-
Verfahren zur Herstellung von therapeutisch wertvollen Acylderivaten
von Hyoscin (=Scopolamin) oder Atroscin (= dl-Hyoscin) oder deren Salzen Die Erfindung
bezieht sich auf die Herstellung von Acylderivaten des Hyoscins, welches auch unter
der Bezeichnung »Scopolamincc bekannt ist.
-
Hyoscin ist ein Alkaloid, das schon seit langer Zeit in der Heilkunde
verwendet wird, z. B. als Beruhigungsmittel und als Mittel zur Verhinderung oder
Verminderung der Seekrankheit oder Luftkrankheit. Es wird meistens nicht in der
Form der freien Base, sondern in der Form der Salze des linksdrehenden Isomeren
mit Säuren, z. B. als Hydrobromid, verwendet. Das rechtsdrehende Isomere und die
optisch inaktive dl-Verbindung (welche als »Atroscin« bezeichnet wird) sind ebenfalls
bekannt. Hyoscin zeigt bei seiner therapeutischen Anwendung unerwünschte Nebenwirkungen,
wie Schläfrigkeit, Trockenheit im Munde und Sehstörungen. Bei empfindlichen Personen
können diese Nebenwirkungen so stark auftreten, daß sie die Anwendung des Mittels
ausschließen.
-
Die nach der vorliegenden Erfindung hergestellten Hyoscinacylderivate
verringern nun diese unerwünschten Nebenwirkungen und bleiben auch im Körper länger
wirksam.
-
Es wurde nun gefunden, daß man Hyoscin oder Atroscinderivate herstellen
kann, welche im Körper langsam Hyoscin- oder Atroscin abspalten, indem
man
Hyoscin oder Atroscin acyliert, wobei die Acylgruppe an die Hydroxylgruppe des Tropasäürerestes
des Moleküls gebunden wird, wie aus den folgenden Formelbildern ersichtlich ist
R bedeutet einen Alkyl- oder Arylrest.
-
Die Acylierung des d- oder 1-Hyoscins oder Atroscins oder deren Gemische
oder deren Salze mit Säuren erfolgt in bekannter Weise. Erforderlichenfalls kann
man auch anschließend die Salze von Säuren herstellen und diese reinigen. _ Als
Acylierungsmittel können die Säurechloride und -anhydride von Essig-, Propion-,
Butter-, Valerian-, Benzoesäure und anderen Carbonsäuren verwendet werden, vorteilhaft
solche mit z bis 6 Kohlenstoffatomen; zweckmäßig führt man eine Acetylgruppe ein.
-
. Die Salze können in Form von Tabletten oder von Lösungen in Ampullen
oder von löslichen Suppositorien als Heilmittel angewendet werden.
-
Es muß jedoch bemerkt werden, daß bei intravenöser Einspritzung (nicht
aber bei intramuskulärer oder oraler Anwendung) die Giftigkeit der neuen Verbindungen
größer ist als diejenige der bisher verwandten Stoffe.
-
Biologische Versuche haben gezeigt, daß die Absorptionsgeschwindigkeit
der - neuen Verbindungen geringer ist als diejenige der nicht acylierten Stoffe.
Demzufolge ist auch die unmittelbare Wirkung geringer, die Wirksamkeit als solche
wird aber verlängert. Die spasmolytische Wirksamkeit wird stärker herabgesetzt als
die Wirkung auf das Zentralnervensystem. Auf Grund dieser Abweichungen sind die
neuen Verbindungen länger wirksam und zeigen auch geringere Nebenwirkungen. Sie.
sind aber trotzdem noch wirksame Bekämpfungsmittel für See- und Luftkrankheiten
sowie sehr gute Beruhigungsmittel. Die besondere Wirkung der neuen Verbindungen
zeigen die nachstehenden Versuchsergebnisse.
-
i. Giftigkeit Die orale Verabreichung der erfindungsgemäß hergestellten
Verbindungen an Mäuse, Ratten und Katzen hat gezeigt, daß die Giftigkeit dieser
Ester in Form der Hydrobromide proportional dem Hyoscingehalt ist. Bei der intravenösen
Einspritzung an Mäusen wurde jedoch gefunden, daß die Hälfte der Tiere bereits auf
eine Dosis ansprach, die nur 4o bis 5o°/0- der bei Hyoscin wirksamen Menge betrug.
