Fotografisches, Silberhalogenid enthaltendes Material und Verfahren zu seiner Herstellung
Die Erfindung betrifft ein fotografisches, Silberhalogenid und ein beliebiges schichtbildendes Bindemittel enthaltendes Material und Verfahren zu seiner Herstellung.
Bei hochempfindlichen photographischen Aufnahme-Materialien besteht die lichtempfindliche Schicht ausschliesslich aus Halogensilber-Gelatine. Die Gelatine spielt dabei nicht nur die Rolle eines Bindemittels, sondern ist auch bei der Herstellung der lichtempfindlichen Halogensilber-Emulsion für deren photographische Eigenschaften von entscheidender Bedeutung. Mit keinem anderen natürlichen oder synthetischem als Bindemittel und Schichtbildner für Halogensilber geeignetem Hochpolymer können photographische Schichten mit auch nur annähernd so hoher Lichtempfindlichkeit wie mit Gelatine hergestellt werden.
Die entscheidende Rolle der Gelatine bei der Emulsionsherstellung liegt einmal darin begründet, dass bei ihrer Gegenwart während der Fällung und Kristallisation der Halogensilber-Mikrokristalle (sog. physikalische Reifung) die günstigsten Korngrössen und Verteilungen erhalten werden, und zum anderen, dass während des sogenannten Nachreifungsvorganges bei Gegenwart von Gelatine, zumeist nach einer Zwischenwässerung im Anschluss an die physikalische Reifung, sich die für eine hohe Empfindlichkeit entscheidenden sogenannten Reifkeime an der Oberfläche der Halogensilber-Mikrokristalle bilden. Durch Zusätze bestimmter Stoffe zur Nachreifung, insbesondere von Goldsalzen und Schwofelkörpern, können die Empfindlichkeit und andere sensitometrische Daten, wie Gradation und Schleier, noch günstiger gestaltet werden.
Jedoch ist für das Ergebnis die Gelatine von ausschlaggebender Bedeutung.
Je nach den bei der Gelatine-Herstellung verwendeten Rohstoffen und je nach den Bedingungen bei der Gewinnung der Gelatine aus Knochen oder Häuten werden Gelatinen sehr unterschiedlicher Eigenschaften erhalten. Nur in gewissem Masse ist es möglich, durch Zusätze wie Sulfit oder Thiosulfat die Eigenschaften der Gelatinen für photographische Verwendung zu verändern. Man unterscheidet deshalb verschiedene Typen von Photogelatinen, z. B. durch die Begriffe hochak fix , mittelaktiv , inert und andere. Dabei zeigen auch Gelatinen gleichen Typs aus verschiedenen Suden immer noch mehr oder minder grosse Unterschiede, so dass für höchste Ansprüche an die Eigenschaften und die Gleichmässigkeit der Halogensilber-Gelatine-Emulsionen für jeden Emulsionstyp die passenden Sude sorgfältig ausgewählt werden müssen.
Die während der Nachreifung bei Gegenwart von Gelatine an den Kornoberflächen sich bildenden Reifkeime, wie überhaupt der ganze Vorgang der Reifung, werden nach den derzeitigen Ansichten nicht durch das Gelatinemolekül an sich, sondern durch in der Gelatine enthaltende Begleitstoffe, die man nach ihrer Wirkung als chemische Sensibilisatoren, Gradationskörper und Hemmstoffe bezeichnet, hervorgerufen. Die Gelatine selbst soll am Reifungsprozess nur durch das im Gleichgewicht mit Silberhalogenid und Silberionen stehende Silber-Gelatinat beteiligt sein. Durch diese Eigenschaften der Photogelatine sind die derzeitigen Grenzen der photographischen und mechanischen Eigenschaften der normalen lichtempfindlichen Materialien bestimmt.
