Kraftfahrzeug mit einem präventiv wirkenden Schutzsystem
Die Erfindung betrifft ein Kraftfahrzeug mit einem präventiv wirkenden Schutzsystem nach der im Oberbegriff des Patentan¬ spruches 1 näher definierten Art.
Es ist aus der Praxis bekannt, Kraftfahrzeuge, insbesondere Personenkraftwagen, mit aktiven und passiven Sicherheitsein¬ richtungen auszustatten, die es dem Fahrer ermöglichen, sein Fahrzeug auch in kritischen Situationen besser zu beherrschen und dadurch gegebenenfalls eine Verunfallung des Fahrzeugs zu vermeiden. Auch tragen derartige Sicherheitseinrichtungen im Falle einer Kollision zu einer Verminderung der Unfallschwere bei.
Sicherheitssysteme, die bereits vor einer möglichen Kollision präventiv wirksam sind und eine so genannte Pre-Crash-Phase, d. h. einen Zeitraum ab Erkennen einer hohen Kollisionswahr¬ scheinlichkeit durch entsprechende Detektionssysteme in dem Fahrzeug bis zum eigentlichen Aufprall, dazu nutzen, den In¬ sassenschutz durch zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen zu erwei¬ tern und so die Unfallschwere zu mindern, werden als präven¬ tiv wirkende Schutzsysteme oder so genannte PRE-SAFE™-Systeme bezeichnet. Präventiv wirkende Schutzsysteme nutzen zur Er¬ kennung möglicher Unfallsituationen Informationen, die von verschiedenen Sensoreinrichtungen des Kraftfahrzeuges bereit-
gestellt werden. Die Sensoreinrichtungen sind insbesondere Bestandteil eines elektronischen Fahrstabilisierungsprogramms und/oder Bestandteil eines Abstandssensorsystems. In Abhän¬ gigkeit von der erkannten Situation werden dann Rückschlüsse auf eine mögliche Verunfallung gezogen und entsprechende Ma߬ nahmen zur Konditionierung des Fahrzeugs, von Rückhaltesyste¬ men für Insassen und gegebenenfalls von Schutzeinrichtungen für Unfallpartner, wie Fußgänger, auf die bevorstehende Ver¬ unfallung hin eingeleitet.
Aus der DE 101 21 386 Cl ist ein Verfahren zum Ansteuern ei¬ nes reversiblen Insassenschutzmittels in einem Kraftfahrzeug bekannt. Das Kraftfahrzeug weist ein reversibles Insassen¬ schutzsystem auf, das vor einem Kollisionszeitpunkt aktiviert und dadurch in Wirkstellung gebracht werden kann. Hierfür werden mittels einer Sensorik Fahrzustandsdaten erfasst, die hinsichtlich einer etwaigen Notbremsung, eines etwaigen Über- steuerns und eines etwaigen Untersteuerns überwacht werden. Wenn eine Notbremsung, ein Übersteuern und/oder ein Unter¬ steuern erkannt wird, erfolgt eine Aktivierung des Insassen¬ schutzsystems, wobei das Insassenschutzsystem nur bei Über¬ schreiten einer Mindestgeschwindigkeit ausgelöst werden kann. Die Sensorik zur Erfassung der Fahrzustandsdaten kann einen Lenkwinkelsensor, einen Pedalwegsensor, einen Bremsdrucksen¬ sor, einen Raddrehzahlsensor, einen Beschleunigungssensor und einen Gierratensensor umfassen.
Aus der DE 100 05 010 C2 ist ein Verfahren zum Zurückhalten eines Insassen auf einem Fahrzeugsitz bekannt, wobei der In¬ sasse bei Erkennen eines kritischen Fahrzustandes über einen reversiblen Gurtstraffer mit einer bestimmten Kraft in den Fahrzeugsitz gezogen wird und dann in einer zurückgezogenen Position mit einer Haltekraft auf dem Fahrzeugsitz gehalten wird, wobei die Haltekraft geringer gewählt wird als die
Kraft, die zum Zurückziehen des Insassen an den Fahrzeugsitz verwendet wird und wobei diese Haltekraft während des erkann¬ ten kritischen Fahrzustandes anhält.
Weiterhin beschreibt die DE 22 49 759 C2 ein Haltesystem für Kraftfahrzeuginsassen, wobei das Spannen eines Sicherheits¬ gurtes ab einer vordefinierten Beschleunigungsschwelle er¬ folgt und die Größe der Spannkraft abhängig von der Fahrge¬ schwindigkeitsänderung pro Zeiteinheit und/oder dem Gewicht des Insassen eingestellt wird.
