Verfahren zum Betrieb eines Bremsassistent-Systems
Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zum Betrieb eines Bremsassistent-Systems gemäß dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1.
Zur Realisierung eines möglichst kurzen Bremsweges von Kraftfahrzeugen in Notbremssituationen ist es notwendig, den Bremsdruck gegenüber einer durch den Fahrzeugfuhrer veranlaßten Pedalkraft zu überhöhen. Da Untersuchungen ergeben haben, daß Normalfahrer in Notbremssituationen den erforderlichen Vordruck oft nicht oder nur verzögert über das Bremspedal einsteuern können, wurden sogenannte Bremsassistent-Systeme entwickelt, welche den Bremsdruck selbsttätig über das vom Fahrer vorgegebene Niveau erhohen.
Prinzipiell sind mehrere unterschiedliche Systeme bekannt. Dabei wird bei einem ersten der Bremsdruck durch eine Fremdansteuerung des pneumatischen Bremskraftverstarkers erhöht. Beim zweiten System erfolgt die aktive Druckerho- hung durch geeignete Ansteuerung der ABS/ESP-Hydraulik mittels der elektrischen Ruckforderpumpe. Ferner sind auch weitere Bremsassistent-Systeme bekannt, welche alle durch die Erfindung weitergebildet werden. Lediglich als Beispiel wird auf sogenannte mechanische oder elektrisch mechanische Bremsassistenten verwiesen.
Ein Verfahren zur Verkürzung des Bremsweges in kritischen Fahrsituationen ist in der deutschen Patentschrift DE 40 28 290 Cl offenbart. Bei dem in dieser Druckschrift offenbarten Verfahren ist das Überschreiten eines ersten Schwellenwertes durch die vom Fahrzeugfuhrer veranlaßte Betatigungs- geschwmdigkeit des Bremspedals das Kriterium für das Auslosen eines automatischen Bremsvorganges, wobei unmittelbar
nach der Auslosung des automatischen Bremsvorganges automatisch ein derartiger Bremsdruck aufgebaut wird, welcher dem Wert des Bremsdruckes mit optimaler Verzögerung des Fahrzeuges entspricht. Um zu gewährleisten, daß der überhöhte Bremsdruck rechtzeitig abgebaut wird, wenn die Notwendigkeit eines automatischen Bremsvorganges beseitigt ist, wird gemäß der Lehre dieser Druckschrift überprüft, ob die Beta- tigungskraft des Bremspedals kleiner als ein vorgegebener Schwellenwert ist, d. h., ob der Fahrzeugfuhrer die Starke des Bremsvorganges reduzieren will und somit nur einen Bremsvorgang mit einer geringeren Bremskraft erforderlich
Zur Vermeidung einer abrupten Beendigung der Unterstützung durch den Bremsassistenten, welche unmittelbar, wenn der Bremsassistent beendet wird, mit sich bringt, daß ein relativ niedriger Tandem-Hauptzylmder-Druck einem relativ großen Blockierdruck gegenübersteht, ist ein eine Betriebsart vorgesehen, welche den Übergang von vollem Druckaufbau des eigentlichen Bremsassistenten zu konventionellem Bremsverhalten vorsieht.
Die Aufgabe der vorliegenden Erfindung besteht daher darin, die Nachteile des Standes der Technik zu vermeiden, und ein Verfahren zum Betrieb eines Bremsassistenten anzugeben, welches ein abruptes Beenden der Bremsunterstutzung vermeidet und welches dabei besonders sicher und bedienungs- freundlich ist.
Diese Aufgabe wird bei einem Verfahren der eingangs genannten Art durch die im kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs 1 angegebenen Merkmale gelost. Dabei wird unter Überhöhung nicht der aufgrund des Bremsassistenten gegenüber dem Tandem-Hauptzylmder-Druck nach seinem Absolutwert
höhere Radbremsdruck verstanden, sondern vielmehr das relative Maß dieser Überhöhung bezogen auf den Druck im Hauptzylinder .
Ein besonderer Vorteil der Erfindung besteht darin, daß ein einmal initiierter Übergang zum konventionellen Bremsverhalten nicht über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten wird. Ansonsten wurde dies, z. B. bei einer Bergabfahrt, zu einem ungewunschten und unsicheren Betriebszustand fuhren.
Bevorzugt ist die Überhöhung von der Fahrsituation und/oder von der Einsteuerung eines Fahrzeugfuhrers über das Bremspedal abhangig. Somit kann die Bremskraftunterstutzung optimal auf die Fahrverhaltnisse abgestimmt werden. Auch kann in diesem Fall ein harmonischer Zusammenhang zwischen der Fahrervorgabe und der Druckerhohung sichergestellt werden.
