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Die
Erfindung betrifft das Gebiet der medizinischen Diagnostik, insbesondere
die Bestimmung von Biomarkern in biologischen Flüssigkeiten
mittels immundiagnostischer Methoden. Genauer betrifft die Erfindung die
Bestimmung des Peptids Procalcitonin zu diagnostischen Zwecken,
wobei ein bisher noch nicht erhältlicher selektiver Messwert
für das vollständige Procalcitonin 1–116
ermittelt und insbesondere für eine empfindlichere Früherkennung,
Therapiekontrolle und Verlaufskontrolle von systemischen und lokalen
Infektionen, insbesondere von bakteriellen Infektionen und von Sepsis,
genutzt wird.
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Im
Rahmen der vorliegenden Erfindung werden dabei Begriffe wie "Diagnostik"
oder "für diagnostische Zwecke" als Oberbegriff für
medizinische Bestimmungen gebraucht, denen je nach dem klinischen
Zustand des Patienten, bei dem die Bestimmung durchgeführt
wird, unterschiedliche Fragestellungen zugrunde liegen können
und die insbesondere der Erkennung und Früherkennung, der
Bestimmung des Schweregrads und der Verlaufsbeurteilung, auch der
therapiebegleitenden Verlaufsbeurteilung, und der Prognose des zukünftigen Verlaufs
einer Erkrankung und der Risikostratifizierung von Patienten die nen.
Auch wenn in der nachfolgenden Beschreibung ein besonderes Augenmerk
einer verbesserten Verlaufs- und Therapiekontrolle gilt, ist damit keine
Einschränkung des Begriffs "für diagnostische
Zwecke" auf derartige spezielle diagnostische Ziele verbunden.
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Das
reife Prohormon Procalcitonin (PCT) ist ein aus 116 Aminosäuren
bestehendes Peptid, das zuerst als Vorläufer des wichtigen
Hormons Calcitonin (Thyreocalcitonin) diskutiert wurde und dessen
vollständige Aminosäuresequenz (SEQ ID NO:1) seit
langem genauso bekannt ist wie die Details seines normalen proteolytischen
Abbaus, der zur Freisetzung des reifen Hormons Calcitonin und anderer
kürzerer Peptide, darunter insbesondere des sogenannten
Katacalcins (Procalcitonin 96–116) und eines N-terminalen
Peptids (N-Procalcitonin 1–57), führt, die hierin,
neben anderen, als "PCT-Teilpeptide" bezeichnet werden. Wie z. B.
in den Patenten
EP 0 656 121
31 bzw.
US 5,639,617 der
Anmelderin und in Veröffentlichungen wie
ASSICOT
M., GENDREL D., CARSIN H., RAYMOND J., GUILBAUD J., BOHUON C. (1993):
High serum Procalcitonin concentrations in patients with sepsis
and infection. Lancet 341: 515–518, genauer erläutert
wird, wird bei schweren bakteriellen Infektionen und gewissen Parasiten-
und Pilzinfektionen mit systemischer inflammatorischer Reaktion
die Freisetzung von PCT in den Kreislauf induziert, wo es in sehr
hohen, gut messbaren Mengen gefunden wird (vgl. z. B. auch die Übersichtsdarstellungen
in
O'CONNOR E., VENKATESH B., LIPMAN J., MASHONGONYIKA C.,
HALL J. (2001): Procalcitonin in critical Illness. Critical Care
and Resuscitation 3: 236–243;
WHICHER
I., BIENVENU J., MONNERET G. (2001): Procalcitonin as an acute Phase
marker. Annals of Clinical Biochemistry 38: 483–893;
BECKER
K. L., NYLEN E. S., WHITE J. C., MUELLER B., SNIDER R. H. (2004): Procalcitonin
and the calcitonin gene family of peptides in inflammation, infection,
and sepsis: a journey from calcitonin back to its precursors. Journal
of Clinical Endocrinology and Metabolism 89: 1512–1525).
Virale, Autoimmun- und allergische Erkran kungen führen
dagegen nicht zu einer nennenswerten Erhöhung der messbaren
PCT-Konzentration im Blut. PCT reflektiert den Schweregrad einer
bakteriellen Infektion und wird als Marker für die Diagnose
und das therapeutische Monitoring von Sepsis, schwerer Sepsis und
septischem Schock bakteriellen Ursprungs verwendet (
DANDONA
P., NIX D., WILSON M. F., ALJADA A., LOVE J., ASSICOT M., BOHUON
C. (1994): Procalcitonin increase after endotoxin injection in normal
subjects. Journal of Clinical Endocrinolgy and Metabolism 79: 1605–1608;
GENDREL
D., ASSICOT M., RAYMOND J., MOULIN F., FRANCOUAL C., BADOUAL J.,
BOHOUN C. (1996): Procalcitonin as a marker for the early diagnosis
of neonatal infection. Journal of Pediatrics 128: 570–573;
SNIDER
R. H. JR., NYLEN E. S., BECKER K. L. (1997): Procalcitonin and its
component peptides in systemic inflammation: immunochemical characterization.
Journal of Investigative Medicine 45: 552–560;
WHANG
K. T., STEINWALD P. M., WHITE J. C., NYLEN E. S., SNIDER R. H.,
SIMON G. L., GOLDBERG R. L., BECKER K. L. (1998): Serum calcitonin
precursors in sepsis and systemic inflammation. Journal of Clinical
Endocrinolgy and Metabolism 83: 3296–3301;
MUELLER
B., BECKER K. L., SCHACHINGER H., RICKENBACHER P. R., HUBER P. R.,
ZIMMERLI W., RITZ R. (2000): Calcitonin precursors are reliable
markers of sepsis in a medical intensive care unit. Critical Care
Medicine 28: 977–983). Auf das in den genannten
Patenten und Literaturstellen niedergelegte allgemeine Fachwissen
wird zur Ergänzung der vorliegenden Beschreibung ausdrücklich
verwiesen.
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Die
Bestimmung von PCT läßt sich auch zu differentialdiagnostischen
Zwecken nutzen, da sich anhand der messbaren PCT-Konzentrationen
in Serum und Plasma entzündliche Erkrankungen aufgrund
bakterieller Infektionen von solchen nicht-infektiöser Ätiologie
unterscheiden lassen (vgl. auch
EP 0 880 702 B1 ). Diese Unterscheidungsmöglichkeit
hat sich als sehr wertvoll zur Steuerung des Einsatzes von Antibiotika
in der Therapie erwiesen, indem vermieden werden kann, Antibiotika
auch in Fällen zu verabreichen, in denen sie mangels einer
bakteriellen Infektion des Patienten nicht wirksam sind.
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Es
wurde auch schon versucht, Procalcitonin bei Infektionen in Liquor
cerebrospinalis (CSF) zu bestimmen. Dabei wurde in allen in der
Literatur beschriebenen Fällen mit einem für die
Sepsisdiagnostik entwickelten kommerziellen Assay gearbeitet, der
eine funktionale Assay-Sensitivität (FAS) von nur 300 ng/l
aufwies. Die erhaltenen Messergebnisse waren widersprüchlich.
Wie in der soeben veröffentlichten Patentanmeldung
DE 10 2005 034 174.8 bzw.
in
WO 2007/009789 beschrieben
wird, können jedoch signifikantere Messergebnisse erhalten
werden, wenn man mit einem sensitiveren Assay arbeitet, wie er seit
einiger Zeit ebenfalls zur Verfügung steht. Mit einem solchen
Assay wird auch bei neurodegenerativen Erkrankungen eine signifikante
Korrelation der messbaren PCT-Immunreaktivität mit der
Schwere der Erkrankung erhalten. Auch wenn im Folgenden auf die
Bestimmung von PCT in CSF nicht spezieller eingegangen wird, liegt
es ausdrücklich im Rahmen der vorliegenden Erfindung, das
hierin beschriebene erfindungsgemäße Verfahren
auch auf diesem Teilgebiet der Diagnostik einzusetzen.
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Auch
eine Bestimmung in Urin wird von der vorliegenden Erfindung grundsätzlich
mitumfasst.
