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Flotationsmittel zum Klären von Papierfasern enthaltenden Abwässern
Bei der Papierherstellung ist es von großer wirtschaftlicher Bedeutung, die in das
Betriebswasser geratenen Papierfasern wieder zurückzugewinnen. Als gebräuchliche
Verfahren hierfür sind vor allem die Sedimentation und Flotation zu nennen. Dabei
kommt der Flotation die größere Bedeutung zu, weil zur Sedimentation wesentlich
größere Anlagen und damit größere Wassermengen erforderlich sind und zudem die Sedimentation
erheblich mehr Zeit beansprucht. Da die Flotation aus diesen Gründen Fabrikationsumstellungen
erleichtert, ist sie für Betriebe mit häufigem Papiersortenwechsel, insbesondere
beim Wechsel gefärbter Sorten, das unumgängliche Verfahren.
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In der Technologie der Papierfabrikation ist deshalb die Entwicklung
geeigneter Flotationsanlagen und -verfahren ein vordringliches Problem. Außer einer
zweckmäßigen Wasserführung und einer wirksamen Luftzuteilung sind für den Erfolg
der Flotation insbesondere die Flockungschemikalien maßgebend. Als solche, die Flockung
bewirkende Mittel verwendet man bisher neutrale, saure und alkalische anorganische
Stoffe, z. B. Kieselgur, kolloidale Kieselsäure, Kalk und Alaun, sowie anionische,
kationische, amphotere und nichtionogene organische Stoffe, wie grenzflächenaktive
Sulfonsäuren und Carbonsäuren, und Verbindungen, die Amino-, Imino- und quartäre
Aminogruppen oder Polyoxyalkylenketten enthalten. Die genannten Gruppen können einfach
oder mehrfach in einem Molekül vorhanden sein, so daß als Flotationsmittel auch
hochpolymere wasserlösliche Verbindungen wie Polyvinylimidazol, Polyacrylamid, Polyäthylenimin,
Polykondensate aus Polyaminen und Umsetzungsprodukte von Epichlorhydrin mit Aminogrnppen
enthaltenden Polykondensaten sowie Polyvinylamine und Polyvinylammoniumverbindungen
und ferner natürliches oder chemisch modifiziertes Eiweiß in Betracht kommen. Die
genannten Stoffe können für sich allein öder im Gemisch angewandt werden.
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Es wurde nun gefunden, daß man die Papierfasern aus dem Betriebswasser
der Papiermaschinen durch Flotation besonders schnell und wirtschaftlich zurückgewinnen
kann, wenn man als Flotationsmittel ionische, vorzugsweise anionische oberflächenaktive
Verbindungen in Kombination mit wasserlöslichen kationischen Mischpolymerisaten
verwendet, deren Aufbauelemente Acrylamid und/oder Methacrylamid und Vinylmonomere
der allgemeinen Formel
sind, in der R Wasserstoff oder eine niedere Alkylgruppe, Q eine quartäre Ammoniumgruppe
und Y das Äquivalent eines Anions ist, z. B. die Sulfat- oder Methylsulfatgruppe.
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Besonders wirksame kationische Mischpolymerisatc sind solche, die
mindestens 10 Molprozent der quartären Verbindung enthalten und deren K-Wert größer
als 100 ist. Vorteilhafte Ergebnisse erhält man im allgemeinen dann, wenn man die
anionische und die kationische Komponente in ungefähr den gleichen molaren Mengen
zusetzt. Als anionische oberflächenaktive Verbindungen (anionische Komponenten)
eignen sich solche, deren Anion einen stark hydrophoben Molekülteil aufweist. Genannt
seien z. B. einfache Fettseifen, Netzmittel und Detergentien wie Dodecylbenzolsulfonat,
Ricinolsulfonat, Alkylnaphthalinsulfonat, Alkylsulfonate, Produkte, die man durch
Sulfitierung von ungesättigten Fettsäureestern erhält, Fettalkoholsulfonate, Fettsäurederivate,
die anionische Gruppen enthalten, wie ein Kondensat aus Fettsäurechlorid und Methyltaurin,
und anionische Gruppen enthaltende
Polyoxalkylierungsprodukte.
Vorzugsweise verwendet man als anionische Komponenten Harzseifen.
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Auch amphotere oberflächenaktive Verbindungen, z. B. Betaine von Aminofettsäuren,
lassen sich für das erfindungsgemäße Verfahren verwenden, ebenfalls kationische
oberflächenaktive Verbindungen, wie die Invertseifen, wenn auch nicht mit so gutem
Erfolg wie die anionischen Verbindungen.
