-
Verfahren zur Absorption von flüchtiger, gasförmiger Fluorwasserstoffsäure,
Silicofluorwasserstoffsäure und Siliciumtetrafluorid aus den Abgasen von Glasätzereien
Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Absorption von Fluorverbindungen aus den
Abgasen von Glasätzereien. Beim Polieren von Gläsern mittels eines Gemisches aus
Fluß- und Schwefelsäure fallen Abgase an, die vor allem Fluorwasserstoffsäure und
Siliciumtetrafluorid sowie wenig Silicofluorwasserstoffsäure und Schwefelsäure enthalten.
Man hat bisher vergeblich versucht, die Abgase durch einfache Absorption ihrer schädlichen
Bestandteile zu reinigen. Ein Mißlingen in dieser Hinsicht bedeutet aber einen großen
Übelstand im Hinblick auf den schädlichen Einfluß der Abgase für die unbelebte sowie
die belebte Welt. So werden etwa bei benachbarten Bauten Korrosionen hervorgerufen
und auch noch in größerer Entfernung von der Austrittsstelle die Vegetation empfindlich
geschädigt.
-
Man hat sich daher schon bemüht, Verfahren zur Reinigung der Abluft
zu finden, ohne zu wirklich befriedigenden Ergebnissen zu kommen.
-
So hat man vorgeschlagen, zur Absorption reines Wasser zu verwenden.
Hierbei erreicht man aber keine hohe Absorption. Auch bei Verwendung von saurem
Wasser ist dem Ziel eine Grenze gesetzt, da die Absorption durch den Fluorwasserstoff-Dampfdruck
über der Absorptionslösung allzuweit eingeschränkt wird. Bei einer auf Fluorwasserstoff
bezogenen 300/oigen Absorptionslösung gehen immer noch in den Abgasen 10/u Fluorwasserstoff
ab.
-
Versuche, durch Neutralisation der besagten Verbindungen die Abgase
zu reinigen, haben ebenfalls nicht zu befriedigenden Ergebnissen geführt, denn bei
Verwendung von Natronlauge oder Sodalösung bilden sich schwer lösliche kristalline
Ausscheidungen, insbesondere von Natriumsilicofluorid, die nach kurzer Zeit schon
die betreffenden Anlagen, wie Rieseltürme, Hordenböden, unbrauchbar machen.
-
Die schwer löslichen Ablagerungen können ihrer Härte wegen nur durch
grobe mechanische Mittel entfernt werden. Dies führt fast immer zur Beschädigung
der Anlagen, die gegen Flußsäurekorrosion besonders zu schützen sind. Andere Alkalien
besitzen ähnliche Nachteile.
-
Die nachstehende kurze Übersicht mag einmal deutlich machen, welche
Bedeutung einem Verfahren zukommen muß, mit dessen Hilfe es gelingt, die bisherigen
Nachteile zu beseitigen und hierbei insbesondere eine so weitgehende Entfernung
schädlicher Fluorverbindungen aus Abgasen zu erreichen, daß man die Schädlichkeitsgrenze,
die nach heutiger Ansicht eingehalten werden muß, erreicht. Diese Grenze liegt bei
etwa 0,0003 Volumprozent Fluorwasserstoff, ohne Berücksichtigung der Assoziation
des HF-Mole-
küls. 1 t Bleikristall z. B. benötigt zum Säurepolieren etwa 100 kg
Flußsäure. Das bedeutet, daß man ohne Reinigung der Abgase mit einem Ausstoß von
etwa 8 bis 10 t Flußsäure bzw. Siliciumfluorid je Monat zu rechnen hat, wenn man
eine Glasätzerei üblicher Größe ins Auge faßt. Der genannte hohe Ausstoß der besagten
Fluorverbindungen verringert sich auf etwa 20 bis 30 kg je Monat bei einer Absorption
bis auf die erwähnte Schädlichkeitsgrenze.
-
Der niedrige Wert der Schädlichkeitsgrenze wird in seiner Bedeutung
besonders begreiflich, wenn man in Betracht zieht, daß die Witterung von ungünstigem
Einfluß sein kann, was z. B. der Fall ist, wenn hohe Luftfeuchtigkeit oder gar Nebel
herrscht. Dann kann nur mit einer verhältnismäßig geringen Verdünnung der Fluorverbindungen
in der Atmosphäre, in die sie abgehen, gerechnet werden.
-
Gemäß der Erfindung gelingt es erstmalig, eine so weitgehende Absorption
zu erzielen, daß die Schädlichkeitsgrenze erreicht wird.
-
Nach den besonderen Merkmalen der Erfindung werden die Abgase in
einer ersten Stufe durch eine wäßrige 15- bis 35u/oige Fluorwasserstoff- bzw. Silicofluorwasserstofflösung
und anschließend in einer zweiten Stufe durch Wasser oder eine wäßrige maximal 5-
bis 60/oige Fluorwasserstoff- bzw. Silicofluorwasserstofflösung geleitet. Die erste
Stufe kann man als Arbeitsstufe, die zweite als Leistungsstufe bezeichnen.
