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Verfahren zur Verbesserung der physikalischen Eigenschaften, orientierter
Fäden aus Polyacrylsäurenitril Es wurde bereits vorgeschlagen, ein Acrylsäurenitrilpolymeres
in einem geeigneten organischen Lösungsmittel zu lösen und die erhaltene Lösung
zu verspinnen. Wenn während des Spinnvorgangs nur eine geringe oder gar keine Spannung
an dem Faden liegt, ist der erhaltene Faden etwas spröde und besitzt auch sonst
schlechte Eigenschaften. Ein solcher Faden besitzt eine Festigkeit von etwa 0,8
g/den bei einer Dehnung von etwa 8 %. Eine Röntgenanalyse ergibt, daß der Faden
kristallin, jedoch im wesentlichen nicht orientiert ist.
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Es wurden zwei Verfahren vorgeschlagen, die das Strecken eines Fadens
aus einem Acrylsäurenitrilpolymeren einschließen. Dabei ist es möglich, die Festigkeit
dieses Fadens ohne wesentliche Abnahme seiner Dehnung stark zu vergrößern. Gemäß
einem dieser älteren Verfahren wird der obenerwähnte, im wesentlichen nicht orientierte
Faden auf eine Temperatur von mindestens 100° C erhitzt und bei dieser Temperatur
auf das 4- bis 10fache seiner ursprünglichen Länge gestreckt. Nach dem zweiten Verfahren
wird der Faden nach einer Naßspinntechnik in ein Bad gesponnen, das z. B. aus auf
140° C erhitzten Glycerin oder aus einer wäßrigen, auf mindestens 100° C erhitzten
Calciumchloridlösung besteht, wobei der Faden während seines Baddurchlaufs unter
einer Spannung von mindestens 0,5 und zweckmäßig 0,7 bis 1,0 g/den gehalten wird.
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Die bei diesem Verfahren erhaltenen Fäden sind
hochorientiert
und besitzen in der Regel eine Festigkeit von mindestens 3 g/den. Indessen ist ihre
Dehnung immer noch verhältnismäßig gering, und zwar in der Größenordnung von 8 bis
12%. Obwohl sie für bestimmte, spezielle Zwecke, bei denen eine geringe Dehnung
erwünscht ist, verwendet werden können, sind die Fäden doch nicht allgemein zur
Verwendung in der Textilindustrie geeignet, wo man einen Faden mit einer Dehnung
von 15 bis 25% und zweckmäßig von 18 bis 22% braucht.
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Die Aufgabe der Erfindung wird nun dadurch erfüllt, daß man einen
orientierten Faden aus polymerem Acrylsäurenitril in einer ersten Verfahrensstufe
unter der Einwirkung von Hitze schrumpfen läßt und ihn dann gegebenenfalls in einer
zweiten Verfahrensstufe noch einer längeren Nacherhitzung aussetzt. Die Temperatur
der ersten und der zweiten Verfahrensstufe beträgt dabei zweckmäßig mindestens 80°
C. Während der zweiten Stufe wird der Faden entspannt oder nur unter einer sehr
geringen Spannung gehalten, die z. B. nicht über etwa 0,05 g/den liegt.
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Der Ausdruck »orientierter Faden aus polymerem Acrylsäurenitril«,
wie er in der Beschreibung verwendet wird, bezieht sich auf einen Faden aus polymerem
Acrylsäurenitril mit einer Festigkeit von mindestens 3 g/den und einer Dehnung von
8 bis 12%, der bei einer Röntgenanalyse einen Orientierungsgrad zeigt, welcher demjenigen
eines Acrylsäurenitrilpolymerfadens, der nach einem älteren Trockenspinnverfahren
ohne Anwendung einer Streckspannung gesponnen, jedoch anschließend um mindestens
das zweifache seiner ursprünglichen Länge gestreckt wurde, und zwar z. B. durch
Durchlaufen durch ein auf einer Temperatur von etwa 130° C gehaltenes Glycerinbad,
mindestens gleich ist.
