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Die Erfindung betrifft Präkursorformkörper, insbesondere Präkursorfasern auf Basis von modifiziertem Polyacrylnitril, ein Verfahren zu deren Herstellung sowie deren Verwendung zur Herstellung von Carbonformkörpern, insbesondere Carbonfasern.
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Für Carbonfasern gibt es in Gebieten, wie der Luft- und Raumfahrt, der Automobilindustrie, der Baubranche und bei Sportartikeln, stetig steigenden Bedarf. Als Carbonfasern werden mindestens 92 Gew.-% Kohlenstoff enthaltende flexible, längliche Formkörper bezeichnet, die bevorzugt aus organischen polymeren Präkursoren hergestellt werden.
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Carbonfasern werden nach aktuellem Stand der Technik vorrangig aus dem Präkursor Polyacrylnitril (PAN) gewonnen. Das Präkursorpolymer PAN, meist ein Terpolymer aus Methylmethacrylat und Itaconsäure, wird kommerziell entweder durch Nass- oder Trockenspinnen in Faserform überführt. Bei beiden Spinnprozessen wird das Polymer im ersten Schritt in einem geeigneten Lösungsmittel gelöst. Vorzugsweise werden hierbei polar aprotische Lösungsmittel, wie DMF, DMAc oder DMSO, verwendet. Anschließend wird diese Spinnlösung im Falle der Verarbeitung zu Fasern durch Nassspinnen durch eine Spinndüse in ein Koagulationsbad geleitet. Im Falle des Trockenspinnens wird die Spinnlösung in eine Atmosphäre überführt, deren Temperatur deutlich über dem Siedepunkt des verwendeten Lösungsmittels liegt. Diese Spinnarten sind gemeinhin dem Schmelzspinnen, bei dem das Polymer aufgeschmolzen und anschließend durch eine Spinndüse in Faserform überführt wird, in Wickelgeschwindigkeit und Prozesskosten unterlegen. Schmelzspinnen ist bei reinem PAN wegen seines Schmelzpunktes bei etwa 320 °C und seiner Zersetzung ab etwa 180 °C nicht möglich. Weitere Nachteile des Nass- und Trockenspinnens sind die Lösungsmittel. So stellen DMF und DMAc beide lebertoxische Substanzen dar. Außerdem ist vor allem Trockenspinnen mit einem erheblichen Energieaufwand verbunden. Des Weiteren ist eine Aufbereitung der Abluft beim Trockenspinnen bzw. des Koagulationsbades beim Nassspinnen nötig, was ebenfalls die Prozesskosten erhöht und trotzdem noch die Umwelt durch Lösungsmittelspuren belasten kann.
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Deshalb gibt es nach dem Stand der Technik einige Bestrebungen, PAN so zu modifizieren, dass sein Schmelzpunkt zum Zeitpunkt des Spinnens unterhalb des Zersetzungspunktes liegt. Erreicht wird dies im Stand der Technik durch zwei generelle Methoden: externe Weichmachung des PANs durch geeignete Weichmacher oder interne Weichmachung durch Copolymerisation von Acrylnitril mit geeigneten Comonomeren.
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Im Stand der Technik werden diverse Weichmacher und Weichmachergemische für PAN beschrieben. Dabei handelt es sich vorrangig um Wasser, Acetonitril, Nitromethan, 2-Pyrrolidon, Ethylencarbonat, Propylencarbonat, Propiolacton, γ-Butyrolacton, γ-Valerolacton, Dimethylformamid, Dimethylacetamid, N-Acetylmorpholin, Methylethylsulfon, Sulfolan, Dimethylsulfoxid, Methylethylsulfoxid und wässrige Natriumthiocyanatlösungen und Mischungen hiervon (sh. u.a.
US 2679492 ,
US 3078243 ,
US 3634575 und
US 3655857 ). Über die Jahre scheint sich Wasser als bevorzugter Weichmacher, allein oder in diversen Mischungsverhältnissen mit anderen Weichmachern etabliert zu haben.
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Obwohl die Methode der externen Weichmachung vielversprechend erscheint, wurde sie nie kommerzialisiert. Die Gründe hierfür sind vermutlich die je nach Weichmacher technisch aufwändige oder zu langsame Prozessführung sowie Inhomogenitäten der Verteilung des Weichmachers in der Spinnmasse, was zu Gelbildung und zum Verstopfen der Düsen führen kann.
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Von Vorteil scheint deshalb die interne Weichmachung zu sein, da Comonomere homogener in das Polymer eingebaut werden können. Die interne Weichmachung von PAN kann über einen erhöhten Gehalt an Comonomeren erfolgen. Weniger entscheidend als die Wahl des Comonomers ist hierbei die Menge. Eine deutliche Reduktion der Viskosität scheint von einem Comonomergehalt von 12 mol-% an einzutreten, meist werden 12-20 mol-% Comonomer verwendet (vgl. P. Rangarajan et al., J. Appl. Polym. Sci. 2002, 85, 69-83). Entscheidend ist bei intern weichgemachtem PAN, dass das Comonomer nach dem Spinnen in einer Weise veränderlich ist, die es ermöglicht, dass die gesponnene Faser bei einem nachgeschalteten Stabilisierungsschritt nicht schmilzt. Außerdem sollte das Comonomer im Hinblick auf Carbonfasern so gewählt werden, dass es keine Fehlstellen in der Carbonstruktur der Faser erzeugt und zur präferierten polyaromatischen Struktur beiträgt. Im Folgenden wird auf den der vorliegenden Erfindung nächststehenden Stand der Technik eingegangen.
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Ein möglicher Ansatz für Carbonfasern aus intern weichgemachten PAN ist in der Literatur beschrieben (Mukundan et al., Polymer 2006, 47, 4163-4171). Bei diesem wird zum gängigen PAN-Copolymer Acrylnitril/Methylacrylat noch Acryloylbenzophenon zur UV-induzierten Quervernetzung einpolymerisiert. Die durch UV-Strahlung nach dem Spinnen erhaltenen quervernetzten Fasern hatten allerdings niedrige Festigkeiten von durchschnittlich 600 MPa. Das Problem des Prozesses war es, dass der Quervernetzer zu Fehlstellen in der stabilisierten polyaromatischen Struktur des Polymers führte und die für Carbonfasern so wichtige turbostratische Konfiguration des Kohlenstoffs störte.
