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Die vorliegende Erfindung betrifft einen pyrotechnischen Satz zur Erzeugung von Infrarot (IR) - Strahlung, und insbesondere einen solchen pyrotechnischen Satz zur Anwendung in spektral angepassten IR-Täuschkörpern.
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Im militärischen Bereich werden zur Bekämpfung von Luftzielen, wie beispielsweise Strahlflugzeugen, Hubschraubern und Transportmaschinen, Flugkörper wie Luft-Luft- und Boden-Luft-Lenkflugkörper eingesetzt, welche die vom Triebwerk des Ziels ausgehende Infrarot (IR) - Strahlung, vornehmlich im Bereich zwischen 0,8 und 5 µm, mit Hilfe eines auf IR-Strahlung empfindlichen Suchkopfes anpeilen und verfolgen. Zur Abwehr dieser Flugkörper werden daher Täuschkörper (auch Flares genannt) eingesetzt, welche die IR-Signatur des Ziels imitieren, um anfliegende Lenkflugkörper abzulenken. Derartige Täuschkörper können auch präventiv eingesetzt werden, um die Erfassung von Zielen durch die Herabsetzung des Kontrasts der Szene zu erschweren oder sogar zu verhindern.
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Eine typische Wirkmasse zur Erzeugung von Schwarzkörperstrahlung im IR-Bereich ist ein pyrotechnischer Satz aus Magnesium, Polytetrafluorethylen (Teflon®) und Vinylidenfluorid-Hexafluorisopren-Copolymer (Viton®), auch MTV genannt, welcher beim Abbrand eine schwarzkörper-ähnliche spektrale Intensitätsverteilung zeigt. Die tatsächliche Signatur von zum Beispiel Flugzeugtriebwerken unterscheidet sich aber von der Signatur eines schwarzen Strahlers, da die heißen Abgase der Propeller- oder Strahlantriebe starke selektive Anteile im Wellenlängenbereich zwischen 3 und 5 µm (sog. β-Band) emittieren. Diese selektive Ausstrahlung ist auf die Verbrennungsprodukte CO und CO2 zurück zu führen, die bei 4,61 µm bzw. 4,17 mm emittieren.
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Zur Unterscheidung von Täuschkörpern mit Schwarzkörpersignatur und echten Flugzielen führen moderne Suchköpfe deshalb zusätzlich eine spektrale Bewertung der Strahlungsquelle durch. Dabei wird insbesondere dem Sachverhalt Rechnung getragen, dass die integrierte Intensität der Signatur eines Flugzeugs bzw. seines Triebwerks im Wellenlängenbereich zwischen 3 und 5 µm (β-Band) um den Faktor 2 größer ist als die integrierte Intensität im Wellenlängenbereich zwischen 2 und 3 µm (sog. α-Band). Bei Täuschkörpern mit Schwarzkörpersignatur beträgt dieses Verhältnis dagegen immer weniger als 1.
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Um die auf dieser Basis erfolgende spektrale Unterscheidung von Täuschkörpern durch Suchköpfe zu überwinden, wurden in der Vergangenheit angepasste Täuschkörper vorgeschlagen, die eine flugzeug-ähnliche spektrale Intensitätsverteilung aufweisen. Solche herkömmlichen pyrotechnischen Wirkladungen für spektral angepasste IR-Täuschkörper enthalten typischerweise kohlenstoffreiche Verbindungen zusammen mit starken Oxidationsmitteln wie zum Beispiel Perchloraten. Typische Formulierungen für solche Scheinziele bestehen aus Kaliumperchlorat (KClO
4), Kaliumnitrat (KNO
3) und Mellithsäuretrianhydrid (C
6(C
2O
3)
3) - siehe zum Beispiel die
US 6,427,599 B1 , aus Kaliumperchlorat und Kaliumbenzoat (KC
7H
5O
2) - siehe zum Beispiel die
US 2004/0011235 A1 , oder aus Kaliumperchlorat und Hexacyanobenzol (C
6(CN)
6) - siehe zum Beispiel die
nachveröffentlichte DE 10 2004 024 857 A1 der Anmelderin.
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Die nachfolgende Tabelle 1 zeigt typische Zusammensetzungen der in den oben genannten Patentdokumenten offenbarten, spektral angepassten Wirkmassen:
Tabelle 1
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Die obigen Zahlenangaben sind jeweils die Massenanteile in Gew.-%, wobei den so gebildeten Massen jeweils ein Binder im Gewichtsverhältnis von 5:100 zugegeben ist. Weiter wurde von der Anmelderin kürzlich vorgeschlagen, für spektral angepasste Scheinziele deuterierte Verbindungen als Oxidationsmittel und/oder als Brennstoffe einzusetzen - siehe die
nachveröffentlichte DE 10 2004 024 857 A1 .
