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Verfahren und Vorrichtung zur Herstellung von Aminocarbonsäurenitrilen
Aminocarbonsäurenitrile werden bekanntlich durch Reaktion von primären und sekundären
Aminen mit Aldehyden oder Ketonen und Blausäure in saurer Lösung hergestellt. Die
Blausäure wird dabei in Form ihrer Salze oder in wasserfreier flüssiger Form angewandt.
Die Anwendung verdünnter gasförmiger Blausäure war bisher nicht möglich, da sie
nur ungenügend absorbiert wird.
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Im erfindungsgemäßen Verfahren gelingt es, gasförmige Blausäure,
vorzugsweise eine verdünnte teohnische Blausäure, ohne Aufkonzentration direkt zur
Synthese von Aminocarbonsäurenitrilen anzuwenden, indem man die Reaktion in zwei
Stufen durchführt.
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Das erfolgt in der Weise, daß in der ersten Stufe die Aminkomponente
mit gasförmiger Blausäure zum entsprech enden Ammoniumcyani d umgesetzt wird, wonach
das gebildete Ammoniumcyanid in einer zweiten Stufe mit einem Aldehyd oder Keton
und gasförmiger Blausäure in saurer Lösung zum Aminocarbonsäurenitrit umgesetzt
wird. In der ersten Stufe wendet man je primäre oder sekundäre Aminogruppe annähernd
1 Mol Blausäure an. Die Blausäure wird dabei vom Amin quantitativ gebunden. Wegen
der Gefahr störender Nebenreaktionen, vor allem von Verharzungen, vermeidet man
zweckmäßig einen Blausäureüberschuß.
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In der zweiten Stufe erfolgt die Reaktion bei einer Temperatur von
30 bis 50° C, vorzugsweise von 40 bis 45° C. Für je eine sekundäre Aminogruppe benötigt
man in dieser Stufe 1 Mol Aldehyd oder Keton, für je eine primäre Aminogruppe 2
Mol dieser Verbindungen und ein weiteres Mol Blausäure.
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Die zur Stabilisation zugesetzten Säuren sind zweckmäßig Mineralsäuren,
wie Schwefelsäure, Salzsäure, Phosphorsäure. Geeignet sind auch Carbonsäuren, wie
Ameisensäure und Essigsäure. Zweekmäßig wendet man die Säuren vorteilhaft in einer
Menge von weniger als 0,5 Mol, zweckmäßig 0,05 bis 0,25 Mol, an. Man arbeitet im
p-Bereich unter 6, vorzugswei&e von 3 bis 5.
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Die Reaktion wird zweckmäßig in Lösungsmitteln durchgeführt. Als
hierfür geeignete Lösungsmittel und/oder Verdünnungsmittel kommen nuß er Wasser
beispielsweise organische Lösungsmittel in Frage, die mit den Ausgangs- und Reaktionsprodukten
nicht reagieren, wie Alkohole oder Äther.
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Man kann sowohl bei normalem wie bei erhöhtem Druck arbeiten. Besonders
bei Verwendung verdünnter gasförmiger Blausäure ist die Anwendung erhöhter Drücke,
beispielsweise von 10 atü, für den Ablauf der Reaktion sehr vorteilhaft.
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Bei der zweiten Reaktionsstufe besteht der Vorteil in einer besonders
einfachen und schnellen Durchführung der Reaktion unter energiemäßig sehr günstigen
Bedingungen. Man läßt in einem Reaktor, der die entsprechenden Mengen Aldehyd bzw.
Keton und Säure in Lösung enthält, das Blausäuregas hin&rchperlen, während gleichzeitig
die basische Ammoniumcyanidiösung so zugegeben wird, daß die Lösung dan ernd sauer
bleibt. Unter Wärmeentwicklung entsteht Blausäure und das Ammoniumsalz der angewandten
Säure. Dieses setzt sich sofort mit dem Aldehyd bzw.
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Keton und der aus dem Ammoniumcyanid stammen den sowie der eingeleiteten
Blausäure zum Aminocarbonsäurenitril um, das als sehr schwache Base keine Säure
mehr zu binden vermag. Die Säure wird infolgedessen mit dem Fortschreiten der Reaktion
kontinuierlich frei. Es genügt daher ein Bruchteil der stöchiometrisch erforderlichen
Säuremenge, um das gesamte Ammoniumcyanid umzusetzen.
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Man kann bei der zweiten Verfahrens stufe vorteilhaft auch so verfahren,
daß das saure Reaktionsgemisch schon vor der Zugabe des basischen Ammoniumcyanids
mit gasförmiger Blausäure angereichert wird, so daß die Reaktion zum Aminocarbonsäurenitril
bei Zugabe des Ammoniumcyanids direkt einsetzen kann. Man erhält auf diese Weise
ein weißes, praktisch reines Product.