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Die kationischen Mischpolymerisate (Acrylamid-Mischpolymerisate) der
genannten Art können z. B. 1 bis 99 °/o Acrylamid, 1 bis 99 % Methacrylamid
und 1 bis 80°/o des quartären Monomeren, wie N,N,N-Diäthyl-methylmethacrylamidomethylenammoniummethylsulfat,
enthalten. Für sich allein angewendet, d. h. nicht in Kombination mit den ionischen
oberflächenaktiven Verbindungen, bewirken diese Mischpolymerisatelediglich eine
Flockung mit anschließender Sedimentation.
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Bei dem eigentlichen Flotationsprozeß geht man wie üblich vor; dabei
ist es in der Regel nicht erforderlich, bei Zugabe der genannten Komponenten eine
bestimmte Reihenfolge einzuhalten, jedoch kann es vorteilhaft sein, die Flotationsmittel
nicht auf einmal, sondern in mehreren Portionen zuzugeben. Man verwendet zweckmäßigerweise
ungefähr gleiche Gewichtsmengen der anionischen Komponente und des Acrylamid-Mischpolymerisats,
und zwar im allgemeinen je 0,001 bis 5 °/o, bezogen auf den Faserstoff. Sind ausreichende
Mengen des Acrylamid-Mischpolymerisats vorhanden, so kann man eine spontane Flotation
dadurch erzielen, daß man einen Überschuß der anionischen Komponente, etwa bis zu
50"/" bezogen auf den Faserstoff; verwendet. Im übrigen wird man jedoch von Fall
zu Fall, d. h. je nach Flotationsanlage und je nach dem abzutrennenden Fasermaterial,
die optimalen Bedingungen ermitteln müssen; außerdem richtet - sich die aufzuwendende
Menge an Flotationsmittel nach der Oberfläche, d. h. nach dem Vermahlungsgrad der
Papierfasern. So kommt man z. B. mit einer geringeren Menge an anionischen Komponenten
aus, wenn es sich um Fasern geleimter Papiersorten handelt, da diese Sorten ohnehin
schon Harzseifen enthalten. In manchen Fällen kann die Mitverwendung weiterer Stoffe
vorteilhaft sein; z. B. begünstigten oberflächenaktive Verbindungen, die durch Metallionen
nicht fällbar sind, im stark sauren Bereich die Flotation. Wertvolle Hinweise zum
Auffinden dieser günstigen Bedingungen werden in der umfangreichen Tabelle der Ausführungs-
; beispiele gegeben. Das erfindungsgemäße Verfahren zeigt innerhalb der in der Praxis
vorkommenden Temperaturen keine erkennbare Temperaturabhängigkeit; ebenso ist es
vom pH-Wert praktisch unabhängig. Es gestattet die wirkungsvolle Flotation aller
cellulosehaltigen Qebleichten oder ungebleichten Papierfasern, auch wenn sie den
Prozeß der Papierfabrikation bereits öfter durchlaufen haben, und unabhängig von
der Gegenwart anderer Stoffe, wie Stärke und Eiweiß. Auch rohes Fasermaterial, das
nicht auf chemischem Wege aufgeschlossen worden ist, z. B. Holzschliff, Torf, Gras
und Stroh, läßt sich nach der erfindungsgemäßen Methode gut flotieren. Der Flotationsprozeß
dauert dabei in fast allen Fällen, insbesondere bei Verwendung eines Überschusses
an der anionischen Komponente, nicht länger als 60 Sekunden, ein Vorteil, der um
so überzeugender ist, als beispielsweise nach der deutschen Auslegeschrift 1 094
570 die Flotation wesentlich mehr Zeit erfordert.
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Beispiele In den zum Teil tabellarisch aufgeführten Beispielen wurde,
falls nicht anders angegeben, eine bestimmte Menge Fasern oder Faserschleim in einem
Standzylinder in 1 1 Wasser suspendiert und unter Zugabe der angegebenen Mengen
ionogener Mittel bei Normaldruck flotiert. Dabei wurde die Luftverteilung durch
Aufwirbelung herbeigeführt. Die Reihenfolge der Zugabe läuft in den Tabellen in
der Regel von links nach rechts. Im abweichenden Falle geben in Klammern gesetzte
Zahlen die gültige Reihenfolge an.
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Es bedeutet spontane Flotation = 100°/oige Flotation in weniger als
15 Sekunden, rasche Flotation == 100°/oige Flotation in 15 bis 60 Sekunden, vom
Ende der Luftaufwirbelung an gerechnet.