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Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, einen pyrotechnischen Satz zur Erzeugung von IR-Strahlung vorzusehen, der beim Abbrand der Brennstoffe eine flugzeug-ähnliche spektrale Intensitätsverteilung erzeugt. Insbesondere soll die integrierte Strahlungsintensität im langwelligen β-Band beim Abbrand der Brennstoffe des pyrotechnischen Satzes derjenigen der Signatur eines Flugzeugs besser angepasst sein.
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Diese Aufgabe wird gelöst durch einen pyrotechnischen Satz mit den Merkmalen des Anspruchs 1. Vorteilhafte Ausgestaltungen und Weiterbildungen der Erfindung sind Gegenstand der abhängigen Ansprüche.
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Der pyrotechnische Satz zur Erzeugung von IR-Strahlung gemäß einem ersten Aspekt der Erfindung ist dadurch gekennzeichnet, dass als Brennstoff und/oder als Oxidationsmittel eine bromierte Verbindung enthalten ist. Gemäß einem zweiten Aspekt der Erfindung ist als Brennstoff und/oder als Oxidationsmittel und/oder als Bindemittel eine bromierte Verbindung enthalten.
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Der Einsatz bromierter bzw. bromhaltiger Verbindungen als Brennstoff, Oxidationsmittel und/oder Bindemittel führt zu einer verstärkten selektiven Ausstrahlung im □-Band und gleichzeitig zu einer verringerten selektiven Ausstrahlung im α-Band, sodass der Quotient der integrierten Strahlungsintensitäten des □-Bandes und des α-Bandes beim Abbrand der Brennstoffe des pyrotechnischen Satzes der Erfindung demjenigen der Signatur eines Flugzeuges besser angepasst ist.
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In einer Ausgestaltung der Erfindung beträgt das molare Verhältnis von Br/H in der/den bromierten Verbindung(en) ≥ 0,5; und das molare Verhältnis von Br/Mn+ in der/den bromierten Verbindung(en) beträgt ≥ n, wobei M ein Alkali- oder Erdalkalimetall ist.
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Als Brennstoff können zum Beispiel eine oder mehrere Verbindungen aus der Gruppe bestehend aus bromierten Kohlenwasserstoffen mit einem Schmelzpunkt > 100°C, bromierten aromatischen Verbindungen, bromierten aromatischen Carbonylverbindungen, bromierten aromatischen Carbonsäuren und Lactonen enthalten sein.
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Als Oxidationsmittel können eine oder mehrere Verbindungen aus der Gruppe der Alkali- und Erdalkali- Bromate und Perbromate und/oder eine oder mehrere Verbindungen aus der Gruppe der Alkali- und Erdalkali- Nitrate, Dinitramide und Peroxide enthalten sein.
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In einer bevorzugten Ausführungsform der Erfindung ist der Brennstoff in einem Massenanteil von etwa 10% bis etwa 55% enthalten, das Oxidationsmittel ist in einem Massenanteil von etwa 40% bis etwa 85% enthalten, und das Bindemittel in ist einem Massenanteil von 0% bis etwa 5% enthalten.
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Die oben erläuterte Erfindung geht dabei von den nachfolgend beschriebenen Überlegungen aus.
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Gemäß der Erfindung soll ein pyrotechnischer Satz bereit gestellt werden, der beim Abbrand der Brennstoffe mehr selektive Ausstrahlungsanteile im gewünschten langwelligen β-Band, also dem Wellenlängenbereich von etwa 3,5 bis 4,8 µm konzentriert, um die Signatur eines Flugzeugtriebwerks besser zu imitieren.
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Die oben genannte frühere Entwicklung der Anmelderin, für spektral angepasste Scheinziele deuterierte Verbindungen als Oxidationsmittel und/oder als Brennstoffe einzusetzen, beruht auf Überlegungen, die bei der Verbrennung wasserstoffhaltiger Stoffe entstehenden Molekülbanden von H2O und HCl bathochrom zu verschieben. Während H2O und HCl Resonanzwellenlängen von 2,73 µm bzw. 3,43 µm aufweisen und damit zu ungunsten des spektralen Verhältnisses wirken bzw. außerhalb des geeigneten langwelligen Spektralbereichs liegen, erscheinen die Resonanzfrequenzen der deuterierten Verbindungen HDO, D2O und DCl bei 3,67 µm, 3,74µm bzw. 4,66 µm und somit jeweils innerhalb des vorteilhaften langwelligen β-Bandes zwischen etwa 3,5 und 4,8 µm.