Vorzugsweise ist die Rate mit welcher die Überhöhung vermindert wird um so großer, e großer die Zeitdauer und/oder die Intensität einer vom Fahrzeugfuhrer eingesteuerten Verminderung der Pedalkraft ist. Eine Verminderung der Pedalkraft zeigt einen Fahrerwunsch an, daß eine Bremsung nicht oder nicht mehr so stark notwendig ist. Die Eingabesteue- rung des Fahrer kann dann in vorteilhafter Weise zur Gestaltung des Übergangs von der Bremsassistentfunktion zum konventionellen Bremsvorgang verwendet werden.
Eine besonders einfache und kostengünstige Realisierung der Erfindung ergibt sich, falls zur Erkennung, ob und/oder um welchen Betrag der Fahrer die Pedalkraft vermindert, eine Zahlereinrichtung verwendet wird.
Zur Implementierung der Erfindung ist bevorzugt, wenn sich der momentane Wert des Radbremsdrucks im wesentlichen aus einer Multiplikation eines aktuellen Wertes einer zeitabhängigen Uberhohungsfunktion mit dem aktuellen Wert des Tandem-Hauptzylinder-Drucks ergibt .
Dabei ist die Uberhohungsfunktion als Funktion der Zeit vorzugsweise monoton fallend.
Bevorzugt ist die Überhόhungsfunktion in Zeitabschnitten fallend, in welchen der Hauptzylinder-Druck fallend ist. Ferner ist die Überhόhungsfunktion in Zeitabschnitten konstant, in welchen der Tandem-Hauptzylinder-Druck steigend ist. Somit wirkt sich jede Rücknahme der eingesteuerten Bremskraft uberhohungsmindernd und jede andere Eingabe über das Bremspedal zwar auf den Radbremsdruck nicht aber auf die Überhöhung aus. Die Bremsassistent-Unterstützung kann auf diese Weise für den Fahrer unmerklich verkleinert werden .
Gemäß einer bevorzugten Weiterbildung der Erfindung hängt ein momentaner Wert der Uberhöhungsfunktion von dem vorangegangenen Verlauf des Tandem-Hauptzylinder-Drucks ab. Das Heranziehen der Vorgeschichte des Tandem-Hauptzylinder- Drucks ist insbesondere zur Einschätzung der Fahrsituation und des Fahrerwunsches bevorzugt.
Vorteilhafterweise besitzt die Uberhöhungsfunktion einen vorgegebenen Maximalwert. Auf diese Weise können unplausible Überhöhungen des Radbremsdrucks vermieden werden.
Das Bremsassistent-System wechselt vorzugsweise von der dritten Betriebsart in die erste Betriebsart, wenn die
Uberhöhungsfunktion im wesentlichen den Wert Eins besitzt. In diesem Fall bringt der Fahrer den erforderlichen Blok- kierdruck selbst auf und benotigt keine weitere Unterstützung.
Die Erfindung, sowie weitere Vorteile und Ausgestaltungen derselben wird bzw. werden nachfolgend anhand der beigefugten Zeichnungen naher erläutert. Überall in den Zeichnungen bezeichnen dieselben Bezugszeichen dieselben bzw. entsprechenden Großen bzw. Elemente. In den Zeichnungen zeigen:
Fig. 1 eine schematische Darstellung des Verlaufs des Tandem-Hauptzylmder-Drucks praz(t) in Abhängigkeit von der Zeit;
Fig. 2 eine schematische Darstellung einer Uberhohungs- unktion K(t) m Abhängigkeit von der Zeit zur Erläuterung einer Ausfuhrungsvariante der vorliegenden Erfindung; und
Fig. 3 eine schematische Darstellung der drei Betriebsarten des erfindungsgemaßen Bremsassistent-Sys- tems und der Übergänge zwischen den entsprechenden Zustanden.
