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Verfahren zur Herstellung von hochwertigem Fliegerbenzin aus Erdölbenzinen
Es ist bekannt, daß Erdölbenzine aus zahlreichen Kohlenwasserstoffen bestehen, die
untereinander sehr unterschiedliche motorische Eigenschaften aufweisen. Die Zahl
der Gemischteilnehmer ist aber meist derart groß, daß selbst durch starke Fraktionierung
nur eine nahezu kontinuierlich aufsteigende Siedekurve erhalten werden kann. Hierbei
hat man bereits Fraktionen isoliert, die eine höhere Klopffestigkeit aufweisen als
unmittelbar benachbarte Fraktionen, wobei sich dieses Verhalten periodisch über
den ganzen Siedebereich wiederholt.
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Eine technisch durchgeführte destillative Ruftrennung zur Gewinnung
möglichst hochwertiger Fliegerbenzine war bisher nicht möglich. Schon bei Mehrstoffgemischen
erfordert die Berechnung der erforderlichen Destillationskolonnen eine erhebliche
Arbeit. Bei Vielstoffgemischen,wie sie im Rohöl oder handelsüblichen Rohölfraktionen
vorliegen, hielt man derartige Berechnungen bisher nicht für durchführbar. Aus diesem
Grunde hat die destillative Auftrennung von Erdölbeuziren in hochklopffeste Autobenzine
bisher keine technische Anwendung gefunden. Abgesehen von den Schwierigkeiten, die
sich aus der komplizierten Zusammensetzung der Erdölbenzine ergeben, steht derartigen
Verfahren das große Bedenken entgegen, daß bei Abtrennung wertvoller Bestandteile
die zurückbleibenden Reste zwangsläufig weniger wertvoll sein müssen und daß man
so das Problem nicht eigentlich löst, sondern vielleicht nur verschiebt, indem die
aus dem Erdölbenzin abgetrennten motori_c'.i weniger wertvollen Anteile nun erst
in einem verhältnismäßig schwierigen Verfahren für die weitere motorische
Verwendung
brauchbar gemacht werden müssen. Wahrscheinlich wird auch diese Überlegung mit dazu
beigetragen haben, daß in der Technik die einfache destillative Abtrennung wertvoller
Benzinanteile bisher noch nicht ausgeführt worden ist.
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Es wurde nun gefunden, daß es durch eine wenn auch nicht einfache,
so doch immerhin technisch durchführbare, sorgfältig geführte Destillation gelingt,
das komplizierte Erdölbenzin in eine Reihe von Fraktionen zu zerlegen, die große
Unterschiede in den motorischen Eigenschaften aufweisen. Hierbei wurde als Leitzahl
für die motorische Brauchbarkeit der Fraktionen nicht die übliche Oktanzahl gewählt,
sondern die Überladekurve. Die Methode der Überladeprüfung ist beispielsweise näher
beschrieben in dem Buch von M. Marder, Motorkraftstoffe, Berlin 1942, S. 466 bis
468. Grundsätzlich gibt diese Methode in einer Kurve die Leistung eines bestimmten
Prüfmotors an, bei der in Abhängigkeit von dem Brennstoff-Luft-Gemisch ein Klopfen
des Motors eintritt. Bei den chemisch sehr verschieden aufgebauten Erdölbenzinkomponenten
gibt die Oktanzahl keine exakten Vergleichsmöglichkeiten, besonders im Hinblick
auf die Eignung der Stoffe als Fliegerbenzin. Das Überraschende ist, daß es durch
rein destillative Arbeitsweise gelingt, aus einem Erdölbenzin, das eine bestimmte
mittlere Überladbarkeit aufweist, Fraktionen zu gewinnen, die eine so hohe Überladbarkeit
aufweisen, daß aus ihnen der Aufbau von Fliegerbenzinen möglich wird.
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Auf der anderen Seite entstehen natürlich Fraktionen von wesentlich
geringerer motorischer Güte. Jedoch hat es sich bei der Untersuchung beispielsweise
von paraffinösem rumänischem Benzin, das an sich eine Oktanzahl von nur 54 hat,
gezeigt, daß nach Abtrennung von 36 °/o höchstwertiger Fraktionen die zurückbleibenden
Benzinanteile im wesentlichen doch noch ein brauchbares Autobenzin ergeben, da die
Bleiempfindlichkeit dieser Anteile so hoch ist, daß die Qualitätsminderung des bleifreien
Benzins durch die Bleizugabe voll ausgeglichen wird, d. h. das Benzin verhält sich
trotz Herausnahme der hochwertigen Fraktionen praktisch etwa so, wie sich das die
hochwertigen Fraktionen noch enthaltende Ausgangsbenzin verhalten hat, wenn Ausgangsbenzin
sowohl wie Restbenzin nach Zusatz der üblichen Bleimenge von o,45 ccm pro Liter
motorisch untersucht werden.