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Bei der ersten Stufe schrumpft der Faden um 10 bis 25% seiner Länge,
wobei diese Schrumpfung des Fadens seine Festigkeit nicht beeinflußt, aber ein starkes
Anwachsen seiner Dehnung bewirkt, so daß im wesentlichen die gesamte Schrumpfung
sich als erhöhte Dehnung bemerkbar macht. Letzteres ist überraschend und steht im
scharfen Gegensatz zu dem Verhalten anderer gestreckter polymerer Fäden, bei denen
lediglich ein Teil der Gesamtschrumpfung des Fadens bei erhöhten Temperaturen als
eine vergrößerte Dehnung auftritt. Gleichzeitig verursacht die Schrumpfung des Fadens
eine beachtliche Verbesserung seiner anderen Eigenschaften, z. B. eine etwa 50%ige
Vergrößerung der Knot- und Schlingenfestigkeit und der Schlagzähigkeit.
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Die zweite Stufe des erfindungsgemäßen Verfahrens verursacht in der
Regel keine weitere Schrumpfung des Fadens, sondern vielmehr eine überraschend günstige
Vergrößerung seiner Festigkeit bei im wesentlichen gleichbleibender Dehnung. Der
so erhaltene Faden ist für eine nachfolgende Verwendung, z. B in der Textilindustrie,
geeignet und weist keinerlei Beschädigung auf.
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Bei Durchführung der Erfindung kann jede Vorrichtung verwendet werden,
die zur Erhitzung des Fadens geeignet ist. In der Zeichnung zeigt Fig. 1 eine schematisch
dargestellte Ausführungsform einer Vorrichtung zur Durchführung der Erfindung, Fig.2
eine perspektivische Ansicht einer Heizvorrichtung.
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In Fig. 1 wird ein orientierter Faden aus Polyacrylsäurenitril mit
einer konstanten Geschwindigkeit mittels einer rutschfrei fördernden Vorrichtung,
die aus einer angetriebenen Walze 3 und einer frei beweglichen Führungsrolle 4 besteht,
von einer Spule 2 abgewickelt. Dann wird er mittels einer zweiten rutschfrei fördernden
Vorrichtung, bestehend aus einer angetriebenen Walze 6 und einer frei beweglichen
Führungsrolle 7 durch eine Heizvorrichtung 5 geführt. Die Geschwindigkeit der angetriebenen
Walze 6 wird in bezug auf die Geschwindigkeit der angetriebenen Walze 3 so eingestellt,
daß der durch die Heizvorrichtung 5 laufende Faden sich in einem entspannten Zustand
befindet und schrumpfen kann (1. Stufe). Der von der zweiten rutschfrei fördernden
Vorrichtung kommende geschrumpfte Faden wird dann in Form eines Wickels auf einer
rotierenden Spule 8 gesammelt, wobei der Faden zweckmäßig unter einer möglichst
niedrigen Spannung, die noch ein gutes Auf- und Abwickeln ermöglicht, aufgewickelt
wird. Der fertige Wickel kommt dann gegebenenfalls in einen Ofen, wo er eine oder
mehrere Stunden lang auf einer Temperatur von mindestens 80° C gehalten wird (2.
Stufe).
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Die Heizvorrichtung 5 muß natürlich so gebaut sein, daß der dieselbe
durchlaufende Faden auf die geeignete Temperatur erhitzt werden kann, ohne daß ihm
dabei auf seinem ganzen Weg eine Spannung auferlegt wird.
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Fig. 2 zeigt eine solche Heizvorrichtung. 20 bezeichnet einen festen
Block, der an einer Seite mit einem Schlitz 21 versehen ist, durch welchen der Faden
1 geführt wird. Der Block 20 ist mit einer Bohrung 22 versehen, in welcher eine
elektrische Widerstandsheizung 23 eingelagert ist, welche den Block auf der gewünschten
Temperatur von mindestens 80° C halten kann. Der Block 20 besteht zweckmäßig aus
Metall, wobei der durch den Schlitz 21 laufende Faden sowohl durch Wärmeübertragung
als auch -strahlung erhitzt werden kann. Wie angezeigt, ist der Schlitz 21 zweckmäßig
in dem Teil, den der Faden durchläuft, erweitert.
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Die folgenden Beispiele stellen bevorzugte Ausführungsformen der Erfindung
dar. Die angegebenen Prozentgehalte sind Gewichtsprozente. Beispiel I Ein aus Polyacrylsäurenitril
bestehender, orientierter Faden mit einer Festigkeit von 3,7 g/den und einer Dehnung
von 10,1% wurde verwendet.