In Fig. 3 sind drei Betriebsarten oder -modi des erfin- dungsgemaßen Bremsassistent-Systems schematisch dargestellt. Der Fig. 3 entnimmt man die Funktion des Bremsassistent-Systems als Zustandsautomat. Der erste Zustand oder Betriebsart "Passiv" bedeutet dabei, daß die Bremsassi- stent-Funktion nicht aktiv ist. Sobald eine Notbremssitua- tion erkannt wird, wechselt das System m den zweiten Zustand oder Betriebsart "voller Druckaufbau". In diesem Zustand wird mittels einer Ruckforderpumpe und durch geeigne-
te Ansteuerung von Trenn- und Umschaltventilen ein voller Druckaufbau der Radbremsdrucke erzeugt. Von dem Zustand "voller Druckaufbau" kann bei einer deutlichen Rücknahme der Pedalkraft, welche z. B. über die im Tandem- Hauptzylinder angebrachte Drucksensorik erfaßt wird, sowohl in den Zustand der Passivität als auch in die dritte Betriebsart, den Dosiermodus, gewechselt werden. Als höherrangige Kriterien für das Betatigen des Zustands "Dosieren" aus dem Zustand "voller Druckaufbau" gilt die Erkennung eines Fahrerwunsches einer dosierten Rücknahme der Bremskraft. Diese wird durch eine deutliche Rücknahme des Tandem-Hauptzylmder-Druck pTHZ nach Erreichen des globalen Blockierdruckniveaus abgefuhlt. Eine deutliche Rücknahme des Tandem-Hauptzylmder-Druck pTHZ vor Erreichen des globalen Blockierdruckniveaus fuhrt zum direkten Übergang von dem Zustand "voller Druckaufbau" in den Zustand "Dosieren". In dem Zustand "Dosieren" wird die Bremskraft in Abhängigkeit von der Pedalkraft moduliert. Nach Ende der Maximalansteuerung wird die Druckerhohung in Abhängigkeit des, über den gemessenen Tandem-Hauptzylinder-Drucks sensierten Fahrerwunsches schrittweise zurückgenommen oder auch wieder erhöht, um so einen komfortableren Übergang zwischen der maximalen Unterstützung wahrend der Notbremssituation und dem konventionellen Bremsverhalten des "Passiv"-Modus nach Ende der Notbremsunterstutzung zu erlangen. Dieser Zustand ist einem brake-by-wire-Modus hnlich und kann auch als modulierend bezeichnet werden.
In Fig. 1 ist schematisch ein möglicher Druckverlauf pTHz(t) des Tandem-Hauptzylmder-Drucks im wesentlichen nach dem Zustand "voller Druckaufbau" (vgl. Figur 3) dargestellt. Der Tandem-Hauptzylmder-Druck pTHZ(t) ist durch die Betätigung der Bremsassistenten-Funktion wesentlich kleiner als der (nicht dargestellte) Radbremsdruck PRAD- Der in Fig. 1
schematisch dargestellte, mögliche Druckverlauf PτHz(t) ist das Ergebnis einer Emsteuerung des Fahrzeugfuhrers über die Betätigung eines Bremspedals. Man entnimmt der Fig. 1, daß der Tandem-Hauptzylmder-Druck pTHz(t) zwischen einem Zeitpunkt t0 und ti im wesentlichen konstant ist. D.h. es gilt PTHZ' (t) = 0 im Intervall von t0 bis tx. Zwischen dem Zeitpunkt ti und einem Zeitpunkt t2 nimmt der Tandem- Hauptzylmder-Druck PτHz(t) kontinuierlich ab. Zum Zeitpunkt t2 erreicht der Tandem-Hauptzylmder-Druck pTHz(t) ein Minimum pTHz(t_) . Zwischen dem Zeitpunkt t2 und einem Zeitpunkt t3 steigt der Tandem-Hauptzylmder-Druck pTHz(t) kontinuierlich an. Zum Zeitpunkt t4 besitzt der Hauptzylmder-Druck PτHz(t) ein Maximum ρTHz(t4) . Zwischen dem Zeitpunkt t3 und einem Zeitpunkt t4 fallt der Hauptzylmder-Druck PτHz(t) kontinuierlich ab. Zum Zeitpunkt t4 besitzt der Tandem- Hauptzylmder-Druck PτHz(t) ein Minimum pTHZ(t4). Ab dem Zeitpunkt t steigt m diesem Beispiel der Hauptzylmder- Druck pTHz(t) erneut an.
