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Verfahren zur Herstellung von MischpoIymerisaten aus Vinylchlorid
und Fumarsäureestern Mischpolymerisate aus Vinylchlorid und Estern der Äthylen-t
,2-dicarbonsäuren, z. B. Maleinsäure, Fumarsäure und Itaconsäure, bzw. Verfahren
zu ihrer Herstellung sind seit langem bekannt. Eine Verwendung in der Technik fanden
jedoch bisher praktisch nur die Ester der Maleinsäure und hiervon wieder in erster
Linie Ester der Maleinsäure mit kurzkettigen aliphatischen Alkoholen, wie Methanol,
Äthanol, Butanol. Diese Ester können nämlich nach allen bekannten Verfahren mit
Vinylchlorid, auch unter Zusatz weiterer Monomerer, mischpolymerisiert werden. Die
erhaltenen Mischpolymerisate zeichnen sich gegenüber reinem Polyvinylchlorid durch
yerbesserte Löslichkeitseigenschaften in verschiedenen organischen Lösungsmitteln
aus und werden daher insbesondere zur Herstellung von Lacken eingesetzt. Außerdem
lassen sie sich ohne Zusatz von Weichmachern bei im Vergleich zu reinem Polyvinylchlorid
niedrigeren Temperaturen sehr leicht zu den verschiedensten Formkörpern verarbeiten,
die jedoch den Nachteil zeigen, verhältnismäßig spröde, d. h. empfindlich gegen
Schlag- und Stoßbeanspruchung zu sein, sofern sie ohne Zusatz von Weichmachern hergestellt
werden.
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Es wurde nun gefunden, daß man Polymerisate, die sich zur Verarbeitung
auf weichmacherfreie Formkörper von hoher Schlagfestigkeit eignen, erhält, wenn
man Vinylchlorid und neutrale Fumarsäureester der Summen formel CnH2n~,04 mit n
= 14 bis 44, vorzugsweise 20 bis 40, absatzweise gemeinsam in wäßriger Suspension
in Gegenwart von Hydroxyalkylcellulose, vorzugsweise Hydroxyäthylcellulose, polymerisiert,
wobei die gesamten zum Einsatz kommenden, aus mindestens 80 Molprozent Vinylchlorid
und bis zu 20 Molprozent Fumarsäureester bestehenden Monomerenmischungen vor Beginn
der Polymerisation in das Reaktionsgefäß eingebracht werden.
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Es zeigt sich nämlich, daß die mechanischen Eigenschaften der Fertigartikel,
die aus den erfindungsgemäß erhaltenen Harzen hergestellt werden, weitgehend von
der Art und Anzahl der Kohlenstoffatome der Alkoholreste der Fumarsäureester abhängig
sind und besonders wertvolle Mischpolymerisate bei Verwendung von neutralen Estern
der Fumarsäure mit gesättigten verzweigten und/oder unverzweigten aliphatischen
Alkoholen erhalten werden, wenn die Gesamtzahl der Kohlenstoffatome der beiden Alkoholgruppen
der Fumarsäureester 12 bis 40, vorzugsweise 16 bis 36, beträgt. Dabei ist es unwesentlich,
ob die beiden Carboxylgruppen der Fumarsäure mit gleichen oder verschiedenen Alkoholen
verestert sind oder ob man nur eine Art von Fumarsäureester oder Mischungen aus
verschiedenen Fumarsäureestern einsetzt. Demnach kommen für die Herstellung von
Mischpolymerisaten mit Vinylchlorid gemäß der vorliegenden Erfindung alle neutralen
Ester der Fumarsäure oder Mischungen
solcher Ester in Betracht, welche die obige
Zusammensetzung besitzen.