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Der benutzte Faserschleim wurde durch Mahlung eines ungebleichten
Sulfitzellstoffes im Rieth-Holländer erhalten. »Faserschleim 16« bedeutet, daß ungebleichter
Sulfitzellstoff 16Stunden gemahlenwurde; entsprechend wurde »Faserschleim 32« 32
Stunden lang gemahlen. Die Abkürzungen in den Beispielen bedeuten: a = 50°/0 oxyoctadecansulfonsaures
Natrium =- 50°/p octadecensulfonsaures Natrium, b = oxäthyliertes Ricinusöl (Molverhältnis
Ricinusöl zu Äthylenoxyd -= 1 : 40 bis 42), c = dibutylnaphthalinsulfonsaures Natrium,
d = Kondensationsprodukt aus Ölsäurechlorid und Methyltaurin, A = Mischpolymerisat
aus 70 Teilen Acrylamid und 30 Teilen Diäthylmethyl-methacrylamidomethylenammoniummethylsulfat,
B = Mischpolymerisat aus 60 Teilen Acrylamid und 40 Teilen Trimethyl-methacrylamidomethylenammoniummethytsulfat,
C = Mischpolymerisat aus 25 Teilen Acrylamid, 25 Teilen Methacrylamid und 50 Teilen
Dipropylmethyl-methacrylamidomethylenammoniurnmethylsulfat, D = Mischpolymerisat
aus 60 Teilen Methacrylamid und 40 Teilen Diäthylmethyl-methacrylamidomethylenammoniummethylsulfat.
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In den Beispielen 28 bis 39 diente als Maß für die Flotations- und
Kläreffekte die Resttrübung der Klarwasserzone nach der Flotation, gemessen in L
= Lichtdurchlässigkeitin°/o(MeßinstrumentElkoIII, 5-cm-Küvette, Filter S 59 E).
Man erkennt den höheren Bedarf an Flockungsmittel des stärker ausgemahlenen Schleimes.
Die kationische Komponente wurde in den Beispielen 28 bis 30 und 34 bis 36 auf einmal
zugegeben; danach wurde einmal aufgewirbelt. In den Beispielen 31 bis 33 und 37
bis 39 wurde dagegen die kationische Komponente stufenweise in Anteilen von 5 mg
dosiert; nach jeder Dosierung wurde zehnmal aufgewirbelt. Die mehrfache Aufwirbelung
sowie die stufenweise Dosierung bringen eine bessere Klärung. Daran ist zu erkennen,
daß die nach dem Verfahren gewonnene Flotationsflocke stabil gegen mechanische Einwirkungen
ist.
Nr. Faserstoff Anionische Komponente Säure Alaun, Kationische
pH Effekt |
Alkali Komponente |
1 180 mg Faserschleim 16 - - 5 mg A o Sedimentation |
2 180 mg Faserschleim 16 40 mg b - - 0 Sedimentation |
3 180 mg Faserschleim 16 50 mg Harzseife - 5 mg A 0 spontane |
Flotation |
4 180 mg Faserschleim 16 50 mg Seife - 5 mg A 0 spontane |
Flotation |
5 180 mg Faserschleim 16 35 mg paraffinsaures Na- - 5 mg A
0 spontane |
trium (C12 bis Cl.) Flotation |
6 180 mg Faserschleim 16 40 mg a - 5 mg A 0 spontane |
Flotation |
7 180 mg Faserschleim 16 50 mg Harzseife 50 mg Alaun 5 mg A
4,8 rasche Flotation |
8 1000 mg Holzschliff 100 mg Harzseife - 10 mg A 6,9 rasche
Flotation |
1000 mg ungebleichtes 50 mg Harzseife - 5 mg A 7,0 spontane |
Natron Flotation |
10 1000 mg ungebleichtes 50 mg Harzseife - 5 mg A 6,8 spontane |
Sulfit Flotation |
11 1000 mg gebleichtes 50 mg Harzseife - 5 mg A 7,2 spontane |
Sulfit Flotation |
12 100 mg Druckstampf 50 mg Harzseife - 5 mg A 6,9 spontane |
Flotation |
13 100 mg Druckstampf 50 mg Harzseife 50 mg Alaun 5 mg A 4,7
rasche Flotation |
14 1000 mg gebleichter 50 mg Harzseife - 5 mg A 7,2 spontane |
Strohzellstoff I Flotation |
15 1000 mg gebleichter 35 mg paraffinsulfon- 50 mg Alaun 5
mg A 4,6 spontane |
Strohzellstoff saures Natrium Flotation |
(C12 bis Cls) |
