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Hautpflegemittel Mittel zur Verhinderung oder Beseitigung kosmetisch
störender Hautveränderungen, wie z. B. Acne, Seborrhoen, Schuppenbildung und Haarausfall,
erscheinen gekennzeichnet - wenn man von ihrem Gehalt an Vitaminen, Hormonen und
ähnlichen Wirkstoffen, deren Nutzen oft zweifelhaft ist, absieht - durch ihre desinfizierende,
hyperämisierende und entzündungshemmende Wirkung. Nach bisheriger Erfahrung sind
elementarer Schwefel und Schwefelverbindungen unterschiedlichster Art besonders
wirksam. Unter diesen interessieren in neuester Zeit die Salze der Polythionsäuren.
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Tatsächlich werden Polythionate schon ebensolange gegen Seborrhoen,
Schuppenbefall der Kopfhaut, Acne und Pilzinfektionen verwendet wie kolloider Schwefel.
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So wollten H. Freundlich und P. Scholz in Kolloidchem. Beihefte, 16,
S. 234 (1922) in Schwefelsolen Polythionsäure nachgewiesen haben. Der Schwefel-Polythionat-Komplex
wird für die Existenz der Schwefelsole als notwendig erachtet (vgl. H. B assett
und R. Durrant, J. Chem. Soc., 1931, Bd.2, S.2919 bis 2955; K. Verstraete, Kolloid-Zeitschrift,
103, S. 25 und 26 [1943]).
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In der USA.-Patentschrift 2201 124 wird ausdrücklich hervorgehoben,
daß Stabilisatoren für hydrophilen kolloiden Schwefel die vorhandenen peptisierenden
Polythionsäuren, vornehmlich die Pentathionsäure, nicht zersetzen dürfen. Nach H.
C Young in Ann. Missouri Botanical Garden, 9, S. 403 bis 435 [1922] ist Pentathionsäure
als fungicider Faktor des Schwefels anzusehen. Über den zwangläufigen Zusammenhang
von kolloidem Schwefel mit Polythionsäuren unterrichten Untersuchungen über Odensche
Schwefelsole von E. Weitz und Mitarbeiter (s. Chem. Ber., 89, S. 2365 bis 2374 [1956]).
Wenn auch Freundlich und Scholz sowie Bassett und Durrant keinen sicheren Beweis
für das Bestehen von Adsorptionsverbindungen zwischen Schwefel und Penta- bzw.
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Hexathionsäuren erbracht haben, so legte der von diesen und anderen
Autoren geäußerte Zusammenhang es nahe, an Stelle kolloiden Schwefels die Polythionate
selbst als im obigen Sinne phänotrop, d. h auf das Äußere des Menschen wirksame
Substanzen, zu verwenden, wie dies in der USA.-Patentschrift 2 551 627 und der deutschen
Patentschrift 938 744 empfohlen wird. Der Nachteil der Unbeständigkeit der Polythionate
soll außerdem danach durch Zusätze von Kupfersulfat und Tyrosin oder durch Verwendung
von Ca-, Zn- und Al-Polythionaten oder Polythionaten organischer Basen behoben werden.
Gleichzeitig muß aber der pH-Wert, vorzugsweise mit Hilfe starker Säuren, wie Salz-,
Schwefel- und »freier« Polythionsäure, auf vorzugsweise weniger als 3 eingestellt
werden. Solche Mittel sind der Haut keineswegs zuträglich, sie sind sogar physiologisch
bedenklich.
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Die an sich günstige Beeinflussung der Haut durch Polythionate ist
durch klinische Untersuchungen belegt worden (vgl. zum Beispiel C. W. Finnerud und
J. M.
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Riddell, Arch. Dermatol. & Syphilol., 63, S. 373 bis 375 [1951]).
Die baktericide Wirkung saurer Polythionatlösungen ist ebenfalls nachgewiesen worden
(s. P. Mller und A. Pedersen, Acta Pathol. Microbiol. Scand., 21, S. 596 bis 608
[1944]). Aus Polythionat wird Schwefel von der Haut aufgenommen, wie Versuche mit
lokal applizierten radioaktiven S35-Polythionaten zeigten (vgl.
