Tandem-Massenspektrometrie
(MS/MS) ist eines der nützlichsten
Werkzeuge der Proteomik wegen seines hohen Nachweisvermögens (Femtomole und
niedriger) und seiner hohen Spezifität. Das übliche MS/MS-Verfahren für die Protein-Charakterisierung
besteht aus einem enzymatischen Verdau des Proteins und einer nachfolgenden
Fragmentierung der Verdaupeptide im Massenspektrometer durch Stöße mit einem
Stoßgas.
(Zur Definition: Peptide sind kleinere Proteine mit bis zu etwa
30 oder 40 Aminosäuren;
Verdaupeptide sind aus größeren Proteinen
durch enzymatischen Verdau entstanden, beispielsweise durch Trypsin).
Die Massen der Fragmentionen und des Molekülions werden anschließend in
eine Suchmaschine eingegeben, die das gemessene Fragmentierungsmuster
mit theoretischen Fragmentierungsmustern der virtuellen Verdaupeptide
aller Proteine einer Protein-Sequenzdatenbank vergleicht. Der Erfolg
dieses Verfahrens hängt
davon ab, wie viele Fragmentionen aus dem Verdaupeptidion gebildet
werden, und wie charakteristisch oder spezifisch diese Fragmentionen
für ein
gegebenes Verdaupeptid sind.
Die
herkömmliche
Fragmentierungstechnik ist die Stoßfragmentierung (CID = collision
induced dissociation, auch CAD = collision activated dissociation).
Die Peptidionen werden auf kinetische Energien von 20 bis 4000 Elektronvolt
beschleunigt und stoßen
mit Neutral gasmolekülen,
dabei werden innere Bindungssysteme zu Schwingungen angeregt. CID spaltet
vorzugsweise die so genannten Peptid-Bindungen (C-N-Bindungen in
der zentralen Kette aus Aminosäuren),
dabei werden N-terminale b-Fragmente und C-terminale y-Fragmente
gebildet. Die Nachteile dieser Fragmentierung bestehen in Verlusten
leicht abspaltbarer Gruppen, die in vielen posttranslationalen Modifikationen
vorkommen (beispielsweise Phosphorylierungen, Sulfatationen) und in
vielfach vorkommenden unvollständigen
Fragmentierungen.
Tatsächlich sind
die Informationen über
das Protein, die in Form der MS/MS-Spektren an die Datenbank-Suchmaschinen übermittelt
werden, selten vollständig.
Es können
daher falsche Identifizierungen nicht ausgeschlossen werden; diese
kommen vielmehr häufig
vor, da die Datenbanken nur einen winzigen Bruchteil aller wirklich
vorkommenden Proteine einschließlich
aller Mutationsformen und Modifikationen enthalten, selbst wenn
das Genom voll entschlüsselt
ist. Falsche Identifizierungen und fehlerhafte Strukturinformationen
sind ein ernsthaftes Problem der heutigen Proteomik.
Um
falsche Identifizierungen und fehlerhafte Strukturinformationen
zu vermeiden, müssen
unabhängige
(so genannte „orthogonale") und möglichst auch
sanfte Fragmentierungsarten zur Verfügung stehen. Zueinander orthogonale
Verfahren liefern bestätigende
Informationen über
andere, unabhängige Wege.
Diese orthogonalen Fragmentierungsverfahren können zur Bestätigung der
Identifizierungen und der Korrektur der Strukturinformationen herangezogen
werden. Ein guter Kandidat für
eine solche zur Stoßfragmentierung
CID orthogonale Fragmentierungsart ist die Elektroneneinfang-Dissoziation
(ECD = electron capture dissociation), die N-Cα-Bindungen der
Aminosäurenkette
spaltet und N-terminale c-Fragmente und C-terminale z-Fragmente
erzeugt, ohne dabei labile Gruppen zu verlieren. Die Massendifferenz
zwischen b- und c-Ionen beträgt
+17 atomare Masseneinheiten (Dalton), die Differenz zwischen z-
und y-Ionen beträgt –16 Dalton.
Diese Massendifferenzen, die bei richtiger Zuordnung zwischen den unabhängigen Messungen
auftreten müssen,
können
die Identifizierung sicherer machen. Die kombinierte Anwendung von
CID und ECD erhöht
die Sicherheit der Identifizierung um Faktoren von 20 bis 100.