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Bislang ist nicht über andere Möglichkeiten der spektralen Anpassung durch batho- oder hypsochrome (lang- oder kurzwellige) Verschiebung berichtet worden. Auch ist bisher keine andere Möglichkeit bekannt, das H2O/CO2-Verhältnis günstig zu beeinflussen, als durch die Wahl von Brennstoffen mit einem geeigneten C/H-Verhältnis.
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Die vorliegende Erfindung löst das Problem der spektralen Anpassung und der Anpassung des C/H-Verhältnisses durch den Einsatz bromhaltiger Verbindungen.
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Die vorteilhaften Eigenschaften bromhaltiger pyrotechnischer Zusammensetzungen sind dabei auf die folgenden Umstände zurückzuführen:
- die Substitution des Wasserstoffs in organischen Brennstoffen durch Brom führt zu einer Erhöhung des C/H-Verhältnisses und damit zu einer Unterdrückung der H2O-Emission im kurzwelligen Spektralbereich des α-Bandes zwischen 2 und 3 µm;
- das eingeführte Brom liefert beim Abbrand Bromwasserstoff (HBr), dessen Bandzentrum im langwelligen Spektralbereich bei 3,91 µm innerhalb des β-Bandes liegt;
- über den Brennstoff eingeführtes Brom liefert mit Oxidationsmitteln wie Nitraten und Peroxiden auf Alkali- und Erdalkali-Basis flüchtige Bromide und verringert so die Kondensationsneigung in der Flammenzone, was wiederum den Anteil störender Kontinuumsstrahlung in der Flamme, welche das Bandenverhältnis nachteilig beeinflussen würde, verringert;
- bei Substitution von Perchloraten durch chlorfreie oder bromierte Oxidationsmittel kann die Ausstrahlung der HCl-Bande bei 3,34 µm verhindert bzw. verschoben werden.
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Geeignete Bromverbindungen zur Modifikation des C/H-Verhältnisses im Sinne der Erfindung sind bromierte organische Verbindungen, wie zum Beispiel perbromierte aromatische Verbindungen, die neben Brom noch Sauerstoff in Form von Carbonyl- und Ethergruppen tragen können.
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Nachfolgend sind im Sinne der Erfindung geeignete Verbindungen einschließlich ihrer [CAS-Nr.] aufgeführt, ohne dass die vorliegende Erfindung nur auf diese speziellen Verbindungen beschränkt sein soll: Perbromdiphenylether ((C6Br5)2O) [1163-19-5], z.B. erhältlich unter der Warenbezeichnung Saytex 102; Hexabrombenzol (C6Br6) [87-82-1]; Tetrabrom-p-benzochinon (C6Br4(=O)2) [488-48-2]; Tetrabrom-o-benzochinon (C6Br4(=O)2) [2435-54-3]; Tetrabromphthalsäureanhydrid (C6Br4C2O3) [632-79-1]; Tetrabromphenolphthalein (C20H10Br4O4) [1301-20-8]; Tetrabromhydrochinon (C6Br4(OH)2) [2641-89-6]; Tetrabromcyclohexadienon (C6H2Br4O) [20244-61-5]; Tetrabrombrenzkatechin (C6Br4(OH)2) [488-47-1]; Dibrombiphenyl (C6H4Br) [92-86-4]; Dibromfluorescein (C20H10Br2O5) [596-03-2]; Dibromnaphthochinon (C10H4Br2O2) [13243-65-7]; Dibromhydroxynaphthalin (C10H6Br2O) [16239-18-2]; Dibrom-4-nitroanilin (C6H2(NO2)NH2Br2) [827-94-1]; Dibromnitrophenol (C6H2NO2Br2OH) [99-28-5]; Dibromnitrobenzol (C6H3NO2Br2) [3460-18-2].
