im kalten
Zustand zu lassen, da ein beträchtlicher Unterschied zwischen dem Wärmedehnungskoeffizienten
der Statorflügel aus Siliciumnitrid und dem warmfesten Stahlmantel der Flügel besteht.
Die Leitflügel für diese Versuche hatten Ansätze, die leicht in Schlitzen der Mantelringe
paßten. Die Toleranz wurde so gewählt, daß die unter Druck stehenden Flügel sich
in ihrer genauen Lage befinden. Bei ununterbrochenem Betrieb über 200 Arbeitsstunden
wurden die Laufräder ausgebaut und die Flügel geprüft. Sie waren in einem tadellosen
Zustand und nur mit einer dünnen Schicht von Verbrennungsrückständen bedeckt. Vergleichsversuche
an plattenförmigen Prüfkörpern wurden in besonderen Brennkammern bei etwa 1200°
C bis 200 Stunden durchgeführt. Die Teile dieser Prüfkörper waren
so
angeordnet, daß eine gewisse Biegung durch Kriechen möglich war; jedoch war kein
Anzeichen irgendwelcher Oberflächenbeschädigung zu sehen, die durch eine Reaktion
mit den Brennstoffrückständen oder einer Erosion durch das Gas hoher Strömungsgeschwindigkeit
hervorgerufen sein könnte. In keinem dieser Versuche waren Anzeichen von Rißbildungen
infolge von Thermoschock zu beobachten. Siliciumnitrid zeigt also als Werkstoff
für Gasturbinenteile zufriedenstellende Eigenschaften unter der Voraussetzung, daß
es wegen seiner Sprödigkeit bei Raumtemperatur während des Zusammenbaues vorsichtig
behandelt wird. Die Auslegung der Körper soll nicht nach üblichen Verfahren für
Metalle oder Legierungen erfolgen, sondern es ist der geringe Dehnungskoeffizient
dieses neuen Werkstoffes zu berücksichtigen. Örtliche Überbelastungen, die durch
eine plötzliche Querschnittsänderung der Teile zustande kommen oder auf lokalem
Überdruck beim Befestigen der Teile beruhen, sind zu vermeiden.
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Auf Grund der hervorragenden Temperaturwechselbeständigkeit und des
hohen elektrischen Widerstandes ist das erfindungsgemäße Produkt für elektrische
Isolatoren, die plötzliche Temperaturveränderungen aushalten, z. B. Raketenabschußrampen,
sehr geeignet.
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In der Industrie werden immer häufiger feuerfeste Tiegel, Schutzrohre
für Thermoelemente, Unterlagen und Träger für eine Wärmebehandlung und Behälter
für besondere Reinigungs- und Diffusionsverfahren, wie z. B. in der Halbleitertechnik,
benötigt. Feuerfeste Baustoffe auf der Basis von Siliciumnitrid sind auf Grund dessen
außerordentlicher Temperaturwechselbeständigkeit und seiner erheblichen Beständigkeit
gegenüber Metallschmelzen ein idealer Werkstoff für diese Zwecke.