Den beiden aus der DE 22 49 759 C2 und der DE 100 05 010 C2 bekannten Lösungen ist gemein, dass die Kraft der jeweiligen Sicherheitseinrichtung, hier die Größe der Spannkraft des Si¬ cherheitsgurtes, in Abhängigkeit des gegebenen kritischen Fahrzustandes und weiterer Parameter eingestellt wird, womit zu große Belastungen auf den Insassen beim Vorspannen des Gurtes vermieden werden sollen.
Wenngleich mit derartigen auch in der Praxis eingesetzten Schutzsystemen beispielsweise die Einstellung einer der si¬ cherheitskritischen Fahrsituation angepassten Absolutgröße einer von der betreffenden Sicherheitseinrichtung auf den Fahrzeuginsassen auszuübenden Kraft möglich ist und bei Si¬ cherheitsgurten die Gurtstraffkräfte auch dahingehend varia¬ bel gestaltet werden können, dass nach ihrer Auslösung eine Reduzierung der Rückhaltekraft erfolgt, so ist die Auslöse¬ charakteristik jedoch vorrangig auf den schlimmsten anzuneh¬ menden Unfall hin ausgelegt, das heißt die meist reversiblen Insassenschutzmittel werden so schnell angesteuert, dass beim schlimmsten Lastfall die volle Schutzwirkung erzielt wird.
Eine solche Auslösecharakteristik ist jedoch bei zahlreichen kritischen Fahrzuständen nicht erforderlich und beeinträch-
tigt mit ihrer Aggressivität in weniger kritischen Fahrsitua¬ tionen maßgeblich das Komfortempfinden und die Akzeptanz sei¬ tens der Fahrzeuginsassen.
Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Kraftfahrzeug mit einem präventiv wirkenden Schutzsystem der einleitend ge¬ nannten Art zu schaffen, welches ein dem aktuellen Fahrzu¬ stand besser angepasstes Auslöseverhalten von Sicherheitsein¬ richtungen zulässt.
Erfindungsgemäß wird diese Aufgabe bei einem Kraftfahrzeug der eingangs genannten Art gemäß den Merkmalen des Patentan¬ spruches 1 gelöst.
Ein Kraftfahrzeug mit einem präventiv wirkenden Schutzsystem, bei dem eine Datenauswerte- und Steuereinrichtung die von ei¬ ner Sicherheitsssensorik aufgenommenen Informationen mit min¬ destens einem Auslöseschwellenwert vergleicht und bei einer Erkennung einer Kritikalität des Fahrzustandes wenigstens ei¬ ne diesem Fahrzustand zugeordnete Sicherheitseinrichtung an¬ steuert, wobei die Ansteuerung wenigstens der Auslösung der zugeordneten Sicherheitseinrichtung bezüglich eines Kraft/Zeit-Gradienten in Abhängigkeit der erkannten Kritika¬ lität des Fahrzustandes erfolgt, hat den Vorteil, dass nicht nur die Maximalgröße von Stellkräften einer Sicherheitsein¬ richtung sondern die Stellkräfte und Stellzeiten variabel und der vorliegenden Fahrsituation angepasst gestaltet werden können.
Die Erkennung einer Kritikalität des Fahrzustandes basiert gewöhnlich auf einer Auswertung der Daten einer Fahrzustands- sensorik, kann jedoch auch Daten einer Fahrzeugumgebungs- Erkennungseinrichtung einbeziehen.
So können beispielsweise bei einem reversiblen Gurtstraffer als zugeordneter Sicherheitseinrichtung die Gurtstraffkräfte und StraffZeiten je nach vorliegendem Fahrzustand so paramet- riert sein, dass beispielsweise bei einem Schleudern des Fahrzeuges mit Niedrigreibwert, wobei die Insassen aufgrund geringer Masseträgheitskräfte nicht oder nur unwesentlich verlagert werden, eine längere Zeit bis zum Erreichen der notwendigen Gurtkraft eingestellt wird. Somit fixiert der Gurt bei einem solchen Fahrzustand den Insassen situationsan- gepasst langsam mit der erforderlichen Kraft.