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T. E. Neesby, A. Koff und A. W. Pircio, J. Amer.
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Pharm. Ass., Sci. Ed., 44, S. 383 [1955]; T. E. Nessby, A. W. Pircio
und J. F. Grattan, J. Amer. Pharm. Ass., Sci. Ed., 46, S. 263 bis 266 [1957]).
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Unter den hyperämisierenden Stoffen sind es vor allem Nicotinsäure
(3-Pyridincarbonsäure) und ihre Ester, die zur Herstellung von Kopfhautbehandlungsmitteln
empfohlen wurden. Zum Beispiel enthalten nach der deutschen Auslegeschrift 1 019
054, insbesondere den Beispielen 1 bis 8, Hautpflegemittel als hyperämisierenden
Bestandteil Acetale aus Pyridinaldehyden und Alkoholen. Nach der deutschen Patentschrift
921 802 (Beispiel) sind Hautpflegemittel mit hyperämisierender Wirkung bekannt,
die Nicotinsäure oder deren Derivate z. B. bei einem ps3-Wert von 6 enthalten. Die
in der deutschen Patentschrift 835 038 beschriebenen Pflegemittel enthalten unter
anderem auch präcipitierten Schwefel, und zwar in einer Salbengrundlage, neben Nicotinsäureamylester,
offenbar zu dem Zweck, die Wirkung des Schwefels durch den hyperämisierenden Stoff
zu verstärken. Ferner wird in der genannten deutschen Patentschrift 835 038 vorgeschlagen,
Nicotinsäurebenzylester und Cystin mit Iriswurzelpulver zu einem puderförmigen Produkt
zu verarbeiten.
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Es wurde überraschenderweise gefunden, daß man die hyperämisierende
Wirkung mit der Wirkung des Schwefels bzw. der Polythionate dadurch vereinigen kann,
daß man Polythionate, vor allem Pentathionate, der Nicotinsäure und ihrer Ester
in Hautpflegemittel einbaut. Diese Salze bieten außerdem weitere unerwartete Vorteile.
Sie kristallisieren gut, d. h., sie sind völlig rein herstellbar, was z. B. bei
den Estern, die sich bei längerem Stehen
bräunen, nicht der Fall
ist, und sie lassen sich zu feinstem Pulver zerreiben, das auf der Haut starke Rötung
infolge Hyperämisierung hervorruft. Mit Talkum vermischt erhält man glatte, gut
verreibbare Puder, ohne daß Puderbestandteile notwendig wären, die die Nicotinsäureester
oder ihre Lösungen oder die Lösungen der Nicotinsäure aufsaugen und bei denen die
Gefahr besteht, daß sie durch Verdampfen der Ester an Wirksamkeit verlieren. Im
festen Zustand sind die Pentathionate der Pyridinverbindungen, z. B. der Pyridin-3-carbonsäure
und ihres Benzylester, unbeschränkt haltbar. Ihre wäßrig-alkoholischen Lösungen
erweisen sich ebenfalls als haltbar. Da sie ausreichend in Alkohol, nicht oder nur
wenig in Wasser löslich sind, so sind der Konzentration an den erwähnten Pentathionaten
in wäßrigalkoholischen Lösungen Grenzen gesetzt, jedoch sind solche Mengen an Polythionaten,
die 0,1 bis 0,3 g 5506 äquivalent sind, in jedem Fall ausreichend.
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Die Vorzüge, die eine einheitliche definierte Substanz bietet, wie
dies bei den genannten Pentathionaten zutrifft, können niemals durch ein Gemisch
von elementarem bzw. kolloidem Schwefel und hyperämisierenden Verbindungen oder
von Lösungen von Schwefel oder schwefelhaltigen Verbindungen, z. B. Alkalipentathionaten,
mit hyperämisierenden Verbindungen geboten werden.
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Die nach der Erfindung verwendeten hyperämisierenden Pentathionate
sind bisher noch nicht beschrieben worden. Ihre Herstellung, die nicht Gegenstand
der Erfindung ist, erfolgt sehr einfach. Die nach A. Kurtenacker und W. Fluss (vgl.