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Nach einer besonderen Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens
kann man auch so vorgehen, daß man bereits in der ersten Reaktionsstufe das gebildete
Ammoniumcyanid im basischen Milieu ohne jeglichen Katalysator zum teilweise cyanalkylierten
Produkt umsetzt und dieses dann in der folgenden Stufe zum percyanalkylierten Product.
Die Cyanalkylierung wird damit teilweise in die erste Reaktionsstufe vorverlegt.
Setzt man also das aus Blausäure und Amin gewonnene Ammoniumcyanid in der ersten
Stufe ohne Ansäuern direkt mit Aldehyd
bzw. Keton um, so erhält
man zunächst die N-monocyanalkylierte Verbindung, z. B. aus Äthylendiamin im Falle
der Anwendung von Formaldehyd das Äthylendiamin-N, N'-diacetoni tril. Nach einem
bekannten Verfahren setzt man dieses Produkt mit weiterer Blausäure und weiterem
Aldehyd zu den N-dicyanalkylierten, also vollständig cyanalkylierten Verbindungen
um. Es zeigte sich, daß es trotz Zugabe von Calciumeyanid als Katalysator nicht
gelingt, ein heitliche Endprodukte zu erzielen, da im angewandten basischen Milieu
Verharzungen eintreten. Die weitere Umsetzung des N-monocyanalkylierten zum N-dicyanalkylierten
Produkt, beispielsweise des Athylendiamin-N, N'-diacetonitrils zum Athylendiamin-N,N'-tetraacetonitril,
ist nur möglich, wenn man die Lösung des N-monocyanalkylierten Produktes wie oben
in eine saure Aldehydlösung eintropfen läßt und gleichzeitig gasförmige Blausäure
einleitet. Unter diesen Bedingungen erhält man eine rasche und quantitative Umsetzung.
Das in guter Ausbeute anfallende Reaktionsprodukt ist schwach gefärbt und läßt sich
leicht, beispielsweise durch Umkristallisieren in Gegenwart von Aktivkohle, reinigen.
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Als Reaktionskomponente für das Verfahren läßt sich eine gasförmige
verdünnte Blausäure verwenden, wie sie beispielsweise als Endgas bei der Herstellung
von Blausäure aus Ammoniak, Methan und Sauerstoff, ferner aus Ammoniak und Methan,
Ammoniak und Kohlenoxyd oder Formamid erhalten wird. Es ist allerdings notwendig,
vor Verwendung des Gases basische Bestandteile, z. B. Ammoniak, zu entfernen, die
im Gase enthalten sein können. Dies kann in bekannter Weise durch Einleiten des
Gases in Schwefelsäure oder eine saure Ammoniumsulfatlösung geschehen.
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Beispiel 1 In einem Reaktor, ausgerüstet mit Rührer, Tropftrichter,
Thermometer und Rückflußkühler, läßt man 1 Mol Äthylendiaminhydrat in 100 cm3 Wasser
mit 1,8 bis 1,9 Mol gasförmiger technischer Blausäure unter Wasserkühlung reagieren.
Beim Einsatzgas handelt es sich um ein 19,5volumprozentiges Blausäuregas, das außerdem
Methan, Ammoniak, Stickstoff, Kohlendioxyd, Kohlenmonoxyd, Wasserdampf enthält und
zur Beseitigung des Ammoniaks durch verdünnte Schwefelsäure geleitet wurde. Die
gebildete schwachgelbliche Äthylendiammoniumcyanidlösung wird anschließend einem
zweiten Reaktor mit der gleichen Ausrüstung eingetropft, der 4 Mol Formaldehyd,
0,2 Mol Schwefelsäure und etwa 1,5 bis 2 1 Wasser enthält. Von unten läßt man 2
Mol Blausäure einströmen. Die Reaktionstemperatur von 40 bis 45° C ist nach einigen
Minuten erreicht, und nach etwa 10 Minuten fällt bereits Äthylendiamintetraessigsäurenitril
in weißen Kristallen aus. Die Blausäurezugabe wird so auf die Zugabe von Ammoniumcyanid
eingestellt, daß die Reaktion praktisch nach 2 bis 3 Stunden beendet ist. Man rührt
das Reaktionsgemisch noch 1 Stunde nach, entfernt überschüssige Blausäure durch
Durchleiten von Stickstoff (t/2 Stunde) und saugt nach dem Abkühlen den Niederschlag
ab, der aus praktisch reinen weißen Äthylendiamintetraessigsäurenitril-Kristallen
vom F. 128 bis 129° C besteht. Ausbeute 80 bis 90°/o. Die Kristalle werden mit etwas
Wasser und Alkohol gewaschen und bei 60 bis 70° C getrocknet.