Mit der erfindungsgemäßen Ansteuerung der in Abhängigkeit des vorliegenden Fahrzustandes angesteuerten Sicherheitseinrich¬ tung wird nicht nur die Sicherheit der Insassen erhöht, indem ein unangepasstes, zu aggressives oder zu sanftes Auslόsever- halten der Sicherheitseinrichtung vermieden wird, sondern es wird auch das Komfortempfinden der Insassen und somit die Ak¬ zeptanz des gesamten präventiv wirkenden Schutzsystems durch die Insassen deutlich erhöht.
Unter einer erkannten Kritikalität des Fahrzustandes kann vorliegend nicht nur ein Fahrzustand verstanden werden, wel¬ cher mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Verunfallung des Fahrzeuges führt, sondern auch ein Fahrzustand, der kontrol¬ liert mit einer sportlichen Fahrweise herbeigeführt wird und bei dem die Ansteuerung geeigneter Sicherheitseinrichtungen zur Erhöhung des Komforts der Fahrzeuginsassen angemessen ist. So kann beispielsweise bei einer Kurvenfahrt durch die variable Gestaltung des Kraft/Zeit-Gradienten eines Gurtstraffers ein Fahrzeuginsasse leicht in den Sitz gezogen werden und dadurch besser an den Seiten abgestützt werden, womit Seitenpolster eines Fahrzeugsitzes besser beansprucht und in die Fixierung des Insassen eingebunden werden.
Zur Erhöhung des Komforts der Fahrzeuginsassen trägt es auch bei, wenn der Abbau einer in Abhängigkeit der erkannten Kri¬ tikalitat des Fahrzustandes parametrierten maximalen Kraft der zugeordneten Sicherheitseinrichtung in einer parametrier- baren Zeitspanne erfolgt. Auf diese Weise kann beispielsweise ein sanftes Lösen eines Gurtstraffers oder eines verfahrbaren Polsterelementes, wie eines Kniepolsters, realisiert werden.
Grundsätzlich eignet sich eine Ansteuerung mit einem variab¬ len Kraft/Zeit-Gradienten gemäß der Erfindung für alle in ei¬ nem Fahrzeug vorgesehenen Sicherheitseinrichtungen, wobei es sich beispielsweise um einen reversiblen Gurtstraffer, eine elektrische Sitzverstelleinrichtung, in ihrer Form, Größe und/oder Lage verstellbare Rückhaltepolster, insbesondere Kniepolster, oder andere elektrisch, hydraulisch oder pneuma¬ tisch im Hinblick auf eine Erhöhung der Sicherheit verstell¬ bare Fahrzeugkomponenten handeln kann.
Dabei kann eine Ansteuerung gemäß der Erfindung mittels eines der jeweiligen Sicherheitseinrichtung zugeordneten Elektromo¬ tors erfolgen, dessen Drehzahl variabel ansteuerbar ist. So kann z. B. bei einer entsprechenden Erweiterung der Motor¬ steuerung in einem Steuergerät eines reversiblen Gurtstraf- fers oder in einem sonstigen reversiblen Insassenschutzmittel mit langsameren Umdrehungen des Elektromotors erreicht wer¬ den, dass der Gurtbandeinzug verlangsamt bzw. bei Verwendung von anderen Insassenschutzmitteln deren Ausfahrgeschwindig¬ keit verlangsamt wird.
Davon ausgehend, dass eine längsdynamische Kritikalität in der Regel eine höhere Gefährdung für Fahrzeuginsassen dar¬ stellt als eine querdynamische Kritikalität, ist es vorteil¬ haft, wenn einer längsdynamischen Kritikalität des Fahrzu-
Standes ein größerer Kraft/Zeit-Gradient als einer querdyna¬ mischen Kritikalität zugeordnet ist.
Eine längsdynamische Kritikalität, welcher die Aktivierung von Sicherheitseinrichtungen zugeordnet ist, liegt insbeson¬ dere bei einer Notbremsung und einer Panikbremsung vor, wobei eine Notbremsung bei einer hohen Betätigungsgeschwindigkeit eines Bremspedals oder durch eine vordefinierte Fahrerreakti¬ on erkannt wird. Die Auslöseschwelle kann dabei näherungswei¬ se anhand der Zuschaltung eines Bremsassistenten ausgelegt werden.