Diese Tatsache läßt erkennen, daß bei der oralen Verabfolgung die Giftigkeit durch
abgespaltenes Hyoscin. bewirkt wird. -2. Spasmolytische Wirksamkeit Isolierter Krummdarm
von Meerschweinchen wurde mit Carbamylcholinchlorid (Konzentration ein Teil auf
3 Millionen) kontrahiert und zur Bestimmung der spasmolytischen Wirksamkeit der
einzelnen Hyoscinderivate verwendet. Die erhaltenen Ergebnisse sind im folgenden
aufgeführt:
Hyoscinhydrobromid . . . . . . . . . . . . . . . i : 2 |
Acetylhyoscinhydrobromid . . . . . . . . . . i |
Propionylhyoscinhydrobromid ....... o,6 |
Butyrylhyoscinhydrobromid ........ 0,4 |
Versuche an Menschen Die klinische Dosis wurde durch Tierversuche ermittelt, weiterhin
wurden Mengen von o,648 und o,926 mg an Gruppen von zwölf bzw. achtzig Versuchspersonen
gegeben. Die Dosis von o,648 mg wurde gewählt, weil sie von "militärischen Stellen
zur Überwachung der See- und Luftkrankheit bei der Verwendung von Hyoscinhydrobromid
empfohlen wird. Außerdem verursacht eine solche Menge an Hyoscinhydrobromidin fast
ioo°/o aller Fälle Nebenwirkungen, einschließlich Sehstörungen, Trockenheit des
Mundes, Gleichgewichtsstörungen und Kopfschmerzen. Es wurde gefunden, daß diese
Nebenerscheinungen am stärksten bei der Verwendung von Hyoscin und Acetylhyoscin,
weniger stark bei Butyrylhyoscin und in bedeutend vermindertem Maß bei PropionyI-
und Valerylhyoscin auftreten. Hyoscinhydrobromid hat bei manchen Menschen so unangenehme
Nebenwirkungen, daß sie lieber luft- oder seekrank sind. Diese unangenehmen Nebenwirkungen
werden bei den Propionyl- und. Valerylestern des Hyoscins stark vermindert, und
selbst bei einer Dosis von o,926 mg wurden diese von nur zwei unter zwölf Versuchspersonen
als unangenehm empfunden. .
8o Versuchspersonen |
Dosis von '/,..mg |
Nebenwirkungen Hyoscin Propionyl- |
in ° hyoscin |
° I in °° |
Trockenheit im Mund ... 30 23 |
Sehstörungen ........... 30 12 |
Kopfschmerzen ......... 15 1 |
Schläfrigkeit ... . . ... . . .. To 1 |
i |
Erbrechen .............. 7 i o |
Viele Versuchspersonen zeigten zwei oder mehr Nebenwirkungen. Aus diesen Versuchsergebnissen
ist ersichtlich, daß die Nebenwirkungen, außer der Trockenheit im Mund, bei der
Verabreichung des Propionylhyoscins wesentlich geringer waren, das gleiche gilt
für Valerylhyoscin. Besonders augenscheinlich ist die Verminderung der Nebenwirkungen
im Zentralnervensystem.
-
Beginn und Dauer der beruhigenden Wirkung Im allgemeinen wurde beobachtet,
daß die Zeit bis zum Einsetzen der beruhigenden Wirkung und deren Dauer bei der
Verwendung von Hyoscin und Acetylhyoscin die gleiche, jedoch bei der Verabreichung
von Propionyl- und Valerylhyoscin beträchtlich herabgesetzt war. Dies zeigt sich
auch aus den in der folgenden Tabelle angeführten Versuchsergebnissen. 40 Versuchspersonen
für jedes Mittel. Dosis o,648 mg.
