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Die Erfindung betrifft eine Sattelbefestigung für Fahrräder, die ohne Fahrtunterbrechung bei unterschiedlichen Steigungen schnell verstellbar ist.
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Nach dem Stand der Technik wird die ergonomisch optimale und komfortable Sitzposition auf dem Fahrrad und die individuell angepasste Rahmengeometrie ermittelt. Mit frei einstellbaren Simulatoren können im Fachhandel zentimetergenau die Fahrrad-Rahmenkomponenten an Körpergröße, Arm- und Beinlänge etc. angepasst und für unterschiedliche Einsatzzwecke optimiert werden (Mountainbike, Rennrad, Tourenrad usw.). Insbesondere muss das sogenannte „Magische Dreieck” zwischen den Eckpunkten Tretlager, Sattel und Lenker stimmen. Diese Optimierung erfolgt bisher in horizontaler Fahrradposition und entspricht nur dann der Fahrpraxis, wenn die überwiegenden Strecken- und Zeitanteile in der Ebene oder in nahezu ebenem Gelände zurückgelegt werden.
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Eine komfortable Sitzhaltung, die optimale Kraftentfaltung und Ausdauerleistung hängen jedoch vor allem bei ansteigender Fahrbahn nicht nur von den individuellen Körpermaßen einer Person ab, sondern auch von der Neigungsänderung des Fahrrades relativ zur gleichbleibend in vertikaler Richtung wirkenden Schwerlinie der Person. Zum Stand der Fahrradtechnik gehören moderne Gangschaltungen, damit beim Anstieg die erforderliche Tretkraft nahezu beliebig reduziert werden kann. Die Fahrgeschwindigkeit wird dann aber sehr gering und umgekehrt proportional verlängert sich die Zeitdauer des Anstiegs in unergonomischer Körperhaltung. Eine ohne Fahrtunterbrechung variable Anpassung der Sitzposition fehlt bisher.
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Die 1 zeigt den erfindungsgemäß relevanten Zusammenhang schematisch und beispielhaft. Eine Straßensteigung von z. B. 10% ist definiert als vertikaler Anstieg von 10 Metern bei 100 Metern horizontaler Strecke. Der Anstiegswinkel α in Grad errechnet sich als Arcustangens des Quotienten aus Gegenkathetenlänge (10) dividiert durch Ankathetenlänge (100), das ergibt atan(0,1) = 5,71 Grad. Bei der in diesem Beispiel angenommenen Sattelrohrschräge von 17 Grad gegenüber der Vertikalen und einem Abstand von 80 cm zwischen Tretlager T und Sattelmitte S errechnet sich eine deutliche horizontale Sattelrückverlagerung relativ zum Tretlager von 7,5 cm.
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Ein guter Näherungswert für diese horizontale Rückverlagerung ist sehr einfach abzuschätzen, wenn man sich das Sattelrohr vereinfacht senkrecht vorstellt. Bei einem angenommenen Radstand des Fahrrades von einem Meter ist bei 10% Steigung das Vorderrad 10 cm höher als das Hinterrad. Wenn nun der Abstand Tretlager T zu Sattelmitte S ebenfalls ein Meter wäre, ergäben sich 10 cm Rückverlagerung. Wenn aber der Abstand T zu S mit 80 cm nur 80% des Radstandes beträgt, ergeben sich 8 cm Rückverlagerung. Bei größeren Fahrradrahmen vergrößern sich die Werte Radstand, Abstand T zu S und Rückverlagerung in etwa proportional.
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Es ist also zu sehen, dass die Sattelmitte S relativ zum Tretlager T deutlich nach hinten wandert und sich dadurch die für die Ebene optimierte Rahmengeometrie im Verhältnis zur nach wie vor vertikal wirkenden Schwerkraftrichtung erheblich verändert. Der Fahrer muss deshalb mehr nach vorne gegen den Berg treten. Wer nicht gleich absteigt und schiebt, wird kurze und steile Anstiege stehend treten und damit den Körperschwerpunkt nach vorne verlagern, um Schwerlinie und Tretkraftrichtung in Übereinklang zu bringen. Bei mittleren Steigungen stellt der Fahrer sitzend die Lastbalance durch stärkere Vorneigung des Oberkörpers her und wird auf dem Sattel weiter nach vorne rutschen.
