-
Verfahren zur Herstellung von perkutan anwendbaren, haltbaren Extrakten
aus den Samen der Roßkastanie Im Samen der Roßkastanie (Aesculus hippocastanum)
befinden sich Stoffe, von denen seit alters her bekannt ist, daß sie wertvolle technische
wie auch therapeutische Eigenschaften besitzen. Sie wurden bereits in der Volksmedizin
verwendet, in Salben verarbeitet, als Resorptionsvermittler für schwer resorbierbare
Arzneistoffe und auch für Haarentfernungsmittel verwendet. Man hat auch diese Stoffe
zu Zahnpasten, Mundwässern, Haarwuchsmitteln und Waschmitteln zugesetzt. Weiterhin
hat man die wertvollen, therapeutischen Eigenschaften besonders gegen die Symptome
des Komplexes der venösen Stase in Form der Tropflösung zur Einnahme per os, der
Salbe, Dragees und Suppositorien verwendet.
-
Es bestand jedoch bisher immer noch das Problem, die Wirkstoffe in
geeigneter Form an die Stelle ihrer Wirksamkeit heranzubringen. Die wäßrigen Extrakte
sind besonders anfällig gegen Zersetzung durch Mikroorganismen und fermentative
Vorgänge. Die Fermente befinden sich bereits im Samen neben Vorprodukten für Gerbstoffe,
die bei der Verarbeitung und insbesondere Lagerung sehr störende, tiefbraune Farbstoffe
geben. Bei der Herstellung von Salben unter Benutzung vorgereinigter Extrakte ist
es wohl möglich, die Haltbarkeit zu erhöhen, jedoch verstopfen die Salbenbestandteile,
wie Fette und Emulgatoren, die Poren der Haut und verhindern ein tieferes Eindringen
der Wirkstoffe und eine überzeugende therapeutische Wirkung.
-
In dieser Hinsicht ist es auch von Nachteil, daß die Wirkstoffe einen
schwer trennbaren Komplex von kolloidaler Natur darstellen, der in wäßriger Lösung
unfähig ist, durch semipermeable Membranen hindurchzudiffundieren.
-
Man sah sich daher gezwungen, die Wirkstoffe dem Körper entweder
per os, z. B. als Dragees, oder durch Injektion zuzuführen.
-
Der Injektion steht die starke hämolytische Wirkung des Saponins
(Aescin) entgegen. Es gibt daher zahlreiche Verfahren zur Beseitigung des Saponins,
z.B. durch Fällung mit Cholesterin oder Phytosterinen.
-
Man benutzt auch die teilweise Zersetzung zu nicht mehr hämolytisch
wirksamen Prosapogeninen. Ferner sind Verfahren bekannt, das Aescin aus geeigneten
Extraktlösungen durch Einstellen eines sauren pH in reiner Form abzuscheiden. Von
diesem Verfahren hat man vor allem zur Herstellung von Trockenpräparaten Gebrauch
gemacht, die kurz vor der Injektion in Lösung gebracht werden sollen. Es war auch
bereits bekannt, die Extrakte von Roßkastaniensamen durch weitgehenden Wasserausschluß
von störenden Begleitstoffen, z.B. Zucker-, Stärke-, Eiweiß- und Gerbstoffkomponenten,
weitgehend freizuhalten. Auch von diesem Verfahren machte man bei der Herstellung
von trockenen bzw. isolierten, gereinigten Saponinen Gebrauch. Transkutan tiefenwirksame,
saponinhaltige Roßkastaniensamenextrakte in handelsüblicher Form sind bisher nicht
bekannt. Die Erfindung stellt sich deshalb zur Aufgabe, ein Verfahren zur Herstellung
von perkutan anwendbaren, haltbaren Extrakten aus dem Samen der Roßkastanie zu schaffen,
die sich zu vielseitiger Verwendung eignen.