Z. anorgan. allg. Chem., 210, S. 125 bis 133 [1933]) oder M. Goehring und U. Feldmann
(vgl. Z. anorgan. allg. Chem., 257, S. 223 bis 226 Ul948) gut zugängliche Lösung
von Alkalipentathionat, die noch Salzsäure enthält, aber von Arsentrisulfld und
Natriumchlorid befreit wurde, wird unmittelbar zum Ausfällen der Salze benutzt.
Es ist auch möglich, die nach M. Schmidt (vgl. Z. anorgan. allg. Chem., 289, S.
175 bis 192 [1957]) hergestellte freie Pentathionsäure dafür zu verwenden. Es ist
zweckmäßig, mit wenigstens einem etwa 10%igen Überschuß an S5 Oß zu arbeiten.
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Beispielsweise versetzt man 50 g Nicotinsäurebenzylester unter kurzem
Umrühren mit 240 ml einer 0,155 g Sso6íml enthaltenden noch salzsauren Pentathionat
lösung und läßt im Eisschrank über Nacht stehen. Es bilden sich eine gelbliche,
feste, verkrustete Bodenschicht sowie weiße Nadeln. Beide Substanzen lassen sich
leicht voneinander abtrennen. Die Bodensubstanz zerkleinert man und schwemmt mit
Wasser auf, wobei sich beim Stehen wieder weiße Kristalle bilden. Die getrennten
Substanzen wäscht man mit Wasser zur Entfernung von Natriumchlorid und Salzsäure,
die der Pentathionatlösung entstammen, dann mit Alkohol und Äther. Zur Identifizierung
wurde bei beiden Verbindungen der SsO6-Gehalt nach der Methode des Abbaus mit Sulfit
(vgl. A. Kurtenacker und A. Bittner, Z. anorgan. allg.
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Chem., 134, 5. 265 bis 268 [1924]) oder, besser, durch Umsetzung mit
Quecksilber(II)-chlorid (vgl. A. Kurtenacker und H. Bittner, Z. anorgan. allg. Chem.,
142, S. 119 bis 129 [1925]) bestimmt. Es zeigte sich, daß beide Substanzen verschieden
sind. Die leicht kristallisierende Verbindung erwies sich als Pentathionat der Nicotinsäure,
die gelbliche als Pentathionat des Nicotinsäurebenzylesters.
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Für das Pentathionat der Nicotinsäure, das ist Di-(pyridin-3-carbonsäure)-pentathionat
([C5H4NCOOH]2 H2S506) wurde ein Gehalt an SsO6 von 50,81°lo berechnet und ein Gehalt
von 51,67% gefunden; der Schmelzpunkt liegt bei 155 bis 156"C.
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Für das Pentathionat des Nicotinsäurebenzylesters, das ist Di-(pyridin
- 3 - carbonsäurebenzylester) -pentathionat ([C5H4NCOOCH2-C6H5]2#H2S5O6) wurde ein
Gehalt an S506 von 37,44 01o berechnet und ein Gehalt von 37,87 0/o gefunden; der
Schmelzpunkt liegt bei 147 bis 149°C.
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Die Mengen an Nicotinsäure- und Ds'icotinsäurebenzylesterpentathionat,
die auf diese Weise gewonnen werden, verhalten sich wie etwa 1: 3,5 bis 1: 4. Der
obenerwähnte Ansatz lieferte etwa 17 g Nicotinsäurepentathionat und etwa 60 g Nicotinsäurebenzylesterpentathionat.
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Für die Herstellung der verschiedenen Gebrauchspräparate gemäß der
Erfindung kann man beide Verbindungen gemeinsam verwenden.
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Es ist bemerkenswert, daß bei der Reaktion des Benzylesters immer
zugleich das Nicotinsäurepentathionat entsteht. Bisher gelang es nicht, unmittelbar
die Nicotinsäure in ihr Pentathionat überzuführen.
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Die Nicotinsäure- und Nicotinsäureesterpentathionate sind in Formamid
und Dimethylformamid löslich. Ihre Wasserlöslichkeit wird durch Zusatz dieser Säureamide
erhöht bzw. ermöglicht, ebenso durch oberflächenaktive ionogene oder nichtionogene
Substanzen.