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Ein weiterer Ansatz wurde in der deutschen Patentanmeldung DE 102014219708 A1 veröffentlicht. In deren Beispiel wird ein Verfahren beschrieben, bei dem ein Copolymer, bestehend aus 90% Acrylnitril und 10% Methoxyethylacrylat und einem Molekulargewicht von 15000 g/mol, schmelzgesponnen wurde. Dieses Copolymer wurde anschließend mit einem Gemisch, bestehend aus 50% DMSO und 50% 4,5 molarer KOH-Lösung bei 60-70 °C prästabilisiert. Mit „Prästabilisierung“ ist hierbei eine nicht näher beschriebene Überführung in einen unschmelzbaren Zustand der Copolymerfaser gemeint, die eine nachgeschaltete Stabilisierung bei erhöhter Temperatur erst ermöglicht. Beschrieben sind Copolymere, bestehend aus 5-10 mol-% eines Alkoxyalkylacrylats, 0-10 mol-% eines Alkylacrylats und 0-10 mol-% eines Vinylesters. Das Prästabilisationsgemisch besteht aus einem Lösungsmittel für PAN und einer wässrigen alkalischen Lösung. Die Eigenschaften der erhaltenen Carbonfasern sind nicht näher beschrieben. Bedenklich ist hierbei der Prästabilisierungsschritt, der den Einsatz von alkalimetallbasierten Basen erfordert. Alkalimetalle verschlechtern allerdings die mechanischen Eigenschaften von Carbonfasern schon in sehr geringen Mengen, weshalb die Methode unvorteilhaft erscheint.
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Aus der
WO 2015175050 A2 und der
Publikation Batchelor et al., Carbon 2016, 98, 681-688 ergibt sich ein Stand der Technik, bei dem ein Copolymer, bestehend aus mindestens 70 Gew.-% Acrylnitril und bis zu 30 Gew.-% eines Vinylimidazols, verwendet wurde, bevorzugt 82 mol-% Acrylnitril und 18 mol-% Vinylimidazol. Zugrunde liegt der thermisch latente Charakter des Vinylimidazols, welches durch seine ungesättigte Doppelbindung im Imidazolring quervernetzen kann. Eine oxidativ thermische Stabilisierung mit langsamer Heizrate von 1 K/min ist dadurch möglich. Die Polymere wurden außerdem noch zu einem geringen Teil extern weichgemacht. Erwähnt sind 5-10 Gew.-% eines Weichmachers. Dieser entspricht einem Co-Oligomer, bestehend aus Acrylnitril und N-Imidazolacrylat bei einem Molekulargewicht von 1000-2000 g/mol. Durch das Vinylimidazol wird das Problem der Quervernetzung gelöst. Allerdings ist der Einfluss des Comonomers auf die Carbonstruktur nicht näher untersucht worden, aller Wahrscheinlichkeit nach aber zum Nachteil jener.
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Von außerordentlichem Vorteil wäre ein Comonomer, welches eine Art maskiertes Acrylnitril darstellt und in kontrollierter Weise zurück in ein Nitril oder eine zyklisierungsförderliche funktionelle Gruppe überführt werden kann. Eine bisher unbeachtete, aber vielversprechende Klasse an Comonomeren für PAN sind deshalb Acrylamidine. Diese können sich einerseits thermisch zum Nitril zurückbilden. Außerdem wird in den Patentanmeldungen bzw. Patenten
US20060134413 A1 ,
US7964134 B2 und
WO2011031251 A1 beschrieben, dass Amidine PAN quervernetzen können. Im Falle dieser Veröffentlichungen wird die PAN Präkursorfaser durch ein wässriges Ammoniakbad geleitet, wodurch Amidinfunktionen entstehen sollen, die, egal ob unter Sauerstoff oder Inertatmosphäre, zur Stabilisierung und Quervernetzung beitragen. In diesen Veröffentlichungen wird allerdings auf konventionelles Nassspinnen der Faser zurückgegriffen, die Amidinfunktionalisierung tritt erst im Stabilisierungsschritt auf.
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Es ist noch auf den relevanten Stand der Technik hinzuweisen, nach dem N,N'-subsituierte Acrylamidine hergestellt werden. Auch sind hier Verwendungsmöglichkeiten bezeichnet. N,N'-substituierte Acrylamidine wurden erstmals von R. Fuks synthetisiert (
R. Fuks, European Polymer Journal 1973, 9, 835-845) und homopolymerisiert. Mit der Monomersynthese befasst sich auch die
US-Patentschrift 3,954,863 A ). In deren Beschreibung wird außerdem erwähnt, dass Acrylamidine unter anderem mit Acrylnitril copolymerisiert werden können (sh. Spalte 3, Z. 49 bis Spalte 4, Z. 14).
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Die einzigen patentierten Copolymere mit N,N'-substituierten Acrylamidinen bestehen aus Acrylsäureestern und Acrylamidinen und wurden 1977 in der
US4062787 A veröffentlicht. Die Copolymere können als Additiv zu Motorölen eingesetzt werden und zeichnen sich durch ihre hohe Basizität aus.
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Von der Kingston Technologies Inc. wurden 1993 außerdem Block-Copolymere mit unter anderem N-substituierten Acrylamidinen und Acrylnitril als amphotere Copolymere bzw. Hydrogele in der
US 5252692 A veröffentlicht. Diese können je nach Zusammensetzung als Emulgator, Wundverband, als Hydrogelpartikel geeignet zur Immobilisierung von Enzymen, zur Embolisation oder zur Affinitätschromatographie verwendet werden.