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Die
Bestimmung von PCT erfolgt, wie in den oben genannten Patenten und
Literaturstellen beschrieben, geeigneter Weise mit Immunoassays
vom Sandwichtyp unter Verwendung von zwei Antikörpern,
die so an die Aminosäuresequenz des vollständigen
PCT-Peptids binden, dass das vollständig unter Freisetzung
von Calcitonin prozessierte PCT nicht erfasst wird, dagegen das
gesamte unprozessierte PCT sowie gegebenenfalls auch solche längeren
PCT-Teilpeptide, die noch beide Bindungsstellen für die
beiden in einem Sandwichassay verwendeten Antikörper innerhalb
eines einzigen Moleküls aufweisen, wobei zwischen ggf.
terminal modifizierten PCT-Formen nicht unterschieden werden kann.
In den herkömmlichen Verfahren wird mit zwei Antikörpern
gearbeitet, die, allgemein gesprochen, an solche Abschnitte des
vollständigen PCT-Peptids binden, die bei der proteolytischen
Prozessierung von PCT unter Bildung von Calcitonin auf verschiedenen
der gebildeten PCT-Teilpeptide zu liegen kommen oder die auf PCT-Teilpeptiden
liegen, die die Calcitonin-Sequenz nicht umfassen.
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Dass
bei Sepsis in Serum oder Plasma nicht oder wenigstens nicht in erster
Linie das vollständige PCT 1–116 (SEQ ID NO:1)
gefunden wird wird, sondern ein um zwei Aminosäuren verkürztes
PCT 3–116 (SEQ ID NO:2), wird erläutert in
EP 1 121 600 A1 bzw.
EP 1 408 334 A1 oder
US 6,756,483 , auf die zur
Ergänzung der vorliegenden Beschreibung verwiesen wird.
Ferner wird in diesem Zusammenhang verwiesen auf die Publikation:
WEGLÖHNER
W, STRUCK J, FISCHER-SCHULZ C, MORGENTHALER NG, OTTO A, BOHUON C, BERGMANN
A: Isolation and characterization of serum procalcitonin from patients
with sepsis. Peptides 2001; 22: 2099–103. Wie
in den genannten Veröffentlichungen erläutert
wird, war das einzige in den untersuchten Proben von Sepsispatienten
charakterisierbare Biomolekül mit Procalcitonin-Immunreaktivität
das erwähnte Procalcitonin 3–116 (SEQ ID NO:2).
In der weiteren Arbeit:
WRENGER S, KAHNS T, BOHUON C, WEGLÖHNER
W, ANSORGE S, REINHOLD D: Amino-terminal truncation of procalcitonin,
a marker for systemic bacterial infections, by dipeptidyl peptidase
IV (DP IV); FERS Lett 2000; 466: 155–9; wird gezeigt,
dass dieses Procalcitonin 3–116 aus einem synthetische
hergestellten Procalcitonin 1–116 durch Einwirkung der
Dipeptidyl-aminopeptidase IV (DAP IV; DP IV; CD 26; E. C 3.4.14.5)
erhalten werden kann.
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Keiner
der genannten Veröffentlichungen ist zu entnehmen, ob das
im Falle von Sepsis und Infektionen charakterisierte Procalcitonin
3–116 direkt sekretiert wird, oder ob es nachträglich
proteolytisch aus einem "vollständigen" Vorläufer
in Form des intermediär in die Zirkulation abgegebe nen
Procalcitonin 1–116 (PCT 1–116) gebildet wird.
Genausowenig ist den genannten Veröffentlichungen zu entnehmen,
ob ein "vollständiges Procalcitonin" 1–116 in
den untersuchten biologischen Proben (Vollblut bzw. Serum oder Plasma)
in messbaren Stationärkonzentrationen vorkommt und ob es
einen nennenswerten Beitrag zu dem bei der herkömmlichen
Procalcitonin-Bestimmung erhaltenen Messsignal liefert.
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Zur
Bestimmung der Procalcitonin-Immunreaktivitäten in Serum/Plasma
existieren verschiedene kommerzielle Assays der Anmelderin, z. B.
der Chemilumineszenz-Assay B. R. A. H. M. S PCT LIA (B. R. A. H.
M. S AG), der eine FAS von etwa 300 ng/l aufweist und auf die PCT-Bestimmung
bei Sepsis zugeschnitten ist, wo sehr hohe PCT-Konzentrationen auftreten
können. Für die PCT-Bestimmung mit einer höheren
Sensitivität wurde in jüngerer Zeit ein abgewandelter
Sandwichimmunoassay entwikkelt, der mit einem affinitätsgereinigten
polyklonalen Antikörper arbeitet und der in näheren
Einzelheiten in MORGENTHALER N. G., STRUCK J., FISCHER-SCHULZ
C., BERGMANN A. (2002): Sensitive immunoluminometric assay for the
detection of procalcitonin. Clinical Chemistry 48: 788–789 beschrieben
wird und als B. R. A. H. M. S PCTsensitiv LIA (B. R. A. H. M. S
AG) erhältlich ist. Dieser Assay weist eine deutlich bessere
funktionalen Assay-Sensitivität (FAS) von 7 ng/l auf. Mit
Hilfe dieses Assays war es möglich, bei gesunden Personen
eine mittlere PCT-Serumkonzentration von 13.5 ng/l (13.5 pg/ml)
zu ermitteln, wobei Werte zwischen < 7 bis 63 ng/l gefunden wurden und
das 97.5% Perzentil bei 42.5 ng/l lag.
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Um
dem Klinikarzt eine rasche Überprüfung des Status
eines potentiellen Sepsispatienten direkt in der Klinik ("Point-of-Care")
zu ermöglichen, wird ferner ein Ein-Schritt-Schnelltest
in Form eines immunchromatographischen Assays zur raschen semiquantitativen
Bestimmung von Procalcitonin im Humanserum oder Humanplasma eines
Patienten angeboten (PCT-Q; B. R. A. H. M. S Aktiengesellschaft).
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Wie
sich beispielsweise aus den oben zitierten Veröffentlichungen
und Übersichtsartikeln ergibt, hat die Bestimmung des Biomarkers
Procalcitonin inzwischen einen festen Platz in der klinischen Routine
gefunden, und zwar in erster Linie zur Sepsis-Früherkennung.
Grund für den Erfolg ist eine zuverlässige Korrelation von
Sepsis bzw. bakteriellen Infektionen mit einem Anstieg der messbaren
PCT-Immunreaktivität im Blut bzw. Serum/Plasma der Patienten,
sowie eine relativ einfache Messbarkeit dieser PCT-Immunreaktivität
aufgrund der hohen Konzentrationen, die im Blut von Sepsispatienten
erreicht werden, bedingt durch die hohe Stabilität des
bei der Messung wenigstens vorrangig erfassten PCT 3–116.
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Trotz
dieser unbestreitbaren Vorteile der Bestimmung der PCT-Immunreaktivität
mit den bisher dafür zur Verfügung stehenden Assays
gelangten die Erfinder nunmehr jedoch zu der Erkenntnis, dass die
hohe Stabilität und die hohen Konzentrationen der gemessenen
PCT-Immunreaktivität für bestimmte klinisch relevante diagnostische
Fragestellungen auch mit gewissen Nachteilen verknüpft
sind:
Eine hohe Stabilität oder "Langlebigkeit" eines
Analyten, z. B. eines Peptids wie PCT 3–116, bedeutet,
dass die Messung eines solchen Analyten eine Art summarische Information über
die bereits abgelaufenen sekretorischen Aktivitäten für
einen längeren Zeitraum liefert. Nimmt man z. B. eine mehr
oder weniger kontinuierliche Produktion eines Analyten während
eines akuten Krankheitsgeschehens an, sammelt sich der stabile Analyt
in der biologischen Probe an, und in seinen messbaren Konzentrationen
spiegelt sich seine zurückliegende physiologische Produktion
kumulativ wieder, allerdings vermindert um seine im gleichen Zeitraum
erfolgte Konzentrationsverminderung nach Maßgabe seiner
physiologischen Clearance-Geschwindigkeit (seines Verschwindens
aus der Probe aufgrund seiner Umwandlung in analytisch nicht erfassbare
Abbauprodukte, seine Ausscheidung über die Nieren oder
aufgrund anderer an sich bekannter physiologischer Mechanismen).
Je langlebiger ein Analyt ist, bzw. je geringer seine Clearance-Geschwindigkeit
ist, desto geringer ist der Einfluss des genauen Messzeitpunkts
auf die Bestimmung der o. g. "Bildung" oder "Sekretion" des Analyten.
