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Verfahren zur Gewinnung der organischen Bestandteile aus Ölschiefer,
Ölkalk und ähnlichen ölführenden Gesteinen Bekanntlich enthalten Ölschiefer, Ölkalk
und ähnliche ölführende Gesteine je nach ihrer Zusammensetzung und entsprechend
ihrem Vorkommen in den verschiedenen geologischen Lagerungen einen mehr oder weniger
hohen Anteil an ölhaltigen und brennbaren Substanzen, der jedoch wesentlich geringer
ist als z. B. bei hochwertigen Brennstoffen, wie Steinkohle, Braunkohle, Holz oder
Torf. Beim Verschwelen solcher hochwertiger Brennstoffe bleibt der darin enthaltene
Kohlenstoff in den Schwelrückständen (dem Schwelkoks) gebunden, so daß ein Vergasen
der letzteren nur in besonderen Generatoren möglich ist.
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Ein solches Verfahren zum Verschwelen und Vergasen ist jedoch um so
weniger durchführbar, je geringer der Anteil an Kohlenstoff im Schwelkoks ist. So
hat sich gezeigt, daß z. B. bei Ölschiefern des Juras und anderen geologischen Lagerstätten
eine Vergasung in Generatoren zu keinem wirtschaftlich tragbaren Ergebnis führt
bzw. die Gasausbeute so gering ist, daß nicht einmal der Wärmebedarf des Schwelprozesses
damit zu decken, geschweige denn ein Überschuß an Gas zu erhalten ist. Trotz aller
jahrelangen Versuche bei hohen und niederen Schweltemperaturen ist bei allen bekanntgewordenen
Verfahren die Ausbeute so schlecht, daß über die Hälfte des Gesamtheizwertes in
den Schwelrückständen (dem Schieferkoks) als unverwertbar enthalten bleibt. Obwohl
auf immer höhere Gasausbeute hingearbeitet wird, ist es somit nicht gelungen, die
vorgenannten Mängel auch mit neuzeitlichen Schachtöfen technisch und wirtschaftlich
zu beseitigen, so daß der bedeutende, in den Rückständen verbleibende
Kohlenstoffgehalt
als immun und unverwertbar und damit als verloren angesehen wird.
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Wenn jedoch eine nutzbringende Verwertung von Ölschiefer, Ölkalk und
ähnlichen. ölführenden. Gesteinen erreicht werden soll, ist es notwendig, nicht
nur die ölhaltigen, sondern auch alle anderen brennbaren Substanzen möglichst restlos
dem Gestein zu entziehen. Hierbei ist vor allem zu beachten, daß der Anteil an organischer
zu anorganischer Substanz genau umgekehrt ist wie bei festen Brennstoffen, wie z.
B. bei Kohle. So beträgt z. B. bei Ölschiefer, wie er in .großen Lagern im mitteleuropäischen
Jura enthalten ist, der Anteil an organischer Substanz etwa 25 bis 30°/o
und der Anteil an mineralischer, unbrennbarer Substanz etwa 75 bis 700/a bei einem
Wärmeinhalt im Mittel von etwa i2oo bis 140o kcal/kg Rohschiefer und einem Ölgehalt
von im Mittel etwa q. bis 61/o. Mineralisch besteht der Ölschiefer außer den ölhaltigen
und brennbaren Substanzen praktisch aus Kalkstein mit Beimengungen vonTon und Schwefel.
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Das Ziel einer restlosen Gewinnung des ganzen, in solchen Gesteinen
enthaltenen Wärmeinhaltes auf wirtschaftliche Weise wird nun nach dem erfindungsgemäßen
Verfahren auf grundsätzlich neue und überraschend einfache Art nicht über die Ölgewinnung
(die Verschwelung) allein, sondern über eine unmittelbar daran anschließende, vollständig
neuartige Vergasung der Schwelrückstände, des sogenannten Schieferkokses, erreicht.
Entgegen allen bisherigen Erwartungen und Anschauungen läßt sich bei ölführenden
Gesteinen der vorgenannten Art eine praktisch restlose Ausbeute erzielen, wenn.
unter anderem insbesondere zwei wichtige Vorbedingungen eingehalten werden. Die
eine Vorbedingung ist die Verwendung einer geeigneten Korngröße, und die andere
Vorbedingung ist die Einhaltung einer bestimmten Vergasungstemperatur, wobei diese
Vorbedingungen von der Reaktionsfähigkeit des in dem Gestein enthaltenen Kohlenstoffes
abhängig sind.