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Weiterhin wurde festgestellt, daß sich aus der großen Zahl der unter
der Bezeichnung »Schutzkolloide« bekannten wasserlöslichen makromolekularen Stoffe,
wie Polyvinylalkoholen oder deren Derivaten, Polyacrylsäure und deren Salzen, wasserlöslichen
Derivaten der Cellulose, Gelatine, Stärke, Gummiarabikum, Agar-Agar und vielen anderen,
wie sie für die Homo- und Mischpolymerisation verwendet werden, nur eine Art von
Schutzkolloid, nämlich die Hydroxyalkylcellulosen, insbesondere Hydroxyäthylcellulose,
eignet. So treten beispielsweise bei der Verwendung von teilacetylierten Polyvinylalkoholen,
die im allgemeinen für die technische Herstellung von Polyvinylchlorid oder den
bekannten Vinylchloridmischpolymerisaten nach dem Suspensionsverfahren unter allen
bekannten Schutzkolloiden besonders bevorzugt werden, bei der weichmacherfreien
Verarbeitung von Vinylchlorid-Fumarsäureester-Mischpolymerisaten auf dem Kalander
die unter dem Namen »Fischaugen« bekannten Unreinheiten in großer Anzahl auf, so
daß die Kalanderfolie eine rauhe Oberfläche und ein unschönes Aussehen zeigt und
auch die mechanischen Eigenschaften dieser Fertigartikel hierdurch weitgehend beeinträchtigt
werden. Dies ist insofern überraschend, als das Auftreten solcher »Fischaugen« sonst
im allgemeinen nur bei der Weichverarbeitung von Polyvinylchlorid beobachtet wird.
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Die anzuwendende Schutzkolloidkonzentration richtet sich einmal nach
der Eigenviskosität der Hydroxyalkylcellulose und andererseits nach apparativen
Verhältnissen, wie Form und Drehzahl des Rührers. Besonders geeignet sind Hydroxyäthylcellulosen,
deren 50/0ige wäßrige Lösungen bei 200 C eine Viskosität von etwa 100 bis 500 Poise
besitzen. Es ist weiterhin günstig, die
Schutzkolloidkonzentration
u. gter 0,501,, bezogen auf die Monomerenphase, bzw. 0,3010, bezogen auf die wäßrige
Phase, zu halten und zur Erzielung einer feinen Körnung eine möglichst intensive
Rührung im Reaktionsgefäß anzuwenden.
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Zweckmäßig ist es ferner, in einem pH-Bereich der wäßrigen Phase
zwischen 4,5 und 8, vorzugsweise zwischen 5,5 und 7,5, zu arbeiten. Bekanntlich
zersetzt sich bei der Polymerisation des VInylchlorids stets ein gewisser Bruchteil
des Monomeren hydrolytisch unter Bildung saurer Produkte, die einen merklichen p-Abfall
verursachen können. Es hat sich gezeigt, daß im p-Bereich unter etwa 4 die Schutzkolloidwirkung
der Hydroxyäthylcellulose für die Mischpolymerisation von Vinylchlorid mit Fumarsäureestern
merklich abnimmt, weshalb man zweckmäßigerweise Puffersubstanzen, wie Natriumbicarbonat,
phosphorsaure Salze und ähnliches, zusetzt, um während des Gesamtverlaufs der Polymerisation
den oben angegebenen pH-Bereich einzuhalten.
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Es ist auch wichtig, daß die gesamten zum Einsatz kommenden Monomerenmischungen
vor Beginn der Polymerisation in das Reaktionsgefäß eingeführt und nicht die bisher
bei der Herstellung von Mischpolymerisaten aus Vinylchlorid und Fumarsäureestern
ergriffenen Dosierungsmaßnahmen angewendet werden, da die bei dem erfindungsgemäßen
Verfahren im molekularen Bereich erzielte Inhomogenität überraschenderweise wesentlich
zu den guten mechanischen Eigenschaften der Fertigprodukte beiträgt.
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Vorzugsweise erhält die Monomerenmischung 1 bis 15 Molprozent Fumarsäureester.
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Als Katalysatoren verwendet man die üblicherweise zur Herstellung
von Polyvinylchlorid und dessen Mischpolymerisaten benutzten.
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Die erfindungsgemäß gewonnenen Mischpolymerisate lassen sich ohne
Zusatz von Weichmachern zu Formkörpern, wie Folien, Rohren, Preßplatten, tiefgezogenen
Hohlkörpern, verarbeiten, die im Vergleich zu reinem Polyvinylchlorid oder anderen
bekannten Vinylchloridmischpolymerisaten eine auffallend hohe Unempfindlichkeit
gegen Schlag- und Stoßbeanspruchung, d. h. keine oder nur äußerst geringe Sprödigkeit
aufweisen.