16 500 mg gebleichtes Sulfit 35 mg paraffinsulfon- 13 ccm n-HCl
5 mg A 3,8 rasche Flotation |
saures Natrium |
(C12 bis Cl.) |
17 500 mg gebleichtes Sulfit 35 mg paraffinsulfon- 3 ccm n-NaOH
5 mg A 11,3 rasche Flotation |
saures Natrium |
(C12 bis Cls) , |
18 500 mg gebleichtes Sulfit 50 mg Türkischrotöl - 5 mg B 6,3
spontane |
Flotation |
19 500 mg gebleichtes Sulfit 50 mg sulfitisches Spermöl - 5
mg B 6,3 rasche Flotation |
20 200 mg Faserschleim 16 40 mg c - 5 mg B 6,6 spontane |
Flotation |
21 200 mg Faserschleim 16 40 mg c 50 mg Alaun 5 mg B 4,8 spontane |
Flotation |
22 200 mg Faserschleim 16 1 mg c - 5 mg C 6,7 20 °/o Flotation |
in 60 Sekunden |
23 200 mg Faserschleim 16 2,5 mg c - 5 mg C 6,5 60°/o Flotation |
in 60 Sekunden |
24 200 mg Faserschleim 16 5 mg c - 5 mg C 6,5 100 °/o Flotation |
in 10 Sekunden |
25 200 mg Faserschleim 16 5 mg c - 1,2 mg C 6,6 23
% Flotation |
in 30 Sekunden |
26 200 mg Faserschleim 16 5 mg c - 1,4 mg C 6,8 44°/a Flotation |
in 30 Sekunden |
27 200 mg Faserschleim 16 5 mg c - 1,6 mg C 7,0 63 °/a Flotation |
in 30 Sekunden |
28 200 mg Faserschleim 16 5 mg c - 5 mg C 7,2 L = 55,5 °/o |
Nicht gemessen. |
Nr. Faserstoff Anionische Komponente Säure, Alaun, Kationische
pH Effekt |
Alkali Komponente |
29 200 mg Faserschleim 16 5 mg c - 10 mg C 6,8 L = 69,0°/o |
30 200 mg Faserschleim 16 5 mg c - 15 mg C 6,9 L = 69,00/0 |
31 200 mg Faserschleim 16 5 mg c - 5 mg C 7,0 L = 63,00/0 |
32 200 mg Faserschleim 16 5 mg c - 10 mg C 6,7 L = 79,00/0 |
33 200 mg Faserschleim 16 5 mg c - 15 mg C 6,7 L = 88,50/0 |
34 200 mg Faserschleim 32 5 mg c - 5 mg C 6,5 L = 26,2°/o |
35 200 mg Faserschleim 32 5 mg c - 10 mg C 6,6 L = 35,50/0 |
36 200 mg Faserschleim 32 5 mg c - 15 mg C 6,5 L = 43,7°/o |
37 200 mg Faserschleim 32 5 mg c - 5 mg C 6,7 L = 34,5 0/0 |
38 200 mg Faserschleim 32 5 mg c - 10 mg C 6,6 L = 56,0°/o |
39 200 mg Faserschleim 32 5 mg c - 15 mg C 6,8 L = 70,5°/0 |
40 200 mg Faserschleim 32 30 mg d - 5 mg D 6,9 spontane |
Flotation |
41 200 mg Faser- 30 mg d (3) - 5 mg D 6,8 spontane |
schleim 32 (1) (2) Flotation |
Beispiel 42 5 g gebleichter Sulfitzellstoff mit einem Mahlgrad von 37° SR wurden
in 1000 ccm Wasser in einem Meßzylinder suspendiert und danach mit l0/0 Harz (als
Harzleim) und 0,8 0/0 D versetzt. Es tritt von unten her Klärung mit folgender Geschwindigkeit
ein: 15 Sekunden . . . . . . . . . . 100 ml Klarwasser 28 Sekunden .......... 200
ml Klarwasser 42 Sekunden .......... 300 ml Klarwasser 65 Sekunden . . . . . . .
. . . 400 ml Klarwasser Nach Eingießen der flotierten Fasern in 8 1 Wasser waren
dieselben nach 5 Minuten wieder vollständig flotiert.
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Beispiel 43 Es wurde ein Papier aus folgenden Rohstoffen hergestellt:
65 0/0 gebleichter Sulfitzellstoff, 35 0/0 gebleichter Sulfatzellstoff.
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Das Zellstoffgemisch wurde auf 40° SR ausgemahlen. Ferner wurden die
folgenden Mengen Zusatzstoffe, bezogen auf Faserstoff, eingetragen: 15 0/0 Kaolin,
0,005 0/0 Äthylviolett, 2,0 0/0 Na-Abietenat, 4,0 0l0 Alaun. Das Abwasser hatte
einen Feststoffgehalt von 0,9 g/1 (Verbrennungsrückstand 300/0). Nach Zugabe von
0,050/0 C trat Flotation innerhalb von 5 Minuten ein. Ohne Zusatz zeigte der Feststoffanteil
eine langsame Sedimentation.