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Überraschenderweise hat sich auf Grund eingehender Versuche ergeben,
daß bei ölführenden Gesteinen, wie z. B. Ölschiefer, Ölkalk und ähnlichen Gesteinen,
im Gegensatz zu anderen Brennstoffen die Gasausbeute bei Einhaltung eines bestimmten
Feinkornes ein Optimum ergibt. Die Gasausbeute ist bei einer Korngröße von etwa
2 mm Durchmesser am größten und wird um so kleiner, je größer die Körnung ist, so
daß bei über 7 mm Korngröße eine Gasausbeute in dem gewünschten Umfange nicht mehr
stattfindet, Technisch ist infolgedessen eine Korngröße bis zu 7 mm Durchmesser
einzuhalten, wobei der Anteil einer Korngröße von 2 mm Durchmesser, dem sogenannten
Leitkorn, am größten ist. Die Bildung von reaktionsfähigen Schwelrückständen wird
somit durch die Schaffung einer großen Oberfläche begünstigt, wobei bereits schon
von vornherein. durch den hohen Gehalt an mineralischer Substanz eine weitgehende
feine Verteilung .der Kohlenstoffatome vorliegt. Dabei ist dieser Kohlenstoffanteil,
der im Mittel 8 bis io°/° beträgt, durch die innere Feinheit seiner Struktur gegenüber
den üblicher festen Brennstoffen besonders ausgezeichnet. Dies( günstige Oberflächenverteilung
in Verbindung rnil der Feinkörnung des Gesteines löst bei der anoma: niederen Reaktionstemperatur
von etwa 700° C di( Vergasung aus, welche praktisch bei etwa 85o°' C beendet ist.
Noch höhere Temperaturen bedingen nur einen höheren Wärmeverbrauch, ohne daß dadurch
die Gasausbeute in nennenswertem Maße noch ansteigt. Zweckmäßigerweise werden ,die
Verschwelung und die daran anschließende Vergasung in dünner, schleierartiger Schicht,
deren Dicke etwa das 5- bis iofache des Durchmessers d-es Leitkornesbeträgt, z.
B. in einem sch.achtartigen Schwelofendurchgeführt, wobei zuerstbei Temper.atürenbis
etwa 52o° C die Verschwelung und damit die Ölgewinnung,in Üblicher Weise erfolgt
und dann sofort daran anschließend und ohne Unterbrechung die Vergasung bei Temperaturen
zwischen 700 und 85o° C unter Luftabschluß vorgenommen wird.
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Bei der Verschwelung von ölführenden Gesteinen werden im allgemeinen
etwa 40 bis q.5 % des in dem Gestein enthaltenen Gesamtheizwertes in Form von Öl
erhalten. Außerdem tritt auch bei den bisher üblichen Verfahren eine geringe Gasausbeute
ein, so daß etwa die Hälfte des Gesamtheizwertes dem Gestein entzogen wird, aber
die andere Hälfte des Gesamtheizwertes in den Schwelrückständen verbleibt. Wenn
aber nach dem erfindungsgemäß.en Verfahren und unter Luftabschluß verschwelt und
vergast wird, steigt die Gasausbeute um ein Mehrfaches an, so daß nicht nur 50'/o
wie .bei den bekannten Schwelverfahren, sondern über 8o °/o des Gesamtheizwertes
dem Rohgestein entzogen werden. Eine solch hohe Gasausbeute ist darauf zurückzuführen,
daß infolge der sich durch den Schwelvorgang auslösenden Reaktionsfähigkeit des
ölführenden Gesteines der in jedem Schiefer vorkommende kohlensäurehaltige Kalkstein
teilweise ,gebrannt wird, wobei die entstehende Kohlensäure unter Luftabschluß in
brennbares Kohlenoxydgas übergeführt wird.
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Durch den Zusatz von Eisenfeinerzen wird praktisch der gesamte Heizwert
dem Rohgestein entzogen, und keine brennbaren Substanzen verbleiben mehr in den
Rückständen. Erforderlich ist j e nach der Zusammensetzung des ölführenden Gesteines
ein Zusatz an gepulverten Eisenerzen bis zu etwa 2,501o des Einsatzgewichtes. Eine
so vollkommene Vergasung ist auch aus der Tatsache zu ersehen, daß die Rückstände
nicht mehr wie sonst üblich über 8o0%, sondern nur noch weniger als 70°/o des Einsatzgewichtes
betragen.
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Diese hohe Ausbeute bei der erfindungsgemäßen Feinkorndünnschichtverschweilung
und -vergasung ist ,den in: der nachstehenden Tabelle aufgeführten Zahlenangaben
zu entnehmen, die sich auf eine relativ schlechte Ölschiefersorte I und auf eine
bessere Öl.schiefersorte II, beide vom schwäbischen Jura, beziehen.
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Ähnliche Werte ergeben sich auch bei Ölschiefern anderer geologischer
Lagerstätten, bei Ölkalk und ähnlichen ölführenden Gesteinen.
Bezeichnung Ölschiefer I Ölschiefer Il |
Gesamtheizwert je kg . . . . . . . .. . ... .. .. . . . ..
. .. . . .. . .. iioo kcal 1420 kcal |
Ölgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4,8% 6,3% |
Durch Verschwelung üblicher Art: |
ölausbeute 95 0% vom Ölgehalt, mit io 90o kcal . . . . . .