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Beispiel 2 In der oben beschriebenen Apparatur läßt man 1 Mol Äthylendiaminhydrat
in 100 cm3 Wasser mit 1,8 bis 1,9 Mol gasförmiger Blausäure der Zusammen-
setzung
des Beispiels 1, die durch ein Einleitungsrohr zugeführt wird, unter Wasserkühlung
reagieren und gibt 2 Mol Formaldehyd zu. Das rasch gebildete Äthyleudiamin - N,N'-diacetonitril
wird 1/2 Stunde stehengelassen und anschließend in einen zweiten Reaktor eingetropft
(vgl. Beispiel 1), der 0,2 Mol Schwefelsäure in etwa 1,5 1 Wasser und 2 Mol Formaldehyd
enthält. Die Reaktionstemperatur von 40 bis 45° C ist nach wenigen Minuten erreicht.
Mit der von unten einströmenden Blausäure (2 Mol = 19,50/oil) setzt sich das Nitril
rasch zum Athylendiamintetraessigsäurenitril um, das bereits nach 10 Minuten auszufallen
beginnt. Die Blausäurezugabe wird so auf die Zugabe des Dinitrils eingestellt, daß
die Reaktion praktisch nach 2 bis 3 Stunden beendet ist. Man rührt das Reaktionsgemisch
noch 1 Stunde nach, entfernt überschüssige Blausäure durch Durchleiten von Stickstoff
und saugt nach dem Abkühlen den Niederschlag ab. Man erhält ein schwachgelbgefärbtes
Produkt, das durch Entfärben mit Aktivkohle und gleichzeitiges Umkristallisieren
in reiner Form gewonnen und wie oben aufgearbeitet werden kann. Ausbeute: 80 bis
90°/o.
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Die Reaktion kann in einfacher Weise auch kontinuierlich durchgeführt
werden. Bei Anwendung einer technischen Blausäure (etwa 200/oil) ist es besonders
zweckmäßig, so zu verfahren, daß man in der ersten Reaktionsstufe als gasförmige
Blausäure das Restgas der zweiten Reaktionsstufe verwendet, in der die Blausäure
im Überschuß angewendet wurde. Aus der Zeichnung ist eine entsprechende Verfahrens
führung ersichtlich. In eine Extraktionssäule 1 wird über Leitun 4 kontinuierlich
wäßriges Amin, z. B. Athylendiaminhydrat, gegeben, während über Leitung 3 in den
unteren Teil der Säule das noch etwa 10°/o Blausäure enthaltende Restgas aus der
zweiten Reaktionsstufe eingeleitet wird. Mit dem Amin reagiert die Blausäure quantitativ
zum Ammoniumsalz. Das blausäurefreie Restgas wird durch Leitung 11 abgezogen, während
das Reaktionsprodukt über Leitung 8 dem Reaktor 2 zugeführt wird. Dieser ist zur
Vermeidung von Konvektionsströmungeu und zur Ermöglichung des Mitreißens der gebildeten
festen Reaktionsprodukte im kontinuierlichen Flüssigkeitsstrom beispielsweise mit
schräg nach unten geneigten durchlöcherten Leitblechen 5 versehen. Durch Leitung
6 wird Aldehyd oder Keton, z. B. Formaldehyd, und durch Leitung 7 die stabilisierende
Säure, z. B. Schwefelsäure, in den Reaktor 2 eingeleitet. Die 200/obige technische
Blausäure tritt über Leitung 9 in den Unterteil des Reaktors ein und reagiert im
Gegenstrom mit dem kontinuierlich von oben nach unten wandernden Reaktionskomponenten.
Die Blausäure wird dabei im Überschuß angewandt, um den Reaktionsablauf zu beschleunigen
und zu verbessern. Das noch etwa 10°/o Blausäure enthaltende Restgas wird, wie eingangs
beschrieben, über Leitung 8 der Extraktionssäule 1 zugeleitet, wo es quantitativ
durch Neutralisation mit dem Äthylendiamin aufgefangen wird. Die Reaktionstemperatur
im Reaktor 2, die sich selbsttätig durch die Reaktionswärme einstellt, beträgt etwa
40 bis 45° C.
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Die Reaktionsprodukte werden kontinuierlich durch Leitung 10 vom unteren
Teil des Reaktors abgezogen.