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Ein weitergehender Stand der Technik ergibt sich aus der
WO 2019/003 914 A1 . Diese WO-Schrift befasst sich mit Precursorfasern zur Herstellung von Carbonfasern, enthaltend Copolymere aus Acrylnitril und Acrylamidin. Das offenbarte Acrylamidin weist spezielle Strukturen auf, in denen Acrylamidin zu 10 Mol-% enthalten ist. Auch kann ein weiteres Copolymer vorliegen. Weiterhin ist die Verwendung der Precursorfasern zur Herstellung von Carbonfasern offenbart. Die Einstellung eines speziellen Bereichs der Glasübergangstemperatur Tg des Acrylnitril/Acrylamidin-Copolymers zur Begünstigung physikalischer Eigenschaften ist nicht angesprochen.
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Ausgehend vom obigen Stand der Technik liegt der Erfindung die Aufgabe zu Grunde, ein schmelzverarbeitbares Acrylnitril-basiertes Polymer zu entwickeln, dass besonders geeignet ist, in Carbonformkörper überführt zu werden. Die Polymerzusammensetzung sollte außerdem äußerst dazu geeignet sein, eine Graphitstruktur bzw. eine turbostratische Kohlenstoffstruktur auszubilden, die wenige Defektstellen aufweist.
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Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß durch Präkursorformkörper, insbesondere Präkursorfasern, auf Basis von modifiziertem Polyacrylnitril dadurch gelöst, dass das modifizierte Polyacrylnitril als Acrylnitril/Acrylamidin-Copolymer vorliegt, wobei das Acrylnitril-Comonomer des Acrylnitril/Acrylamidin-Copolymers die Formel
aufweist, wobei die Reste R
1, R
2 und R
3, unabhängig voneinander, bedeuten: H, einen linearen, cyclischen oder verzweigten Alkyl-Rest, einen linearen, cyclischen oder verzweigten Alkoxy-Rest und/oder einen Aryl-Rest, insbesondere mit bis zu drei kondensierten oder nicht kondensierten Ringen,
und das Acrylamidin-Comonomer des Acrylnitril/Acrylamidin-Copolymers die Formel
aufweist, wobei die Reste R'
1, R'
2, R'
3, R'
4, R'
5 und R'
6 unabhängig voneinander, bedeuten:
H, einen linearen, cyclischen oder verzweigten Alkyl-Rest, einen linearen, cyclischen oder verzweigten Alkoxy-Rest und/oder einen Aryl-Rest, insbesondere mit bis zu drei kondensierten oder nicht kondensierten Ringen, wobei die Glasübergangstemperatur Tg des Acrylnitril/Acrylamidin-Copolymers 80 bis 140 °C, gemessen über die Dynamische Differenzkalorimetrie (DSC), beträgt. (Ursprungsoffenbarung: ursprünglicher Anspruch 12)
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Die Erfindung betrifft eine wenig beachtete Art von Polymeren, die sich hervorragend als Präkursoren zur Herstellung von Carbonformkörpern eignen. Bei den Polymeren handelt es sich um Co- oder Terpolymere auf der Basis von Acrylnitril(en) und Acrylamidin(en). Eine besondere Eigenschaft der Polymere ist es, dass sie über alle Arten der Formgebung, insbesondere der Schmelzformgebung, zu Präkursorformkörpern verarbeitbar sind. Besonders eignet sich das erfindungsgemäße Polymer als Präkursor zur Herstellung von Carbonfasern.
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Die Erfindung geht von der Erwägung aus, dass ein Comonomer besonders vorteilhaft ist, welches erstens eine Amidinfunktion trägt, zweitens radikalisch polymerisierbar ist und möglichst statistisch verteilt mit Acrylnitril copolymerisiert, drittens den Schmelzpunkt von PAN erniedrigt, so dass eine Schmelzspinnbarkeit gegeben ist, und viertens über einen geeigneten Prozess, idealerweise thermisch oder photochemisch, wieder zum Nitril bzw. einer für PAN zyklisierungsförderlichen Struktur, umwandelbar ist, was eine mögliche technische Erklärung darstellt. Es überrascht, dass die erfindungsgemäßen substituierten Acrylamidine alle bezeichneten Bedingungen erfüllen. Es erstaunt ferner, dass die erfindungsgemäß herangezogenen Acrylnitril/Acrylamidin-Copolymeren sämtliche oben genannten Bedingungen erfüllen. Dabei ist zu beachten, dass unsubstituiertes Acrylamidin nicht vorteilhaft stabil ist, da es sich bereits bei Raumtemperatur zersetzen kann. Es ist daher bevorzugt, N,N'-substituierte Acrylamidine zu verwenden.
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Eine bevorzugte Ausgestaltung der Erfindung besteht darin, dass der Alkyl-Rest einen linearen, cyclischen oder verzweigten C1-C20-Alkyl-Rest, insbesondere einen C1-C10-Alkyl-Rest und besonders bevorzugt einen C1-C8-Alkyl-Rest und der Alkoxy-Rest einen linearen, cyclischen oder verzweigten C1-C20-Alkoxy-Rest, insbesondere einen C1-C10-Alkoxy-Rest und besonders bevorzugt einen C1-C8-Alkoxy-Rest, bedeutet.
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Von besonderem Vorteil ist es, dass dann, wenn ein oder zwei Reste der Reste R'4, R'5 und R'6 H darstellen, der (die) verbliebene(n) Rest(e) eine der vorstehenden Bedeutungen von R'4, R'5 und R'6, ausschließlich H, aufweisen.
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Eine weitergehende bevorzugte Ausgestaltung der Erfindung besteht darin, dass der Alkyl-Rest in Form eines Methyl-, Ethyl-, i-Propyl-, n-Butyl-, i-Butyl-, tert-Butyl-, Cyclopropyl-, Cyclobutyl-, Cyclopentyl- und Cyclohexyl-Rests, der Alkoxy-Rest in Form eines Methoxy-, Ethoxy-, i-Propoxy-, n-Butoxy-, i-Butoxy-, tert-Butoxy-Rests und der Aryl-Rest in Form eines Phenyl-, Benzyl-, Naphthyl-, Phenantryl-, Mesityl- oder Tolyl-Rests vorliegt. Bevorzugt gilt für den Aryl-Rest abstrakt, dass es sich hierbei um einen C5-C14-Aryl- oder -Heteroaryl-Rest, einen C5-C14-Aryloxy- oder Heteroaryloxy-Rest handeln kann.
