Verfahren zum Herstellen fadenförmiger Einkristalle und Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens
Dünne einkristallin gewachsene Fäden werden in der Fachsprache als Whisker bezeichnet. Wegen ihrer ungewöhnlich hohen, nahezu theoretischen Festigkeit (kg/mm5), die die des festesten Stahls um ein Mehrfaches übertreffen kann, werden die Whisker in Zukunft eine ähnliche Bedeutung für die Werkstoffentwicklung erlangen wie schon früher Glasfädlen bei der Verstärkung von Kunststoffen.
Verschiedene Verfahren zum Herstellen von Whiskern aus einer grossen Zahl von Stoffen sind bereits bekannt. In diesem Zusammenhang sind z. B. die beiden Bücher: Doremus, Roberts, Turnbull: Growth and Perction of Crystals (Wiley and Son 1958, Seiten 44-54) und Wilke: Methoden der Kristallzüchtung (1963, Seiten 436-438, 455-460) zu nennen. Darin ist auch erwähnt, dass die Herstellung von Whiskern durch chemische Zersetzung eines Dampfes mittels einer chemischen Reaktion möglich ist. Bekannte Verfahren zur Herstellung von Whiskern liefern jedoch nur einzelne Exemplare, so dass bisher eine grosstechnische Ausnutzung der wertvollen Eigenschaften der Whisker nicht in Frage kam.
Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zu schaffen, mit dem kontinuierlich, insbesondere bei der Anwendung in der Grosstechnik, Whisker hergestellt werden können.
Die Erfindung bezieht sich auf ein Verfahren zum Herstellen fadenförmiger Einkristalle, ausgehend von einer dampfförmigen chemischen Verbindung oder einem dampfförmigen Reaktionsgemisch, welche Verbindung bzw. welches Gemisch die Materie bzw. Materien der gewünschten Einkristalle wenigstens teilweise in chemisch gebundener Form enthält, wobei die Einkristalle mit Hilfe von erhöhten Temperaturen in einem Reaktionsgefäss mittels chemischer Umsetzung gewonnen werden.
Die Erfindung besteht darin, dass in den Dampf dieser Verbindung bzw. dieses Reaktionsgemisches Kristallisationskerne eingeführt werden, die aus geschmolzenen nebelartigen Tröpfchen des gleichen Materials wie die Einkristalle bestehen, jedoch im Unterschied zu diesem mit einer eine Schmelzpunkterniedrigung von 50 bis 5000 C bewirkenden Verunreinigung versetzt ist, und dlass das verwendete Reaktionsgefäss auf einer Temperatur zwischen dem Schmelzpunkt des verunreinigten und diem Schmelzpunkt des reinen Ein kristallmaterials gehalten wird.
Die Zerstäubung des für die Kristallisationskerne vorgesehenen Materials im Reaktionsgefäss kann mittels eines, beispielsweise mit Wasserstoff und Edelgas betriebenen, Plasmabrenners oder mittels einer Lichtbogenvorrichtung erfolgen.
Das dampfförmige Reaktionsgemisch kann an dem Ende des länglichen Reaktionsgefässes in dieses eingeführt werden, an dem das Material der Kristallisationskerne zerstäubt wird. Weiterhin kann der am anderen Ende dem Reaktionsgefäss entnommene überschüssige Rest des dampfförmigen Reaktionsgemisches am erstgenannten Ende des Reaktionsgefässes wieder in dieses eingeführt werden. Die in dem erhitzten Reaktionsgefäss durch Zersetzung des dampfförmigen Reaktionsgemisches an den Nebeltröpfchen wachsenden Whisker können in einem Auffanggefäss, welches sich an dem der Zerstäubungss telle gegenüberliegenden Ende des Reaktionsgefässes befindet, kontinuierlich gesammelt werden.