Die Detektierung einer Panikbremsung kann vorteilhafterweise ebenfalls anhand einer Fahrerreaktion vorgenommen werden, wo¬ bei als Panikbremsung ein Bremsvorgang verstanden wird, bei dem ein Verzögerungswunsch des Fahrers deutlich höher als die Fahrzeugverzögerung ist. Bei einem solchen Fahrzustand ist es vorteilhaft, wenn die Auslösung von Sicherheitseinrichtungen grundsätzlich nur bei Niedrigreibwert stattfindet.
Zu den querdynamischen kritischen Fahrzuständen zählen insbe¬ sondere ein starkes Übersteuern, ein starkes Untersteuerung sowie kritische Lenkbewegungen.
Die Ansteuerung der entsprechenden Sicherheitseinrichtung kann weiter präzisiert und der jeweiligen Situation angepasst werden, wenn sie in Abhängigkeit von ermittelten physiologi¬ schen Größen eines Insassen erfolgt. Hierzu zählt insbesonde¬ re die Größe von Fahrzeuginsassen und deren Gewicht. Diese Daten können mittels einer mit der Datenauswerte- und Steuer¬ einrichtung verbundenen Gewichtsdetektionseinrichtung und ei¬ ner Körpergrößendetektionseinrichtung ermittelt werden, wobei die Gewichtsdetektionseinrichtung integral mit einer Sitzbe- legungserkennungseinrichtung und die Körpergrößendetektion-
seinrichtung beispielsweise mit einer Sitzpositionssensorik und einer z. B. optischen Kopfpositionsbestimmungseinrichtung ausgebildet sein kann.
Mit derartigen, zum Teil bereits serienmäßig verbauten Ein¬ richtungen kann auch die Position eines Insassen im Fahrzeug ermittelt werden, welche Information bei einer vorteilhaften Ausgestaltungen der Erfindung ebenfalls zur Ansteuerung der Sicherheitseinrichtung genutzt wird.
Wichtige Eingangssignale zur Steuerung von Sicherheitsein¬ richtungen sind die Fahrzeuggeschwindigkeit oder ein Gradient der Fahrzeuggeschwindigkeit, wobei bei einer vorteilhaften Ausführung der Erfindung der Kraft/Zeit-Gradient der Ansteue¬ rung eines Sicherheitsmittels in Abhängigkeit von der Fahr¬ zeuggeschwindigkeit und/oder eines Fahrzeuggeschwindigkeits¬ gradienten eingestellt wird.
Dabei kann grundsätzlich eine Aktivierung bestimmter Sicher¬ heitseinrichtungen erst ab einer bestimmten Fahrzeuggeschwin¬ digkeit erfolgen und die Ansteuerung von deren Aktoren solan¬ ge erfolgen, bis die Fahrzeuggeschwindigkeit einen sehr nied¬ rigen Wert von z. B. 3 km/h erreicht.
Ein weiter an den aktuellen Fahrzustand angepasstes Auslöse¬ verhalten von Sicherheitseinrichtungen kann erreicht werden, wenn eine Anpassung des Auslöseschwellwertes bei einer er¬ kannten querdynamisch kritischen Fahrsituation in Abhängig¬ keit von einer Fahrzeuggesamtbeschleunigung und einer Fahr¬ zeuggeschwindigkeit erfolgt.
Dabei kann insbesondere eine separate Applikation der Auslö¬ seschwellen des präventiv wirkenden Schutzsystems für hohe und für niedrige Reibwerte erreicht werden.
Beispielsweise kann bei einem hohen Reibwert eine Absenkung des einer querdynamisch kritischen Fahrsituation, wie z. B. einem Zustand Untersteuern oder einem Zustand Übersteuern, zugeordneten Auslöseschwellenwerts erfolgen, was insbesondere bei hohen Fahrzeuggeschwindigkeiten zu einer Erhöhung der An¬ zahl an Aktivierungen des präventiv wirkenden Schutzsystems führt und damit gegebenenfalls die Akzeptanz des präventiv wirkenden Schutzsystems bei einem Nutzer des Kraftfahrzeuges weiter steigert.
Durch eine solche Ausführung des präventiv wirkenden Schutz¬ systems ist eine Abbildung des Gefährdungsempfindens des Fahrzeugnutzers möglich. Dieser fühlt sich in der Regel bei niedrigen Fahrzeuggeschwindigkeiten und geringen Reibwerten sicher, so dass der Auslöseschwellenwert einen höheren Wert annehmen kann. Bei hohen Fahrzeuggeschwindigkeiten und hohen Reibwerten ist das subjektive Gefährdungsempfinden in der Re¬ gel jedoch ausgeprägter, so dass dann der Auslöseschwellen¬ wert vorteilhafterweise einen niedrigeren Wert annimmt.