Die
Fragmentierung durch Elektroneneinfang ECD ist bisher nur in teueren
Ionencyclotronresonanz-Massenspektrometern ICR-MS (auch Fourier-Transform-Massenspektrometer
FTMS genannt) routinemäßig anwendbar.
Dieses Fragmentierungsverfahren hat zur Voraussetzung, dass doppelt
geladene Ionen der Untersuchungssubstanz (im Folgenden Analytsubstanz
genannt) zur Verfügung
stehen.
In
neuester Zeit ist ein weiteres Fragmentierungsverfahren bekannt
geworden, das zur Stoßfragmentierung
CID orthogonal ist: Die Fragmentierung von mehrfach geladenen positiven
Ionen durch Reaktionen mit geeigneten negativen Ionen durch Elektronentransfer
(ETD = electron transfer dissociation, J.E.P. Syka, J.J. Coon, M.J.
Schroeder, J. Shabanowitz und D.F.,Hunt „Peptide and protein sequence analysis
by electron transfer dissociation mass spectrometry", Proc. Natt. Acad.
Sci. USA 2004, 101, 9528-9533). Diese Reaktionen können in
Hochfrequenz-Ionenfallen ablaufen, und zwar sowohl in linearen Ionenfallen
aus Stabelektroden wie auch in dreidimensionalen Ionenfallen aus
Ring- und Endkappenelektroden. Um hohe Ausbeuten an Fragmentionen
zu erhalten, ist es jedoch notwendig, von dreifach geladenen Ionen
auszugehen. Da aber gerade für
die weitaus interessantesten Biomoleküle, die Verdaupeptide, die
Herstellung von dreifach geladenen Ionen nur mit sehr eingeschränkter Ausbeute möglich ist,
hat das Verfahren seine Grenzen. Die Notwendigkeit, von dreifach
geladenen Analytionen auszugehen, reduziert das Nachweisvermögen des Verfahrens
mit ETD um Faktoren von 10 bis 20.
Eine
gängige
Art der Ionisierung großer
Biomoleküle
ist die Elektrosprüh-Methode
(ESI = electron spray ionization), die Ionen bei Atmosphärendruck
außerhalb
des Massenspektrometers ionisiert. Diese Ionen werden dann über Einlasssysteme
bekannter Art in das Vakuum des Massenspektrometers und von dort
in die Ionenfalle eingebracht.
Diese
Ionisierung erzeugt praktisch keine Fragmentionen, die Ionen sind
im wesentlichen die des Analytmoleküls. Wohl aber treten bei Elektrosprühen mehrfach
geladene Analytionen auf; für Peptide
gilt, dass die doppelt geladenen Ionen in etwa 85 bis 90 % der Fälle die
häufigsten
Ionen sind. Die dreifach geladenen Ionen treten in der Regel nur in
wenigen Prozenten der insgesamt gebildeten Ionen auf. Für leichtere
Peptide sind die einfach geladenen Ionen die häufigsten, die doppelt geladenen die
zweithäufigsten.
Durch das Fehlen fast jeder Fragmentierung der entstehenden Analytionen
während
des Ionisierungsprozesses beschränkt
sich die Information aus dem Massenspektrum auf das Molekulargewicht;
es fehlen Informationen über
interne Molekülstrukturen,
die zur weiteren Identifizierung der vorliegenden Substanz benutzt
werden können. Diese
Informationen können
erst über
die oben geschilderte Aufnahme von Fragmentionenspektren in Tandem-Massenspektrometern
erhalten werden.