Z. B. kann in diesem Bild eine über längere Zeiträume
konstante Konzentration bedeuten, dass sich Bildung und Clearance
die Waage halten. Sinkt die Konzentration, so kann das darauf hindeuten,
dass sich die Sekretion des Analyten, die im Sinne einer "Konzentrationsauffrischung"
wirkt, vermindert hat. Trotzdem kann die Konzentration des Analyten
im Blut immer noch hohe Werte aufweisen. Sind jedoch die messbaren
Konzentrationswerte hoch, und ist die Clearance-Geschwindigkeit
gering, äußern sich Veränderungen bei
der Sekretion eines Analyten nur als relativ geringe, schwer interpretierbare
Veränderungen von relativ großen Zahlen.
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Ist
der Kliniker jedoch gerade an der raschen Feststellung von Veränderungen
der Sekretion des Analyten interessiert, z. B. weil er anhand dieser
Veränderungen Rückschlüsse auf einen
Therapieerfolg oder einen Rückfall oder eine Neuinfektion
ziehen möchte, ist es häufig schwierig, eine solche
Veränderung anhand der gemessenen Konzentrationswerte "langlebiger"
Analyten rasch und eindeutig zu erkennen.
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Die
Erfinder stellten sich daher die Aufgabe, die Bestimmung von Procalcitonin
in dem Sinne zu verbessern, dass Veränderungen der Procalcitonin-Sekretion
rasch und zuverlässig erkannt werden können, so dass
sich die Zeiträume für eine Erkennung eines Therapieerfolgs
bzw. die Einleitung nötigenfalls erforderlicher therapeutischer
Interventionen verkürzen, und dass zusätzliche,
bisher nicht verfügbare Informationen gewonnen werden können,
die sofort Rückschlüsse darüber ermöglichen,
wie weit eine Infektion/Sepsis bereits fortgeschritten ist, wenn
der Arzt den Patienten zum ersten Mal zu beurteilen hat.
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Diese
Aufgabe wird durch ein Verfahren gemäß den Ansprüchen 1
bis 12 sowie durch die Schaffung der für ein solches Verfahren
benötigten neuen Antikörper gemäß den
Ansprüchen 13 bis 15 sowie die entsprechenden Kits gemäß den
Ansprüchen 16 bis 22 gelöst.
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Weitere
wichtige Merkmale der vorliegenden Erfindung ergeben sich für
den Fachmann aus der nachfolgenden Beschreibung und den Erläuterungen
zu den Beispielen, insbesondere aus den Diskussionen der angeführten
Messergebnissen, wobei auf diese Erläuterungen und Beispiele
ausdrücklich ergänzend Bezug genommen wird.
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Am
Anfang der Überlegungen der Erfinder stand die Annahme,
dass das Peptid Procalcitonin, das nach den herkömmlichen
Bestimmungsverfahren als PCT-Immunreaktivität bestimmt
wird, vermutlich aus seinem zugehörigen Pre-Peptid (Pre-Procalcitonin;
Pre-PCT) mit 141 Aminosäuren gebildet wird, dessen Aminosäuresequenz
bekannt ist (SEQ ID NO:3). Wie generell für viele Prohormone
bekannt ist, wird PCT wird aus diesem längeren Vorläufermolekül
durch Abspaltung der Signalsequenz gebildet. Die Spaltstelle ist
zwar experimentell nicht bestimmt worden, jedoch haben Signalsequenzen
im allgemeinen ähnliche Muster, so dass Spaltstellen mit
hoher Wahrscheinlichkeit vorhergesagt werden können. Im
Falle von Pre-PCT sollte die Signalsequenz die Aminosäuren
1 bis 24 des Pre-PCT (SEQ ID NO:3) umfassen. Daraus folgt, dass
die aminoterminale Aminosäure in Position 1 des Prohormons
PCT der Aminosäure 25 des Pre-PCT (SEQ ID NO:3) entspricht.
Aufgrund solcher Überlegungen wurde ursprünglich
davon ausgegangen, dass das bei Sepsis in der Zirkulation gefundene
PCT nach Abspaltung der Signalsequenz 116 Aminosäuren umfasst
und die Aminosäuresequenz PCT 1–116 (SEQ ID NO:1)
aufweist. Da in Proben von Sepsispatienten jedoch nur PCT 3–116
(SEQ ID NO:3) charakterisiert werden konnte, blieb die Frage einer
intermediären Sekretion von PCT 1–116 und der evtl.
erreichten Konzentrationen eines solchen PCT 1–116 in der
Zirkulation offen. Dabei ist noch einmal darauf hinzuweisen, dass die
bisher zur Bestimmung einer Procalcitonin-Immunreaktivität
eingesetzten Assays vom Sandwichtyp mit Kombinationen von zwei Antikörpern
arbeiten, die keine Unterscheidung zwischen PCT 1–116 und
3–116 gestatten. Die bekannten Assays können daher
naturgemäß die genannten verschiedenen Formen
des PCT nicht selektiv erfassen, und sie erfassen daher auch nicht
eventuelle charakteristische Veränderungen der relativen
molaren Mengen der genannten Analyten, sollte es im Verlauf eines
Krankheitsgeschehens, z. B. im Verlauf einer Sepsis, zu solchen
Veränderungen kommen. Die mit einem herkömmlichen Assay
bestimmte PCT-Immunreaktivität wird daher in der vorliegenden
Anmeldung auch als "PCT-Gesamt" bezeichnet.
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Die
Erfinder entschieden sich in dieser Situation, eine neue Art von
Verfahren zur immundiagnostischen Bestimmung von Procalcitonin zu
schaffen, mit dem selektiv nur solche Procalcitonin-Fraktionen erfasst werden,
die auch die beiden ersten Aminosäuren des Procalcitonin
1–116 aufweisen, und unter Einsatz dieses neuen Verfahren
zu prüfen, ob damit klinisch relevante Messergebnisse erhalten
werden können, die sich qualitativ von den Ergebnissen
der bisherigen Bestimmung der Procalcitonn-Immunreaktivität
abheben Wie im nachfolgenden experimentellen Teil näher
beschrieben wird, entwickelten die Erfinder zuerst neue Antikörper mit
den für eine klinische Bestimmung erforderlichen Bindungseigenschaften,
so dass sie nur solche Procalcitoninmoleküle erkennen,
die die am Aminoterminus vollständige Procalcitoninsequenz
mit den beiden ersten Aminosäuren (Ala-Pro) des Procalcitonin
1–116, oder die wenigstens die Aminosäure 2 (Pro)
enthalten. Diese neuen Antikörper setzten sie dann in einem
Assay vom Sandwichtyp ein, der eine selektive Bestimmung von PCT
1–116 in einer biologischen Probe eines humanen Patienten
ermöglicht, z. B. in Serum oder insbesondere in Plasma,
ohne dass der Messwert durch die Anwesenheit des PCT 3–116
(SEQ ID NO:2) in der Probe beeinflusst wird.
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Die
unter Verwendung eines solchen Assays erhaltenen Messergebnisse
erfüllten, wie nachfolgend im experimentellen Teil der
Anmeldung gezeigt wird, die Hoffnungen der Erfinder auf die angestrebte
Verbesserung der diagnostischen Bestimmung von Procalcitonin für
die o. g. besonderen diagnostischen Zwecke.
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Es
wurde nämlich festgestellt, dass in frischen Proben von
humanem Serum und insbesondere von frischem humanem Plasma von Patienten
signifikante, gut messbare Konzentrationen von PCT 1–116
vorhanden sind. Die von den Erfindern in solchen Proben gefundenen
molaren Konzentrationen für PCT 1–116 liegen im
Bereich von etwa 1/5 bis 1/8 der nach traditionellen Verfahren parallel
messbaren molaren Konzentrationen für die PCT-Immunreaktivität
("PCT-Gesamt").