Bei einer bevorzugten Ausführungsform der Erfindung erfolgt die dynamische Anpassung des Auslöseschwellenwerts wenigstens im Wesentlichen kontinuierlich, d. h. stufenlos.
Ausgehend von einem Schwellenwert bei einer niedrigen Fahr¬ zeuggeschwindigkeit und einer niedrigen Fahrzeuggesamtbe¬ schleunigung, d. h. bei einem niedrigen Reibwert, ist es zweckmäßig, dass der Auslöseschwellenwert mit zunehmender Fahrzeuggeschwindigkeit und/oder zunehmender Fahrzeuggesamt- beschleunigung um wenigstens annähernd bis zu 50 % reduziert wird. Damit ist sichergestellt, dass stets ein fahrsituati- onsangepasstes Ansprechverhalten des präventiv wirkenden Schutzsystems vorliegt.
Die Fahrzustandssensorik kann eine vielfältig ausgelegte Sen- sorik umfassen, welche beispielsweise mit einem Lenkwinkel¬ sensor, einem Pedalwegsensor, einem Bremsdrucksensor, einem Raddrehzahlsensor, einem Beschleunigungssensor, einem Gierra¬ tensensor und/oder einem AbStandssensor ausgestattet ist.
Die Datenauswerte- und Steuereinrichtung des präventiv wir¬ kenden Schutzsystems kann eine Datenverarbeitungseinrichtung eines Fahrstabilisierungssystems des Kraftfahrzeuges sein, welches insbesondere in modernen Kraftfahrzeugen häufig ohne¬ hin vorhanden ist. Alternativ kann natürlich auch eine sepa¬ rate Datenverarbeitungseinrichtung eingesetzt werden.
Zur Erkennung einer querdynamisch kritischen FahrSituation, wie einem Untersteuern, bei welchem der Radius des durch den Lenkwinkel vorgegebenen Sollbahn kleiner als der Radius der tatsächlich durchfahrenen Bahn des Fahrzeugs ist, oder einem Übersteuern, bei welchem der Radius der durch den Lenkwinkel vorgegebenen Sollbahn größer als der Radius der tatsächlich durchfahrenen Bahn ist, wird zweckmäßigerweise die mittels entsprechender Beschleunigungssensoren und gegebenenfalls mittels eines Giersensors ermittelte Fahrzeuggesamtbeschleu¬ nigung analysiert, die sich aus der Summe der Fahrzeuglängs- beschleunigung und der Fahrzeugquerbeschleunigung ergibt. Er¬ gibt die Analyse ein Überschreiten des reibwertabhängig vari¬ ierenden Auslöseschwellenwerts, gibt die Datenauswerteein- richtung eine Kollisionsplausibilität aus, so dass die mit dem präventiv wirkenden Schutzsystem zusammenwirkenden Si¬ cherheitseinrichtungen entsprechend der möglichen Unfallsitu¬ ation aktiviert und konditioniert werden.
Weitere Vorteile und vorteilhafte Ausgestaltungen des Gegens¬ tandes nach der Erfindung sind der Beschreibung, der Zeich¬ nung und den Patentansprüchen entnehmbar.
In der Zeichnung ist prinzipmäßig ein Ausführungsbeispiel ei¬ nes erfindungsgemäß ausgestalteten Kraftfahrzeuges darge¬ stellt, welches in der nachfolgenden Beschreibung näher er¬ läutert wird.
Dabei zeigen:
Fig. 1 eine stark schematisierte Draufsicht eines Kraft¬ fahrzeuges mit einem erfindungsgemäß ausgeführten, präventiv wirkenden Schutzsystem; und
Fig. 2 ein qualitatives Kraft/Zeit-Diagramm für eine An¬ steuerung einer Sicherheitseinrichtung des präven¬ tiv wirkenden Schutzsystems der Fig. 1.
In der Fig. 1 ist schematisiert ein Kraftfahrzeug 1 darge¬ stellt, das als Personenkraftwagen oder auch als Nutzkraftwa¬ gen ausgeführt sein kann und welches mit einem erfindungsge¬ mäß ausgeführten, präventiv wirkenden Schutzsystem 2 ausges¬ tattet ist.