Wegen
der hohen Preise von Fourier-Transform-Massenspektrometern (FTMS)
ist es zu wünschen,
dass zur Stoßfragmentierung
CID komplementäre
und orthogonale Fragmentierungsverfahren wie Elektroneneinfang-Dissoziation
ECD auch in einfacheren, kleineren und weniger teueren Massenspektrometern
ausgeführt
werden können,
beispielsweise in Quadrupol-Ionenfallen-Massenspektrometern, die
mit Hochfrequenzspannungen betrieben werden. In Quadrupol-Ionenfallen
wird bisher ausschließlich
durch Stoßfragmentierung
CID fragmentiert. Für
eine Fragmentierung durch Elektroneneinfang ECD muss jedoch die
kinetische Energie der Elektronen sehr gering sein, da sonst kein
Einfang stattfinden kann. In der Praxis bietet man Elektronen mit
einer Energie an, die nur wenig über
der thermischen Energie liegt. Das geht in den sehr starken Magnetfeldern
der Fourier-Transfom-Massenspektrometer sehr gut, jedoch nicht in
elektrischen Hochfrequenz-Ionenfallen. Weder in dreidimensionalen
noch in linearen Ionenfallen ist bisher eine Fragmentierung der
Ionen durch Elektroneneinfang mit genügender Ausbeute gelungen. Hier
ist es störend,
dass praktisch zu jedem Zeitpunkt hohe elektrische Feldstärken herrschen,
die den Zugang von niederenergetischer Elektronen er schweren, wenn
auch nicht unmöglich
machen (J. Franzen
DE
100 58 706 C1 ; R. Zubarev et al.
US 6,800,851 B1 ).
Normalerweise
bestehen Ionenfallen nach Wolfgang Paul aus einer Ringelektrode
und zwei Endkappenelektroden, wobei in der Regel die Ringelektrode
mit der Speicherhochfrequenzspannung versorgt wird; diese Ionenfallen
werden auch dreidimensionale Ionenfallen genannt. Es können aber auch
Vierstab-Quadrupolfilter nach Paul als Ionenfallen verwendet werden,
wenn beide Enden des Stabsystems durch Blenden mit ionenabstoßenden Potentialen
beaufschlagt werden. Diese so genannten „linearen Quadrupol-Ionenfallen" oder kurz „linearen Ionenfallen" können leichter
mit Ionen befüllt
werden und mit mehr Ionen als die „dreidimensionalen Ionenfallen". Im Inneren der
Ionenfalle können
Ionen im quadrupolaren Hochfrequenzfeld gespeichert werden. Die
linearen Ionenfallen werden auch oft „zweidimensionale Ionenfallen" genannt.
Sowohl
die dreidimensionalen wie auch die linearen Ionenfallen können auch
als Ionenanalysatoren verwendet werden, indem die Ionen durch resonante
Anregung massenselektiv ausgeworfen und dann als Ionenströme gemessen
werden. Aus den linearen Quadrupol-Ionenfallen können die Ionen sowohl radial
durch Schlitze in mindestens einer der langgestreckten Elektroden
(
US 5,420,425 , M. E. Bier
und J. E. Syka, entsprechend
EP 0 684 628 A1 ), wie auch axial durch Kopplungsvorgänge im inhomogenen
Endfeld des Stabsystems („A
new linear ion trap mass spectrometer", J. W. Hager, Rapid Commun. Mass Spectrom.
2002, 16, 512-526) massenselektiv herausgeworfen werden. Die massenselektiv herausgeworfenen
Ionen werden durch eine Detektionseinheit, beispielsweise einen
Sekundärelektronenvervielfacher,
gemessen und dann zu einem Massenspektrum verarbeitet.
Ionenfallenmassenspektrometer
haben Eigenschaften, die ihren Einsatz für viele Arten von Analysen
interessant macht. So können
insbesondere ausgewählte
Ionensorten (so genannte „Elternionen") in der Ionenfalle
isoliert und fragmentiert werden. Die Isolierung besteht darin,
alle unerwünschten Ionen
aus der Ionenfalle durch resonante Anregung hinauszuwerfen und nur
die erwünschten
Analytionen in der Ionenfalle zu belassen. Die Fragmentierung verläuft etwas
anders als die oben durch Beschleunigung der Analytionen beschriebene
Fragmentierung. Die Analytionen werden hier durch Anregung ihrer
Oszillationen zu vielen Einzelstößen mit dem
Stoßgas
gezwungen, wobei sehr viele kleine Energieportionen aufgenommen
werden, bis endlich eine Fragmentierung eintritt. Diese Art der
Fragmentierung liefert, ebenso wie die Stoßfragmentierung nach Beschleunigung,
Fragmentionen der b- und y-Reihe.
Die Spektren dieser Fragmentionen werden auch "Tochterionenspektren" der betreffenden Elternionen genannt.