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Zum Nachweis der den erfindungsgemäßen Verbindungen eigentümlichen
größeren Stabilität gegenüber Alkalipentathionaten wurden Versuche durchgeführt,
wobei besonders extrem ungünstige Bedingungen gewählt wurden, nämlich ein pn-Wert
von 6,5, um diese Stabilität augenscheinlicher zu demonstrieren. Außerdem wurde
das bei der Präparation anfallende, nicht eigens gereinigte Gemisch der Pentathionate
von Nicotinsäure und Nicotinsäurebenzylester verwendet. Das zum Vergleich herangezogene
Kaliumpentathionat wurde nach A. Kurtenacker und W. Fluss hergestellt. Die Versuche
wurden hinsichtlich der Pentathionatbestimmung mittels der zuvor zitierten Methode
von A. Kurtenacker und A. Bittner durchgeführt.
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Die Salze wurden in einem Gemisch von 60 Volumteilen 96volumprozentigen
Äthanols und 40 Volumteilen Citratpufferlösung von pn 6,5 gelöst und 9 Tage bei
den angegebenen Temperaturen stehengelassen.
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Die Titrationsergebnisse ergaben folgendes:
S5O6-Verlust bei |
Pentathionat |
Raum- |
temperatur |
Kaliumpentathionat ........ 80,0% 100,0% |
Nicotinsäurepentathionat- |
Nicotinsäurebenzylester- |
pentathionat-Gemisch .... 61,1 0/o 66,7010 |
Im festen Zustand ist das Kaliumpentathionat nach wenigen Wochen stark zersetzt;
die erfindungsgemäßen Verbindungen sind jedoch noch nach 2 Jahren unverändert in
ihrem S506-Gehalt.
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Beispiele 1. Hautpflegemittel in Puderform 1 bis 5 g Nicotinsäurepentathionat
oder 1 bis 5 g Nicotinsäurebenzylesterpentathionat oder 1 bis 5 g des bei der Herstellung
anfallenden Gemisches dieser beiden Substanzen verreibt man vollständig mit 95 bis
99g Talcum DAB VI. Man erhält ein gut hyperämisierendes Puder mit Schwefelwirkung.
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2. Hautpflegemittel in Cremeform Man schmilzt auf dem Wasserbade
15 g Glycerinmonostearat mit geringen Zusätzen an nichtionogenen
Emulgatoren,
5 g Cetylalkohol und 10 g eines Emulgators zur Herstellung von Emulsionen oder Cremes
von Öl-Wasser-Typ und fügt 70 ml einer auf 3,8"C erwärmten Lösung der 0,3 g S506
entsprechenden Menge Nicotinsäure oder Nicotinsäurebenzylesterpentathionat in einem
Gemisch von 60 Volumteilen Isopropanol und 40 Volumteilen einer Pufferlösung, z.
B. Citratpuffer mit dem pz-Wert von 4 bis 5, zu und verrührt. Die Creme läßt sich
gut auf die Kopfhaut oder Gesichtshaut auftragen (sogenannte Voll- und Gesichtspackung)
und abspülen.
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3. Hautpflegemittel in Form eines Gesichtswassers Man löst eine 0,10
g S506 entsprechende Menge der Pentathionate von Nicotinsäure oder Nicotinsäurebenzylester
in einem Gemisch von 60 Volumteilen Äthanol und 40 Volumteilen einer Citratpufferlösung
von p 4,5.
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4. Hautpflegemittel in Form eines Waschmittels Man löst eine 0,5
g S506 entsprechende Menge Nicotinsäure oder Nicotinsäurebenzylesterpentathionat
in der
Lösung eines anionaktiven oder nichtionogenen Waschmittels, das auf einen
pH-Wert von 3 bis 5 durch Puffer eingestellt ist. Hierbei kommt die Eigenschaft
dieser Pentathionate, von Lösungen anionaktiver oder nichtionogener oberflächenaktiver
Substanzen in Wasser gelöst zu werden, zur Geltung.
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Der Patentschutz erstreckt sich nicht auf die Herstellung und Verwendung
des Mittels für therapeutische Zwecke.