Gemäß der vorliegenden Erfindung soll der dritten Betriebsart die Überhöhung der Bremskraft durch automatischen Bremsassistenten sukzessive verkleinert werden. Eine Verkleinerung über eine einfache zeitabhängige Funktion besitzt edoch den Nachteil, daß das Systemverhalten für den Fahrer unter Umstanden nicht nachvollziehbar ist. Dies ist z.B. der Fall, wenn sich die Bremswirkung trotz konstant gehaltener Pedalkraft verkleinert. Erfmdungsgemaß wird daher die Fahrzeugverzogerung beziehungsweise der Radbremsdruck pRAD(t) wahrend der Dosierphase Abhängigkeit eines gemessenen Tandem-Hauptzylmder-Druck pTHz(t) gesteuert. Ein beispielhafter Verlauf von pTHz(t) wurde oben in Verbindung mit Fig. 1 beschrieben. Ein möglicher funktionaler Zusammenhang zur Ansteuerung der Radbremsdrucke pRÄü(t) ist: pRAD(t) = K(t) * PτHz(t). Dieser funktionale Zusammen-
hang ist lediglich exemplarisch angegeben und dient insbesondere auch der Definition der Uberhöhungsfunktion K(t), sofern Schatzwerte bzw. aktuell gemessene Werte verwendet werden. Es sei bemerkt, daß insbesondere auch in der obige Gleichung em Offset mitberucksichtigt werden kann, und zwar insbesondere von der Art, daß [pRAD(t) - x bar]= K(t) * [pτHz(t) ~ x bar] gilt. Falls der Wert von x beispielsweise Sechs betragt, kann bei Unterschreiten eines Mindestdrucks von 6 bar für den Tandem-Hauptzylmder-Druck, die dritte Betriebsart in den Passiv-Modus verlassen werden. Der Verlauf der zeitabhängigen Uberhöhungsfunktion K(t), die auch als Verstärkungsfaktor bezeichnet werden kann, ist gemäß einer Variante der vorliegenden Erfindung schematisch in Fig. 2 dargestellt. Man entnimmt der Fig. 2, daß K(t) einen monoton fallenden Verlauf hat. Der Wert von K(t) bewegt sich zwischen einem im wesentlichen maximalen Startwert für den Dosiermodus, welcher im wesentlichen aus dem Verhältnis eines geschätzten Blockierdruckniveaus zu dem aktuellen Tandem-Hauptzylmder-Druck bestimmt wird. Grundsätzlich wird em maximaler Wert für K(t) vorgegeben, z. B. 3,5 um unplausible Radbremsdruckuberhohungen zu vermeiden. Wahrend des gesamten Dosiermodus ist der Wert von K(t) großer als Eins, da ansonsten keine weitere Bremsunterstutzung erforderlich ist und das System m den Passiv-Modus übergeht. Der Verlauf von K(t) ist im Ausfuhrungsbeispiel nicht streng monoton, da es Zeiten gibt, zu denen K' (t) gleich Null gilt. Im wesentlichen gilt, daß in Phasen, m denen der Tandem-Hauptzylmder-Druck pTHz(t) konstant ist oder ansteigt, also m Phasen, in denen pTHZ ' (t) großer oder gleich Null ist, K(t) konstant ist. Im wesentlichen m Phasen, in denen pTHZ (t) fallt, d.h. pTHZ ' (t) kleiner Null gilt, fallt K(t) ebenfalls, d.h. es gilt K' (t) < 0. In Fig. 2 erkennt man, daß im Intervall von t0 bis ti im wesentlichen K(t) gleich konstant gilt. Im Intervall von tx bis t2 fallt K(t)
im wesentlichen monoton auf einen Wert K(t2) ab. Im Intervall von t2 bis t3 ist K(t) im wesentlichen konstant. Im Intervall von t3 bis t fallt K(t) im wesentlichen monoton. Ab dem Zeitpunkt t4 gilt K(t) gleich konstant für alle t > t4. Der Verlauf K(t) ist daher im wesentlichen eine Abfolge von abfallenden Plateaus entsprechend den Oszillationen des Tandem-Hauptzylmder-Drucks ρTHZ(t). Die Plateaus selbst sind im wesentlichen durch Phasen ansteigenden Tandem- Hauptzylmder-Drucks Pτκz(t) gekennzeichnet. Die mit zunehmender Zeit im absoluten Wert abfallenden Plateaus sind durch monoton fallende Strecken verbunden, welche im wesentlichen Phasen mit abnehmendem Tandem-Hauptzylmder- Druck PτHz(t) entsprechen. Es sei bemerkt, daß gemäß dem dargestellten und beschriebenen Ausfuhrungsbeispiel der Erfindung die Bremsassistent-Unterstutzung für den Fahrer praktisch unmerklich verkleinert wird. Vorteilhafterweise wird die Rate, mit welcher die Unterstützung des hydraulischen Bremsassistenten vermindert wird, d.h. insbesondere die Ableitung K' (t) nach ihrem Absolutbetrag vergrößert, j e langer und ausgeprägter der Fahrer die Pedalkraft vermindert. Dies bedeutet anschaulich im Ausfuhrungsbeispiel insbesondere, daß, wenn sich das Intervall, z. B. zwischen ti und t2, vergrößern wurde, d.h. der Fahrer die Pedalkraft über einen längeren Zeitraum vermindern wurde, die Steigung von K(t) in diesem Intervall ansteigt. Entsprechendes gilt, wenn sich die Rücknahme der Pedalkraft, also z. B. der Wert von pτHz(t2) minus pτHz(t3), vergrößern wurde.
Bezugszeicheniiste :
PTHZ Tandem-Hauptzylinder-Druck
PRAD Radbremsdruck
K Überhöhungsfunktion t Zeit