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Je nachdem, wie die prozentualen Anteile von Vinylchlorid und Fumarsäureestern
in dem angegebenen Bereich verändert werden, erhält man Mischpolymerisate, die bei
geringem Durchschnittsgehalt an einpolymerisiertem Fumarester harte, aber zähe bzw.
bei höherem Estergehalt weiche und geschmeidige Formkörper liefern.
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Vergleichsversuch 1 Ein emaillierter Rührautoklav von etwa 1501 Inhalt
wird mit 60kg entionisiertem Wasser, 2,1 kg einer 5°,/0igen <>igen Lösung
eines teilacetylierten Polyvinylalkohols mittlerer Viskosität und einer Verseifungszahl
von etwa 200, 12g Natriumbicarbonat beschickt. Diese wäßrige Phase wird nach gründlicher
Durchmischung mit 4,5 kg Maleinsäure-di-(2-äthylhexylester) und 75 g Dilauroylperoxyd
überschichtet. Der Rührautoklav wird verschlossen, mit Stickstoff ausgespült und
zur Entfernung restlichen Sauerstoffs 30 Minuten lang evakuiert. Anschließend werden
aus einem Druckbehälter 25,5 kg flüssiges Vinylchlorid in das Reaktionsgefäß eingedrückt.
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Nun wird der Rührer (Schleifenrührer mit 100 Ulmin) in Bewegung gesetzt
und das Reaktionsgefäß auf 500 C erwärmt. Die Polymerisation kommt nach einer Induktionsperiode
in Gang und wird bis zu einem Druckabfall auf 1 atü weitergeführt. Man erhält ein
mittel- bis feinkörniges Mischpolymerisat, das sich leicht abfiltrieren und trocknen
läßt. Es hat einen k-Wert von etwa 65 und einen Chlorgehalt von etwa 48010.
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Bei der Kalanderverarbeitung bei 170 bis 1800 C unter Zusatz von
1 °l0 Gleitwachs und 2°/o eines üblichen Stabilisators erhält man eine glasklare
Hartfolie, die keine oder nur wenige »Fischaugen« enthält. Die Folie hat eine Reißfestigkeit
von 545 kglem2 bei einer Dehnung von 5 °/0, splittert jedoch bei einer plötzlichen
Beanspruchung durch Schlag oder schnelles Zerreißen.
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Vergleichsversuch 2 Nach der gemäß Vergleichsversuch 1 beschriebenen
Arbeitsweise werden 25,5 kg Vinylchlorid und 4,5 kg Fumarsäure-di-(2-äthylhexylester)
(an Stelle des im Versuch 1 verwendeten Maleinsäureesters) einer gemeinsamen Polymerisation
unterworfen. Das erhaltene Polymerisationsprodukt ist äußerlich kaum von dem im
Versuch 1 erhaltenen zu unterscheiden; es weist ebenfalls eine mittlere Korngrößenverteilung
auf. Versucht man jedoch, dieses Polymerisationsprodukt auf dem Kalander zu verarbeiten,
so erhält man eine Folie, die von zahlreichen »Fischaugen« übersät und völlig unbrauchbar
ist.
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Vergleichsversuch 3 Der Versuch 2 wird wiederholt. Jedoch werden
an Stelle des Polyvinylalkohols 4,2 kg einer 2,5°/Oigen Lösung einer Methylcellulose,
die in 2°lOiger Lösung bei 200 C eine Viskosität von etwa 120 cP besitzt, als Schutzkolloid
verwendet.
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Man erhält ein feinkörniges Polymerisat, das bei der Verarbeitung
auf dem Kalander jedoch ebenfalls nicht vollständig aufgeschlossen wird und eine
von Fischaugen übersäte Folie liefert.