-
Es wurde nun gefunden, daß man die Diffundierfähigkeit der unter
Beschränkung des Wassergehalts aus Roßkastaniensamen extrahierbaren Wirkstoffe durch
semipermeable Membranen, insbesondere lebende Haut, dadurch wesentlich erhöhen kann,
daß als Extraktionsmittel ein Gemisch von Propylenglykol oder Glycerin oder 1,3-Butylenglykol
und wasserhaltigem Äthanol oder Isopropanol, besonders ein Gemisch aus 10 0/, Propylenglykol
und 90 O/o 700/,dem Isopropanol verwendet wird. Roßkastanienextrakte, die weitgehend
frei von wasserlöslichen Ballaststoffen sind und derartige Flüssigkeiten enthalten,
zeigen eine ganz überraschend starke, perkutane Tiefenwirkung hinsichtlich ihrer
an sich bekannten Wirkungen; z.B. wird ein schnelles Verschwinden der unschönen,
hautdurchschimmernden Adern (der sogenannten Besenreiser) festgestellt. Weiterhin
wird eine ebenfalls kosmetisch sehr erwünschte Straffung der Haut erzielt.
-
Ferner werden manche stark belästigenden Hautunreinheiten (z. B. Akne
vulgaris) überraschend schnell zum Verschwinden gebracht, und auch die bekannten
therapeutischen
Wirkungen werden bei äußerlicher Anwendung in ganz überraschend schneller und tiefgreifender
Weise ermöglicht.
-
Es hat sich als sehr zweckmäßig erwiesen, bei der erfindungsgemäßen
Extraktion der Roßkastaniensubstanz, die nach üblichen Methoden, z. B. Entschaltung
und/oder Zerschnitzelung und/oder Trocknung und/oder Entfettung und/oder Feinvermahlung,
vorbehandelt sein kann, den Wassergehalt im Extraktionsmedium derart zu beschränken,
daß der Extrakt praktisch eiweiß- und gerbstofffrei bleibt.
-
Hierbei ist es besonders günstig, daß das Propylenglykol usw. ein
außerordentlich hohes Lösungsvermögen für die in Betracht kommenden Wirkstoffe,
in erster Linie das Saponin, sowie für die Flavonole und Phosphatide besitzt, jedoch
die unerwünschten Begleitstoffe nur sehr wenig löst.
-
Die überraschende Tatsache, daß Roßkastaniensamenextrakte mit einem
Gehalt an Propylenglykol, Glycerin oder 1,3-Butylenglykol eine erhöhte Diffundierbarkeit
besitzen, kann man nicht nur daraus erkennen, daß eine erstaunliche transkutane,
therapeutische Tiefenwirkung gefunden wird, sondern sie ist auch durch Laboratoriumsversuch
festzustellen.
-
Es ist nämlich bekannt, daß man zur Entfernung
störender freier Zucker
u. dgl. die Dialyse der wäßrigen Lösungen von Roßkastanienextrakten anwenden kann
(vgl. deutsche Auslegeschrift 1 034 816, Spalte 2, Zeilen 30 bis 32). Man macht
hier von den kolloidalen Eigenschaften der wäßrigen Lösungen der Saponine Gebrauch.
Wenn man jedoch die Dialyse unter Zusatz von Propylenglykol durchführt, findet man,
daß auch Saponin dialysiert.
-
Daß das Propylenglykol bei seiner erfindungsgemäßen Benutzung nicht
etwa nur die bekannte Funktion als Lösungsvermittler ausübt, geht aus dem nachstehenden
Dialysierversuchen hervor, bei denen neben Aescin zwei in Propylenglykol gut lösliche
Substanzen, nämlich Tannin und Dextrose, als Vergleichsmaterial herangezogen wurden.
-
Als Membran diente Dialysierschlauch aus mattem Cellophan der Firma
Kalle AG mit einer Flachbreite von 26 bis 29 mm.
-
Es wurden jeweils 150 mg Substanz in 15 ml Wasser bzw. Propylenglykol
gelöst, in den Schlauch gefüllt und 1 Stunde gegen 25 ml Wasser dialysiert, wobei
die Apparatur zwecks Durchmischung alle 15 Minuten geschüttelt wurde. In der nachstehenden
Tabelle sind die Gewichtsmengen an dialysierter Substanz angegeben:
Von 150mg Substanz, | Von 150 mg Substanz, |
in je 15 ml Wasser gelöst, in je 15 ml Propylenglykol gelöst, |
dialysierten dialysierten |
Tannin |
Erster Versuch 5,5 mg 1,7 mg |
Zweiter Versuch 7,3 mg 2,0 mg |
Dextrose |
Erster Versuch 31,0 mg 9,1 mg |
Zweiter Versuch 29,2 mg 8,9 mg |
Aescin |
Erster Versuch 32 y 72 y |
Zweiter Versuch 36 y 72 y |
Die je 150 mg Aescin waren enthalten in 1,66 g Trockenextrakt.