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Dadurch ergeben sich aber folgende Nachteile:
- 1. Die Belastung im Lendenwirbelbereich nimmt durch stärkere Krümmung zu.
- 2. Die Arme müssen mehr angewinkelt werden, was bei längeren Anstiegen ermüdend ist.
- 3. Durch den steileren Anstellwinkel des Sattels verlagert sich die Sitzbelastung von den Sitzknochen des Beckens auf der hinteren Sattelverbreiterung weiter nach vorne zur schmaler werdenden Sattelnase in den Bereich des Perineums (Dammbereich). Bei längeren Anstiegen führt dies durch den erhöhten Druck auf die hier zahlreichen Blutgefäße und Nerven zu Mißempfindungen wie Taubheit, Schmerzen, Wundscheuern und u. U. den in Fachzeitschriften viel diskutierten Langzeitschäden, darunter Potenzprobleme bei Männern.
- 4. Die Umsetzung der aufgewandten Kraft wird ineffizienter.
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Die Bewältigung von Steigungen wird mit sehr kleinen Übersetzungen auch wenig trainierten Radfahrern ermöglicht, aber die mit dem Anstieg zunehmend unergonomische Sitzhaltung durch nicht anpassbare Sitzposition muss bisher dabei in Kauf genommen werden. Bei intensivem Training zeigt sich zwar eine hohe Anpassungsfähigkeit der menschlichen Anatomie an lange und anstrengende Steigungen. Die oben genannten konstruktionsbedingten Nachteile bleiben dennoch erhalten, insbesondere erhebliche Performance-Nachteile bei Kraftumsetzung und Ausdauer.
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Ein für Berganstiege weiter vorn und horizontal ausgerichteter Sattel, orthogonal zur vertikalen Sitzbelastung, ließe sich nach dem Stand der Technik mit den derzeitigen Sattelbefestigungen in sehr begrenztem Verstellbereich erzielen, aber nur mit Fahrtunterbrechungen und ist damit, auch bei Klemmungen mit Schnellspannern, bei ständig wechselnden Steigungen praktisch nicht anwendbar.
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Zum Stand der Technik gehören auch Fahrradlenker mit variabler Griffposition. So ermöglichen z. B. Lenkerhörnchen eine Griffposition weiter vorne und unterstützen die Schwerpunktverlagerung des Oberkörpers nach vorne ohne stärkere Armanwinkelung, aber die anderen oben genannten Nachteile bleiben dabei erhalten und verstärken sich sogar.
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Ebenfalls Stand der Technik ist eine Vielzahl an Sattelformen und Polsterungen, die jedoch das Grundproblem der relativ zur Steigung anzupassenden Sattelposition nicht lösen. Das gilt auch für sogenannte No-Nose-Sättel, die das empfindliche Perineum entlasten, eine Nachführung der Sitzposition aber nicht ermöglichen.
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Eine weitere technische Variante für den sportlichen Einsatz sind schnellverstellbare, teleskopartige Sattelrohre. Diese erlauben ohne Fahrtunterbrechung aber nur das Hoch- und Tieferstellen des Sattels in Sattelrohr-Richtung, was für die Rück- und Tieferlegung des Körperschwerpunktes gegen die Überschlaggefahr bei steilem Downhill Vorteile bringt. Der Sattel wandert bei Tieferstellung jedoch wegen der Schrägstellung des Rahmensattelrohres auch leicht nach vorne und schlägt bei sportlichem Einsatz mit harten Landungen nach Sprüngen eher in den Bauch- oder Weichteilbereich.
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Die technische Aufgabenstellung und erfindungsgemäße Lösung der genannten Probleme ist deshalb, die Sattelbefestigung variierbar so zu gestalten, dass ohne Fahrtunterbrechung bei wechselnden Steigungen der Sattel in Längsrichtung verstellbar ist und zugleich die Sattelfläche in Längsrichtung horizontal ausgerichtet wird und dadurch bei jeder Steigung orthogonal zur gleichbleibend vertikalen Schwerkraftrichtung bleibt. Die 2 bis 6 zeigen mögliche Ausführungen der Erfindung, ohne Variationen derselben dadurch einzuschränken.