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Nimmt
man an, dass das gesamte in die Zirkulation ausgeschüttete
PCT primär als PCT 1–116 ausgeschüttet
wird, folgt, dass zu einem hypothetischen Zeitpunkt des Beginns
der PCT-Ausschüttung die Konzentrationen für PCT
1–116 und für PCT-Gesamt gleich sein müssen,
so dass ein maximaler hypothetischer Anfangs-Grenzwert von 1,0 für
das Verhältnis PCT 1–116 zu PCT-Gesamt angenommen
werden kann. Verhältnisse im Bereich von etwa 1/5 bis 1/8,
wie sie von den Erfindern in den untersuchten Proben gefunden wurden,
enthalten daher bereits per se eine Information über die
Vorgeschichte der Probe, z. B. im Sinne der bereits durchlaufenen
Dauer und/oder Schwere der Infektion/Sepsis. Aufgrund der geringeren
Stabilität von PCT 1–116 (wegen der Umwandlung
in PCT 3–116) spiegeln das genannte Verhältnis
und die feststellbaren Konzentrationsveränderungen für
PCT 1–116 den Akutstatus eines Patienten sehr viel direkter
wider als die Werte für das stabilere PCT 3–116.
Die selektive Bestimmung von PCT 1-116 führt daher zu erheblichen
diagnostischen Fortschritten. Diese zeigen sich insbesondere auch
dann, wenn die erfindungsgemäße selektive Bestimmung
des PCT 1–116 mit Hilfe des neuen Verfahrens mit der herkömmlichen
Bestimmung der gesam ten PCT-Immunreaktivität (PCT-Gesamt)
kombiniert wird.
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Das
erfindungsgemäße Verfahren weist besondere Vorteile
in Fällen auf, in denen eine rasche Erfassung des aktuellen
Krankheitsstatus eines Patienten wünschenswert ist. Grundsätzlich
kann es jedoch in allen Fällen zur Anwendung kommen, in
denen bisher die bekannten Verfahren zur Bestimmung der PCT-Immunreaktivität
zu Anwendung kamen. Solange eine Bestimmung selektiv für
PCT 1–116 mit beiden aminoterminalen Aminosäuren
(Ala-Pro), oder wenigstens für ein Procalcitonin mit der
Aminosäure in Stellung 2 (Pro), ist, ist das Verfahren
als eines gemäß der vorliegenden Erfindung zu
betrachten. Das spezielle gewählte Assayformat spielt dabei
eine eher untergeordnete Rolle, und ein spezielles Assayformat wird
in erster Linie unter praktischen, messtechnischen Gesichtspunkten
ausgewählt.
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Obwohl
daher im experimentellen Teil dieser Anmeldung ein konkretes Verfahren
vom Sandwichtyp unter Verwendung konkreter Antikörper (monoklonaler
Antikörper) beschrieben und zur Messung eingesetzt wird,
ist die vorliegende Erfindung nicht auf dieses konkrete Verfahren
oder ein Verfahren eines ähnlichen Typs beschränkt.
Sie erfasst vielmehr beliebige immundiagnostische Verfahren, die
im Sinne der vorliegenden Erfindung eine selektive Bestimmung von
PCT 1–116 ermöglichen, ohne dass der Messwert
durch gleichzeitig vorhandene andere PCT-Abkömmlinge, insbesondere
PCT 3–116, beeinflusst wird.
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Es
versteht sich für den Fachmann, dass z. B. anstelle des
beschriebenen Assays vom Sandwichtyp auch Assays vom kompetitiven
Typ (z. B. mit einem immobilisierten selektiven Antikörper
und einem markierten/selektiv markierbaren Analogen des Analyten,
das mit PCT 1–116 kompetiert; oder mit einem immobilisierten
Analogen und einem markierten selektiven Antikörper) oder
andere Assayformate, z. B. sogenannte turbidometrische Assays, zu
Anwendung kommen können.
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Prinzipiell
kann dabei jeder bekannte und für diagnostische Assays
geeignete Marker zum Einsatz kommen (d. h. anstelle der in den Beispielen
eingesetzten Lumineszenzmarkierung können z. B. auch Radioisotope,
Enzyme, Fluoreszenz-, andere Chemolumineszenz- oder Biolumineszenz-Label
und direkt optisch detektierbaren Farbmarkierungen, wie beispielsweise
Goldatomen und Farbstoffteilchen, wie sie bei Schnelltests eingesetzt
werden, genutzt werden).
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Es
liegt ferner ausdrücklich auch im Rahmen der vorliegenden
Erfindung, das erfindungsgemäße Verfahren als
Schnelltest, z. B. in Form eines immunchromatographischen Bestimmungsverfahrens,
auszugestalten.
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Wird
das Verfahren als heterogenes Verfahren ausgestaltet, bei dem ein
spezifischer Binder in immobilisierter Form an eine Festphase gebunden
vorliegt und/oder die Reaktionsprodukte wenigstens teilweise an eine
Festphase immobilisiert werden, kann die Festphase jede beliebige
geeignete Festphase sein, z. B. die Wand eine Teströhrchens,
eine partikelförmige Festphase, z. B. in Form von in der
Reaktionslösung suspendierten Magnetpartikeln, oder auch
eine Festphase in Form eines Trägers einer immunchromatographischen Vorrichtung
(für einen Schnelltest).
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Bei
einer derzeit bevorzugten Ausführungsform wird das Verfahren
als heterogener Sandwich-Immunoassay durchgeführt, bei
dem einer der Antikörper an die Wände beschichteter
Teströhrchen (z. B. aus Polystyrol; "Coated Tubes"; CT)
oder an Mikrotiterplatten, zum Beispiel aus Polystyrol, oder an
Partikel, beispielsweise Magnetpartikel, immobilisiert ist, während
der andere Antikörper einen Rest trägt, der ein
direkt nachweisbares Label darstellt oder eine selektive Verknüpfung
mit einem Label ermöglicht und der Detektion der gebildeten
Sandwich-Strukturen dient. Auch eine zeitlich verzögerte
bzw. nachträgliche Immobilisierung unter Verwendung geeigneter
Festphasen ist möglich.
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Das
Verfahren muss jedoch nicht als heterogenes Verfahren ausgestaltet
sein, bei dem mindestens ein spezifischer Binder in immobilisierter
Form vorliegt. Alle Reaktanten und Reaktionsprodukte können
auch in homogener flüssiger Phase suspendiert vorliegen
und dort für die Messung verbleiben. In einem solchen Fall
ist es bevorzugt, beide für die Bestimmung verwendeten
Antikörper mit Teilen eines Nachweissystems zu markieren,
das dann, wenn beide Antikörper in einen einzigen Sandwich
integriert werden, eine Signalerzeugung oder Signalauslösung
ermöglicht. Derartige Techniken sind insbesondere als Fluoreszenzverstärkungs- oder
Fluoreszenzlöschungs-Nachweisverfahren ausgestaltbar. Ein
besonderes bevorzugtes derartiges Verfahren betrifft die Verwendung
von paarweise einzusetzenden Nachweisreagenzien, wie sie beispielsweise
beschrieben sind in
US-A-4
822 733 ,
EP-B1-180
492 oder
EP-B1-539
477 und dem darin zitierten Stand der Technik. Sie ermöglichen
eine Messung, die selektiv nur Reaktionsprodukte erfaßt,
die beide Markierungskomponenten in einem einzigen Immunkomplex
enthalten, direkt in der Reaktionsmischung. Als Beispiel ist auf
die unter den Marken TRACE
® (Time
Resolved Amplified Cryptate Emission) bzw. KRYPTOR
® angebotene
Technologie zu verweisen, die die Lehren der o. g. Anmeldungen umsetzt.
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Es
wird ferner davon ausgegangen, dass das erfindungsgemäße
Bestimmungsverfahren mit Vorteil auch im Rahmen einer sogenannten
Multiparameterdiagnostik zur Anwendung kommen kann. Weitere dabei bestimmte
Parameter sind beispielsweise Sepsis- und Infektionsparameter, die
z. B. aus einer Gruppe ausgewählt sein können,
die besteht aus Anti-Gangliosid-Antikörpern, den Proteinen
Gesamt-Procalcitonin (PCT-Gesamt), Procalcitonin 3–116,
CA 125, CA 19-9, S100B, S100A-Proteinen, LASP-1, löslichen
Cytokeratin-Fragmenten, insbesondere CYFRA 21, TPS und/oder löslichen
Cytokeratin-1-Fragmenten (sCY1F), den Peptiden Inflammin und CHP,
anderen Peptid-Prohormonen wie insbesondere pro-ANP, pro-BNP, pro-Adrenomedullin,
pro-Endothelin, pro-Vasopressin und deren diagnostisch nutzbaren
Peptidfragmenten, der Glycin-N-Acyltransferas (GNAT), der Carbamoylphosphat
Synthetase 1 (CPS 1) und dem C-reaktiven Protein (CRP), Cytokinen,
z. B. vom Interferon-Typ, oder geeigneten Fragmenten davon. Bei
den genannten Multiparameter-Bestimmungen kann vorgesehen sein,
die Messergebnisse für mehrere Parameter gleichzeitig oder parallel
zu bestimmen und z. B. mit Hilfe eines Computerprogramms, das auch
diagnostisch signifikante Parameterkorrelationen nutzt, auszuwerten.
