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Polyesterformmassen Es ist bekannt, daß Formmassen aus ungesättigten
Polyestern bei ihrer Verwendung als Gießmassen in besonderem Maße die nachteilige
Erscheinung des sogenannten Schrumpfes zeigen, d. h. beim Härten ihr Volumen verringern
und gleichzeitig ihre Dichte erhöhen. Durch diese Volumenverringerung werden mehrere
ungünstige Erscheinungen ausgelöst. Es kann zu inneren Spannungen und damit zu Verformungen
und Rißbildungen, auf jeden Fall jedoch zu Ablösungserscheinungen von der Wand der
vergossenen Hohlräume und zu einer Kompression eingebetteter Teile kommen.
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Man hat versucht, diese Erscheinung vornehmlich durch Füllstoffe
zu bekämpfen, und kann sie tatsächlich, beispielsweise durch Abmischen aktiver ungefüllter
Formmassen mit Mineralmehl, in ihrem Ausmaß beträchtlich verringern. Während man
für eine aktive ungefüllte Formmasse einen Schrumpf von etwa 8 bis 11 0/o rechnen
kann, sinkt die Volumenverringerung für eine Abmischung aus 1 Teil der ungefüllten
Formmasse und 1 Teil Quarzmehl auf 5 bis 6 °/0 ab. Leider ist auch dieser Wert noch
zu hoch.
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Es ist ferner bereits bekannt, Formmassen aus einer Mischung von
aromatischen Vinylverbindungen und kautschukartigen Polymeren mit einem Zusatz von
ungesättigten Polyestern herzustellen. Es handelt sich hierbei um überwiegend aus
Poystyrol aufgebaute Homopolymerisate, denen nur eine kleine Polyestermenge als
Starthilfe für die Polymerisation zugesetzt wird. Der verhältnismäßig große Polymerenanteil
dient als Weichmacher und Entsprödungsmittel. Bei diesen Formmassen beträgt aber
selbst bei einem Anteil von nur 50 Gewichtsprozent Polystyrol und bei Vermeidung
einer großen Temperaturbelastung der Schrumpf noch ungefähr 7 O/o, wodurch ihre
Maßgenauigkeit und Rißsicherheit beim praktischen Einsatz erheblich beeinträchtigt
wird.
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Es wurden nun durch Wärme zu Formteilen härtbare Formmassen aus ungesättigten
Polyestern, daran anpolymerisierbaren flüssigen, ungesättigten Monomeren, Füllstoffen
sowie kautschukartigen polymeren Kohlenwasserstoffen gefunden. Diese Formmassen
sind dadurch gekennzeichnet, daß sie mindestens 15 Gewichtsprozent ungesättigte
Polyester, mindestens 25 Gewichtsprozent übliche ungesättigte anpolymerisierbare
Monomere und 2 bis 6 Gewichtsprozent kautschukähnliche Polymere des Butadiens und/oder
entsprechender Abbauprodukte technischer Kautschuke, gegebenenfalls in Form von
Lösungen oder Emulsionen in Monomeren mit mindestens 100/o Feststoffgehalt, sowie
40 bis 60 Gewichtsprozent übliche anorganische Füllstoffe enthalten.
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Erfindungsgemäß verwendet werden bevorzugt solche Formmassen, die
als kautschukähnliche Polymere Polyvinylester enthalten.
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Kautschukähnliche Polymere des Butadiens oder entsprechende Abbauprodukte
technischer Kautschuke sind insbesondere niedermolekulare Synthesekautschuke oder
ihnen nahestehende Stoffe. Einige andere Polymere, wie beispielsweise die erwähnten
Polyvinylester oder stark abgebauter Naturkautschuk, sind ebenfalls brauchbar.
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Gute Ergebnisse wurden mit niedermolekularen Butadienpolymerisaten
(Molgewichte etwa 30 000) und stark abgebauten löslichen Neoprenprodukten erzielt.
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Mit den erfindungsgemäßen Formmassen, die als besonders wertvolle
Eigenschaft nur einen geringen oder überhaupt keinen Schwund aufweisen, kann man
technische Probleme lösen, die bisher wegen des Schrumpfes nicht gelöst werden konnten,
wie z. B. das Einbetten größerer Teile, das nahtlose Vergießen von Hohlräumen, das
Ausfüllen von Fugen.