Es ist bereits bekannt, bei der Herstellung sogenannter Paket-Emulsionen aus photographischen Halogensilber-Gelatine-Emulsionen durch Enzymeinwirkung das Halogensilber abzuscheiden und dieses wieder zu repeptisieren. Das Verfahren bezieht sich aber auf bereits nachgereifte Emulsionen. Die enzymatisch abge bauten Gelatine-Hydrolysate dienen der Gelatine-Verflüssigung zur Abscheidung der festen Phase. Die photographischen Eigenschaften des Silberhalogenidkorns werden nicht beeinflusst.
Es ist Zweck der Erfindung, photographische Materialien hoher Lichtempfindlichkeit herzustellen, ohne von den unterschiedlichen Eigenschaften der Gelatine abhängig zu sein bzw. auch andere Bindemittel verwenden zu können.
Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, das Halogensilber durch geeignete Behandlung unabhängig von den unterschiedlichen Eigenschaften des Bindemittels zu machen und die photographischen Materialien entsprechend zu gestalten.
Die Aufgabe wird gelöst, wenn erfindungsgemäss in mindestens einer ein Silberhalogenid enthaltenden Schicht nach der physikalischen Reifung mit enzymatisch gewonnenem Gelatine-Hydrolysat behandeltes Halogensilber enthalten ist.
Das photographische Material wird gemäss der Erfindung dadurch hergestellt, dass man in Gelatinelösung gefälltes und nur physikalisch gereiftes Silberhalogenid nach dessen Ausfällung mit durch enzymatischen Abbau gewonnenem Gelatine-Hydrolysat behandelt und anschliessend in einem beliebigen, schichtbildenden Bindemittel repeptisiert. Es hat sich als vorteilhaft erwiesen, eine Gelatine-Halogensilber-Emulsion unmittelbar nach der physikalischen Reife durch Zugabe von Enzym bis zur Erreichung des Empfindlichkeitsmaximums zu behandeln, danach die dabei ausgeschiedene feste Phase mit Wasser zu waschen und anschliessend in einem beliebigen schichtbildenden Bindemittel zu repeptisieren.
Durch Zugabe chemischer Reifungssubstanzen, insbesondere von Goldsalzen, zu Halogensilberemulsionen während oder nach der Behandlung mit enzymatisch gewonnenem Gelatine-Hydrolysat wird eine weitere Empfindlichkeitssteigerung erreicht.
Zum enzymatischen Abbau der Gelatine können verschiedene Enzyme verwendet werden, z. B. Pankreatin, Exocoll oder Biolase. Die Menge der zugesetzten Enzyme ist von der Natur der Enzyme selbst abhängig und beträgt etwa 0,1 bis 2 g Enzym je 100 g Gelatine. Dabei muss die Spaltung der Gelatine bis zu einem Wirkungsoptimum getrieben werden. Die Reifwirkung von enzymatischen Gelatine-Hydrolysaten nimmt mit der Einwirkungsdauer des Enzyms in Abhängigkeit von der Gelatineart und dem verwendeten Enzym allmählich zu, erreicht ein Maximum und nimmt dann wieder ab. Die Anwendung der anzymatisch gewonnenen Gelatine kann in verschiedener Weise erfolgen. So kann z. B. die feste Phase einer nur physikalisch gereiften Halogensilber-Gelatine-Emulsion in bekannter Weise abgeschieden werden, z.
B. durch vorheriges Verdünnen und Sedimentieren, durch Zentrifugieren, durch Zugabe von Sulfaten und Sedimentation oder durch Fällung mit einem sogenannten Flockmittel, z. B. einer Anionseife oder einem carboxylierten oder sulfurierten Polymeren. Die abgeschiedene feste Phase, bzw. das abgeschiedene Halogensilber, wird dekantiert, gegebenenfalls gewaschen und mit der Lösung einer enzymatisch gewonnenen Gelatine behandelt. Es wird wieder dekantiert und dann in einem Bindemittel, z. B. Gelatine oder Polyvinylalkohol oder einem anderen geeigneten Kunststoff repeptisiert. Eine Behandlung mit Goldsalzen zu weiterer Empfindlichkeitssteigerung kann schon während der Behandlung mit dem Gelatine-Hydrolysat, oder aber auch erst nach der Repeptisierung erfolgen.