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2 zeigt ein Ausführungsbeispiel nach Patentanspruch 1. Bei einer Fahrrad-Rahmengeometrie mit stark abfallendem Oberrohr (z. B. bei Mountainbikes typisch) und deshalb großem Abstand bis zum Sattel wird die starre Sattelstütze ersetzt durch eine gelenkige Hebelgeometrie, hier als Parallelogramm-Ausführungsform gezeigt. Die Lage der vier Gelenkpunkte des Parallelogramms ist so gewählt, dass der obere Sattelmittelpunkt S in einem weiten Schwenkbereich sich möglichst genau auf dem gestrichelten Kreisbogen um die Tretlagermitte T bewegt (vgl. 1). Bei höherem Vorderrad, d. h. bei Steigung, wird der Sattel entsprechend nach vorne geschwenkt und arretiert. Zugleich richtet das Parallelogramm die Sitzfläche des Sattels waagrecht aus.
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Dabei verkürzt sich im „Magischen Dreieck” der Abstand Sattel/Lenker, wodurch sich der Oberkörper bei gestreckten Armen mehr aufrichtet. So ergibt sich z. B. bei einem Extremanstieg von 20% ein Winkelanstieg des Fahrrades um 11,3 Grad. Der Sattel muss dann um etwa 15 cm nach vorne bewegt werden, um die Schwerlinie des Körpers relativ zur Tretlagerachse in die richtige Balance zu bringen. Eine entsprechende Vorverlagerung der Lenkergriffe ist dabei nicht notwendig, da eine aufrechtere Körperhaltung bei der dann zu leistenden Schwerarbeit ergonomisch günstiger ist und der Fahrtwind-Widerstand bei einer Geschwindigkeit gegen Null unerheblich ist.
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Durch Variation der Gelenkpunktabstände des Parallelogramms kann die Kennlinie des Verlaufes von S und die Sattelneigung nahezu beliebig variiert werden. Bei sehr steilem Anstieg ist es günstig, wenn S in vorderer Position leicht über dem gestrichelten Kreisbogen liegt, da ein gestreckteres Bein höhere Pedalkraft ermöglicht. In einer Downhill-Position des Sattels deutlich hinter der Grundposition für horizontale Fahrt sollte S unterhalb des gestrichelten Kreisbogens liegen, um bei nach hinten verlagertem Körperschwerpunkt und schwebendem Gesäß über dem Sattel bei forciertem Downhill mehr Federweg in den Knien nutzen zu können.
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Die Stützstrebe (10) (2; 3) drückt bei diesem erfindungsgemäßen Ausführungsbeispiel mit der Druckfeder (11) das Parallelogramm nach vorne und rastet mit einem Arretierungsstift (9) am oberen Ende in vordefinierte Bohrungen (12) der hinteren Parallelogrammstrebe (5) ein. Bei Entlastung des Parallelogramms vom Körpergewicht und Öffnen des Arretierungsstiftes mit einem Seilzug (8) vom Lenker aus über eine Klappe (13) an der Stützstrebe (10) bewegt sich der Sattel nach vorne und kann in gewünschter Position eingerastet werden. Die Rückwärtsbewegung erfolgt bei geöffneter Arretierung durch Körperdruck gegen die Federkraft. Die Klappe (13) ist im Gelenk (14) an der Stützstrebe (10) befestigt und drückt diese über die Rolle (15) von der Parallelogrammstrebe (5) durch Seilzug (8) weg.
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Patentanspruch 2 beschreibt einen Unteranspruch zu Patentanspruch 1, in dem die Längenkonstante Stützstrebe (10) ersetzt wird durch eine längenvariable und arretierbare, gedämpfte Gasdruckfeder, wodurch sich der Bedienungskomfort erhöht.
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Patentanspruch 3 beschreibt einen weiteren Unteranspruch zu Patentanspruch 1. Hier erfolgt die Sattelverstellung elektro-mechanisch über eine von einem Servomotor angetriebene Gewindespindel anstelle der Stützstrebe (10). Dem Komfortvorteil der Bedienung steht dann aber die Gewichtszunahme des Systems mit Servomotor und ausreichender Stromversorgung gegenüber (was bei Leistungsstarken Batterien eines e-Bikes wiederum kein Problem darstellt).