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Das Aussehen der erfindungsgemäßen Produkte ändert sich beim Aushärten
durch Ausbildung einer weiteren Phase äußerlich dahin, daß eine Trübung und damit
verbunden eine Farbaufhellung auftritt, und zwar um so stärker, je höher der Zusatz
ist.
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Auch tritt verständlicherweise eine Abnahme der Festigkeit ein. Diese
spielt aber keine erhebliche Rolle, sofern die erfindungsgemäßen Formmassen in dickeren
Schichten zum Abdecken und Einhüllen anderer Gegenstände oder zum Ausgießen von
Hohlräumen benutzt werden. Die Festigkeit ist für diese Zwecke noch hinreichend
groß. Dafür werden aber, namentlich bei der Verwendung von niedermolekularen Butadienpolymerisaten,
die elektrischen Isolationswerte, namentlich in der Feuchtigkeit, wesentlich verbessert
und die Empfindlichkeit gegen-
über Wasser ganz erheblich vermindert,
besonders dann, wenn wasserunempfindliche Füllstoffe, z. B.
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Quarzmehl, verwendet werden. Die Festigkeit der Massen kann wie üblich
- allerdings auf Kosten der Fließ- und Gießfähigkeit - durch den Zusatz von Glas-
oder Asbestfasern verbessert werden.
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Die erfindungsgemäßen Massen eignen sich besonders gut zum Eingießen
von Wicklungen, Spulen, Widerständen und komplizierten Schaltteilen oder Geräten,
an denen gewöhnliche gefüllte Polyesterformmassen wegen ihrer immer noch beträchtlichen
Neigung zur Rißbildung scheitern.
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Beispiel 1 150 Teile einer ungesättigten Polyesterformmasse, frei
von Fettsäuren und mit einem Styrolanteil von 330/0, werden mit einer Auflösung
von 20 Teilen eines Polybutadiens (M = etwa 35 000) in 65 Teilen eines Gemisches
aus gleichen Teilen Styrol und Vinyltoluol auf einem Schnellmischer verquirlt und
in die sich bildende Mischung 20 Teile Maleinsäuretriglykol-diallylester, 5 Teile
Aconitsäuretriallylester und 5 Teile Acrylnitril eingetropft. Es entsteht eine etwas
trübe, jedoch ziemlich beständige Emulsion.
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In diese rührt man weiterhin nacheinander 100 Teile Talkum, 33 Teile
einer 3 mm langen alkalifreien Glasfaser und 100Teile feinstes Quarzmehl ein. Es
entsteht eine gelblichgraue, noch gut fließfähige Mischung.
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200 Teile dieses Gemisches werden mit 4 Teilen einer 500/0eigen Auflösung
von Anonperoxyd in Anon gut vermischt und dann mit 1 Teil einer 30/0eigen Kobaltnaphthenatlösung
sorgfältig vermengt. Der Inhalt wird in geeichte Meßgläser gefüllt und geliert dort
innerhalb einiger Stunden. Nach erfolgter Verfestigung werden die als Formen dienenden
Gläser in einen Trockenschrank gebracht und dort während einiger Stunden bei 120"C
nachgetempert. Die Gläser werden dabei sämtlich gesprengt, als Folge der einsetzenden
Volumvergrößerung. Die Formteile behalten glatte, ansehnliche Oberflächen, die sich
etwas gelblich verfärben. Nach dem Erkalten zeigt ein genauer Vergleich, daß im
Endeffekt ein Volumschwund von der Größenordnung höchstens 1 bis 2 Volumprozent
eingetreten ist. Verwendet man die gleiche Abmischung, jedoch ohne das Butadienpolymerisat,
so tritt ein meßbarer Schwund von mindestens 6 bis 80/o auf. Die Formteile zeigen
auch bei hohen Temperaturen von etwa 160 bis 180"C keine Neigung zum Erweichen.
Längeres Nachtempern bei 120"C ändert an dem geringen Volumschwund praktisch nichts,
ein Nachschwund tritt nicht ein.