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Eine
besonders wichtige Kombinationsmessung ist eine parallele selektive
Messung von PCT 1–116 und der üblichen PCT-Immunreaktivität
(PCT-Gesamt), die sich im Lichte der Ergebnisse der vorliegenden
Anmeldung als eine summarische Messung der in eine Probe enthaltenen
Konzentrationen von PCT 1–116 plus PCT 3–116 darstellt.
Zu den Vorteilen einer derartigen Messung wird ausdrücklich
auf die nachfolgenden Beispiele verwiesen.
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Es
ist ferner möglich, selektive Messungen von PCT 1–116
und PCT 3–116 zu kombinieren. Die Erfinder haben derartige
Kombinationsmessungen unter Verwendung eines für PCT 3–116
selektiven monoklonalen Antikörpers ebenfalls durchgeüfhrt
(Ergebnisse nicht gezeigt). Da in die Konzentrationen von PCT 3–116 direkt
die beim proteolytischen Abbau von PCT 1–116 ständig
neu gebildeten Konzentrationen von PCT 3–116 eingehen,
ist die Auswertung der Vergleichmessunge jedoch komplexer. Außerdem
hat es den Anschein, dass es am Aminoterminus von PCT 3–116
zu einem weiteren proteolytischen Abbau kommen kann, wodurch die Messergebnisse
verfälscht werden. Eine Kombinationsmessung von PCT 1–116
mit einer selektiven Messung von PCT 3–116 ist daher derzeit
weniger bevorzugt.
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In
den nachfolgenden Beispielen wird auf Figuren Bezug genommen, in
denen:
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1 eine
Standardkurve eines Sandwich-Assays zur selektiven Bestimmung von
PCT 1–116 zeigt, wie er im experimentellen Teil näher
beschrieben wird;
-
2 eine
Standardkurve eines herkömmlichen B. R. A. H. M. S PCT
LIA nach Anpassung der Eichkurve an die Einheit pmol/L zeigt;
-
3 Vergleichende
Messungen der Veränderung der Konzentration von PCT 1–116
mit dem erfindungsgemäßen Assay (Dreiecke) und
der Konzentration von PCT-Gesamt mit einem kommerziellen Assay (B. R.
A. H. M. S PCT LIA; Quadrate) zeigt, jeweils bezogen auf die zugeordneten
Ausgangskonzentrationen an Tag 0 und gemessen in EDTA-Plasmen von
acht erfolgreich behandelten Sepsispatienten einer Intensivstation;.
-
4 Ergebnisse
der Ermittlung des molaren Verhältnisses von PCT 1–116
zu PCT-Gesamt in Proben gemäß 3 und
dessen zeitliche Veränderung innerhalb von 3 Tagen zeigt;
-
EXPERIMENTELLER TEIL
-
I. ASSAYENTWICKLUNG – Peptidsynthesen
und Antikörperentwicklung
-
I.1. Peptidsynthesen
-
Als
Antigenbestandteile zur Antikörpererzeugung, als selektive
Bindungspartner zur Affinitätsreinigung und zum Epitopmapping
sowie als potentielle Standards und Kompetitoren wurden die folgenden
Peptide synthetisch erzeugt:
Abgeleitet von der bekannten Aminosäuresequenz
von Pre-Procalcitonin (Pre-PCT; SEQ ID NO:3) wurden mehrere Teilpep tid-Bereiche
ausgewählt und nach Standardverfahren als lösliche
Peptide chemisch synthetisiert. Diese wurden gereinigt, mittels
Massenspektrometrie und Reversed Phase HPLC qualitätskontrolliert und
in Aliquots lyophilisiert (Firma JPT, Berlin, Deutschland). Die
Aminosäuresequenzen der synthetischen Peptide lauten (die
angegebenen Aminosäurepositionen sind bezogen auf Pre-PCT;
Aminosäure 25 entspricht der Aminosäure 1 des
PCT 1–116 gemäß SEQ ID NO:1):
-
I.2. Entwicklung, Markierung und Charakterisierung
von Antikörpern mit Spezifität für den
N-Terminus von PCT 1–116
-
I.2.1. Entwicklung und Selektion von monoklonalen
Antikörpern
-
Monoklonale
Antikörper wurden nach Standardverfahren entwickelt, wie
z. B. von Harlow und Lane beschrieben wird (Harlow E., Lane
D. „Antibodies – A Laboratory Manual", Cold Spring
Harbor Laboratory, 1988, ISBN 0-87969-314-2). Die Entwicklung
wird im Folgenden zusammenfassend genauer dargestellt:
Mittels
MBS (m-Maleimidobenzoyl-N-hydroxysuccinimid Ester) wurde das Peptid
PAS10 (SEQ ID NO:4; Aminosäuren 1 bis 10 des PCT 1–116)
an das Trägerprotein KLH (Keyhole limpet hemocyanin) konjugiert
(s. Arbeitsanleitung „NHS-Esters-Maleimide Crosslinkers"
Firma PIERCE, Rockford, IL, USA). Mit diesem Konjugat wurden
Balb/c Mäuse immunisiert. Nach Boosterung wurden später
Milzzellen der Mäuse mit SP2/0 Myelomzellen fusioniert.
-
Für
Bindungstests der Antikörper aus den Kulturüberständen
der Myelomzellen wurden die Peptide PAD20 (SEQ ID NO:6) bzw. PPD19
(SEQ ID NO:7; Aminosäuren 2–20 des PCT 1–116)
auf Mikrotiterplatten immobilisiert. Zu diesem Zweck wurden die
Peptide in 20 mM Na-Phosphat, pH 7.4, 50 mN NaCl in einer Konzentration
von 7 μg/ml gelöst, und davon wurden 150 μl
pro Kavität pipettiert. Es wurde 20 Stunden bei 4°C inkubiert.
Die Lösung wurde abgesaugt. Dann wurde jede Kavität
mit 150 μl 10 mM Natriumphosphat, 2% Karion FP, 0.3% Bovinem
Serum Albumin, pH 6.5 befüllt. Nach 20 Stunden wurde die
Lösung abgesaugt.
-
Von
den zu testenden Kulturüberständen wurden je 150 μl
in mit PAD20 (SEQ ID NO:6) bzw. PPD19 (SEQ ID NO:7) beschichtete
Kavitäten der Mikrotiterplatten pipettiert. Es wurde zwei
Stunden bei 22°C inkubiert. Der Überstand wurde
abgesaugt. Es wurde zweimal mit 20 mM Na-Phosphat, pH 7.4, 50 mM
NaCl gewaschen, und gebundene Antikörper wurden mit einem
sekundären anti-Maus Antikörper-alkalische Phosphatase-Konjugat
nach Standardverfahren nachgewiesen (SIGNA, Deisenhofen, Deutschland).
-
Für
die Vereinzelung wurden solche Zellkulturen selektiert, welche Antikörper
sekretierten, die an das Peptid PAD20 (SEQ ID NO:6), aber weit geringer
an das Peptid PPD19 (SEQ ID NO:7) gebunden hatten. Kulturüberstände
aus den Vereinzelungen wurden nach dem gleichen Verfahren wie die
initialen Zellkulturen gescreent. In diesem Sinne positiv gescreente
Zellklone wurden dann in größerem Maßstab
kultiviert, und mittels Affinitätschromatographie an einer
Protein G-Säule wurden die Antikörper gereinigt,
von denen drei als potentielle Kandidaten für die selektive
Bindung von PCT 1–116 in einem Immunoassay weiter untersucht
wurden (interne Bezeichnungen der Antikörper mAb 295/3H12;
mAb 295/4G9; mAb 295/4G11).