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Beispiel 1 Nach dem Verfahren der Erfindung werden unter Beachtung
der im Anspruch 1 geschilderten Bedingungen 25,5 kg Vinylchlorid und 4,5 kg Fumarsäure-di-(2-äthylhexylester)
mit 75 g Dilauroylperoxyd als Polymerisationskatalysator bei 500 C polymerisiert.
Die wäßrige Phase besteht in diesem Fall aus 60 kg entmineralisiertem Wasser, 0,75
kg einer 5°Oigen Lösung einer Oxyäthylcellulose mit einer Viskosität von 300 Poise
bei 20° C und 12 g Natriumbicarbonat.
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Nach 34 Stunden ist ein etwa 95°lOiger Umsatz erreicht und der Druck
bis auf 1 atü abgefallen. Der Autoklav wird entspannt und das Polymerisat in üblicher
Weise isoliert. Es besitzt eine mittlere Korngrößenverteilung und einen k-Wert von
65. Bei der Verarbeitung auf dem Kalander bei 170 bis 1800 C nach Vorplastifizierung
auf einem Mischwalzwerk mit 1 Teil Gleitwachs und 2 Teilen Stabilisator auf 100
Teile Polymerisat erhält man eine glatte, fischaugenfreie Folie. Die optische Klarheit
dieser Folie ist nicht so gut wie bei der nach Vergleichsversuch 1 erhaltenen. Dagegen
sind die mechanischen Eigenschaften bemerkenswert: die Folie ist geschmeidig und
splittert nicht bei plötzlicher mechanischer Beanspruchung. Die Reißfestigkeit beträgt
400 kglcm2, die Bruchdehnung etwa 15001,.
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Beispiel 2 Unter den im Beispiel 1 angegebenen Bedingungen werden
27 kg Vinylchlorid mit 3 kg Fumarsäure-dilaurylester, hergestellt durch Veresterung
von Fumarsäure mit technischem Laurylalkohol (bekannt unter dem Handelsnamen »Lorol«),
unter Verwendung von 60 g Dilauroylperoxyd als Katalysator in einer wäßrigen Phase
aus 60 kg entmineralisiertem Wasser, 1,5 kg einer 5°lOigen Hydroxyäthylcellulose-Lösung
(wie im Beispiell), und 18 g Natriumbicarbonat bei 520 C polymerisiert.
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Nach 37Stunden ist der Druck auf 1 atü abgefallen, und das Produkt
wird in der üblichen Weise aufgearbeitet.
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Eine Probe (100 Gewichtsteile) wird nach Zusatz von 1 Teil Gleitwachs
und 2 Teilen einer unter der Bezeichnung »Advastab 17 M« bei der Firma »Deutsche
Advance Produktion G.m.b.H.», Marienberg über Bensheim, erhältlichen Alkylzinnschwefelverbindung
in üblicher Weise auf einer Mischwalze vorpflastifiziert und anschließend auf einem
Kalander zu einer 0,2 mm starken Folie verarbeitet. Die Folie ist frei von Fischaugen
und in der Durchsicht schwach trüb. Sie splittert nicht bei plötzlicher mechanischer
Beanspruchung und besitzt eine Reißfestigkeit von 410 kg/cm2 bei einer Gesamtdehnung
von etwa 1000/,. Die Folie läßt sich durch Vakuumverformung gut zu Hohlkörpern verarbeiten,
die eine ausgezeichnete Schlagfestigkeit besitzen.
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PATENTANSPROCHE: 1. Verfahren zur Herstellung von Mischpolymerisaten
aus Vinylchlorid und Fumarsäureestern in wäßriger Suspension, dadurch gekennzeichnet,
daß man Vinylchlorid und neutrale Fumarsäureester der Summenformel CnH2n4O4 (n =
14 bis 44, vorzugsweise 20 bis 40) absatzweise in Gegenwart von Hydroxyalkylcellulose
gemeinsam polymerisiert, wobei die gesamten zum Einsatz kommenden, aus min-
destens
etwa 80 Molprozent Vinylchlorid und bis zu etwa 20 Molprozent Fumarsäureester bestehenden
Monomerenmischungen vor Beginn der Polymerisation in das Reaktionsgefäß eingebracht
werden.