Als Vorrichtung zum Durchführen des Verfahrens eignet sich ein längliches Reaktionsgefäss mit einer Heizung, an dessen einem Ende eine Zerstäubungseinrichtung neben einer Zuführungseinrichtung und an dessen anderem Ende ein Auffanggefäss ausgebildet und eine Abführungseinrichtung angeordnet ist, von der eine Verbindungsleitung zur Zuführungseinrichtung führt. Als Zerstäubungseinrichtung für den Whiskerausgangsstoff eignet sich insbesondere ein Plasmabrenner oder eine Lichtbogenvorrichtung, in denen ein beispielsweise stabförmiger Ausgangsstoff in einen Nebel flüssiger Tröpfchen zerstäubt werden kann. Das Reaktionsgemisch wird über die Zuführungseinrichtung eingegeben; die kontinuierlich anfallenden Whisker werden im Auffanggefäss gesammelt.
Zur Materialersparnis ist es zweckmässig, zwischen der Abführungs- und der Zuführungseinrichtung eine Verbindungsleitung vorzusehen, um unverbrauchtes Reaktionsgemisch bei ständiger und kontrollierter Ergänzung im Kreislauf zurückzuführen.
Bei dem Verfahren zum Herstellen von Whiskern (fadenförmige Einkristalle) wird die Tatsache ausgenutzt, dass sich ein dampfförmiger Stoff an Tröpfchen (flüssige Kondensationsl:erne) des gleichen Materials kondensieren lässt. Während im allgemeinen der kondensierte Stoff dann ebenfalls flüssig ist, sich also auf diese Weise Whisker, die definüionsgemäss fest sind, normalerweise nicht herstellen lassen, wird erfindungsgemäss durch einen Trick erreicht, dass das an den Tröpfchen kondensierte Material fest ist. Insoweit besteht die Lehre der Erfindung darin, dass Kond;ensations- kerne verwendet werden, die infolge mehr oder weniger starker Verunreinigung und daraus resultierender Sehmelzpunkterniedrigung flüssig sind.
Dagegen ist der kondensierende Stoff rein (jedenfalls rein gegenüber dem Tröpfchenmaterial), und zwar deshalb, weil er durch Zersetzung - z.B. chemische Reduktion oder Disproportionierung - eines in das Reaktionsgefäss gebrachten Reaktionsgemiches aus dem chemisch gebundenen Zustand frei wird. Weiterhin wird das Reaktionsgefäss auf einer Temperatur zwischen dem Schmelzpunkt des verunreinigten und dem Schmelzpunkt des reinen (zu kondensierenden) Stoffes gehalten, daher geht der letztere reine Stoff bei der Kondensation an den Tröpfchen in den festen Aggregatzustand (Whisker) über.
Der kondensierende Stoff lagert sich dabei nicht beliebig an den Tröpfchen an, sondern er bevorzugt als Anlagerungsstelle schon an einer oder mehreren Stellen der Tröpfchen kondensierte (reine, feste) Partikel. Diese Anlagerungsstellen sind als Kristallkeime anzusehen, an denen - ähnlich wie bei der Epitaxie - Einkristalle wachsen. Dieser keineswegs selbstverständliche Effekt iässt sich z. B. so erklären: Einkristalle wachsen im allgemeinen in einer kristallographisch günstigen Richtung, wenn die sonstigen Bedingungen an allen Seiten des Kristallkeims gleich sind.
Da aber das einkristalline Wachstum an einem praktisch punktförmigen Krista31- keim beginnt und die sonstigen Bedingungen im Reaktionsgefäss überall gleich sind, wird der Kristall folgerichtig fadenförmig - also in Form eines Whiskers wachsen.
Das Verfahren ist auf alle Stoffe anwendbar, die den Vcrfahrensbedingungen genügen. Beispielsweise können Whisker aus Halbleitermaterial, wie Silizium, Germanium und Bor, aus Metallen, wie Eisen, und aus Oxyden insbesondere Metalloxyden, wie Berylliumoxyd, hergestellt werden. Allgmeine Regeln für die Auswahl der für das Verfahren geeigneten Stoffe ergeben sich aus folgenden Bedingungen: a) Zunächst ist das Verfahren nur auf Stoffe, die sich - unter wirtschaftlich vertretbaren Bedingungen -.
verflüssigen lassen, anwendbar, denn zur Ausführung werden flüssige Tröpfchen des Whiskermaterials gefordert. Ein Stoff, der sich als solcher überhaupt nicht verflüssigen lässt, ist z. B. der Graphit.