Das präventiv wirkende Schutzsystem 2 weist eine Sicherheits- sensorik 3 auf, die eine Fahrzeugumgebungs-Erkennungs- einrichtung 4 und einer Fahrzustandssensorik 6 umfasst. Die Fahrzustandssensorik 6 ist zur Erfassung längsdynamischer und querdynamischer Fahrzustandsinformationen, unter anderem zur Erkennung einer Not- und Panikbremsung, eines Übersteuerns und/oder eines Untersteuerns des Kraftfahrzeuges 1, ausge¬ legt. Zu diesen Zwecken werden unter anderem Informationen bzw. Daten genutzt, die von Raddrehzahlsensoren 8, 9, 10 und 11, von einem im Bereich eines Lenkrads 12 angeordneten Lenk-
winkelsensor 13, von einem Längsbeschleunigungssensor 14 so¬ wie einem Querbeschleunigungssensor 15 geliefert werden.
Die Fahrzustandssensorik 6 kommuniziert vorliegend mit einer Fahrdynamikfunktionalität 7, wie beispielsweise einem Anti- blockiersystem und/oder einem elektronischen Stabilitätspro¬ gramm, in die eine Datenauswerte- und Steuereinrichtung 16 des präventiv wirkenden Schutzsystems 2 integriert ist.
Im Normalbetrieb des Kraftfahrzeuges kann die Fahrzustands¬ sensorik 6 zu diesem Zweck weitere wichtige fahrdynamiche Größen, wie beispielsweise eine Fahrzeuggeschwindigkeit, eine Gierrate, einen Ein- und Ausfederweg, das Fahrzeugniveau, ei¬ ne Gaspedalbewegung, eine GaspedalStellung, eine Bremspedal¬ stellung, eine Bremspedalbewegung, eine Lenkradgeschwindig¬ keit und/oder eine Lenkradbeschleunigung analysieren. Dabei werden Ist-Werte dieser Größen mit vorgegeben Soll-Werten und Schwell-Werten verglichen. Aufgrund dieser Vergleiche werden beispielsweise das Antiblockiersystem und/oder das elektroni¬ sche Stabilitätsprogramm aktiviert, welche die Aufgabe haben, den Fahrer des Kraftfahrzeuges in fahrkritischen Situationen zur Vermeidung eines Unfalls zu unterstützen.
Die von der Fahrzustandssensorik 6 ermittelten Informationen werden zur Nutzung bzw. Aktivierung des präventiv wirkenden Schutzsystems 2 in der Datenauswerte- und Steuereinrichtung 16 derart ausgewertet, dass ein Vergleich mit einem Auslöse¬ schwellenwert erfolgt, wobei wenigstens eine Auswahl an vor¬ handenen Sicherheitseinrichtungen 17 bei Überschreiten des Auslöseschwellenwerts aktiviert wird. An dieser Stelle können auch die von einer Fahrzeugumgebungs-Erkennungseinrichtung 4 ermittelten Informationen ausgewertet und in die Auslöseent¬ scheidung einbezogen werden.
Die Fahrzeugumgebungs-Erkennungseinrichtung 4 kann mit jegli¬ cher Art umgebungserfassender Sensoren arbeiten. Hierbei ist die Verwendung von Sensoren auf elektromagnetischer Basis, die mit Radarwellen, Milli- und Mikrometerwellen arbeiten, auf optischer Basis, wie Lidar-Systeme oder Infrarot-Systeme, und auf bildgebender Basis, wie z. B. Video in Mono oder Ste¬ reo, möglich. Selbstverständlich kann auch eine Kombination derartiger Sensoren und der hieraus gewonnenen Informationen zur Verbesserung der Aussagequalität Anwendung finden. Die Sensoren der Fahrzeugumgebungs-Erkennungseinri'chtung müssen die physikalischen Größen Abstand und/oder Geschwindigkeit zwischen dem Kraftfahrzeug und dem Kollisionsobjekt liefern, wobei jeweils eine der Größen über mathematische Differentia¬ tion oder Integration errechnet werden kann. Aufgrund der fahrzeugfesten Anordnung der Sensoren sind die hiermit gemes¬ senen Größen stets Relativgrößen zwischen dem Fahrzeug und dem erfassten Kollisionsobjekt. Der überwachte Bereich ergibt sich aus der Anordnung der Sensoren der Fahrzeugumgebungs- Erkennungseinrichtung, wobei insbesondere an Front und Heck des Kraftfahrzeuges Sensoren angeordnet werden, um vor allem den Linksverkehr zu überwachen. Es ist jedoch auch denkbar, Sensoren an den Fahrzeugseiten anzuordnen, um seitliche Kol¬ lisionen zu erkennen.