Hyoscin I Acetylhyoscin I Propionylhyoscin I Valerylhyoscin |
Zahl der nicht beein- |
flußten Personen ... 8 fo 12 15 |
Durchschnittszeit bis |
zum Beginn der |
Wirkung .......... 40 Minuten 42 Minuten 61 Minuten 65 Minuten |
Durchschnittliche |
Wirkungsdauer ..... 125 Minuten 130 Minuten 18o Minuten
180 Minuten |
Zahl der Versuchs- |
personen, bei welchen |
die Wirkung länger als |
3 Stunden anhielt . . 0 2 9 g |
Die Anwesenheit des Enzyms Cholinesterase im menschlichen Körper, dessen Wirkung
in der Verseifung des Acetylcholins besteht, ist wahrscheinlich für das schnelle
Freiwerden von Hyoscin aus Acetylhyoscin verantwortlich, so daß die Wirkung dieser
beiden Verbindungen einander sehe ähnlich ist. Aus Butyrylhyoscin wird Hyoscin etwas
langsamer durch Enzyme freigemacht. Es ist wahrscheinlich, daß Hyoscin nur ganz
allmählich aus dem Propionyl- und Valerylester abgespalten wird, und daß daher die
Nebenwirkungen beträchtlich verringert werden, womit auch die verlängerte Wirksamkeit
zu erklären ist.
-
Bei Versuchspersonen, die der Bewegung in einem Drehstuhl ausgesetzt
wurden, ist Propionyl- und Valerylhyoscin in gleicher Weise wirksam wie Hyoscin
selbst.
-
Die nachstehenden Beispiele dienen zur näheren Erläuterung der Erfindung.
-
Beispiel i 509 1-Hyoscinhydrobromid werden mit Zoo ccm Essigsäureanhydrid
i Stunde auf eine Temperatur von 85 bis foo° erhitzt. Wenn man das Gemisch abkühlen
läßt, kristallisiert Acetyl-l-hyoscin-hydrobromid in feinen Nadeln aus. Diese werden
abfiltriert und mit Äther gewaschen. Eine weitere kleine Ausbeute wird noch erhalten,
wenn man das Filtrat und den zum Waschen verwendeten Äther 3 Tage stehenläßt. Die
Gesamtausbeute beträgt 5o g, also mehr als 95% der theoretischen Ausbeute. Aus Äthanol
umkristallisiert besitzt das Produkt einen Schmelzpunkt von 189,5 bis igo° und eine
spezifische Drehung von -26,6°.
-
Beispiel 2 5o g Atroscinhydrobromid, welches vorher bei 1o5° getrocknet
worden war, werden mit Zoo ccm Essigsäureanhydrid im Ölbad 2 Stunden auf 85° erhitzt.
Nach dem Abkühlen und Stehenlassen der Mischung über Nacht bei 4° kristallisiert
das Acetylatroscinhydrobromid erst nach Animpfung aus. Die Kristalle werden abfiltriert
und mit Äther gewaschen, wobei man eine zweite Ausbeute erhält, wenn man das Gemisch
aus Filtrat und Waschäther stehenläßt. Die Gesamtausbeute beträgt 48,5 g. Nach dem
Umkristallisieren aus Alkohol hat das Produkt einen Schmelzpunkt von 175° und eine
spezifische Drehung von -i° in 5°/°iger alkoholischer Lösung.
-
Beispiel 3 5o g praktisch reines d-Hyoscinhydrobromid (spezifische
Drehung über +2o0, also mit einem Gehalt von etwa fo°/° linksdrehendem Isomerem),
welches vorher bei fo5° getrocknet worden war, werden mit Zoo ccm Essigsäureanhydrid
2 Stunden bei foo bis i2o° eingedampft. Beim Reiben des abgekühlten Gemisches
mit
einem Glasstab kristallisiert Acetyl-d-hyoscinhydrobromid (hauptsächlich rechtsdrehend)
aus, wobei eine erste Ausbeute von 46 g erhalten wird. Weitere 5 g kristallisieren
beize Verdünnen des Filtrats mit Äther aus. Die vereinigten Kristallmengen werden
aus Äthylalkohol umkristallisiert und. ergeben 42,5 g gereinigtes Acetyl-d-hyoscinhydrobromid
zeit einem Schmelzpunkt von z88,5°.