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Vorteilhaft ist es auch, dass im Acrylnitril/Acrylamidin-Copolymer auf 1 Mol Acrylnitril 0,01 bis 1 Mol, insbesondere 0,1 bis 0,3 Mol Acrylamidin entfallen.
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Es ist in vielen Fällen bei der Verwirklichung der vorliegenden Erfindung vorteilhaft, dass das Acrylnitril/Acrylamidin-Copolymer, insbesondere zur Eigenschaftssteuerung, mindestens ein weiteres Comonomer einbezieht, insbesondere in Form von Acrylsäure, Methacrylsäure, Acrylsäureester, Methacrylsäureester, Allylmethacrylat, Ethen, Propen, 1-Buten, 1,4-Butadien, Isopren, 2-chloro-1,4-Butadien, Styrol, α-Chlorstyrol, 4-Chlorostyrol, α-Methylstyrol, 2-Methyliden-5-norbornen, 2-Ethyliden-5-norbornen, 1,4-Divinylbenzol, Itaconsäure, Acrylamid, Methacrylamid, N-Methylacrylamid, N-Methylmethacrylamid, N,N-Dimethylacrylamid, N,N-Diethyl-acrylamid, N-Ethylmethacrylamid, N,N-Diethylmethacrylamid, N-(Hydroxymethyl)acrylamid, 2-Hydroxyethylacrylamid, Maleinsäureanhydrid, Maleinsäure, Maleinsäureester, Fumarsäure, Fumarsäureester, Maleimid, Maleamid, Vinylacetat, Vinylpropionat, Vinylbutyrat, Methylvinylether, Ethylvinylether, Methacrylnitril, wobei die Anordnung der Comonomere innerhalb der Polymerkette vorzugsweise alternierend ist.
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Es gilt ferner als bevorzugt, dass im Acrylnitril/Acrylamidin-Copolymer unter Einbezug eines oder mehrerer weiterer Comonomere auf 1 Mol Acrylnitril 0,001 bis 1, insbesondere 0,01 bis 0,1 mol weiteres Comonomer bzw. weitere Comonomere entfallen. Die Anordnung der Comonomere innerhalb der Polymerkette ist vorzugsweise alternierend.
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Auch ist es von Vorteil, dem erfindungsgemäßen Präkursorformkörper Additive einzuverleiben, vorzugsweise zur Eigenschaftssteuerung, insbesondere Additive zur Verbesserung der Fließeigenschaften, der Stabilisierung und/oder der Vernetzung und/oder Weichmacher und/oder Viskositätsregler. Es ist vorteilhaft, hier quantitative Rahmenbedingungen zu bedenken, wonach auf 1 Gewichtsteil Additiv 1 bis 100, insbesondere 2 bis 100, besonders bevorzugt 3 bis 20 Gewichtsteile Acrylnitril/Acrylamidin-Copolymer, entfallen.
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Grundsätzlich können verschiedene Additive mit unterschiedlichen Eigenschaften erfindungsgemäß genutzt werden. So ist es bevorzugt, dass sie als Additive zur Verbesserung der Fließeigenschaften Glycerolester, insbesondere Glyceroltrioleat und Glyceroltristearat, Polyole, insbesondere Polyethylengylcol und Polypropylenglycol, Fettsäureester, insbesondere Fettsäurebutylester, insbesondere Butyloleat und Butylstearat, Phathalate, insbesondere Bis(2-ethylhexyl)phthalat und Diisodecylphthalat, und/oder als Additive zur Verbesserung der Vernetzung insbesondere Acrylate, besonders bevorzugt Allylmethacrylat, Arylketone, insbesondere Benzophenon, und Cyanurate, insbesondere Triallylisocyanurat, enthalten.
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Ferner ist es von Vorteil, dass die Additive in Form von Weichmachern aus der Gruppe ausgewählt sind, die aus Acetonitril, Nitromethan, 2-Pyrrolidon, Ethylencarbonat, Propylencarbonat, Propiolacton, γ-Butyrolacton, γ-Valerolacton, Dimethylformamid, Dimethylacetamid, N-Acetylmorpholin, Methylethylsulfon, Sulfolan, Dimethylsulfoxid, Methylethylsulfoxid und wässrigen Natriumthiocyanatlösungen und Mischungen davon, insbesondere Dimethylsulfoxid, Dimethylformamid, γ-Butyrolacton, Propylencarbonat, Ethylencarbonat und Mischungen davon besteht. Bei Einbezug von Weichmachern ist es vorteilhaft, dass auf 1 Gewichtsteil Weichmacher 1 bis 20 Gewichtsteile, insbesondere 4 bis 10 Gewichtsteile, Acrylnitril/Arcylamidin-Copolymer entfallen.
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Weichmacher sollen vorzugsweise eingesetzt werden, um die komplexe Viskosität bei der Extrusion weiter zu reduzieren bzw. die Verarbeitungstemperatur zu senken, um einen größeren Verarbeitungsbereich bis zur oberen Grenztemperatur zu erhalten. Besonders bevorzugt sind hierbei Dimethylsulfoxid, Dimethylformamid und γ-Butyrolacton. Durch den Einsatz von Weichmachern kann die Verarbeitungstemperatur um bis zu 30 °C gesenkt werden. Der Einsatz von Weichmachern ist nicht notwendig, im Sinne der Erfindung jedoch bevorzugt.
Um die erfindungsgemäßen Präkursorformkörper im Hinblick auf die spätere Verwendung zur Erstellung von Carbonformkörpern, insbesondere Carbonfasern, zu optimieren, ist es zweckmäßig, verschiedene physikalische Eigenschaften einzustellen. So ist es bevorzugt, dass die Glasübergangstemperatur Tg des Acrylnitril/Acrylamidin-Copolymers insbesondere 90 bis 120 °C, gemessen über die Dynamische Differenzkalorimetrie (DSC), beträgt, und/oder dass das Acrylnitril/Acrylamidin-Copolymer bei Durchlaufen eines Temperaturbereichs von 100 bis 200 °C, insbesondere von 120 bis 160 °C, eine komplexe Viskosität (nach DIN 53019-4/Oktober 2016) von weniger als 1500 Pa·s, insbesondere von 100 bis 500 Pa·s, besonders bevorzugt von 200 bis 350 Pa·s, aufweist.