-
Der Erfindung liegen besondere Erkenntnisse zugrunde, die durch Berücksichtigung
der Absorptionskurve von Fluorwasserstoff in Wasser und der Dampfdruckkurve von
Silicofluorwasserstoff und Fluorwasserstoffsäure in Abhängigkeit von der Konzentration
gewonnen worden sind.
-
Zum besseren Verständnis der hier wesentlichen Zusammenhänge dienen
die nachfolgenden Ausführungen sowie die schaubildlichen Darstellungen. nach F i
g. 1 und 2. Es stellt dar F i g. 1 die Absorptionskurve von Fluorwasserstoff in
Wasser bei 250 C, in Fig.2 die Kurvel die (von Fredenhagen und Wellmann gemessene)
Dampfdruckkurve für eine reine Fluorwasserstoff-Wasser-Lösung in Abhängigkeit von
der Konzentration bei 250 C, Kurve 2 die gemessene Dampfdruckkurve für die in der
zweiten Stufe vorliegende Silicofluorwasserstoff-Fluorwasserstoff-Lösung in Abhängigkeit
von der Konzentration bei 250 C und Kurve 3 die gemessene Dampfdruckkurve für die
in der zweiten Stufe vorliegende Silicofluorwasserstoff-Fluorwasserstoff-Lösung
in Abhängigkeit von der Konzentration bei 250 C für den Fall, daß in der zweiten
Stufe eine Untersättigung erreicht wird. Das heißt, Kurve 3 der F i g. 2 stellt
die Absorptionsleitung der Leistungsstufe und damit des gesamten Systems in Abhängigkeit
von der Konzentration der Absorptionslösung dar.
-
Wie Fig. 1 zeigt, hat die Absorptionskurve von Fluorwasserstoff in
Wasser einen ungewöhnlichen Verlauf. Bis zu einer Gesamtazidität von 15 O/o zeigt
die Absorption den normalen Verlauf einer Absorptionskurve, um dann nicht langsam
abzusinken, sondern bis zu einer Gesamtazidität von 35 bis 400/( nochmals stark
ansteigen.
-
Man wird also danach zu trachten haben, mit einer wäßrigen Absorptionslösung
zu arbeiten, die bereits 15 °/o HF enthält, um dann weiter bis zu einer Azidität
von 350/0 Fluorwasserstoff anzureichern, d. h. im steilsten Bereich des Kurvenastes
zu arbeiten.
-
Zieht man zu diesem Zweck die Kurve 1 der Fig. 2 zum Vergleich heran,
so zeigt sich, daß bei entsprechenden Versuchen die gemessenen Dampfdrücke mit Ausnahme
einer kleinen Verschiebung nach niederen Konzentrationen einen parallelen Ablauf
zeigen.
-
Diese Erkenntnisse führen gemäß der Erfindung zu der Vorschrift,
in einer ersten Stufe (Arbeitsstufe) mit einer Absorptionslösung zu arbeiten, die
mindestens 150/0 enthält, und weiter in einer zweiten Stufe (Leistungsstufe) mit
reinem Wasser bzw. einer wäßrigen bis maximal 5- bis 60/oigen Fluorwasserstofflösung
als Absorptionsmittel zu arbeiten, um unter die hohen Fluorwasserstoff-Dampfdruckwerte
der 15- bis 350/oigen Silicofluorwasserstoffsäure zu kommen.
-
Da durch die erste Absorptionsstufe mit einer mindestens 150/obigen
Absorptionslösung eine maximale Absorption bis zum Dampfdruckwert der Lösung erreicht
wird (Arbeitsstufe), muß in der zweiten Stufe (Leistungsstufe) nur noch der durch
den Dampfdruck der ersten Stufe bedingte Fluorwasserstoffgehalt vernichtet werden.
Analog wie in der ersten Stufe wird die Absorptionsleistung der zweiten Stufe wiederum
vom Dampfdruck der Absorptionslösung bedingt, der wieder von der Konzentration der
Absorptionslösung und von der Sättigung des Gases abhängt (s. F i g. 2).
-
Man reichert also deshalb in der zweiten Stufe (Leistungsstufe) nur
bis zu einem HF-Gehalt von 58/o an und setzt die Verweilzeit um etwa 300/( herab,
was man durch die Konstruktion der Absorptionsanlage erreicht, wie später noch ausgeführt
wird.
-
Es wird somit eine weitere Verbesserung des durch
die niedrigere Konzentration
der Absorptionslösung bereits sehr tief liegenden Absorptionswertes durch Untersättigung
erreicht (s. Fig. 2, Kurve 3).
-
Die Absorption von Fluorwasserstoff, Silicofluorwasserstoff und Schwefelgäure
in Wasser bereitet keine besonderen Schwierigkeiten, da die besagten.
-
Verbindungen in Wasser ausreichend löslich sind.