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Bei Verwendung von Bromkohlenstoffverbindungen als Brennstoffe können je nach Bromanteil und Br/H-Verhältnis noch zusätzliche wasserstoffhaltige Brennstoffe bis zu einem molaren Verhältnis Br/H von 1/1 eingesetzt werden, sodass der gesamte Wasserstoff als HBr abgefangen werden kann. So kann zum Beispiel bei der Verwendung von Decabromdiphenylether als Kohlenstoffquelle eine äquimolare Menge Anthracen als Kohlenstoffquelle verwendet werden, wenn alle Protonen als HBr abgefangen werden sollen, wie das folgende Beispiel der Reaktion von 1 mol Decabromdiphenylether mit 1 mol Anthracen zeigt:
1 (C6Br5)2O + 1 C14H10 → 26{C} + 10 HBr + 1 O
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Die temperaturabhängige, integrierte Bandintensität α
j für das HBr-Molekül ist kürzlich von
S.P. Fuß, A. Hamins in "Determination of Planck Mean Absorption Coefficient for HBr, HCl and HF" in Journal of Heat Transfer, 124, 2002, Seiten 26-29, bestimmt worden. Die nachfolgende Tabelle 2 zeigt den Vergleich der Bandintensität bei 300 K für die Moleküle CO
2, CO, HCl und HBr.
Tabelle 2 Molekül | Spektraler Bereich des Bandes [cm-1] | Bandzentrum [cm-1, µm] | Integrierte Bandintensität bei 296 K [atm-1cm-2] |
CO2 | 2325-2410 | 2325, 4,30 | 2700 |
CO | 1795-2317 | 2143,4,67 | 250 |
HCl | 2399-3161 | 2885, 3,47 | 155 |
HBr | 2123-2791 | 2559, 3,91 | 35 |
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Die geringe Bandintensität von HBr im Vergleich zu HCl und CO2 zeigt, dass HBr nicht wirklich ein geeigneter spektraler Emitter ist, aber aufgrund der Lage seines Bandenzentrums und der geringen Intensität zur Modifikation herkömmlicher Wirkladungen herangezogen werden kann.
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Herkömmliche spektral angepasste Wirkladungen auf der Basis von Perchloraten und Peroxiden liefern beim Abbrand kondensierte Reaktionsprodukte wie zum Beispiel Carbonate (K2CO3) und Oxide (BaO), welche die Kontinuumsstrahlung verstärken und damit das spektrale Verhältnis verschlechtern. In Gegenwart von Brom bzw. Bromwasserstoff aus der Flamme kann in-situ die Bildung kondensierter Produkte verhindert werden, indem die entsprechenden Bromide entstehen. Diese sind in der Flamme bis hinab zu Temperaturen von ungefähr 1200 °C bzw. 1000°C gasförmig und kondensieren erst außerhalb der Flammenzone.
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Erfindungsgemäß wird der Bromanteil daher bevorzugt so eingestellt, dass etwaige Alkali- bzw. Erdalkalimetallionen, wie zum Beispiel K+ oder Ba2+ durch Br2 oder HBr zu KBr bzw. BaBr2 abgefangen werden können.
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Als Oxidationsmittel werden vorzugsweise die Bromate und Perbromate der allgemeinen Zusammensetzungen
- MBrO3
- mit M = NH4, Li, Na, K, Rb, Cs,
- M(BrO3)2
- mit M = Mg, Ca, Sr, Ba,
- MBrO4
- mit M = NH4, Li, Na, K, Rb, Cs, und
- M(BrO4)2
- mit M = Mg, Ca, Sr, Ba
verwendet.
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Weitere geeignete Oxidationsmittel im Sinne der Erfindung sind die Nitrate und Dinitramide der Alkali- und Erdalkalimetalle der allgemeinen Zusammensetzungen:
- MNO3
- mit M = NH4, Li, Na, K, Rb, Cs,
- M(NO3)2
- mit M = Mg, Ca, Sr, Ba,
- MN2O4
- mit M = NH4, Li, Na, K, Rb, Cs, und
- M(N2O4)2
- mit M = Mg, Ca, Sr, Ba
sowie die Peroxide des Lithiums und der Erdalkalimetalle
- M2O2
- mit M = Li, Na, und
- MO2
- mit M = Mg, Ca, Sr, Ba.
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Bei allen oben angegebenen Brennstoffen und Oxidationsmitteln sind in einem pyrotechnischen Satz zur Erzeugung von IR-Strahlung der Erfindung vorzugsweise der Brennstoff in einem Massenanteil von etwa 10% bis etwa 55%, das Oxidationsmittel in einem Massenanteil von etwa 40% bis etwa 85%, und das Bindemittel in einem Massenanteil von 0% bis etwa 5% enthalten.
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Die pyrotechnischen Sätze mit den oben angegebenen Verbindungen sind in vorteilhafter Weise für IR-Täuschkörper einsetzbar, da die die integrierte Strahlungsintensität im langwelligen β-Band beim Abbrand der Brennstoffe des pyrotechnischen Satzes derjenigen der Signatur eines Flugzeugs besser angepasst ist.