-
Während Propylenglykol die Diffusion von Tannin und Dextrose auf
ein Drittel bis ein Viertel herabsetzt, bewirkt es bei dem erfindungsgemäßen »Aescinkomplexe
eine Verdoppelung der Dialysierfähigkeit.
-
Zur näheren Erläuterung seien einige Beispiele zur Herstellung der
erfindungsgemäßen, saponinhaltigen Roßkastanienextrakte angeführt.
-
Beispiel I 100 g trockenes, mit CCl4 entfettetes Roßkastaniensamenmehl
wird mit 500 ml einer Mischung aus 100/o Propylenglykol und 90 °/0 700/,dem Isopropanol
2 bis 4 Stunden lang im Rührwerk extrahiert und dann abgesaugt. Es werden 480 ml
Filtrat mit etwa 25 g Trockensubstanz erhalten. Die Trockensubstanz enthält 12°/o
Aescin.
-
Die so gewonnene, schwach gelbbräunliche Lösung läßt sich für therapeutische
oder kosmetische Zwecke auf die Haut auftragen und hinterläßt nach kurzem Einreiben
eine nur kurzzeitig klebrige und bald verschwindende Schicht.
-
Wie bereits gesagt, lassen sich an Stelle des Propylenglykols, wenn
auch weniger wirksam, 1,3-Butylen-
glykol oder Glycerin verwenden, die therapeutisch
verträglich sind und daher die kosmetische und therapeutische Anwendung solcher
erfindungsgemäß zusammengesetzter Roßkastanienextrakte ermöglichen.
-
Beispiele II und III Bei diesen Beispielen wurden je 100 g Kastaniensamenmehl
aus geschälten Kastaniensamen mit einem Wassergehalt von nicht mehr als 50/o im
Becherglas mit dem Extraktionsmittel übergossen und unter gelegentlichem Umrühren
3 Stunden lang bei Raumtemperatur stehengelassen. Anschließend wurde das Gemisch
abgesaugt und der gewonnene Extrakt auf Trockensubstanz- und Aescingehalt untersucht.
Die Untersuchung auf den in üblicher Weise in HJ-Einheiten ausgedrückten Aescingehalt
wurde nach der Büschi-Methode, jedoch mit gewaschenen Erythrocvten an Stelle des
von B ü s c h i verwendeten. serumhaltigen Blutes bestimmt. Die bei den beiden Versuchen
verwendeten Extraktionsmittel und die Ausbeutezahlen sind in der nachstehenden Tabelle
angegeben.
-
Die Extrakte lassen sich gemäß Beispiel I zu therapeutisch oder kosmetisch
verwendbaren Lösungen usw. verarbeiten.
-
Extraktionsversuche von Kastaniensamenmehl (auf 100 g)
Ausbeute 0 r Ausbeute an |
Extraktionsmittel Extraktmenge Trockensubstanz- Trockenextrakt |
gehalt mit HJ 50000 |
II. Äthanol (700/0in) + 10 Volumprozent |
Propylenglykol ............................. 450 ccm 7,1 0/o
30 O/o |
[II. Isopropanol (70%ig) + 10 Volumprozent |
Propylenglykol ............................. 324 ccm 8,0 0/o
28 ovo |
Die erfindungsgemäßen, propylenglykolhaltigen Roßkastaniensamenextrakte besitzen
im Gegensatz zu gleichartig hergestellten, aber propylenglykolfreien Roßkastaniensamenmehlextrakten
die überraschende Eigenschaft, daß sie bei der Ultrafiltration durch Cellophanmembran
einen höheren Aescingehalt im Filtrat ergeben.
-
Der Einfluß des Propylenglykols auf den im Extrakt vorhandenen Aescinkomplex
äußert sich auch in der Beeinflussung der Reaktion zwischen Aescin und Cholesterin.