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Von besonderer Wichtigkeit für die erfindungsgemäßen Copolymere sind ihre rheologischen Eigenschaften, wie sie oben bezeichnet sind. Um einen stabilen Spinnprozess bei der Herstellung von erfindungsgemäßen Präkursorfasern zu gewährleisten, sollte die komplexe Viskosität des versponnenen Acrylnitril/Acrylamidin-Copolymers für mindestens 30 min innerhalb des besagten Viskositätsbereichs von 200-500 Pa·s liegen. Außerdem sollte der Verlustfaktor der Copolymere vorzugsweise größer als 1 sein. Der Verlustfaktor ist definiert als Quotient aus Verlustmodul und Speichermodul. Die komplexe Viskosität und der Verlustfaktor können an einem Rheometer bestimmt werden (entsprechend DIN 53019-4/Oktober 2016).
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Der Erweichungsbereich bzw. der Schmelzbereich des erfindungsgemäß herangezogenen Copolymers liegt, abhängig vom Molekulargewicht in der Copolymerzusammensetzung, vorzugsweise bei 120 bis 280 °C. Insbesondere bevorzugt ist ein Schmelzbereich von unter 150 °C. Dieser kann am einfachsten über ein Schmelzmikroskop einer Heizrate von 5-10 K/min bestimmt werden.
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Vorteilhaft ist für die Erfindung auch die Einhaltung eines Molekulargewichtbereichs definiert über Mn, für das Acrylnitril/Acrylamidin-Copolymer. Hierbei ist es bevorzugt, dass das Mn weniger als 100 000 g/Mol, insbesondere von 15 000 bis 50000 g/Mol, aufweist, insbesondere bei einem PDI (Polydispersitätsindex) von mindestens 1,5. Bevorzugt ist hier der Bereich von 1,8 bis 2,5 (bestimmt über Gelpermeationschromatographie).
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Im Rahmen der Erfindung haben sich Präkursorfasern als besonders vorteilhaft erwiesen. Bei diesen ist es von großem Nutzen, wenn sie einen Durchmesser von 5 bis 20 µm, insbesondere von 7 bis 15 µm, aufweisen. Erfindungsgemäß lassen sich Präkursorfasern einstellen, die sich dadurch auszeichnen, dass ihre Zugfestigkeit (nach DIN EN ISO 5079:1995) 0,001 GPa bis 2 GPa, insbesondere 0,01 GPa bis 0,5 GPa und/oder das E-Modul (nach DIN EN ISO 5079:1995) 0,1 GPa bis 20 GPa, insbesondere 1 GPa bis 8 GPa, beträgt.
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Das erfindungsgemäße Verfahren ist überraschend einfach zur Herstellung der Präkursorformkörper, insbesondere der Präkursorfasern, durchzuführen und zu steuern. Es ist dadurch gekennzeichnet, dass das vorstehend dargestellte Acrylnitril/Acrylamidin-Copolymer bei einer Temperatur unter 200 °C zu Präkursorformkörpern verschmolzen, insbesondere zu Präkursorfasern schmelzversponnen wird, insbesondere unter Einsatz eines Extruders. Grundsätzlich ist es vorteilhaft, dass bei einer Temperatur unter 160 °C, insbesondere bei einer Temperatur von 120 bis 150 °C, verschmolzen bzw. schmelzversponnen wird.
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Auch bei der Wahl des Extruders gibt es vorteilhafte Weiterbildungen gemäß der Erfindung. So ist es besonders zweckmäßig, dass mit einem Schneckenextruder, insbesondere bei Einsatz von Weichmachern mit einem Doppelschneckenextruder, verschmolzen bzw. schmelzversponnen wird. Bei Einbezug von Weichmachern gilt es als bevorzugt, dass die einzelnen Ausgangskomponenten des Verfahrens, insbesondere dem Extruder vorgemischt zudosiert werden. Ferner ist es von Vorteil, wenn dem Extruder ein Spinnanbau nachgeschaltet wird, insbesondere mindestens eine Spinnpumpe sowie eine Spinndüse mit 1 bis 24000, insbesondere 100 bis 3000 Düsenöffnungen. Bei der erfindungsgemäßen Herstellung von Präkursorfasern wird die Spinntemperatur zweckmäßigerweise auf 100 ° bis 200 °C, insbesondere 120 ° bis 160 °C, eingestellt.
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Schließlich ist es bei der Herstellung von Präkursorfasern bevorzugt, die Extrusion und das Spinnen unter Inertgas, insbesondere unter Stickstoff, durchzuführen.
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Grundsätzlich und abstrakt lässt sich zu dem erfindungsgemäßen Verfahren, nach dem die Präkursorformkörper bzw. Präkursorfasern hergestellt werden, ergänzend Folgendes ausführen: Die Formgebung des Acrylnitril/Acrylamidin-Copolymers, auch unter Einbezug von Comonomeren, wie oben beschrieben, insbesondere wenn optimal weichgemacht, erfolgt erfindungsgemäß vorzugsweise mit einer Extrusionsanlage. Beim Einsatz von Weichmachern wird vorzugsweise ein Doppelschneckenextruder zur besseren Durchmischung verwendet. Ohne Weichmacher ist auch ein Einschneckenextruder vorteilhaft. Im Falle der Verwendung von Weichmachern werden die einzelnen Komponenten vorzugsweise bereits vorgemischt zudosiert. Im Falle des Schmelzspinnens ist der Extrusion, wie dargestellt, ein Spinnanbau nachgeschaltet, dies in der beschriebenen Struktur, insbesondere im Hinblick auf die Spinndüsen.