Die Sicherheitseinrichtungen 17 umfassen im vorliegenden Fall insbesondere einen reversiblen Gurtstraffer 18, Rückhalte¬ polster 19 sowie eine Ansteuerung einer elektrischen Sitzver¬ stelleinrichtung 20, wobei die Fahrzeugsitze bzw. deren Kom¬ ponenten in Abhängigkeit von ihrer Belegung in eine Orientie¬ rung gebracht werden können, die bei einer etwaigen Verunfal¬ lung des Kraftfahrzeuges 1 dem betreffenden Fahrzeuginsassen die höchstmögliche Sicherheit liefert.
Ein für die Sicherheitseinrichtungen 17 vorgesehener erfin¬ dungsgemäßer Auslösealgorithmus, welcher in der Datenauswer- te- und Steuereinrichtung 16 abgelegt ist, wird nachfolgend anhand der Fig. 2 für den reversiblen Gurtstraffer 18 bei¬ spielhaft beschrieben.
Die Fig. 2 zeigt ein Kraft (F) /Zeit (t) -Diagramm, wobei die Kraft F die Rückstellkraft bzw. Gurtstraffkraft des reversib¬ len Gurtstraffers 18 ist und die Zeit t die Stellzeit für die Rückstellkraft F wiedergibt.
Bei einer Information I_l, dass eine längsdynamische Kritika- lität des aktuellen Fahrzustandes vorliegt, welche beispiels¬ weise einer Not- oder Panikbremsung entspricht und bei der parametrisch vorgegebene Auslöseschwellen für den reversiblen Gurtstraffer 18 überschritten werden, oder dass von der Date- nauswerte- und Steuereinrichtung 16 eine querdynamische Kri- tikalität des Fahrzustandes beispielsweise aufgrund eines starken Übersteuerns oder Untersteuerns außerhalb eines durch das elektronische Stabilitätsprogramm korrigierbaren Bereichs und der beherrschbaren Fahrphysik mit entsprechendem Über¬ schreiten von parametrisch vorgegebenen Löseschwellen erkannt wird, wird von der Datenauswerte- und Steuereinrichtung 16 auf an sich bekannte Art und Weise eine Plausibilisierung sämtlicher Eingangs- und Umgebungsdaten durchgeführt und bei Plausibilität der Auslöseerkennung für den reversiblen Gurt¬ straffer 18 eine Zeit T_l oder T_2 zur Gurtstraffung gestar¬ tet.
Je nach ermitteltem Fahrzustand und je nach ermittelter Kri- tikalität wird ein parametrierbarer Kraft (F) /Zeit (t) -Gradient für die Betätigung des reversiblen Gurtstraffers 18 ausgege¬ ben, wobei in der Fig. 2 beispielhaft mit einer Linie Ll ein erster Verlauf einer Vorgabe der Gurtstraffkraft F über der
Zeit t und mit einer Linie L2 ein zweiter Verlauf der Gurt¬ straffkraft F über der Zeit t wiedergegeben ist.
Wenn die Information I_l einem Auslösesignal zur Gurtstraf¬ fung bei erkannter längsdynamischer Kritikalität des Fahrzu¬ standes entspricht, wird der erste Verlauf Ll der Gurtstraff- kraft F eingestellt, bei dem ohne vorhandene Gurtlose die Gurtstraffkraft schnellstmöglich, vorzugsweise innerhalb von 120 ms, erreicht wird, oder bei dem z. B. bei vorhandener Gurtlose von 200 mm ein Gurtband innerhalb von ca. 120 ms um mindestens 80 mm eingezogen wird.
Die bis zum Erreichen einer parametrierbaren maximalen Gurt¬ straffkraft F_max von vorliegend z. B. 140 N vorgegebene Zeitspanne T_l von hier ca. 120 ms kann je nach Fahrzustand und Kritikalität auch größer oder kleiner parametriert wer¬ den.