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Der Faden wurde gemäß Fig. 1 der Zeichnung durch einen 25 cm langen
Schlitz in einem auf 130° C gehaltenen Metallblock geführt (1. Stufe). Der Faden,
der auf seinem Weg durch den Schlitz etwa um 20% schrumpfte, wurde dann auf einer
rotierenden
Spule gesammelt, und zwar unter der niedrigsten Spannung, die sich noch mit einem
guten Auf- und Abwickeln verträgt. Der so erhaltene Spulenwickel wurde in einem
Ofen (trockene Luft) eine Stunde lang auf 1500 C erhitzt (2. Stufe). Der
als Endprodukt erhaltene Faden besaß eine Festigkeit von 4,66 g/den und eine Dehnung
von 20°/o, bei Knot- und Schlingenfestigkeiten von 3,3 bzw. 2,3 g/den. Der Faden
war im wesentlichen farblos und zeigte keinerlei Anzeichen, daß er durch die Hitzebehandlung
verschlechtert worden war.
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Beispiel II Es wurde ein kristalliner, orientierter Faden aus Polyacrylsäurenitril
mit den in der folgenden Tabelle angegebenen physikalischen Eigenschaften verwendet.
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Ein Teil dieses Fadens wurde in Dockenform gewickelt und spannungsfrei
und locker eine Stunde lang in ein Glycerinbad von
100' C gehängt, worauf
der Faden um etwa 20% seiner ursprünglichen Länge geschrumpft war. Ein zweiter Teil
des Fadens wurde eine Stunde lang in Luft von
100' C erhitzt, wobei er während
des Erhitzens auf einer konstanten Länge gehalten wurde, so daß er nicht schrumpfen
konnte. Die physikalischen Eigenschaften der so erhaltenen Fäden sind in der nachstehenden
Tabelle angegeben. Dieselbe zeigt deutlich die Art der bei Durchführung der Erfindung
erhaltenen Verbesserung.
Tabelle |
Nicht ver- Nicht ver- |
knoteter oder knoteter oder |
Faden verschlungener Knoten Schlingen verschlungener Knoten
Schlingen |
Faden Faden |
Festigkeiten (g/ den) Dehnungen (°/o) |
Nach dem Spinnen 3,75 1.78 i 1,89 10,0 5,5 5,1 |
1 Std. auf 100' C |
erhitzt, in Glyce- |
rin geschrumpft 4,11 2,2 2,75 21,0 14,0 18,0 |
1 Std. in Luft auf |
1000 C erhitzt, |
0°/o Schrump- |
fung .......... 4,10 2,2 2,5 13,0 5,0 j 6,3 |
Die erste Stufe des erfindungsgemäßen Verfahrens muß lediglich lange genug dauern,
um die vollständige Schrumpfung des Fadens bei der angewendeten Temperatur zu gewährleisten.
Die Dauer der zweiten Stufe hängt von der angewendeten Temperatur ab. Die bei den
beiden Stufen angewendeten Temperaturen sind zweckmäßig jedoch nicht unbedingt von
derselben Größenordnung. Die Temperaturen der ersten und zweiten Stufe sollen jedoch
mindestens
80' C betragen. Zum Beispiel erhält man gute Ergebnisse bei Temperaturen
von 100 bis
150' C und sogar höher, wie z. B. bis und einschließlich 3000
C.
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Für den Schrumpfungsvorgang ist es wesentlich, daß der Faden spannungsfrei
gehalten wird, so daß er vollständig schrumpfen kann. Wie in den Beispielen angegeben,
kann die erste Stufe kontinuierlich oder chargenweise durchgeführt werden (und zwar
indem man den Faden entspannt und locker durch eine Heizvorrichtung führt bzw. indem
man eine Fadenmenge entspannt und locker, z. B. in Form eines Dockens, in ein erhitztes
Medium hängt) .
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Die zweite Stufe des Verfahrens gemäß der Erfindung, d. h. die längere
Nacherhitzung des Fadens, kann auch sowohl kontinuierlich als chargenweise durchgeführt
werden, wobei letzteres bevorzugt wird. Dabei werden bestimmte Fadenmengen, wie
z. B. Spulenwickel, längere Zeit in eine Heizvorrichtung, z. B. einen Ofen, gebracht.