Es können
in Ionenfallen auch „Enkelionenspektren" als Fragmentionenspektren
ausgewählter
Tochterionen gemessen werden.
Aufgabe der
Erfindung
Es
ist die Aufgabe der Erfindung, ein Fragmentierungsverfahren für Analytionen
bereitzustellen, das insbesondere von doppelt geladenen Ionen ausgehen
kann und zur Stoßfragmentierung
CID orthogonal ist. Das Fragmentierungsverfahren soll eine hohe
Ausbeute an Fragmentionen ergeben. Die Zuführ des Reaktionspartners für die Fragmentierung soll
nicht durch elektromagnetische Felder zu behindern sein.
Kurze Zusammenfassung
der Erfindung
Das
Verfahren der Erfindung stellt eine Wolke der Analytionen bereit,
die mit einem Strahl von Neutralteilchen beschossen wird. Es wird
bevorzugt von doppelt geladenen Analytionen ausgegangen, die durch
Elektrosprühen
von Peptiden vorherrschend erzeugt werden; doch können im
Bedarfsfalle, beispielsweise bei schwereren Proteinen, auch höhere Ladungszustände verwendet
werden. Der Strahl der Neutralteilchen wird vorzugsweise in einem üblichen
FAB-Generator erzeugt (FAB = fast atom bombardment). Üblicherweise
werden dazu Edelgasatome verwendet, vorzugsweise Heliumatome; jedoch
können
auch andere Arten von Atomen oder Molekülen als Neutralteilchen des
Strahls verwendet werden. Die Wolke der Analytionen kann sich dabei
durch ein Ionenleitsystem bewegen, sie kann aber auch ruhend in
einer Ionenfalle bereitgestellt werden. Es kann sich dabei um magnetische
oder auch um Hochfrequenz-Quadrupol-Ionenfallen linearer oder dreidimensionaler
Art handeln; der Strahl der Neutralteilchen wird dabei durch die
jeweils vorherrschenden elektrischen oder magnetischen Felder nicht
gestört.
Bei Verwendung eines Strahls von Heliumatomen aus einem FAB-Generator ähneln die Fragmentionenspektren überraschenderweise
denen, die mit Elektroneneinfang ECD gemessen werden. Die Ausbeute
an Fragmentionen ist dabei relativ hoch, sie ist etwa ebenso so
hoch wie die Ausbeute des Elektroneneinfangs ECD (möglicherweise
sogar höher).
Die
Erfindung umfasst auch Massenspektrometer, die einen Generator für die Erzeugung
eines Strahls von Neutralteilchen besitzen und entweder eine Ionenfalle
für die
Speicherung von Analytionen oder ein Ionenleitsystem für die Überführung der Analytionen
von einer Ionenquelle zu einem Ionenanalysator enthalten, wobei
der Strahl an Neutralteilchen zumindest zeitweise in die Ionenfalle
oder in das Ionenleitsystem eingeschossen wird.
Kurze Beschreibung
der Abbildungen
1 zeigt
schematisch eine Ionenfalle mit zwei Endkappenelektroden (1, 2)
und einer Ringelektrode (3), durch deren Bohrung (7)
ein Strahl von Neutralteilchen (8) auf die gespeicherte
Wolke (6) von Analytionen trifft. Der Strahl von Neutralteilchen (8)
wird in einem FAB-Generator (9–14) produziert. In dessen
Elektronenstoßkammer
(11) erzeugen Elektronen aus einer Glühkathode (12), geleitet
durch ein Magnetfeld zwischen den Magneten (13) und (14), zunächst Ionen
für einen
Ionenstrahl, der durch Potentiale zwischen Elektronenstoßkammer
(11) und Linsensystem (10) beschleunigt und durch
das Linsensystem (10) fokussiert wird. Die Ionen werden
in der Umladungskammer (9) durch Ladungsaustausch entladen
und bilden dann den Strahl (8) von Neutralteilchen.
2 zeigt
eine ähnliche
Anordnung, bei der aber der Strahl der Neutralteilchen (8)
axial in die Ionenfalle eingeschossen wird. Der Strahl (8)
passiert dabei die Detektionseinheit des Massenspektrometers, bestehend
aus einer Konversionsdynode (16), die die durch die Öffnung (5)
aus der Ionenfalle massenselektiv ausgeworfenen Ionen in Elektronen umwandelt,
und einem Channeltron-Multiplier (17).