Die zweite gezeigte Ansteuerung der Straffkraft F gemäß der Linie L2 zeigt eine Parametrierung einer für eine erkannte querdynamische Kritikalität vorgegebenen maximalen Gurt¬ straffkraft F_l in einer vorgegebenen Zeitspanne T_2, wobei die maximal geforderte Gurtstraffkraft F_l hier geringer pa¬ rametriert ist als die bei längsdynamischer Kritikalität vor¬ gesehene maximale Straffkraft F__max. Die Zeitspanne T_2 zum Erreichen der maximalen Straffkraft F_l bei querdynamischer Kritikalität ist dabei länger parametriert als bei dem An¬ steuerungsverlauf Ll für eine längsdynamische Kritikalität.
Die Parametrierung der maximalen Kraft F_l und der Zeitspanne T_2 zum Aufbau dieser Kraft bei erkannter querdynamischer Kritikalität kann auch beispielsweise so vorgesehen sein, dass die Zeitspanne T_2 zum Aufbau der Gurtstraffkraft F_l bis zu 2000 ms beträgt und die Gurtstraffkraft F_l die maxi-
male Gurtstraffkraft F_tnax bei längsdynamischer Kritikalität erreicht.
Wenn das geforderte Niveau der Gurtstraffkraft F_max bzw. F_l erreicht ist, wird dieses bis zum Eingang einer Information I_2 gehalten,, welche vorliegend eine Löseinformation für das präventiv wirkende Schutzsystem 2 darstellt, zu dem der Gurt¬ straffer 18 zählt.
Mit Empfang der Information I_2 zum Lösen des Gurtstraffers 18 wird der Elektromotor 21 des reversiblen Gurtstraffers 18 zum Lösen der erhöhten GurtSpannung mit der maximalen Gurt¬ straffkraft F_max bzw. F_l während einer parametrierbaren Zeitspanne T_3 angesteuert, wobei diese Zeitspanne T_3 derart parametriert ist, dass ein sanftes und ruckfreies Lösen des Gurtes realisiert wird.
Am Ende der Zeitspanne T_3 zum Lösen der Gurtspannung wird überprüft, ob die Gurtspannung völlig abgebaut ist. Sollte ein erster Lösevorgang nicht erfolgreich gewesen sein, sieht der vorliegende Algorithmus die Einleitung eines zweiten Lö¬ seversuches vor.
Als Randbedingungen sieht die vorliegende Ansteuerung des Gurtstraffers 18 weiter vor, dass die Eingangsdaten der Datenauswerte- und Steuereinrichtung 16 Zustandsdaten eines Gurtschlosses umfassen, wobei der in Fig. 2 gezeigte Auslöse¬ algorithmus nur bei gestecktem Gurt aktiviert wird. Falls ei¬ ne solche Information, ob der Gurt gesteckt oder nicht ge¬ steckt ist, nicht verfügbar ist, erfolgt vorliegend keine An¬ steuerung des Elektromotors 21 des Gurtstraffers 18.
Weiterhin ist vorgesehen, dass bei einer Situationsänderung der sofortige Abbruch der Ansteuerung des Gurtstraffers 18
erfolgt. Der Straff- bzw. Lösevorgang wird des Weiteren ange- passt bzw. abgebrochen, wenn ein Crashereignis erkannt wird oder eine Fehlerhaftigkeit der Information über die Kritika- lität erkannt wird.
Der in der Datenauswerte- und Steuereinrichtung 16 abgelegte Auslösalgorithmus ist ferner so ausgelegt, dass eine Anpas¬ sung des Auslöseschwellenwerts des präventiv wirkenden Schutzsystems 2 bei einer als querdynamisch kritisch erkann¬ ten Fahrsituation in Abhängigkeit von einem jeweils herr¬ schenden Reibwert, d. h. in Abhängigkeit von einer Fahrzeug¬ gesamtbeschleunigung, die sich aus den mittels der Sensoren 14 und 15 gemessenen Längs- und Querbeschleunigungswerten zu¬ sammensetzt, und der jeweils gewählten Fahrzeuggeschwindig¬ keit erfolgt.
Die Anpassung des AuslöseSchwellenwerts erfolgt dabei im We¬ sentlichen kontinuierlich, und zwar derart, dass er mit zu¬ nehmender Fahrzeuggeschwindigkeit und zunehmender Fahrzeugge¬ samtbeschleunigung um bis zu 50 % reduziert wird. Dies bedeu¬ tet, dass die Aktivierung des präventiv wirkenden Schutzsys¬ tems 2 im Falle eines hohen Reibwerts schon bei einem niedri¬ geren Auslöseschwellenwert erfolgt.