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Beispiel 2 120 Teile einer aktiven, ungesättigten Polyesterformmasse
einer fettsäurefreien und etwas diglykolhaltigen Type, Styrolanteil 330/o, werden
mit 48 Teilen Styrol, 16 Teilen darin gelösten Butadienpolymerisates (s. Beispiel
1), 16 Teilen Maleinsäure-diallylester, 8 Teilen Maleinsäure-triglykol-diallylester,
4 Teilen Divinylbenzol zu einer Emulsion verrührt. In diese Emulsion werden 10 Teile
einer 500/0eigen Lösung von Tertiärbutylperbenzoat (in Dimethylphthalat) eingequirlt;
ferner läßt man 48 Teile 3-mm-Glasfaser, 32 Teile feine trockene gelbe Kieselkreide
und 108 Teile trockenes Talkum in die lebhaft gerührte
Mischung einrieseln. Anschließend
setzt man das Rühren kurze Zeit unter Vakuum fort, um emulgierte Luft zu entfernen,
und erhält dann eine graugrünliche, gut gießfähige Mischung. Man vergießt damit
teilweise einige Meßgläser, teilweise in Hohlformen eingelagerte Kupferspiralen
(Lackdraht), läßt bei 600 C gelieren und härtet unter langsamer Temperatursteigerung
auf etwa 120 C vollständig aus. Die Ausmessung der Kerne aus den gesprengten Glasformen
ergibt einen Schwund von durchschnittlich 0,2 01o, die Kupferspiralen sind sauber
eingebettet und bleiben auch bei häufiger Temperaturwechselbeanspruchung zwischen
120 und -200C rißfrei von der Masse umschlossen. Das unverbrauchte Material bleibt
in verschlossener Büchse wochenlang haltbar und gebrauchsfähig.
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Beispiel 3 Verarbeitet man eine Mischung aus 90 Teilen Polyester
(gemäß Beispiel 2), 39 Teilen Styrol, 12 Teilen Butadienpolymerisat, 6 Teilen Maleinsäure-diallylester
und 12 Teilen einer 1:1-Mischung aus Divinylbenzol-Äthylstyrol mit 120 Teilen Talkum
und 21 Teilen einer harten 3-mm-Glasfaser zu einer Gsamtmischung von 300 g und aktiviert
man dieses Gemisch mit einem Zusatz von 6 Teilen Anonperoxydhärter (500/0in) und
1,5 Teilen Kobaltlösung, so erhält man aus der Auswertung der Meßröhrchen einen
Volumzuwachs von etwa 1°/0. Mit der Mischung ausgegossene und gehärtete Blechdosen
werden in den Nähten gedehnt. Die glänzende Oberfläche der Gießlinge zeigt infolge
der Dehnung Neigung zu feinen Haarrissen.
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Beispiel 4 Man stellt eine stark viskose Lösung von gekörntem Polyvinylacetat
in Styrol von etwa 200/o Körpergehalt her und verwendet diese Lösung etwa in der
folgenden Mischung: 120 Teile einer aktiven Polyesterformmasse, fettsäurefrei, 300/o
Styrolgehalt, 100Teile der Polyvinylacetatlösung, 20 Teile eines 1:1-Gemisches aus
Äthylstyrol-Divinylbenzol, 20 Teile Glasfaser (3 bis 6 mm), 60Teile Talkum und 60
Teile Quarzmehl.
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Man aktiviert durch Zumischung von 8 Teilen einer 400/0eigen Lösung
von Methyl-äthylketonperoxyd (in Dimethylphthalat) und 2 Teilen einer 30/0eigen
Kobaltnaphthenatlösung oder durch sorgfältiges Einmischen von 8 Teilen einer 500/0eigen
Paste von Benzoylperoxyd in Dibutylphthalat und danach von 2 Teilen einer 50/0eigen
Lösung von Diäthylanilin in Styrol. Es tritt, besonders bei der letztgenannten Aktivierung,
alsbald unter Selbsterwärmung Gelierung der Formteile ein.
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Die Härtung wird wie üblich durch Nachtempern im Trockenschrank vervollständigt.
Es entstehen glatte, gut aussehende Formteile von etwas verbesserter Zähigkeit und
von einem Schrumpf, der unter dem Schwund einer von Polyvinylacetat freien Vergleichsmischung
liegt.