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Die obigen Darstellungen der Erfindung zeigen es, dass diese eine wenig beachtete Art von Polymeren betrifft, die sich hervorragend als Präkursoren zur Herstellung von Carbonformkörpern eignen. Bei den Polymeren handelt es sich um Co- oder Terpolymere auf der Basis von Acrylnitril und Acrylamidinen. Eine besondere Eigenschaft der Polymere ist es, dass sie über alle Arten der Formgebung, insbesondere der Schmelzformgebung zu Präkursorformkörpern verarbeitbar sind. Besonders eignet sich das erfindungsgemäße Polymer als Präkursor zur Herstellung von Carbonfasern.
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Die Herstellung des erfindungsgemäß herangezogenen Acrylnitril/substituierten Acrylamidin-Copolymers ist nicht Gegenstand der vorliegenden Erfindung. Dennoch sei darauf hingewiesen, dass dieses Copolymer auch durch Lösungspolymerisation, freie radikalische Polymerisation, RAFT-Polymerisation oder Emulsionspolymerisation hergestellt werden kann. Bevorzugt ist eine freie radikalische Copolymerisation in einem organischen Lösungsmittel. Als Initiatoren können organische oder metallbasierte Initiatorsysteme verwendet werden. Bevorzugt ist es im Sinne der Erfindung, organische Initiatoren, wie AIBN oder Dibenzoylperoxid, zu verwenden. Unabhängig von der Herstellungsweise, insbesondere aber nach der oben beschriebenen erfindungsgemäß bevorzugten Herstellungsweise, besitzt das Acrylnitril/Acrylamidin-Copolymer sowohl eine Nitrilfunktion als auch eine Amidinfunktion in der 1,3-Position.
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Die erfindungsgemäßen Präkursorformkörper, insbesondere Präkursorfasern, werden bevorzugt nach dem erfindungsgemäßen Verfahren hergestellt, d.h. die Acrylnitril/Acrylamidin-Copolymere bei einer Temperatur unter 200 °C zu Präkursorformkörpern verschmolzen, insbesondere zu Präkursorfasern schmelzversponnen werden, insbesondere unter Einsatz eines Extruders. Neben dem Schmelzverspinnen sind multifile Endlosfasern auch durch Nass- und Trockenspinnprozesse zugänglich. Hier empfehlen sich die Lösungsmittel Ethylencarbonat, Propylencarbonat, Propiolacton, γ-Butyrolacton, γ-Valerolacton, Dimethylformamid, Dimethylacetamid, N-Acetylmorpholin, Methylethylsulfon, Sulfolan, Dimethylsulfoxid, Methylethylsulfoxid und wässrige Natriumthiocyanatlösungen.
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Um aus den extrudierten Formkörpern Carbonformkörper bzw. Carbonfasern zu erhalten, müssen die extrudierten Präkursorformkörper, insbesondere Präkursorfasern, in einen unschmelzbaren Zustand überführt werden. Deswegen wird der Prozessschritt der oxidativen Thermostabilisierung herangezogen. Diese Thermostabilisierung kann unter Sauerstoff oder unter Schutzgasatmosphäre durchgeführt werden sowie durch Gasgemische unterschiedlichen Sauerstoffgehalts. Der Gasdruck bei der Thermostabilisierung liegt bevorzugt bei 0,01 bis 5 bar, insbesondere bevorzugt ist ein Thermostabilisierungsdruck von 0,5-1 bar. Der Thermostabilisierung liegen Endtemperaturen zwischen 180 °C und 300 °C, insbesondere 200 °C bis 250 °C, zugrunde. Das Erreichen der Endtemperatur geschieht über eine langsame lineare oder stufenartige Erhöhung der Temperatur in beliebiger Art und Weise. Bevorzugt wird im Falle eines linearen Temperaturanstiegs eine Thermostabilisierung mit Heizraten von 0,1 bis 2 K/min bis 250 °C. Im Falle einer stufenartigen Thermostabilisierung ist insbesondere ein Temperaturplateau bei 50 °C bis 120 °C von Vorteil.
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Es ist bevorzugt, dass die oxidative Thermostabilisierung und/oder Stabilisierung mit hochenergetischer Strahlung durchgeführt wird. Die Thermostabilisierung mit hochenergetischer Strahlung beruht vorzugsweise auf einer Ultraviolett-Strahlung (UV), Vakuum-Ultraviolett-Strahlung (VUUV), Elektronenstrahlung, Röntgenstrahlung und/oder Gammastrahlung. Die Stabilisierungsarten können demzufolge oxidativ wie auch unter inerter Atmosphäre, insbesondere Stickstoff, durchgeführt werden. Reine Stabilisierungsarten beruhen unter anderem auf der thermisch induzierten Vernetzung innerhalb der Präkursorfasern. Dies hat unter anderem zur Folge, dass die Faser unschmelzbar wird und in einem weiteren Schritt mit höherer Heizrate carbonisiert werden kann.
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Ein besonderer Vorteil der Erfindung besteht darin, dass die in der oben beschriebenen Weise hergestellten Präkursorformkörper bzw. Präkursorfasern vorteilhaft zur Herstellung von Carbonformkörpern bzw. Carbonfasern durch Carbonisierung, gegebenenfalls mit anschließender Graphitisierung, herangezogen werden können.
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Vorzugsweise erfolgt die Carbonisierung durch Erhitzen der stabilisierten Formkörper, insbesondere der Fasern, unter Schutzgas in einem Temperaturbereich von 600 ° bis 2400 °C, insbesondere 1000 ° bis 2400 °C, wobei der Bereich von 1200 ° bis 1600 °C bevorzugt ist. Ganz besonders bevorzugt wird auf maximal 1600 °C erhitzt. Zweckmäßigerweise haben die erhaltenen Carbonfasern, die gegebenenfalls graphitisiert sind, einen Kohlenstoffgehalt von > 98 Gew.-%. Auch während der Carbonisierung sollte der Formkörper eine konstante Zugkraft in Faserachse spüren.