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4 zeigt nach Patentanspruch 4 ein weiteres Ausführungsbeispiel der Erfindung. Diese Ausführungsvariante eignet sich sowohl für die unter Patentanspruch 1 beschriebene Rahmengeometrie mit niedrigem Oberrohr, als auch für Fahrradrahmen mit hohem Oberrohr und einem kurzen Abstand zwischen Oberrohr und Sattel, der für die Parallelogrammausführung nicht reicht. Die erfindungsgemäß gewünschte Kennlinie der Sattelbewegung und Neigung wird in diesem Ausführungsbeispiel durch eine unter dem Sattel fest montierte, konvex gekrümmte Führungsschiene (5) erzielt. Am oberen Ende des Sattelrohres (1) ist ein Führungselement (2) fest montiert, versehen mit Gleitblöcken oder zur Verringerung der Reibung mit Rollen oder Kugellagern (3), über die sich die Führungsschiene mit Sattel vor und zurück bewegen lasst. Die Zugfeder (6) für die Vorwärtsbewegung des Sattels befindet sich beim dargestellten Ausführungsbeispiel über einen Seilzug (7) und eine Umlenkrolle (8) im Sattelrohr (1). Der mittels Seilzug (9) vom Lenker aus zu betätigende Arretierungsstift (10) rastet von unten nach oben in Bohrungen der Führungsschiene (5) ein. Der praktische Vorteil dieser Lösung nach Patentanspruch 4 besteht u. a. darin, dass bei voller Sitzbelastung, nur durch Lösen des Arretierungsstiftes, die Vor- und Rückbewegung des Sattels möglich ist.
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Patentanspruch 5 beschreibt einen Unteranspruch zu Patentanspruch 4. Eine konvex gekrümmte Führungsschiene wird unten fest mit dem Rahmensattelrohr verbunden. Das in der Führungsschiene bewegliche Element ist dann fest am unteren Ende des nach oben führenden Sattelrohrs befestigt.
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6 zeigt nach Patentanspruch 6 eine weitere Ausführungsvariante der Erfindung beispielhaft, wenn für die Fahrpraxis ein geringerer Schwenkbereich des Sattels ausreicht. Das Sattelrohr (1) mit oben fest montiertem Sattel (2) teilt sich im unteren Bereich in zwei Stützen (3), die seitlich am Fahrradrahmen-Sattelrohr (4) hinab ragen und dort über ein Gelenk (5) mit einem Gelenkträger (6) verbunden ist, der am Fahrradrahmen-Sattelrohr (4) höhenverstellbar verklemmt ist. Je näher dieser Gelenkpunkt (5) beim Tretlager liegt, umso genauer folgt die Sattelmitte S dem Kreisbogen um die Tretlagermitte und neigt sich die Sattelnase bei Steigung in die Horizontale. In einer im Rahmen-Sattelrohr (4) befestigten Seitendruck-Führungsschiene (7) zwischen den seitlichen Sattelstützen (3) befinden sich im gezeigten Bsp. vordefinierte Arretierungsbohrungen, in welche ein über Kabelzug (8) betätigter Arretierungsstift (9), der am Sattelrohr (1) befestigt ist, einrastet.
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Wenn kein weiter Schwenkungsbereich des Sattels von Downhill bis Extremsteigung erforderlich ist, reicht diese einfache Konstruktion völlig aus, um den erfindungsgemäßen Zweck einer Sattelnachführung entsprechend der veränderlichen Steigung zu erreichen. So liegen z. B. die meisten Alpenpässe im Bereich bis maximal 10% Steigung, was einer Schwenkbewegung von etwa 7,5 cm entspricht (vgl. 1). Ungeübten Gelegenheitsradlern kommt die einfache Bedienung entgegen, wenn nur zwischen zwei Positionen hin und her gewechselt werden muss, z. B. einer Grundstellung für 0 bis 5% Steigung und einer vorderen Stellung für 5 bis 10% Steigung.