-
Hingegen kann die Absorption des wasserunlöslichen Siliciumtetrafluorids
erst erfolgen, wenn es zu Fluorwasserstoff- bzw. Silicofluorwasserstoffsäure und
Kieselsäure gemäß SiF4 + 2 H2O + SiO2 + 2 H2F2 bzw.
-
3 SiF4 + 2 H2O < SiO2 + 2 H2SiF6 hydrolisiert worden ist.
-
Die Notwendigkeit, daß am Arbeitsplatz selbst aus hygienischen Gründen
nur bestimmte maximale Konzentrationen der gesundheitsschädlichen Stoffe herrschen
dürfen, bedingt hohe Absaugleistungen an den Arbeitsplätzen (Ätzereien) und folglich
auch verhältnismäßig hohe Luftgeschwindigkeiten in einer wirtschaftlich arbeitenden
Anlage. Es hat sich als zweckmäßig erwiesen, bei dem erfindungsgemäßen Verfahren
mit einer Verweilzeit von etwa 2 bis 2,5 Sekunden je Volumeinheit in der Absorptionszone
zu arbeiten. Ein einfacher Kontakt des Siliciumtetrafluorids, etwa mit feinverteiltem
Wasser, führt unter den sonstigen Bedingungen des erfindungsgemäßen Verfahrens nur
zu einer sehr langsam verlaufenden Hydrolyse. Mit der erforderlichen hohen Geschwindigkeit
verläuft die hydrolytische Spaltung erst dann, wenn man sie an aktiven Oberflächen
ablaufen läßt. Die Untersuchung von Körpern mit verschieden großer Oberflächenausbildung
ergab, daß die Hydrolysengeschwindigkeit von der Absorptionsfähigkeit des verwendeten
Materials abhängig ist.
-
Feinkörniger Hüttenkoks hat sich als sehr geeignetes Material erwiesen.
-
Das erfindungsgemäße Verfahren arbeitet durchaus zufriedenstellend,
wenn die Absorptionsanlage nicht über eine gewisse Grenze belastet wird. Diese Grenze
liegt etwa bei 1000 mg/ms absorbierter Flußsäure. Dieser Wert gilt für Absorptionsanlagen
der üblichen Dimensionen. Wird die Absorptionsanlage über die besagte Grenze hinaus
belastet, dann erfordert das eine Vergrößerung der Anlagen. Dies bedeutet aber einen
offensichtlichen Nachteil, wenn man die damit verbundenen Kosten bedenkt. Es muß
daher das besondere Ziel sein, die Schädlichkeitsgrenze von 0,00030/0 Fluorwasserstoff
am Kamin in Verbindung mit möglichst hoher Absorption mit möglichst geringem apparativem
Aufwand zu erreichen. Dieses Ziel wird gemäß der weiteren Ausbildung der Erfindung
dadurch erreicht, daß man in der zweiten Stufe mit geringerer Verweilzeit als in
der ersten Stufe arbeitet. Es hat sich hierfür als zweckmäßig erwiesen, daß die
Verweilzeit der zweiten Stufe um etwa 3O0/o gegenüber der ersten Stufe reduziert
wird.
-
Zur praktischen Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens arbeitet
man zweckmäßig mit einer Absorptionsanlage, in der zwei hintereinandergeschaltete
Türme angeordnet sind.
-
Bewährt hat sich hierfür eine selbsttragende Konstruktion aus Polyvinylchlorid.
Jeder Turm enthält eine Reihe von Aggregaten zur Berieselung, wobei sich die Zahl
dieser Aggregate je Turm aus der zu
absorbierenden Menge Siliciumtetrafluorids
errechnet.
-
Ein Berieselungsaggregat besteht aus sinnvoll angeordneten Düsenkränzen,
mit deren Hilfe auf übereinanderliegenden Kokslagen die Absorptionsflüssigkeit sprühnebelartig
verteilt wird. Das Siliciumtetrafluorid-Luft-Gemisch wird mit Hilfe eines Ventilators
im Gegenstromverfahren durch die sprühnebelartig verteilte Absorptionsflüssigkeit
hindurchgesaugt. Es wird dadurch eine große Homogenisation und somit die Grundlage
für eine hohe Absorptionsleistung geschaffen.
-
Die Berieselungsaggregate eines jeden Turmes werden jeweils von einem
separaten Vorratsbecken mit Hilfe einer Umwälzpumpe gespeist. Die Vorratsbehälter
enthalten Absorptionsflüssigkeit von bestimmter Konzentration an HF bzw. HoSiF6,
was durch die Art des Verfahrens bestimmt wird.
-
Durch eine verschieden dichte Anordnung der Berieselungsaggregate
in den hintereinandergeschalteten Absorptionstürmen bzw. deren Querschnitt-
verengungen
im ersten Turm wird im zweiten Turm ein kleiner Unterdruck und somit eine Herabsetzung
der Verweilzeit des Gases erreicht.