3 zeigt
ein lineares Ionenfallen-Massenspektrometer, bestehend aus den vier
Polstäben (21–24),
der Einschussblende (25) an der Stirnfläche der Polstäbe, einer
Vertiefung (26) mit einem Schlitz (27) zum massenselektiven
Auswerfen der Ionen. Die Neutralteilchen können axial als Strahl (28)
eingeschossen werden, oder diagonal als Strahl (29) in den
Schlitz zwischen den Polstäben.
4 zeigt
ein Fragmentionenspektrum des Peptids RSarKSarQQFFGLM-NH2 nach
dieser Erfindung, aufgenommen in einer dreidimensionalen Ionenfalle
nach 1 in einem einzigen Scan (hier noch ohne korrekte
Massenkalibrierung und ohne optimierte Fragmentierungsparameter).
Die Fragmentierung wurde durch Heliumatome von vier Kiloelektronenvolt
Energie erzeugt, die für
200 Millisekunden in die Ionenfalle eingestrahlt wurden.
5 zeigt
zum Vergleich ein ECD-Spektrum des gleichen Peptids in einem ICR-Massenspektrometer,
wobei hier 100 Scans aufgenommen und addiert wurden.
6 zeigt
ein Fragmentionenspektrum des Peptids YGADFLRRIRPK-NH2 nach dieser Erfindung, analog zum Spektrum
des Peptids in 4.
7 zeigt
zum Vergleich ein ECD-Spektrum des gleichen Peptids in einem ICR-Massenspektrometer,
wobei hier wieder 100 Scans aufgenommen und addiert wurden.
8 gibt
einen Scan der Fragmentionen des Peptids FKDLGEQYFK-NH2 wieder,
erzeugt nach dieser Erfindung in einer Ionenfalle aus dreifach geladenen
Analytionen unter 200 Millisekunden Beschuss mit Heliumatomen von
vier Kiloelektronenvolt.
9 zeigt
zum Vergleich ein ECD-Spektrum des gleichen Peptids, ebenfalls aus
dreifach geladenen Analytionen, gewonnen aus 100 Scans in einem
ICR-Massenspektrometer.
Besonders
günstige
Ausführungsformen
Eine
besonders günstige
Ausführungsform eines
Verfahrens und einer Apparatur werde an Hand der 1 beschrieben.
Analytionen werden als Wolke (6) in einer Ionenfalle aus
zwei hyperboloiden Endkappenelektroden (1) und (2)
und einer hyperboloiden Ringelektrode (3) gespeichert.
An der Ringelektrode (3) ist eine Hochfrequenzspannung
von einigen Kilovolt Spannung und einer Frequenz von etwa einem
Megahertz angelegt, das im Inneren ein weitgehend quadrupolares
Hochfrequenzfeld aufspannt. Dieses Hochfrequenzfeld erzeugt zeitintegriert
eine Wirkung auf eingesperrte Ionen, die durch ein Pseudopotential
beschrieben werden kann. Das Pseudopotential hat ein Minimum im
Zentrum der Ionenfalle und steigt in alle Richtungen quadratisch
an. Es bildet also für
die Ionen eine Potentialmulde, in der sie harmonische Oszillationen
um das Zentrum herum oder durch das Zentrum hindurch ausführen können.
Die
Analytionen wurden durch die Öffnung (4)
in der Endkappenelektrode (1) in die Ionenfalle eingeschossen.
In der Ionenfalle befindet sich ein Stoßgas (üblicherweise Helium) unter
einem Druck von einigen Hundersteln Pascal, das eine Dämpfung der
Oszillationen der Ionen und damit ihre Speicherung im Zentrum der
Ionenfalle bewirkt. In der Wolke (6) herrscht ein Gleichgewicht
zwischen den Coulombschen Abstoßungskräften zwischen
den Ionen und der rücktreibenden
Kraft des Pseudopotentials.