Bekanntlich bilden Saponine mit Cholesterin Additionsverbindungen, die unlöslich
sind und sich in Lösung schnell bilden. Setzt man jedoch der Saponinlösung Propylenglykol
zu, so tritt unter sonst gleichen Bedingungen eine wesentlich verzögerte und auch
geringfügigere Niederschlagsbildung auf.
-
Ausgedehnte dermatologische und klinische Untersuchungen haben gezeigt,
daß die erfindungsgemäßen propylenglykolhaltigen Roßkastanienextrakte unter anderem
zur Behandlung folgender kosmetischer Hautmängel und folgender Krankheiten indiziert
sind: Kosmetische Hautmängel: Schlaffe und/oder faltige Haut, Hautverunreinigungen,
sogenannte Besenreiser, d. h. durch die Haut rötlich oder bläulich durchscheinende
Äderchen.
-
Dermatologische Mängel: Ulcus cruris, Varicosis, chronische Thrombophlebitis
mit akuten Schüben, auf Venenschädigungen beruhende Ödeme, traumatische Ödeme und
Haematome, Akne vulgaris, Myogelosen, Kniegelenkarthrosen und weitere Störungen
und Leiden des körperlichen Stütz- und Bindegewebsapparates. in allen Fällen wird
der erfindungsgemäße Extrakt nur äußerlich, z. B. in Form von Einreibungen, Packungen
und sonstigen Behandlungsweisen angewendet.
-
Die zur Einreibung in die Haut bestimmten Lösungen werden zweckmäßig
in Konzentrationen mit etwa 50/o Extrakttrockengehalt angesetzt, und je nach Indikation
in Mengen von 2 bis 20 ccm ein oder mehimals täglich angewendet. Auch Lösungen mit
höherem Trockengehalt können verwendet werden, sind aber bei Einreibungen wegen
der weniger leichten Verteilung und Dosierung auf der Haut nicht so sehr
bevorzugt.
Bei Ansatz von Bädern werden geringere und bei Packungen mit Depotwirkung höhere
Konzentrationen bevorzugt. Die Extrakte können auch mit anderen Wirkstoffen kombiniert
werden.
-
Konzentrationsbeschränkungen und Gefahren, die der sonst üblichen
oralen und insbesondere parenteralen Anwendung von Saponinen eine Grenze setzen,
werden durch die erfindungsgemäßen Extrakte praktisch vermieden. Die Unbedenklichkeit
der transkutanen Anwendung des erfindungsgemäßen Roßkastaniensamenextraktes ist
um so überraschender, als Saponine, wenn sie durch Injektion subkutan appliziert
werden, bösartige Nekrosen erzeugen. Die Saponine sind an sich toxisch, und die
Unempfindlichkeit der Haut gegen wäßrige Saponinlösungen ist nur darauf zurückzuführen,
daß die Epidermis der Haut eine Schranke gegen den Durchtritt der Saponine aus wäßriger
Lösung darstellt. Bei dem ungeschützten Epithel der Schleimhautzelle zeigen sich
schon bei sehr geringen Konzentrationen Hautreizungen und in etwas höheren Konzentrationen
starke Schäden.
-
Es war also nicht nur überraschend, daß durch die erfindungsgemäßen
Zusätze die Hautepidermisschranke für den Saponinkomplex in so hohem Maße ilberwindbar
gemacht werden konnte, sondern noch erstaunlicher ist die reizlose Verträglichkeit.
Deshalb lag auch die Stellung der Aufgabe, hautdurchdringende Saponinextrakte herzustellen,
durchaus nicht nahe.
-
Die therapeutische Reaktion zwischen den Substanzen des erfindungsgemäßen
Roßkastaniensamenextraktes und der Haut sowie dem darunterliegenden Bindegewebe
ist zur Zeit noch nicht völlig erklärbar.
-
Wahrscheinlich dürfte aber die weiter oben geschilderte Hemmung bzw.
Mäßigung der Umsetzung zwischen Saponin und Cholesterin eine Rolle spielen. Es scheint
eine einschleichende Tiefenwirkung unter Vermeidung von lokalen Überhöhungen der
Wirkstoffkonzentration einzutreten. Außerdem dürften zumindest die im erfindungsgemäßen
Extrakt vorhandenen Phosphatide ebenfalls an den physiologischen Vorgängen beteiligt
sein.