b) Weiterhin sind nach dem Verfahren Whisker nur aus solchen Stoffen herstellbar, von denen es eine chemische Verbindung - Reaktionsgemisch - gibt, die unter dem Schmelzpunkt des reinen Stoffes siedet (oder zumindest einen so hohen Dampfdruck besitzt, dass das Reaktionsgemisch für das Verfahren ausreichende Men gen des Wliiskermaterials mitführt). Denn das Reaktionsgemisch, das das Whiskermaterial chemisch gebunden enthält, soll im gleichen Raum (Reaktionsgefäss), also bei ein und derselben Temperatur, gasförmig (dampfförmig) sein, bei der das reine Whiskermaterial fest ist.
c) Schliesslich soll das Reaktionsgemisch (oder eine seiner das Whiskermaterial chemisch gebunden enthaltenden Komponenten) bei Temperaturen unterhalb des Schmelzpunktes des reinen Whiskermaterials reduzierbar oder disproportionierbar sein. Nur bei Erfüllung dieser Bedingung wird im Reaktionsraum Whiskermaterial frei, und es können sich Whisker bilden.
Die im Reaktionsgefäss zerstäubten Nebeltröpfchenj aus dem verunreinigtem Stoff dienen - wie gesagt als Keime für ein einkristallines Aufwachsen der herzustellenden Whisker. Das dampfförmige Reaktionsgemisch enthält den Stoff, aus dem die Whisker nach dem Verfahren aufgebaut werden sollen, im allgemeinen in chemisch gebundenem Zustand, z. B. als Halogenid, insbesondere als Chlorid oder Jodid. Im erhitzten Reaktionsgefäss erfolgt eine Disproportionierung oder Reduk- tion, beispielsweise Wasserstoffreduktion, des Reaktionsgemisches zu festem (atomarem bzw. molekularem! Whiskermaterial.
Letzteres geschieht vor allem an den als Kristallkeim dienenden Nebeltröpfchen, wobei sich das reine Whiskermaterial an den Tröpfchen anlagert, und sich die herzustellenden dünnen einkristallinen Whisker bilden.
Durch die Einhaltung einer Temperatur im Reaktionsgefäss, die zwischen den Schmelzpunkten des unreinen (Nebeltröpfchen) und des reinen Whiskermaterials liegt, wird also erreicht, dass das unreine Whiskermaterial flüssig ist und daher als Katalysator beispielsweise für die Reduktion der genannten Halogenide und als Kristallkeim für die Whiskerbildung dienen kann. Dagegen ist das reine Whiskermaterial fest, und es können im Reaktionsgefäss einkristalline Whisker aufwachsen.
Meist entstehen an einem Nebeltröpfchen mehrere Whisker mit unterschiedlicher Länge und unterschiedlichem Durchmesser. Es kommt aber auch voi, dass an einem Nebeltröpfchen nur ein Whisker entsteht. Selten befindet sich an beiden Enden eines Whiskers ein Nebeltröpfchen. Der Durchmesser der nach dem erfindungs- gemässen Verfahren hergestellten Whisker liegt im Bereich von etwa 0,1 bis etwa 100 Mikron und ihre Länge zwischen 1 und 30 mm. Anhand einer schematischen Zeichnung wird das Verfahren am Beispiel der Herstellung von Silizium-Whiskern näher erläutert; es zeigen:
Fig. 1 eine Vorrichtung zum kontinuierlichen Herstellen von Whiskern,
Fig. 2 eine Lichtbogenvorrichtung zum Zerstäuben verunreinigten Whisker-Ausgangsstoffes.