-
I.2.2. Markierung der Antikörper
-
Zur
Charakterisierung der Epitop-Spezifität der drei ausgewählten
Antikörper und späteren Assayentwicklung wurden
die gewonnenen monoklonalen Antikörper mit einem Chemilumineszenz-Label
wie folgt markiert:
Jeder Antikörper wurde in 100
mM Kalium-Phosphatpuffer (pH 8,0) auf eine Konzentration von 1,5
mg/ml eingestellt. 67 μl der Antikörperlösung
wurden mit 10 μl MA70-Akridinium-NHS-Ester (1 mg/ml; Firma
HOECHST Behring) versetzt und 15 Minuten bei Raumtemperatur inkubiert.
Dann wurden 423 μl 1 M Glycin zugesetzt, und es wurde weitere
10 Minuten inkubiert. Anschließend wurde der Markierungsansatz über
eine NAP-5 Gelfiltrationssäule (Pharmacia) in 1 ml Laufmittel
A (50 mM Kaliumphosphat, 100 mM NaCl, pH 7.4) nach Arbeitsanleitung
umgepuffert und dabei von niedermolekularen Bestandteilen befreit.
Zur Abtrennung letzter Reste nicht an Antikörper gebundenen
Labels wurde eine Gelfiltrations-HPLC durchgeführt (Säule:
Waters Protein Pak SW300). Die Probe wurde aufgetragen und bei einer
Flußrate von 1 ml/min mit Laufmittel A chromatographiert.
Mit einem Durchflußphotometer wurden die Wellenlängen
280 nm und 368 nm gemessen. Das Absorptionsverhältnis 368
nm/280 nm als Maß für den Markierungsgrad des
Antikörpers betrug am Peak 0.10 +/– 0.01. Die
monomeren Antikörper enthaltenden Fraktionen (Retentionszeit
8–10 min) wurden gesammelt und in 3 ml 100 mM Natriumphosphat,
150 mM NaCl, 5% Bovines Serum Albumin, 0.1% Natrium Azid, pH 7.4,
gesammelt.
-
I.2.3.
Epitop-Mapping von drei ausgewählten monoklonalen Antikörpern
-
Für
das Epitop-Mapping der drei entwickelten und ausgewählten
monoklonalen Antikörper wurden diverse Peptide, die den
N-terminalen Bereich von Procalcitonin repräsentieren (vgl.
I.1.; Tab. 1), auf Röhrchen immobilisiert. Dies erfolgte
wie oben für die Beschichtung von Mikrotiterplatten beschrieben,
mit dem Unterschied, dass statt 150 μl 300 μl
Peptidlösung pipettiert wurden.
-
Der
jeweilige chemilumineszenzmarkierte monoklonale Antikörper
wurde in Assaypuffer (100 mM Natriumphosphat, 150 mM NaCl, 0.5%
Bovines Serum Albumin, 0.1% unspez. Maus IgG, 0.1% Natrium Azid,
pH 7.4), verdünnt, so dass eine Endkonzentration von 0.9
Millionen RLU (relative light units)/200 μl erhalten wurde.
Je 200 μl dieser Lösungen wurden in die Peptid-Röhrchen
pipettiert, und es wurde 2 Stunden bei 22°C unter Schütteln
inkubiert. Dann wurde 4 × mit je 1 ml Waschlösung
(0.1% Tween 20) pro Röhrchen gewaschen, abtropfen gelassen,
und die am Röhrchen gebundene Chemilumineszenz wurde in
einem Luminometer (Firma BERTHOLD, LB952T; Basisreagenzien BRAHMS
AG) vermessen.
-
Wie
aus der nachfolgenden Tabelle 1 ersichtlich ist, reagierten alle
drei ausgewählten Antikörper (interne Bezeichnungen
mAb 295/3H12; mAb 295/4G9; mAb 295/4G11) am besten mit einem von
Pre-Procalcitonin (bzw. Procalcitonin) abgeleiteten Peptid, wenn
dieses N-terminal mit der Position 25 endete (Peptid PAD20; SEQ
ID NO:6). Fehlte Position 25 (Peptid PPD19; SEQ ID NO:7), wurde
nur noch eine marginale Bindung erreicht, die für die einzelnen
monoklonalen Antikörper nur etwa das doppelte der unspezifischen
Bindung ausmachte und um den Faktor 199 (mAb 295/3H12), Faktor 85
(mAb 295/4G9) bzw. Faktor 102 (mAb 295/4G11) niedriger lag als bei
Peptid PAD20, bei dem Position 25 vorhanden war.
-
Die
Antikörper sind somit hochspezifisch und geeignet für
die Unterscheidung von Procalcitonin-Peptiden, die N-terminal die
Positionen 1 und 2 des PCT 1–116 (Position 25 und 26 des
Pre-PCT) enthalten, von solchen Procalcitonin-Peptiden, die diesen
gegenüber N-terminal auch nur um einen Aminosäurerest
verkürzt sind.
-
Tabelle
1: Epitop-Mapping. Angegeben sind gemessene Bindungswerte als relative
Lumineszenz-Einheiten [RLU].
Peptid | Sequenz | Aminosäureposition (Pre-PCT) | mAb
295/3H12 | mAb
295/4G9 | mAb
295/4G11 |
PAD20 | SEQ
ID NO:6 | 25–44 | 36186 | 26496 | 30222 |
PPD19 | SEQ
ID NO:7 | 26–44 | 182 | 310 | 297 |
PFD18 | SEQ
ID NO:8 | 27–44 | 96 | 190 | 171 |
PRD17 | SEQ
ID NO:9 | 28–44 | 65 | 158 | 164 |
PSD16 | SEQ
ID NO:10 | 29–44 | 64 | 176 | 146 |
Konrolle | | | 61 | 149 | 162 |
-
I.4. Entwicklung eines Sandwichimmunoassays
zur spezifischen Messung von PCT 1–116
-
I.4.1. Kopplung
-
Hochbindende
5 ml Polystyrolröhrchen (Firma Greiner) wurden mit einem
monoklonalen Antikörper (interne Bezeichnung: QN05), der
gegen ein Epitop im C-terminalen Bereich von Procalcitonin gerichtet
ist und auch im kommerziellen Assay B. R. A. H. M. S PCT LIA verwendet
wird, wie folgt beschichtet: Der Antikörper wurde in 50
mM Tris, 100 mM NaCl, pH 7.8 zu einer Konzentration von 6.6 μg/ml
verdünnt. In jedes Röhrchen wurden 300 μl
dieser Lösung pipettiert. Die Röhrchen wurden
20 Stunden bei 22°C inkubiert. Die Lösung wurde
abgesaugt. Dann wurde jedes Röhrchen mit 4.2 ml 10 mM Natriumphosphat,
2% Karion FP, 0.3% Bovines Serum Albumin, pH 6.5 befüllt.
Nach 20 Stunden wurde die Lösung abgesaugt. Schließlich
wurden die Röhrchen in einem Vakuumtrockner getrocknet.
-
I.4.2. Markierung
-
Der
oben bezüglich seines Bindungsverhaltens näher
charakterisierte monoklonale Antikörper mAb 295/3H12, der
spezifisch den N-Terminus von PCT 1–116 erkennt, wurde
wie oben unter I.2.2. beschrieben chemilumineszenzmarkiert.
-
I.4.3. Durchführung und Auswertung
des Immunoassays
-
Als
Standardmaterial diente das Peptid PAN40 (SEQ ID NO:11), das seriell
in Pferdenormalserum verdünnt wurde. Den so hergestellten
Standards wurden Konzentrationen gemäß der Peptideinwaage
zugeschrieben.
-
Der
Sandwichimmunoassay wurde wie folgt angesetzt: In die mit Antikörper
beschichteten Teströhrchen wurden 50 μl Standards
bzw. Proben sowie 150 μl Assaypuffer (100 mM Natriumphosphat,
150 mM NaCl, 0.5% Bovines Serum Albumin, 0.1% unspez. Maus IgG,
0.1% Natrium Azid, pH 7.4), enthaltend 0.5 Millionen RLU (relative
light units) des MA70-markierten Antikörpers, pipettiert.
Es wurde 3 Stunden bei 22°C unter Schütteln inkubiert.