Es
können
dann in der Ionenfalle die doppelt geladenen Analytionen von allen
anderen Ionenarten befreit werden. Diesen Vorgang nennt man „Isolierung". Es werden dabei
alle anderen Ionenarten durch resonante Anregung ihrer Schwingungen
aus der Ionenfalle ausgeworfen, so dass nur die doppelt geladenen
Analytionen in der Ionenfalle verbleiben. In der Regel sind die
doppelt geladenen Analytionen auch die häufigsten Ionen der Analytsubstanz;
jedenfalls dann, wenn es sich bei dem Analyten um ein Peptid handelt
und wenn die Ionen durch Elektrosprühen erzeugt wurden.
Die
Wolke der doppelt geladenen Analytionen wird jetzt mit einem Strahl
(8) von Neutralteilchen beschossen. Die Neutralteilchen
werden in einem FAB-Generator (9–14) erzeugt. Dazu
werden zunächst
in einer normalen Elektronenstoß-Ionenquelle (11)
mit einer Glühkathode
(12) und zwei Führungsmagneten
(13, 14) Ionen eines geeigneten Elementes erzeugt,
hier Ionen von Helium, das in die Elektronenstoß-Ionenquelle (11)
eingeleitet wird. Die Heliumionen werden in üblicher Weise aus der Elektronenstoß-Ionenquelle
(11) extrahiert und durch eine Spannungsdifferenz von einigen
Kilovolt zwischen dem Gehäuse
(11) der Elektronenstoß-Ionenquelle und
dem Linsensystem (10) beschleunigt. Gute Elektronenstoß-Ionenquellen liefern
eine Ionenstromdichte von einigen 1010 Ionen/(s × mm2). Durch das Linsensystem (10)
wird der Ionenstrahl fein fokussiert und durch eine Entladungskammer
(9) geschickt. In dieser Entladungskammer (9)
wird ein Teil der Heliumionen mit Hilfe eines geeigneten Reaktionsgases durch
Ladungsaustausch entladen, wobei die entladenen Heliumionen allerdings
praktisch keine kinetische Energie verlieren und ungebremst weiterfliegen.
Der Strahl (8) an Neutralteilchen (hier also Heliumatomen)
trifft dann die Wolke (8) der Analytionen und kann mit
diesen reagieren. Die noch geladenen Heliumionen werden durch elektrische
Potentiale daran gehindert, in die Ionenfalle einzutreten.
Ergebnisse
sind in den 4, 6 und 8 wiedergegeben,
die Spektren ähneln
sehr stark den ECD-Spektren in 5, 7 und 9,
die in einem ICR-Massenspektrometer aufgenommen wurden. Es ist zu
beachten, dass es sich bei den Spektren nach dieser Erfindung um
Einzelscans handelt, während
im ICR-Massenspektrometer jeweils 100 Einzelscans gemessen und addiert
wurden. Dieses Ergebnis ist überraschend
und konnte nicht erwartet werden.
Der
Mechanismus der Fragmentierung ist noch unbekannt. Aus langer Erfahrung
wissen wir, dass eine Stoßfragmentierung
CID mit Bildung von b- und y-Ionen stattfindet, wenn die Analytionen
mit etwa vier Kiloelektronenvolt Energie in ein Stoßgas eingeschossen
werden (auch in Helium als Stoßgas). Im
umgekehrten Fall der 4, 6 und 8 aber,
in denen die neutralen Heliumatome mit vier Kiloelektronenvolt Energie
in die Wolke der Analytionen eingeschossen wird, wird diese Stoßfragmentierung CID
nicht beobachtet. Stattdessen werden hier, wie auch bei ECD, Ionen
der c- und z-Reihe gebildet. Das deutet auf einen neuen, unbekannten
Prozess hin, über
den hier nur Spekulationen angestellt werden können.