In der Vorrichtung gemäss Fig. 1 kann als Whisker Ausgangsstoff ein dünner Siliziumstab verwendet werden, der zum Beispiel einen Durchmesser von 3 mm hat und infolge einer Verunreinigung eine Schmelz punktdepression von 50 bis 5000 C aufweist. Im Ausführungsbeispiel nach Fig. 1 wird der Siliziumstab 1 durch den Plasmabrenner 2 dem Reaktionsgefäss 3 zugeführt. Mit Hilfe des Plasmabrenners 2 wird das Silizium zerstäubt, und es bildet sich im Reaktionsgefäss ein Nebel aus flüssigen Siliziumtröpfchen. Dieser Sili znlmnebel kommt mit dem dampfförmigen Reaktionsgemisch in Berührung, das durch die Zuführungsein richtung 5 in das Reaktionsgefäss 3 geleitet und in Richtung 7 befördert wird.
Innerhalb des Reaktionsgefässes wird mittels einer Heizung 4 eine Temperatur aufrechterhalten, z. B. 900 bis 11000 C, die über der Schmelztemperatur des verwendeten, verunreinigten (Schmelzpunktdepression) Siliziums, aber unter der Schmelztemperatur des reinen Siliziums liegt. Das Reaktionsgemisch kann z. B. aus etwa 6 Vol.% Siliziumtetrachlorid (SiCl) und Wasserstoff bestehen. Dieses Gemisch liefert bei 900 bis 11000 C durch Wasserstoffreduktion festes Silizium. An den Tröpfchen des Siliziumnebels läuft diese Reaktion bevorzugt ab, daher nehmen die Tröpfchen laufend Silizium auf.
Das aufgenommene Silizium lagert sich an die Tröpfchen an, und es bilden sich die herzustellenden Nxv'hisker. Die Wachstumsgeschwindigkeit der Whisker liegt in dem beschriebenen Ausführungsbeispiel in der Grössenordnung von Millimeter bis Meter pro Sekunde.
Die entstandenen Whisker fallen in Richtung 7 in das Auffanggefäss 8 und werden dort gesammelt. Die verbleibenden Reaktionsgase verlassen das Reaktionsgefäss 3 über die Abführungseinrichtung 6 und können - ganz oder teilweise - über die Leitung 9 in den Kreislauf zurückgeführt werden.
Das Verfahren ist - sinngemäss abgeändert- zur Herstellung von Metall- und Oxydwhiskern geeignet.
Anstelle des Halbleiterstabes, z. B. Siliziumstab, wird ein stark verunreinigtes Metall im Reaktionsgefäss zerstäubt, und anstelle des Halbleiterhalogenids (Slliziumtetrachlo- rid) wird ein Reaktionsgemisch mit verdampftem Metallhalogenid verwendet. Bei der Herstellung von Oxydwhiskern besteht das dampfförmige Reaktionsgemisch z. B. aus Sauerstoff und dem Halogenid des Metalls, das im Oxyd enthalten ist.
Anstelle des Plasmabrenners (2 in Fig. 1) kann zur Herstellung der als Keime für die Whisker dienenden Nebeltröpfchen beispielsweise auch eine Lieb tbogenvor- richtung verwendet werden. Ein schematisch gezeichnetes Ausführungsbeispiel einer solchen Zerstäubungsvorrichtung, die an die Stelle der Teile 1 und 2 von Fig. 1 treten kann, ist in Fig. 2 dargestellt. Der Lichtbogen 10 kann zwischen den aus der Stromquelle 15 versorgten Elektrodenstäben 11 und 12 insbesondere in einer Wasserstoffatmosphäre brennen. Im Beispiel tritt Wasserstoff durch die Öffnung 13 in das Reaktionsgefäss (3 in Fig. 1) ein und wird in Pfeilrichtung bewegt. Bei 14 ist der Wasserstoffstrom mit den genannten Nebeltröpfchen beladen. Letztere entstehen beim Brennen des Lichtbogens aus dem Material der Elektroden stäbe 11 und 12.
Die Elektrodenstäbe können aus (verunreinigtem) Metall oder Halbleitermaterial bestehen. Es lassen sich mit Hilfe der Lichtbogen-Zerstäubungseinrichtung Metall- oder Halbleiterwhisker herstellen.
Die nach dem Verfahren hergestellten Whisker können unter anderem zur Herstellung von Verbundwerkstoff mit einer Matrix aus Thermoplast oder Metall, insbesondere Aluminium, Kupfer oder Magnesium, verwendet werden.