Es kann gegebenenfalls die Abscheidung der festen Phase einer nur physikalisch gereiften Halogensilber-Gelatine-Emulsion mit dem enzymatischen Abbau der Gelatine gemeinsam vorgenommen werden, wobei die Einwirkungsdauer des Enzyms so lange erfolgen muss, bis der Abbau zum Optimum der Reifungswirkung des Hydrolysates getrieben ist, also wesentlich länger, als zur Verflüssigung der Gelatine erforderlich ist. Schliesslich kann man auch so vorgehen, dass man eine nur physikalisch gereifte und gewaschene Halogensilber-Gelatine-Emulsion, oder in Gelatine gefälltes, sedimentiertes und in einem Bindemittel, wie z. B. Polyvinylalkohol repeptisiertes Halogensilber mit enzymatisch gewonnenem Gelatine-Hydrolysat versetzt.
Das erfindungsgemässe Verfahren gestattet die Herstellung von hochempfindlichen Halogensilber-Emulsionen in beliebigem Bindemittel bzw. Schichtbildner, sowie eine viel grössere Unabhängigkeit von Gelatineeigenschaften, da auch die enzymatischen Hydrolysate von photochemisch inaktiven oder minderwertigen Gelatinen in gleicher Weise wie die von hochwirksamen Photogelatinen brauchbar sind.
Photographische Materialien, die so behandeltes Halogensilber enthalten, sind mit weniger technischem Aufwand herzustellen. Ausserdem haben solche Materialien beispielsweise bei Verwendung anderer Bindemittel als Gelatine hohe Schichtfestigkeit bei hoher Empfindlichkeit.
Beispiel 1
Eine vollammoniakalische Emulsion, hergestellt nach der Vorschrift in Glafkides Chimie Photographique , 2. Teil, Seite 279, wird nach Beendigung der physikalischen Reifung vor Zugabe der trockenen Gelatine mit Essigsäure auf einen pH-Wert von 5 bis 5,5 eingestellt, mit der Sfachen Menge Wasser verdünnt und zum Ausscheiden des festen Silberhalogenids stehen gelassen.
Dann wird dekandiert und der Feststoff 2 bis 3mal mit Wasser gewaschen.
Eine entsprechend 30 g Ag enthaltende Menge des Silberhalogenids wird in 500 ml Wasser aufgeschwämmt und auf einen pH-Wert von etwa 7,5 und pBr-Wert von etwa 3,0 eingestellt. Zu dieser Suspension wird eine folgendermassen vorbereitete Gelatine-Hydrolysat-Lösung zugegeben: 200 ml 100/obige wässrige Gelatinelösung werden auf pH = 8,0 eingestellt, 100 ml 0,50/obiger Enzymlösung (Exocoll) dazugegeben und das Gemisch 4 Tage stehen gelassen. Nach der Sedimentation wird der Silberhalogenidniederschlag noch einmal gewaschen, dann in 1000 ml 80/oigerPolyvinylalkohollösung (gleiche Teile Mowiol: N 50-98 und N 70-88) repeptisiert und anschliessend auf eine geeignete Unterlage (Glas oder Cello) begossen und sensitometrisch ausgewertet.
Der Zuwachs der relativen Empfindlichkeit beträgt 3-3,5 Blenden im Vergleich mit Ausgangsemulsion nach der physikalischen Reifung.
Beispiel 2
Die entsprechend nach Beispiel 1 mit Gelatinehydrolysat behandelte Silberhalogenidsuspension wird 4 mal mit Wasser aufgeschlämmt, dekantiert und anschliessend in 1000 ml 100/oiger Gelatinelösung repeptisiert. Nach der Repeptisierung wird zu der Emulsion 0,3 g 5-Methyl-7-hydroxy-1,2,3,4-triazaindolizin und 3 ml einer Goldammoniumrhodanidlösung, welche neben überschüssigem 20/oigem Ammoniumrhodanid in 1 ml Lösung 0,4 mg Au als NH4Au(SCN)2 enthält, zugege ben und anschliessend 15 bis 30 Minuten bei 50 C nachgereift.