Es
war vor Beginn der Experimente erwartet worden, dass sich entweder
Stoßfragmentierung oder
aber eine elektronische Wechselwirkung des Analytions mit dem durchfliegenden
Neutralteilchen einstellen würde,
wobei letztere a- und x-Ionen liefern müsste. Dieser letztere Fall
würde ebenfalls
eine zu CID orthogonale Fragmentierung darstellen. Die überraschenden
Ergebnisse lassen jedoch vermuten, dass es sich um einen Prozess
handelt, bei dem Elektroneneinfang oder Elektronentransfer eine
Rolle spielt. Das starke elektrische Wechselfeld in der Ionenfalle
macht es unwahrscheinlich, dass die schnellen Heliumatome Elektronen
durch Stöße mit dem Helium-Dämpfungsgas
oder durch Aufprall auf die Wände
der Ionenfalle erzeugen, und dass diese Elektronen für Elektroneneinfang
zur Verfügung
stehen. Diese Elektronen würden
innerhalb von Nanosekunden aus der Ionenfalle ausgeworfen werden. Es
könnte
aber sein, dass die Heliumatome des Strahls der Neutralteilchen
so hoch angeregt sind, dass eines der beiden Elektronen außerordentlich schwach
gebunden ist, so dass ein Elektronentransfer bei einem Durchflug
eines Heliumatoms durch ein Analytion stattfinden kann. Dazu widersprüchlich ist es
jedoch, dass im Gegensatz zu Elektronentransfer in Reaktionen mit
negativen Ionen hier die Ausbeute bei doppelt geladenen Analytionen
sehr hoch ist. Der Mechanismus bedarf daher der Aufklärung. Es
ist dazu zu bemerken, dass der Vorbeiflug eines Heliumatoms mit
vier Kiloelektronenvolt an einem Analytion etwa die gleiche Wechselwirkungszeit
bietet wie der Vorbeiflug eines Elektrons mit einem halben Elektronvolt
kinetischer Energie, also einer Energie, die für Elektroneneinfang ECD optimal
ist.
Die
hohe Anregung könnte
durch den Ladungsaustausch in der Entladungskammer (9)
entstehen, bei der das übertragene
Elektron in einem hohem Anregungszustand verbleibt und die Anregungsenergie
nicht abgestrahlt werden kann. Die hohe Anregung könnte jedoch
auch durch Stöße der schnellen
Heliumatome mit den Heliumatomen des Dämpfungsgases in der Ionenfalle
erzeugt werden.
In 2 ist
eine Anordnung wiedergegeben, die ebenfalls einen Beschuss der Ionenwolke
(6) im Inneren einer Ionenfalle (1, 2, 3)
erlaubt. Sie hat den Vorteil, dass die Bohrung (7) durch
die Ringelektrode (1) vermieden wird. Stattdessen
wird hier ausgenutzt, dass der Zugang des Strahls (8) der Neutralteilchen
zur Ionenwolke (6) durch die Austrittsöffnung (5) durch die
Anordnung des Detektors mit Konversionsdynode (16) und
Channeltron-Multiplier (17) ermöglicht wird.
In 3 ist
ein lineares Ionenfallen-Massenspektrometer gezeigt. Hier kann der
Strahl der Neutralteilchen entweder axial (28) in die Ionenfalle oder
diagonal (29) durch einen Schlitz zwischen den Polstäben eingeschossen
werden. Für
stabförmige Ionenleitsysteme,
die im Prinzip der linearen Ionenfalle gleichen, aber in der Regel
als Hexapol- oder Oktopolsysteme mehr Stäbe besitzen, bietet sich ebenfalls
der diagonale Durchschuss der schnellen Neutralteilchen an.
Der
FAB-Generator hat im Falle der Spektren in den 4, 6 und 8 einen
Strahl schneller Heliumatome mit etwa vier Kiloelektronenvolt Energie
gebildet. Normalerweise arbeiten handelsübliche FAB-Generatoren mit
Beschleunigungsspannungen zwischen vier und acht Kilovolt. Es ist
jedoch auch möglich,
sie im Bereich von etwa einem bis zu 20 Kilovolt arbeiten zu lassen.
Es können
in den FAB-Generatoren aber auch andere Sorten von Neutralteilchenstrahlen
außer
Strahlen aus Heliumatomen erzeugt werden, beispielsweise alle Arten
von Edelgasatomstrahlen. Weiterhin lassen sich auch Alkali- oder
Halogenatomstrahlen herstellen. Es müssen aber nicht unbedingt Atomstrahlen
sein: es können
auch Molekülstrahlen
hergestellt werden, beispielsweise von den zweimolekularen Gasen
Sauerstoff oder Stickstoff.