Die zur Entwicklung optimaler, physikalischer Eigenschaften des Fadens genau benötigte
Zeit hängt natürlich von der angewendeten Temperatur ab. Bei einer Heizperiode von
31/E Stunden bei 1501 C erhält man günstige Ergebnisse, während bei einer
Temperatur von 80' C die Erhitzungsperiode etwas länger ist. Die Erhitzung
erfolgt in heißer Luft. Das ist indessen nicht wesentlich, und um eine Verfärbung
zu vermeiden, wird der Faden zweckmäßig in irgendeiner inerten Atmosphäre, wie z.
B. gasförmigem Kohlendioxyd oder Stickstoff oder sogar in einer inerten Flüssigkeit,
wie z. B. Glycerin, Glykol usw. erhitzt.
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Das Verfahren gemäß der Erfindung wird zweckmäßig in zwei Stufen durchgeführt,
deren erste aus einer Behandlung durch eine Erhitzung und Entspannung eines orientierten
Fadens aus polymerem Acrylsäurenitril und deren zweite aus einer verlängerten Hitzebehandlung
besteht, die sowohl auf die Festigkeit als auch auf die Dehnung des Fadens günstige
Wirkungen hat. Indessen ist eine solche zweistufige Behandlung für die Herstellung
eines verbesserten Fadens nicht unbedingt erforderlich, und für bestimmte Zwecke
geeignete Fäden können auch allein durch Anwendung der Hitze- und Entspannungsbehandlung
der ersten Stufe erhalten
werden. Zum Beispiel ergibt im Fall des
Fadens gemäß Beispiel I das Weglassen des Erhitzens des Spulenwickels am Schluß
einen Faden mit einer Festigkeit von 3,5 g/den und einer Dehnung von 231D/9.
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Obwohl gemäß der bevorzugten Ausführungsform der Erfindung die zwei
Stufen getrennt in verschiedenen Vorrichtungen durchgeführt werden, können dieselben
auch vereinigt werden und in einer einzigen Vorrichtung vorgenommen werden. Gemäß
einer solchen Ausführungsform wird der Faden in eine erhitzte Kammer gebracht und
darin so lange auf der geeigneten Temperatur gehalten, bis er vollständig geschrumpft
ist und bis der geschrumpfte Faden die erforderliche Nacherhitzung erhalten hat.
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Das Acrylsäurenitrilpolymere, aus dem die erfindungsgemäß behandelten
Fäden bestehen, muß natürlich ein zur Fadenbildung ausreichendes Molekulargewicht
haben. Die Polymeren mit einem mittleren Molekulargewicht (bestimmt aus Viscositätsmessungen
nach der Staudinger-Gleichung) von 7000 bis 400000 oder höher sind zur Verwendung
geeignet. Das Polymere besitzt indessen zweckmäßig ein Molekulargewicht von 50 000
bis 150 000. Wie vorstehend erwähnt, muß das zu behandelnde Gebilde natürlich eine
Orientierung besitzen, wie durch eine Röntgenanalyse festgestellt wird.
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Diese Orientierung ist mindestens gleich derjenigen, welche ein nicht
orientierter Faden aus Polyacrylsäurenitril, der anschließend auf mindestens das
2fache seiner ursprünglichen Länge gestreckt wurde, dabei erhält. Wenn der Faden
keine Orientierung von mindestens diesem Wert besitzt, so verbessert das Verfahren
der Erfindung seine physikalischen Eigenschaften in der Regel nicht.
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Die erfindungsgemäß behandelten Fäden besitzen eine Festigkeit von
mindestens 4 g/den und eine Dehnung von etwa 2011/o. Gleichzeitig behält der Faden
die anderen günstigen Eigenschaften, die für einen Polyacrylsäurenitrilfaden charakteristisch
sind, wie z. B. große Widerstandsfähigkeit gegenüber chemischen Agenzien, organischen
Lösungsmitteln, Mitteln der chemischen Reinigung usw., bei. Darüber hinaus verursacht
das Verfahren gemäß der Erfindung keine wesentliche Verfärbung des Fadens. Außerdem
neigen die Fäden, wenn man sie anschließend erhöhten Temperaturen aussetzt, nicht
dazu, merklich zu schrumpfen. Zum Beispiel ist die Schrumpfung von Fäden bei dem
in der Textilindustrie angewendeten Auskochen für alle praktischen Zwecke zu vernachlässigen
und liegt im Bereich von 0 bis 29/o.