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Die anschließende Graphitisierung, die gegebenenfalls durchgeführt wird, erfolgt vorzugsweise durch eine thermische Behandlung von 1700 °C bis 3000 °C, insbesondere 2000 °C bis 2500 °C, unter Schutzgas, insbesondere Stickstoff. Die graphitisierten Fasern weisen einen höheren E-Modul als lediglich herkömmlich carbonisierte Fasern auf.
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Im Ergebnis bedient sich die Erfindung einer kaum beachteten Klasse an Copolymeren aus Acrylnitril und Acrylamidinen. Aus diesen Copolymeren können durch alle gängigen Arten der Formgebung polymere Formkörper hergestellt werden, insbesondere durch die Schmelzformgebung. Die somit erhaltenen Formkörper sind besonders dazu geeignet, zu Carbonformkörpern umgewandelt zu werden.
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Die Vorteile der Erfindung sind wie folgt zu beschreiben: Anhand eines erfindungsgemäß hergestellten Präkursorformkörpers bzw. von Präkursorfasern können mit großen Vorteilen entsprechende Carbonformkörper bzw. Carbonfasern hergestellt werden. Diese Vorteile gehen insbesondere darauf zurück, dass sich das erfindungsgemäß herangezogene Copolymer durch eine frühe thermisch induzierte Quervernetzungsstabilisierung auszeichnet. Diese kann auf molekularer Ebene durch thermogravimetrische Analyse (TGA), kombiniert mit einem Massenspektrometer (MS), nachgewiesen werden (TGA-MS). Durch eine TGA-MS-Messung können daher gleichzeitig zur thermogravimetrischen Messung auch die Abspaltungsprodukte bei einer Massenabnahme der Probe untersucht werden. Im Falle des erfindungsgemäß herangezogenen Copolymers sind durch TGA-MS die korrespondierenden Aliphaten und Aromaten bzw. aliphatischen und aromatischen primären Amine der Reste R'4, R'5 oder R'6 des Amidins nachweisbar. Dieses spricht für eine thermische Rückumwandlung zum Nitril, was eine gleichzeitige vorteilhafte Quervernetzung bzw. Stabilisierung ermöglicht.
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Der besondere Vorteil der Erfindung liegt darin, dass bei Einbezug von Acrylamidinen in das Copolymer Acrylnitril/Acrylamidin eine oxidative Thermostabilisierung bei deutlich erniedrigter Temperatur, im Vergleich zum Stand der Technik, möglich ist. Beim Stand der Technik liegen die Bereiche, in denen die Thermostabilisierung beginnt, zwischen 180 °C und 250 °C. Demgegenüber zeigt die Erfindung den Vorteil, dass sie eine oxidative Thermostabilisierung bereits ab etwa 150 °C ermöglicht. Dies bedeutet einen geringeren Energieverbrauch und eine schnellere Thermostabilisierung. In Einzelfällen hat es sich sogar gezeigt, dass eine oxidative Thermostabilisierung bereits bei einer Temperatur von etwa 100 °C eingeleitet werden kann.
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Die Erfindung soll durch die nachfolgenden Beispiele noch näher erläutert werden:
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Beispiel 1 (Synthese von N,N'-di-iso-Propylacrylamidin)
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Es wurden 111,44 g Eisen(III)chlorid (0,69 mol) in 300 ml Isopropylchlorid (3,3 mol) suspendiert und auf 0 °C gekühlt. Über einen Tropftrichter wurden langsam 45 ml Acrylnitril (0,69 mol) zugetropft. Nach vollständiger Zugabe wurde die Suspension für eine weitere Stunde gerührt. Das Isopropylacrylnitriliumtetrachloroferrat fiel als gelb-brauner Feststoff aus. Anschließend wurde das restliche Isopropylchlorid unter vermindertem Druck entfernt. Danach wurde das Isopropylacrylnitriliumtetrachloroferrat in 250 ml Methylenchlorid gelöst und 58,85 ml Isopropylamin (0,69 mol) in 50 ml Dichlormethan bei -10 °C zugetropft und für eine Stunde gerührt. Das Methylenchlorid wurde unter vermindertem Druck entfernt und 344,9 ml 30%-ige wässrige NaOH-Lösung (3,44 mol) zugegeben. Der nasse Feststoff wurde mit Diethylether extrahiert, der Diethylether wurde unter vermindertem Druck entfernt. Anschließend wurde bei 5·10-2 mbar destilliert. Das N,N'-Diisopropylamidin siedete bei 35 °C Sumpftemperatur und 18 °C Kopftemperatur.
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Beispiel 2 (Synthese von N-iso-Propyl,N'-tert-Butylacrylamidin)
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Zu einer Suspension von Eisen(III)chlorid (1 Äq.) in 7 Äquivalenten Methylenchlorid wurde unter Rühren bei -30 °C das Alkylchlorid (1 Äq.) zugegeben. Zu der roten Lösung wurde nun bei -40 °C Acrylnitril (1 Äq.) zugegeben. Es bildet sich sofort ein gelbbrauner Feststoff. Die Suspension wurde anschließend auf -70 °C gekühlt, und Isopropylamin (1 Äq.) wurde verdünnt in Methylenchlorid (1 Äq.) unter Rühren langsam zu getropft. Nach vollständiger Zugabe wurde die rote Lösung weitere 15 Minuten gerührt. Nun wurde NaOH in 30%-iger wässriger Lösung (4,5 Äq.), vorgekühlt auf -10 °C, zu der -70 °C kalten Lösung gegeben. Es bildeten sich rotbraune Feststoffklumpen. Die Suspension wurde auf Raumtemperatur erwärmt und mehrfach mit Chloroform extrahiert. Die vereinigten Extrakte wurden unter vermindertem Druck eingeengt. Das Rohprodukt wurde unter vermindertem Druck destilliert.
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Beispiel 3 (Copolymerisation von 80 mol-% Acrylnitril und 20 mol-% N,N'-di-iso-Propylacrylamidin im Labormaßstab)
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AIBN (0,19 g, 1,13 mmol, 0,01 Äq.) wurde in DMF (52,7 ml) vorgelegt. Dazu wurde N,N'-di-iso-Propylacrylamidin (45,38 mmol, 7 g, 1 Äq) und Acrylnitril (181,52 mmol, 9,63 g, 4 Äq) zugegeben. Nach der Zugabe wurde die Reaktionslösung auf 60 °C erhitzt. Nach 19 h Polymerisation wurde die Reaktionslösung in iso-Propanol gefällt und anschließend abfiltriert. Das PAN-Copolymer wurde unter vermindertem Druck getrocknet. Die Ausbeute der Polymerisation betrug 12,8 g (77%).