Das
Massenspektrum aus 8 wurde aus dreifach protonierten
Ionen (M+3H)3+ erzeugt. Dabei entstehen
durch einfachen Elektronentransfer, aber ohne Abspaltung eines Wasserstoffatoms,
auch doppelt geladene Radikalkationen (M+3H)2+· in
erheblicher Menge. Diese können,
wie man aus ETD-Experimenten weiß, durch eine zarte Anregung
mit einer resonant eingestrahlten dipolaren Anregungswechselspannung
zwischen den beiden Endkappenelektroden durch sachte Stoßfragmentierung
weiter zu Fragmentionen gespalten werden, die den ECD-Fragmentionen
gleichen, also der c- und z-Reihe angehören. Dadurch wird die Ausbeute
an Fragmentionen nochmals gesteigert. Diese Möglichkeit, die hier wegen der
Herstellung einer Vergleichbarkeit mit entsprechenden ECD-Spektren
in einem ICR-Massenspektrometer nicht angewandt wurde, besteht in
einem ICR-Massenspektrometer nicht und stellt einen weiteren Vorteil
dieses Verfahrens in Hochfrequenz-Ionenfallen dar. Allerdings entstehen diese
Radikalkationen im ICR-Massenspektrometer sehr viel weniger.
Das
hier geschilderte Verfahren zur Fragmentierung mit Strahlen von
Neutralteilchen kann für alle
Peptide eines Gemischs, beispielsweise eines Gemischs der Verdaupeptide
eines Proteins, wiederholt und auch mit den Ergebnissen aus der
Stoßfragmentierung
CID verglichen werden. Es ergibt sich so eine sehr sichere Identifizierung
des Proteins. Es können
sogar Unterschiede des untersuchten Proteins zu solchen aus Proteinsequenzdatenbanken
sicher festgestellt werden. Die Unterschiede können mutativer Art oder Modifizierungen
des ursprünglich in
einer Zelle an Hand eines DNA-Codes hergestellten Proteins sein.
Die
durch die Erfindung ermöglichte
Fragmentierung durch Neutralteilchen hat einen weiteren Vorteil,
der nicht auf den ersten Blick ersichtlich ist: Durch die Fragmentierung
bei niedriger Hochfrequenzspannung können alle Tochterionen bis
zu kleinen Massen herunter gespeichert werden, weil die Schwellenmasse
jetzt sehr niedrig liegt. Eine Ionenfalle kann nur Ionen über der
Schwellenmasse speichern, die Schwellenmasse ist der Hochfrequenzspannung
proportional. Die Speicherung kleiner Tochterionen war bisher nicht
möglich,
da für
Stoßfragmentierung
CID mit einer Mindesthochfrequenzspannung gearbeitet werden musste,
weil sonst die Stoßenergie
zu klein wurde und eine Fragmentierung oft nicht möglich war.
Erst durch sehr kleine Hochfrequenzspannungen kann das ganze Aminosäuren-Fragmentspektrum
der c-Brüche
ab der ersten Aminosäure
aufgenommen werden. Beispiel: Ein großes, doppelt geladenes Peptid
mit 20 Aminosäuren
hat ein Molekulargewicht von etwa 2400 atomaren Masseneinheiten
und eine spezifische Masse von m/z = 1200 Masseneinheiten pro Elementarladung.
Normalerweise können
Tochterionen durch Stoßfragmentation
nur etwa ab einer Schwellenmasse von 400 Masseneinheiten pro Elementarladung (entspricht
etwa drei bis vier Aminosäuren)
gespeichert werden, jetzt ist aber durch Wahl einer sehr kleinen
Hochfrequenzspannung eine Speicherung ab 80 Masseneinheiten pro
Elementarladung möglich,
so dass auch die kleinste, endständige
Aminosäure noch
erfasst werden kann.
Weitere
Vorteile werden durch weitere Aufklärung der beteiligten Prozesse
sichtbar werden. So erscheint es durchaus möglich, mit anderen Energien der
Neutralteilchen oder anderen Arten der Neutralteilchen zu weiteren
orthogonalen Fragmentierungsprozessen zu gelangen, beispielsweise
solche, die wie oben geschildert zu a- und x-Brüchen führen. Diese und andere Fragmentierungsmechanismen sollen
vom Erfindungsgedanken mit umfasst sein.