Der relative Empfindlichkeitszuwachs im Vergleich mit der Ausgangsemulsion nach der physikalischen Reifung beträgt insgesamt etwa 5,5 Blenden.
Beispiel 3
Die entsprechend Beispiel 1 mit Gelatinehydrolysat behandelte Silberhalogenidsuspension wird nach der Sedimentierung in 1000 ml Wasser suspendiert, mit Ammoniumgoldrhodanidlösung, wie im Beispiel 2 angegeben, und eine Lösung von 4 mg benzolthiosulfonsaurem Natrium in 4 ml Wasser zugegeben.
Nach der Sedimentierung wird die Flüssigkeit abgegossen und das Silberhalogenid in Polyvinylalkohol, wie im Beispiel 1 angegeben, repeptisiert.
Der relative Empfindlichkeitszuwachs beträgt 5,5 Blenden.
Beispiel 4
Eine nach der Vorschrift in Glafkides Chimie Photographique , 2. Teil, Seite 23 hergestellte Positiv Emulsion wird nach Beendigung der physikalischen Reifung und vor Zugabe der trockenen Gelatine auf etwa 300 C gekühlt.
Zu einer entsprechend 30 g Ag enthaltenden Emulsionsmenge werden 100 ml 0,50/oiger Enzymlösung (Exocoll) zugegeben und das Gemisch zwecks Ausflockung des Silberhalogenids stehen gelassen. Nach der Sedimentierung wird die Flüssigkeit abgegossen, der Niederschlag in 1000 ml Wasser suspendiert und wieder stehen gelassen.
Nach vier Tagen seit der Enzymzugabe wird das sedimentierte Silberhalogenid noch 3 mal gewaschen und anschliessend in 1000 ml 80/obiger Gelatinelösung, die einen Stabilisator und evtl. Begiesszusätze schon enthält, repeptisiert.
Der relative Empfindlichkeitszuwachs beträgt 3 bis 3,5 Blenden.
Beispiel 5
Zu der entsprechend Beispiel 4 mit Enzym behandelten Emulsion werden während der ersten Dekantierung 3 ml Ammoniumgoldrhodanidlösung entsprechend Beispiel 2 zugegeben und zwecks Sedimentieren stehen gelassen.
Nach vier Tagen seit der Enzymzugabe wird der Silberhalogenidniederschlag in 1000 ml 50/oiger Polyvinylalkohollösung (Mowiolmischung entsprechend Beispiel 1) repeptisiert.
Der relative Empfindlichkeitszuwachs beträgt etwa 5 bis 5,5 Blenden.
Beispiel 6
Zu 200 ml entsprechend Beispiel 1 vorbereiteter Gelatine-Hydrolysat-Lösung wird so viel in Wasser angequollener Polyvinylalkohol gegeben, dass die Endkonzentration an PVA 8 o/o beträgt. Für die Herstellung der Gelatine-Hydrolysat-Lösung wird Gelatine, die wenig fotografisch aktive Verbindungen enthält, verwendet. In 1000 ml so vorbereiteter Polyvinylalkohol-Lösung wird entsprechend einem Ag-Gehalt von etwa 30 g, wie im Beispiel 1 angegeben, physikalisch gereiftes Silberhalogenid repeptisiert.
Nach der Repeptisierung wird zu der PVA-Silberhalogenid-Emulsion Ammoniumgoldrhodanidlösung und benzolthiosulfonsaurem Natrium, wie im Beispiel 3 angegeben, zugegeben, danach bei 530 C bis zum Erreichen der optimalen sensitometrischen Daten digeriert und anschliessend auf eine geeignete Unterlage (Glas oder Cello) gegossen.
Der relative Empfindlichkeitszuwachs im Vergleich mit der Emulsion nach der physikalischen Reifung beträgt 5 Blenden.