Dann wurde 4 × mit je 1 ml Waschlösung (0.1% Tween
20) pro Röhrchen gewaschen, abtropfen gelassen, und die
am Röhrchen gebundene Chemilumineszenz wurde in einem Luminometer
(Firma BERTHOLD, LB952T; Basisreagenzien BRAHMS AG) vermessen. Unter
Verwendung der Software MultiCalc (Spline Fit) wurden die PCT 1–116
Konzentrationen der Proben an der Standardkurve abgelesen. Eine
typische Standardkurve ist in 1 gezeigt.
Der Test hatte eine Funktionale Assaysensitivität (FAS),
definiert als die Konzentration, bei der der Variationskoeffizient
des Mittels von zehn unabhängigen Testläufen bei
20% lag, von 6 pmol/L.
-
Anknüpfend
an die oben beschriebenen Experimente zur Epitopspezifität
des Antikörpers 295/3H12 wurde untersucht, welche Kreuzreaktivität
der Assay für ein von Procalcitonin abgeleitetetes Peptid
aufwies, dem die erste N-terminale Aminosäure fehlte: Eine
Probe PCT 2–116 (InVivo GmbH, Hennigsdorf, Deutschland;
vgl. auch
EP 1 408 334 )
einer Konzentration von 37433 pmol/L wurde gemessen mit 206 pmol/L.
Die Kreuzreaktivität betrug somit nur 0.5%.
-
II. MESSUNGEN ZUR ANALYTSTABILITÄT
UND VON HUMANPLASMEN VON SEPSISPATIENTEN
-
II.1. Analytstabilität in Proben
-
Es
wurde zuerst untersucht, wie stabil, bezogen auf seine Messbarkeit
im PCT 1–116 Assay gemäß I., natives
PCT 1–116 in Proben von Sepsispatienten ist. Dazu wurden
von zehn Sepsispatienten EDTA-Plasma und Serumproben gewonnen und
dann frisch sowie nach Lagerung über sechs Stunden bei
22°C mit dem o. g. Assay gemessen.
-
Im
Mittel lag die Abnahme an Immunreaktivität nach 6 h bei
den Plasmen bei nur 3.6% und die individuell größte
Abnahme bei 7.6%. Bei den Seren nahm die Immunreaktivität
hingegen im Mittel um 13.5% ab, und es wurden beträchtliche
individuelle Unterschiede bei der Abnahme beobachtet.
-
Die
beobachteten individuellen Stabilitätsunterschiede von
PCT 1–116 insbesondere in Serum, die eine möglicherweise
individuell unterschiedliche Enzymaktivität widerspiegeln,
haben zur Folge, dass es u. U. nicht ohne weiteres möglich
ist, messbare Konzentrationsveränderungen von PCT 1–116
in einer individuellen Patientenprobe zu einem universell gültigen
Bezugswert für die Eliminierung von PCT 1–116
aus der Zirkulation in Beziehung zu setzen, beispielsweise um Fälle
einer reinen Abnahme einer fixen Ausgangskonzentration des PCT 1–116
von Fällen, bei denen eine solche Konzentra tionsabnahme
von einer anhaltenden oder wieder einsetzenden Ausschüttung
von PCT 1–116 überlagert wird, zu unterscheiden.
-
Procalcitonin,
gemessen als PCT-Immunreaktivität oder "PCT-Gesamt" mit
dem herkömmlichen B. R. A. H. M. S PCT LIA, ist in Serumproben
nach Lagerung über sechs Stunden bei 22°C stabil
(Arbeitsanleitung B. R. A. H. M. S PCT LIA).
-
Bei
dem B. R. A. H. M. S PCT LIA handelt es sich um einen Sandwichimmunoassay,
der monoklonale Antikörper gegen Epitope im C-terminalen
Bereich (Katacalcin-Anteil) bzw. mittregionalen Bereich (Calcitonin-Anteil)
verwendet. Um eine vergleichende Betrachtung zu ermöglichen,
wurden die vom Hersteller in ng/mL angegebenen Konzentrationen der
Standards umgerechnet in pmol/L. Eine typische Standardkurve ist in 2 gezeigt.
Der Test hatte eine Funktionale Assaysensitivität (FAS),
definiert als die Konzentration, bei der der Variationskoeffizient
des Mittels von zehn unabhängigen Testläufen bei
20% lag, von 20 pmol/L.
-
Die
ermittelte Stabilität des Analyten PCT 1–116 in
humanem EDTA-Plasma kann als normalerweise für die klinische
Praxis ausreichend angesehen werden. Sollte jedoch ein Risiko bestehen,
dass das jeweilige, aus der Probe gewonnene EDTA-Plasma nicht ausreichend
zeitnah vermessen werden kann, liegt es im Bereich der vorliegenden
Erfindung, den Abbau des PCT 1–116 durch Dipeptidyl-Aminopeptidase
IV (DAP IV) zu PCT 3–116 durch Zusatz von synthetischen
Inhibitoren für DAP IV zu der Probe zu verhindern (z. B.
von Lys[Z(NO2)]-thiazolidid oder von Pro-Pro(P)[OPh-4Cl]2; vgl. WRENGER
S. KAHNS T, BOHUON C, WEGLÖHNER W, ANSORGE S, REINHOLD
D: Amino-terminal truncation of procalcitonin, a marker for systemic
bacterial infections, by dipeptidyl peptidase IV (DP IV). FERS Lett
2000; 466: 155–9). Sollten, gegebenenfalls zusätzlich,
andere Enzyme zum Abbau der Konzentration von PCT 1–116
in einer Probe beitragen, können selbstverständlich
auch andere Inhibitoren der störenden Enzymwirkung eingesetzt
werden.
-
II.2. Messungen zur klinischen Wertigkeit
-
II.2.1. Kinetik bei erfolgreicher Behandlung
von Infektionen
-
Es
ist wünschenswert, den Therapieerfolg bei Sepsispatienten
frühzeitig und sicher zu erkennen, weil dadurch die Sicherheit
im Behandlungsregime eines Patienten erhöht wird und kostspielige
Verweilzeiten auf der Intensivstation reduziert werden können.
-
Zur Überprüfung
der Frage, ob die erfindungsgemäße Messung von
PCT 1–116 unter Verwendung des oben beschriebenen Sandwich-Assays
Ergebnisse liefern kann, die sich von denen einer herkömmlichen Messung
der PCT-Immunreaktivität ("PCT-Gesamt") unterscheiden,
wurden wie folgt verfahren:
Von acht Patienten mit Sepsis,
die auf der Intensivstation erfolgreich behandelt wurden, wurden
täglich Plasmaproben gewonnen. PCT-Gesamt (gemessen mit
dem herkömmlichen B. R. A. H. M. S PCT LIA; s. o.) sowie PCT
1–116 wurden zu Beginn der Behandlung sowie an den beiden
Folgetagen gemessen. Die Konzentrationen zu Beginn der Messungen
(am Tag 0) betrugen
im Median für PCT 1–116:
100,6 pmol/L und für PCT-Gesamt: 591,8 pmol/L, (molares
Verhältnis der Anfangskonzentrationen von etwa 0,17).
-
Die
Konzentrationen von PCT 1–116 nahmen signifikant schneller
ab als die von PCT-Gesamt: Die Abnahme, bezogen auf Tag 0, betrug
für PCT 1–116 am ersten Tag 32%, am zweiten Tag
52%. Hingegen betrug die Abnahme von PCT-Gesamt am ersten Tag nur
11%, am zweiten Tag nur 30% (3).
-
Angesichts
des diagnostischen Ziels, einen Therapierefolg möglichst
rasch anhand eines Abfalls der Procalcitonin-Sekretion zu erkennen,
kann man sich nunmehr die Frage stellen, nach welcher Zeit beide
oben verglichenen Bestimmungsverfahren überhaupt einen
Abfall erkennen lassen. Berücksichtigt man Interassayvarianzen,
gilt näherungsweise, dass ein Abfall um etwa 20% als sicher
erkennbar eingestuft werden kann. Ein solcher Abfall ist bei einer
Messung von PCT 1–116 bereits nach 0,6 Tagen erkennbar,
hingegen bei der herkömmlichen Messung der PCT-Immunreaktivität
(von PCT-Gesamt) erst nach 1,2 Tagen (3).
-
Der
Erfolg einer Behandlung ist also bei einer Messung von PCT 1–116
deutlich schneller und sicherer erkennbar als bei einer herkömmlichen
Messung der PCT-Immunreaktivität ("PCT-Gesamt").