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Beispiel 4 (Copolymerisation von Acrylnitril und 20 mol-% N-iso-Propyl,N'-tert-buty-lacrylamidin im Labormaßstab)
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AIBN (0,52 g, 3,19 mmol, 0,01 Äq.) wurde in DMF (74 ml) vorgelegt. Dazu wurde N-iso-Propyl,N'-tert-Butylacrylamidin (63,7 mmol, 10,7 g, 1 Äq) und Acrylnitril (254,81 mmol, 13,52 g, 4 Äq) zugegeben. Nach der Zugabe wurde die Reaktionslösung auf 60 °C erhitzt. Nach 35 h Polymerisation wurde die Reaktionslösung in iso-Propanol gefällt und anschließend abfiltriert. Das PAN-Copolymer-2 wurde unter vermindertem Druck für fünf Tage getrocknet. Die Ausbeute der Polymerisation betrug 19,8 g (80%).
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Beispiel 5 (Spinnen eines PAN-Copolymers, bestehend aus 80 mol-% Acrylnitril und 20 mol-% N-iso-Propyl,N'-tert-Butylacrylamidin mit 10 Gew.-% DMF im Labormaßstab)
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Zum PAN-Copolymer (5 g) wurden in einem Mörser 0,55 g DMSO zugegeben und homogenisiert. Das weichgemachte PAN-Copolymer wurde in den mit Stickstoff gespülten und auf 135 °C vorgeheizten Extruder Haake MiniLab II gegeben und mit einer Schneckendrehzahl von 45 min-1 extrudiert. Die 0,5 mm Monofilament-Spinndüse wurde mit einer Spinndüsenheizung auf 135 °C erhitzt. Die extrudierten Fasern wurden mit einer Wickelgeschwindigkeit von 50 m·min-1 und 110 m·min-1 gewickelt.
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Beispiel 6 (Spinnen eines PAN-Copolymers, bestehend aus Acrylnitril und 20 mol-% N,N'-di-iso-Propylacrylamidin mit 15 Gew.-% DMSO im Pilotmaßstab)
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Zum PAN-Copolymer (295 g) wurde in einem 2 Liter Rundkolben DMSO-Pulver (51,9 g) bei 0 °C zugegeben und mit einem KPG-Rührer homogenisiert. Das Pulver wurde anschließend in einer hydraulischen Presse zu Pellets verpresst. Diese wurden danach in einer Taumelmühle zu Granulat mit einer Korngröße von etwa 0,2 mm zerkleinert. Das weichgemachte PAN-Copolymer wurde in den mit Stickstoff gespülten Extruder (Haake Rheomex OS) gegeben und mit einer Schneckendrehzahl von 20 min-1 extrudiert. Die erste Zone des Extruders hatte hierbei eine Temperatur von 115 °C. Die Spinndüse wurde auf 125 °C geheizt. Die extrudierten Fasern wurden mit einer Wickelgeschwindigkeit von etwa 40 m·min-1 gewickelt.
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Beispiel 7 (Stabilisieren und Carbonisieren im Labormaßstab)
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Etwa 15 cm lange Stücke der Copolymerfasern gemäß Beispiel 6 wurden an ihren Enden fixiert mit einer Heizrate von 0,25 K·min
-1 auf 250 °C unter Luft stabilisiert. Anschließend wurden sie mit einer Heizrate von 10 K·min
-1 auf 1400 °C unter Stickstoffatmosphäre carbonisiert. Die resultierenden Carbonfasern hatten im Durchschnitt einen Durchmesser von 17 µm wurden an einem Favimat charakterisiert, ihre Zugfestigkeit betrug bis zu 1,34 GPa, der E-Modul betrug bis zu 111 GPa, die gemessenen Werte sind außerdem in Tabelle 1 zu sehen.
Tabelle 1: Zugfestigkeiten, E-Module und Dehnung der Carbonfasern, resultierend aus dem Spinnen des Copolymers gemäß Beispiel 3
Zugfestigkeit [GPa] | E-Modul [GPa] | Dehnung [%] |
0,59 | 79,845 | 0,77 |
0,85 | 60,065 | 1,46 |
0,98 | 68,64 | 1,43 |
0,88 | 61,26 | 1,47 |
0,87 | 70,89 | 1,23 |
0,9 | 61,01 | 1,48 |
0,81 | 71,385 | 1,14 |
0,83 | 60,28 | 1,44 |
0,74 | 88,895 | 0,84 |
0,7 | 68,455 | 1,02 |
1,22 | 79,14 | 1,54 |
1,1 | 67,91 | 1,59 |
0,95 | 81,665 | 1,17 |
0,91 | 93,75 | 0,97 |
0,97 | 95,12 | 1,03 |
0,64 | 103,97 | 0,62 |
1,21 | 100,145 | 1,21 |
1,1 | 79,725 | 1,4 |
1,08 | 93,76 | 1,2 |
0,81 | 77,645 | 1,05 |
1,21 | 100,285 | 1,22 |
0,6 | 98,075 | 0,61 |
0,84 | 104,62 | 0,82 |
1,08 | 102,53 | 1,06 |
0,95 | 110,725 | 0,88 |
1,09 | 73,3 | 1,5 |
0,75 | 91,175 | 0,84 |
1,27 | 84,13 | 1,52 |
1,01 | 101,455 | 1 |
1,01 | 110,835 | 0,93 |
1,34 | 105,355 | 1,29 |
0,81 | 78,275 | 1,5 |
0,76 | 82,56 | 1,05 |
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Anmerkung: Die Werte der Zugfestigkeit, des E-Moduls und der Dehnung werden nach DIN EN ISO 5079:1995 bestimmt.