Verfahren zur Herstellung von Kunstmassen aus Polyvinylchlorid. Die Verformung von Polyvinylchlorid, das bei den verschiedenen Polymerisations- verfahren als Pulver oder in gröberen amor phen Massen anfällt, auf Pressmassen, wie Folien und dergleichen, hat bisher nur zu mehr oder weniger spröden Massen von ver hältnismässig sehr geringer Festigkeit geführt. In Anlehnung an die Praxis der Verarbei tung von verschiedenen andern Kunstmassen, wie z. B.
Nitrozellulose oder Zelluloid, hat man dabei bisher zwar in den Verarbeitungs maschinen, wie Kalandern oder Pressen, hohe Drucke angewendet; man ist aber bezüglich der Temperaturen bei denjenigen verblieben, welche bei den üblichen Maschinen gebräuch lich waren und für die Verformung des Poly- vinylchlorids gerade ausreichten, und bei spielsweise bei der Verarbeitung von Zellu loid aus Gründen der Sicherheit nicht ge steigert werden durften.
Da ausserdem das Polyvinylchlorid bei länger andauernder Er hitzung auf Temperaturen von wesentlich über<B>100</B> Grad eine langsame Zersetzung unter Verfärbung erfährt,. insbesondere dann, wenn die Produkte nicht von sehr hoher Reinheit sind, haben auch von dieser Seite her starke Bedenken gegen die Zulässigkeit der Anwendung höherer Temperaturen ge herrscht.
Es wurde nun gefunden, dass eine schnelle und erhebliche Temperatursteigerung über die bisher als zulässig erachtete Grenze, d. b. über etwa 140 C hinaus, bei gleichzeitiger Anwendung von Druck zu einem ganz über raschenden Ergebnis führt: Es tritt bei schnel ler Erhitzung des zum Beispiel in Pulver form auf Kalander mit einer Arbeitstempe ratur von etwa 1.50 Grad aufgetragenen Poly- vinylchlorids vom @ Polymerisationsgrad mit dem K-Wert 60 fast plötzlich eine fort schreitend die Masse erfassende Umwandlung ein, die dazu führt,
dass auf dem galander eine Folie entsteht, welche vom Kalander abgezogen werden kann und durchsichtig ist, dabei eine sehr hohe Biegsamkeit und Dehn barkeit aufweist. Zersetzungserscheinungen sind hierbei trotz der Ilöhe der Temperatur nicht festzustellen.
Der Begriff "K-Wert" soll den Poly- merisationsgrad des verwendeten Polyvinyl- chlorids angeben: K = k - 10s. k wird durch Viskositätsmessungen nach Ubbelohde oder Höppler bestimmt und errechnet sich nach der Formel
EMI0002.0013
Diese Gleichung ist rein empirisch aufge stellt.
In ihr ist z die relative Viskosität, d. h. entspricht dem Quotienten
EMI0002.0014
c ist der Prozentgehalt in Volumprozenten und k der Parameter der Kurve, also die von der Konzentration c unabhängige Grösse, die als "Eigenviskosität" bezeichnet wird; weil sie jedem Produkt "eigen" und für dieses charakteristisch ist, also auch benutzt werden kann, um auf den Polymerisations- grad zu schliessen. Diese Berechnungsart ist veröffentlicht in "Zellulose-Chemiell, Band XTn, 1932.
Folien mit diesen Eigenschaften können in der Dicke von einigen Millimetern her gestellt werden, dünnere Folien können ent weder unmittelbar oder durch weiteres Aus walzen stärkerer Folien bei Temperaturen unterhalb, wie auch oberhalb der Herstel lungstemperatur gewonnen werden. Folien dieser Art können an den meisten der Stel len angewendet werden, an denen eine bieg same, durchsichtige Folie verlangt wird, die sich vor andern organischen Kunststoffen durch völlige Unbrennbarkeit auszeichnet und für alle Zwecke verwendbar ist, für die bis her aus Lösungsmitteln gegossene Folien aus plastischen Stoffen verwendet werden.
Weiterhin kann unter den angegebenen Arbeitsbedingungen eine Verpressung des Polyvinylchlorids zu Gegenständen des täg lichen Bedarfes vorgenommen werden. Bei der Herstellung von solchen Körpern, welche eine grössere Masse besitzen, wie z. B. Rohre und dergleichen, wird vorzugsweise zunächst eine Vorbehandlung des pulverförmigen Poly- vinylchlorids in der Weise durebgeführt, dass es zunächst unter Erhitzen in einer Knet maschine oder Schnecke oder aber auch auf dem Kalander plastisch gemacht wird, wo bei gleichzeitig etwaige Lufteinschlüsse ent fernt werden.
Das noch heisse und zähflüssige Material wird dann in die Presse eingebracht und bei einer Temperatur, die bei einem Polyvinylchlorid vom Polymerisationsgrad 60 bei zirka 150 liegt, in die gewünschte Form gebracht. Für die Verformung kann ausser einer Rohrpresse auch jede beliebige andere Pressform benutzt werden, ebenso kann das Material durch Spritzguss verarbeitet werden.
Die Verarbeitungstemperatur ist abhängig vom Polymerisationsgrad des Polyvinyl- chlorids. Das Polyvinylchlorid vom K-Wert 60 wird vorzugsweise bei Temperaturen von zirka 150 unter Druck verformt; diese Tem peratur ist zu erhöhen, wenn höher poly merisiertes Vinylchlorid verarbeitet wird; sie erniedrigt sich, wenn man von Polymerisaten geringerer Molekülgrösse ausgeht. Durch einen einfachen Vorversuch lässt sich in jedem Falle die geeignetste Temperatur heraus finden.
Da aber diese Temperatur in der Nähe des Temperaturbereiches liegt, in wel chem Zersetzung des Polyvinylchlorids ein treten kann, empfiehlt sich eine möglichst schnelle Verarbeitung. Man erhält dann glas klare, farblose oder höchstens schwachge färbte Formlinge, die eine überraschend hohe Festigkeit gegen Druck und Schlag und eine gute Elastizität besitzen. Unter Erwärmen bis auf den Erweichungspunkt kann eine weitere Verformung vorgenommen werden. Eine mechanische Bearbeitung der Pressstücke etc. kann, je nach ihrer Art, bei gewöhnlicher Temperatur oder in der Wärme stattfinden.
Durch Mitverwendung von Pigment oder löslichen Farbstoffen können gefärbte Pro dukte erhalten werden.