-
Beispiel 4 509 1-Hyoscinhydröbromid, welches vorher zur .Entfernung
von Kristallwasser. getrocknet worden war, werden unter RückfluB mit 15o ccm Acetylchlorid
auf etwa 7o° erhitzt. Es erfolgt eine heftige Entwicklung von Salzsäuregas: Die
Masse wurde beimAbkühlen fest. Sie wird- mit Ätheraufgeschlämmt und filtriert, wobei
53 g Acetyl-l-hyoscinhydrobromid zeit einem Schmelzpunkt von 187° gewonnen wird.
Das Rohprodukt ergibt nach dem Umkristalhsieren aus 6oo ccm absolutem Äthylalkohol
46 g gereinigtes Produkt zeit dem Schmelzpunkt 188 bis 189°.
-
Beispiel s 5o g 1-Hyoscinhydrobromid (wasserfrei) werden 2 Stunden
mit Zoo ccm Propionsäureanhydrid auf 8o bis loo° erhitzt. Nach dem Zusatz von Äther
zu der gekühlten Reaktionsmasse scheiden sich 32 g faserige Kristalle ab. Eine zweite
Ausbeute von 8 g kristallisiert aus dem Filtrat aus. Der Schmelzpunkt des Propionyl-l-hyoscinhydrobromids
beträgt 134°, das Äquivalentgewicht 442 (berechnet 44o).
-
Beispiel 6 50 g wasserfreies Atroscinhydrobromid werden mit
Zoo ccm Propionsäureanhydrid erhitzt und wie im Beispiel 5 aufgearbeitet. Wird das
Rohprodukt (43 g) aus einem Gemisch von absolutem Äthylalkohol und Methylketon umkristallisiert,
so erhält mann 26 g reines Propionylatroscinhydrobromid, - der Schmelzpunkt beträgt
133°; es ist optisch inaktiv.
-
Beispiel 7 509 1-Hyoscinhydrobromid (wasserfrei) werden 2 Stunden
mit Zoo ccm n-Buttersäureanhydrid auf 8o bis ioo° erhitzt. Beim-Abkühlen scheidet
sich n-Butyryl-l-hyoscinhydrobromid ab, es wird abfiltriert und mit Äther gewaschen.
Es werden 589
erhalten, die bei 17o,5° schmelzen. Nach dem Umkristallisieren
aus absolutem Äthylalkohol ergeben sich 53 g mit einem Schmelzpunkt von 173° und
einem Molekulargewicht von 459 (berechnet 454).
-
Beispiel 8 50g Atroscinhydrobromid ergeben bei einer Behandlung
wie im Beispiel ? eine Ausbeute von 59 9
n-Butyrylätrösciuhydrobromid mit
einem Schmelzpunkt von z52,5°. Nach dem Umkristallisieren werden 46 g mit dem gleichen
Schmelzpunkt und einem Äquivalentgewicht - von 454. (berechnet 454) erhalten.
-
Beispiel 9 5o g annähernd reines d-Hyoscinhydrobromid, welches aber
bis zu etwa 1o Gewichtsprozent des linksdrehenden Isomeren enthielt (spezifische
Drehung -2o,5°) werden wie im Beispiel? und 8 behandelt. Man erhält 49 g n-Butyryl-d-hyoscinhydrobromid
mit einem Schmelzpunkt von 167° und nach denn Umkristallisieren 43 g zeit einem
Schmelzpunkt von 17o°. Beispiel io 509 1-Hyoscinhydrobromid werden mit Zoo
ccm Benzoylchlorid 2 Stunden auf 11o° erhitzt. Beim Abkühlen traten keine Kristalle
auf; diese. schieden sich aber nach Zusatz von Äther ab. Nach dem Umkristallisieren
aus einem Gemisch von absolutem Äthylalkohol und Methyläthylketon erhält man 319
Benzoyl-l-hyoscinhydrobromid
mit einem Schmelzpunkt von 181,5°. Eine weitere Ausbeute konnte noch aus den verschiedenen
Mutterlaugen gewonnen werden. Das Äquivalentgewicht beträgt- 491 (berechnet 488).
.