-
Für
eine weitere Auswertung der Messdaten wurde für jeden Patienten
und jeden Messzeitpunkt das jeweilige molare Verhältnis
(Ratio) von PCT 1–116 zu PCT-Gesamt berechnet. Über
die drei Beobachtungstage nahm dieses Verhältnis im Median
von 0.17 über 0.15 auf 0.12 ab (4). Auch
diese Auswertung spiegelt die unterschiedlichen Abbaukinetiken von
PCT 1–116 und PCT-Gesamt wider. Dabei gilt vereinfacht
gesprochen, dass die Abnahme von PCT 1–116 direkt dessen
Abbau bzw. geringere Stabilität widerspiegelt, während die
Abnahme von "PCT-Gesamt" den Abbau von PCT 3–116 bzw. dessen
Stabilität widerspiegelt. Da sich die Umwandlung von PCT
1–116 in PCT 3–116 messtechnisch bei der Bestimmung
von PCT-Gesamt nicht wesentlich auswirken sollte, weil das herkömmliche
Verfahren nicht zwischen PCT 1–116 und PCT 3–116
unterscheidet, beeinflusst die Geschwindigkeit der Umwandlung von
PCT 1–116 in PCT 3–116 die Konzentrationsabnahme
von PCT-Gesamt nicht signifikant, so dass diese im wesentlichen
der Abnahme des stabileren, in der Probe angesammelten PCT 3–116
entspricht.
-
Es
ergibt sich aus den obigen Überlegungen, dass darüberhinein
kleiner Wert für das Verhältnis von PCT 1–116
zu PCT- Gesamt (d. h eine geringe Konzentration von PCT 1–116
bei einer gleichzeitig vergleichweise hohen Konzentration von PCT-Gesamt)
auf ein Ausklingen der Infektion hindeutet, während ein
großer Wert eine zeitliche Nähe zum Beginn der
PCT-Ausschüttung und damit eine hochakute Infektion anzeigt.
Diese Beobachtung hat nicht nur Implikationen für die Verlaufsbeobachtung,
sondern auch für die initiale Einschätzung des
Infektionsstatus eines Patienten, beispielsweise auf der Notaufnahme
oder bei der ambulanten ärztlichen Betreuung.
-
II.2.2. Kinetik bei Folgeinfektionen
-
Bei
Sepsispatienten kommt es während des Aufenthalts auf der
Intensivstation häufig zu einer weiteren Infektion, die
aufgrund des geschwächten Immunsystems besonders lebensbedrohlich
ist und sich fatal auswirken kann. Je frühzeitiger eine
solche Folgeinfektion erkannt wird, desto eher und wirksamer lassen
sich therapeutische Gegenmaßnahmen einleiten. Aufgrund
des bekannten Phänomens der Endotoxin-Toleranz resultieren
Folgeinfektionen allerdings in einem nur vermindert ausgeprägten
Anstieg der PCT-Gesamtkonzentration.
-
Besonders
erschwert wird das frühzeitige Erkennen einer bakteriellen
Neuinfektion, die mit einem weniger stark ausgeprägten
Wiederanstieg der zwischenzeitlich bereits verminderten oder sogar
beendeten PCT-Ausschüttung verbunden ist, dadurch, dass
die Patienten infolge der primären Infektion bereits erhebliche PCT-Gesamtkonzentrationen
aufweisen, die aufgrund der hohen Stabilität von PCT 3–116
selbst bei erfolgreicher Behandlung nur relativ langsam abgebaut
werden. Wie oben gezeigt wurde, weist PCT 1–116 in vivo
eine deutlich schnellere Abbaukinetik auf als PCT-Gesamt (mit einem überwiegenden
Anteil an PCT 3–116). Geht man davon aus, dass PCT 1–116
im ersten Schritt seines Abbaus in PCT 3–116 umgewandelt
wird, entspricht der Abnahme der (in Absolutwerten kleineren) Konzentration
des PCT 1–116 keine Zunahme der Werte für PCT-Gesamt.
Diese steigen nur nach Maßgabe der Neuproduktion von PCT
1–116 an.
-
Bei
einer weitgehend überstandenen, nicht mehr akuten Infektion – d.
h. vor einer Folgeinfektion – sollten die messbaren Konzentrationen
von PCT 1–116 relativ niedrig liegen, obwohl Absolutwerte
für die Konzentrationen von PCT-Gesamt wegen der Stabilität
von PCT 3–116, das zu diesem Zeitpunkt den Hauptbeitrag
zu der gemessenen Konzentration von PCT-Gesamt liefern dürfte,
noch hoch sind. Ein durch eine Folgeinfektion induzierter Wiederanstieg
der PCT-Ausschüttung sollte daher anhand der Messwerte
für PCT 1–116 früh erkennbar sein, während
er anhand der absolut sehr viel höheren Messwerte für
PCT-Gesamt noch nicht oder nicht eindeutig erkennbar ist.
-
Die Überlagerung
der bei der Bestimmung von PCT-Gesamt gemeinsam erfassten Konzentrationen von
PCT 1–116 und PCT 3–116 führt dazu, dass
unter dem Einfluss des eher langsamen Abfalls einer hohen Konzentration
von PCT 3–116 aus der primären Infektion und des
Neuanstiegs von PCT aus der Folgeinfektion der Beginn des Wiederausschüttung
von PCT möglicherweise nicht sofort als messbarer Anstieg
des Gesamt-PCT erkennbar wird, sondern zunächst nur als
eine schwer erkennbare Verminderung des Abfalls der PCT-Gesamt-Konzentrationen,
die anfangen, langsamer abzusinken als der Clearing-Geschwindigkeit
von PCT 3–116 entspricht.
-
Es
wurde daher untersucht, ob eine Konzentrationsentwicklung von PCT
1–116 im Sinne einer Erhöhung oder Verlangsamung
unter die übliche stabilitätsbedingte Konzentrationsverminderung
von PCT 1–116, die sich deutlich von der Konzentrationsentwicklung
von PCT-Gesamt unterscheidet, einen Wiederanstieg auch von PCT-Gesamt
am Folgetag – als Zeichen einer Folgeinfektion – vorhersagt.
-
Von
44 Sepsispatienten mit einer mittleren Verweilzeit von 10,8 Tagen
auf der Intensivstation wurde täglich Plasma gewonnen,
in dem parallel PCT-Gesamt und PCT 1–116 bestimmt wurden,
und es wurde für jeden individuellen Patienten deren Konzentrationsverlauf
während des Zeitraum der Messungen verfolgt.
-
Sechsmal
wurde dabei beobachtet, dass einem Anstieg von PCT-Gesamt am Folgetag
ein Anstieg von PCT 1–116 vorausging, während
PCT-Gesamt noch abfiel.
-
In
7 anderen Fällen wurde – jeweils bei anhaltendem
Abfall von PCT-Gesamt – eine reduzierte Verminderung des
Abfalls der Konzentration von PCT 1–116, d. h. ein langsamerer
Abfall als in anderen Proben, beobachtet, der mit einer einsetzenden
Folgeinfektion in Verbindung gebracht wurde. Die Konzentrationen
von PCT-Gesamt veränderten sich dabei noch nicht in signifikanten
Ausmaß. Erst am Folgetag wurden Zeichen für einen
Wiederanstieg von PCT-Gesamt erlennbar. Es liegt im Bereich der
vorliegenden Erfindung, auch solche "versteckten" Erhöhungen
der Konzentration von PCT 1–116, die bei der Überwachung
von PCT-Gesamt noch nicht manifest werden, unter Anwendung geeigneter Überwachungs-
und Auswertungstechniken und dafür geeigneter mathematischer
Modelle im Rahmen der Überwachung von therapierten Sepsispatienten
zur Erkennung von Folgeinfektionen zu nutzen.
-
Zusammenfassend
lässt sich sagen, dass ein gegenüber PCT-Gesamt
verminderter Abfall von PCT 1–116 oder gar ein Anstieg
von PCT 1–116 am Folgetag einen Anstieg von PCT-Gesamt
als Ausdruck einer Folgeinfektion hochspezifisch und auch sensitiv
vorhersagt.
-
Es folgt ein
Sequenzprotokoll nach WIPO St. 25.
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-
ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
-
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