. . . . q.50 kcal 60o kcal |
Gasausbeute 30 cbm/t mit 4ooo kcal . . . . . . . . .
. . . . . . . . . 12o kcal 12o kcal |
Zusammen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . 57o kcal = 52 0% 72o kcal = 51 |
In den Rückständen verbleiben . . . . . . . . . . . . . 53o
kcal = 48 0% 70o kcal = 49 0% |
Durch Feinkornverschwelung und -vergasung: |
Ölausbeute wie vor .................................. q.50
kcal 60o kcal |
Gesamtausbeute |
Bei I 152 cbm/t mit 310o kcal/kg |
und bei II 20o cbm/t mit 320o kcal/kg .... ... .......
q.70 kcal 640 kcal |
Zusammen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . 92o kcal = 84 0@o I240 kcal = 87 0/0 |
Durch Feinkornverschwelung und -vergasung mit Zusatz |
von Eisenfeinerzen: |
Ölausbeute wie vor .................................. q.50
kcal 60o kcal |
Gesamtausbeute |
Bei I 200 cbm/t und bei 1I 250 cbm/t . . . . . . . . . . .
. . . . 62o kcal 80o kcal |
Zusammen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . io7o kcal = 97/o 1400 kcal = 98,6 0% |
Bei allen bisher bekanntgewordenen Verfahren zur Verwertung von Ölschiefern und
ähnlichen Gesteinen ist durch die unverwertbaren Rückstände stets eine beträchtliche
Wärmeunterbilanz (bis zu etwa 90o kcal/kg) aufgetreten. Diese Unterbilanz ist auch
die ausschlaggebende Ursache für die geringe Wirtschaftlichkeit der Ausbeute solcher
Gesteine.
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Wenn nun nach dem erfindungsgemäßen Verfahren vergast wird, ergibt
sich eine wirtschaftlich tragbare Wärmebilanz, da für den gesamten Prozeß einschließlich
der auftretenden Verluste einem Wärmebedarf von rund 670 kcal eine Wärmeausbeute
von etwa 50o kcal entgegensteht, wozu noch die fühlbare Wärme in den Rückständen
und in den Rauch- und Destillationsgasen von insgesamt etwa 36o kcal kommt.
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Die Gasanalyse des z. B. aus Ölschiefer gewonnenenRohgases zeigt etwa
folgendeZusammensetzung: 28% C02 (Kohlensäure), 4% H2S (Schwefelwasserstoff), q.o/o
C"Hn (Kohlenwasserstoffe), q.q.o/a C O (Kohlenoxyd), 9,5 % H2 (Wasserstoff), 90/a
CH4 (Methan), 1,5% N2 (Stickstoff). Ein solch hoher Anteil an C O ist vollkommen
neu und einzigartig, was von der Vergasung unter Luftabschluß herrührt, wobei die
Füllung des Schwelofens wie ein Verschlußstopfen wirkt. In dem Rohgas ist somit
kein Luftstickstoff enthalten im Gegensatz zu der :sonst üblichen Vergasung in Generatoren,
bei welcher der Anteil an Luftstickstoff meistens über die Hälfte beträgt. Begünstigt
wird außerdem der hohe Anteil an C O in dem Rohgas durch die mineralische Zusammensetzung
des Gesteines mit seinem hohlen Gehalt an Kalkstein.
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Das in so hoher Ausbeute anfallende Rohgas kann auf verschiedene Weise
verwertet werden, wobei es zweckmäßig ist, eine Reinigung oder Veredelung durchzuführen.
So ist es z. B. möglich, den Anteil des Kohlenoxydgases (den CO-Gehalt) durch Kohlensäure-
undi Schwefelwasserstoffwäsche von 440/a auf über 65 % zu steigern.
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Das in .den Vergasungsprozeß gebrachte Eisenfeinerz reichert sich
während dieses Prozesses an und nimmt dabei den gesamten, in den Rückstänr den enthaltenen
Schwefel auf. Dieser kann daraufhin durch Röstung nach bekannten Verfahren gewonnen
werden.
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Die noch zurückbleibenden mineralischen Rückstände (etwa 70% des Rohgesteines)
werden wie üblich weiterverarbeitet, z. B. zu Bausteinen aller Art, Steinwolle oder
Zement, wobei der sm allgemeinen im Liegenden anstehende Zementmergel durch Brennen
bei etwa goo" C einen hochwertigen Romanzement ergibt.
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Durch das erfindungsgemäße Verfahren lassen sich somit auf vollkommen
neuartige Weise alle organischen Bestandteile aus Olschiefer, Ölkalk und ähnlichen
ölführenden und bisher meist als unverwertbar betrachteten Gesteinen in trockener
Destillation ohneVerwendung vonDampf technisch und wirtschaftlich günstig gewinnen
und mit großem Nutzen veredeln und verwerten, ganz abgesehen davon, daß mich die
mineralischen Rückstände solcher Gesteine restlos und nutzbringend erhalten und
auf im allgemeinen bekannte Art weiterverarbeitet werden können.