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Die Untersuchung einer Reihe von Benzinen hat nun ergeben, daß zwar
alle bislang untersuchten Erdölbenzine nach dem neuen Verfahren aufarbeitbar sind,
daß aber beispielsweise synthetische Benzine im allgemeinen Schwierigkeiten bereiten.
Beispielsweise ist es vollständig unmöglich, ein Fischer-Benzin auf diese Weise
aufzuarbeiten, weil das Fischer-Benzin keine Komponenten enthält, die zum Aufbau
eines- Fliegerbenzins geeignet sind. Aber auch bestimmte Hydrierbenzine aus Braunkohlenschwelteeren
haben sich als ungeeignet erwiesen, da es nicht möglich ist, aus ihnen Fraktionen
zu gewinnen, deren Überladekurve so hoch über der Überladekurve des Ausgangsbenzins
liegt, daß eine wesentliche Verbesserung mit einer Ausbeute möglich wäre, die den
Aufwand des Verfahrens lohnt. Eine allgemeine Arbeitsregel, etwa in der Form, daß
man sagen könnte, man hat aus einem Erdölbenzin die bestimmten zwischen so und so
viel Grad siedenden Fraktionen herauszuschneiden, kann nicht gegeben werden, da
sich herausgestellt hat, daß die untersuchten Benzine eine so verschiedene Zusammensetzung
haben, daß jedes Benzin nur nach genauester individueller Untersuchung verarbeitet
werden kann.
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Die Untersuchung, die die Entscheidung bringt, ob ein Benzin nach
dem Verfahren verarbeitbar ist oder nicht, wird zweckmäßig so durchgeführt, daß
das Benzin in einer kleinen Apparatur untersucht wird, wobei die Trennkolonne zweckmäßig
eine Trennschärfe nicht unter 45 theoretischen Böden haben darf und ein Rücklaufverhältnis
von etwa r ::2o bis i : 40 angewendet wird. Zweckmäßig verfährt man nach dem Verfahren
der Erfinderin so, daß das bis etwa 16o' siedende Benzin erst in drei verhältnismäßig
grobe Schnitte unterteilt wird, die man bei etwa 1/a und 2/3 der Menge legt. Diese
Vorschnitte enthalten dann die Einzelfraktionen in dreifacher Anreicherung. Man
unterteilt sodann diese Vorschnitte, wobei die Abnahme der Fraktionen so eingerichtet
wird, daß über den ganzen Siedebereich etwa 2o bis 25 Fraktionen entstehen, wobei
die Dichten bzw. ein Wechsel in der Dichte der Fraktionen als vorläufiger Maßstab
für Anfang und Ende einer Fraktion angenommen wird.
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In der Abb. z ist eine derartige Fraktionierung näher erläutert. Man
erkennt, daß die Dichtekurve sehr starke Schwankungen aufweist. Die abgenommenen
Fraktionen liegen zwar etwas willkürlich, aber doch so, daß möglichst Körper gleicher
Dichte in einer Fraktion vereinigt sind. Bei starkem Wechsel der Dichten auf den
steilen Kurvenstücken ergeben sich nur sehr kleine Fraktionen, während bei konstanteren
Dichten die Mengen der Einzelfraktionen größer sind.
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Nach Beendigung dieser Destillation wurden die gewonnenen Einzelfraktionen
zur motorischen Untersuchung eingesetzt und ihre Überladekurven bestimmt.
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Die Abb. 2 a, 2 b, 2 c und 2 d zeigen die Untersuchung der erhaltenen
einundzwanzig Fraktionen. Man sieht, daß die Überladekurven außerordentlich stark
variieren. Es wurden jetzt diejenigen Benzinfraktionen zusammengefaßt, deren Überladekurve
oberhalb der aus Abb. 2 ersichtlichen Doppellinie liegt. Diese Doppellinie bezeichnet
die Grenzen, in denen die Überladekurve des B4 Kraftstoffs liegt (vgl. 1r1. Marder,
Motorkraftstoffe, Berlin 1942, S.495) Die Zusammenmischung dieser Fraktionen ergibt
ein Benzin von der Qualität, wie es in der Abb. 3 näher gekennzeichnet ist. Man
sieht, daß das Benzin in der Überladekurve praktisch bei den C3 Kraftstoffen liegt,
d. h. bei den heute für höchste Anforderungen in der Luftfahrt verwendeten Kraftstoffen.
Aber nicht nur die Überladbarkeit dieses Benzins entspricht den Fliegernormen, sondern
auch sämtliche anderen Eigenschaften. Die Neutralisationszahl ist o, der Abblasetest
der ungebleiten Probe beträgt 1,3 mg, der Siedebeginn nach Engler liegt bei 6o',
der 95°/0-Punkt bei z37', die Siedekennziffer beträgt 93', der Reid-Druck liegt
bei 0,34, die Motoroktanzahl beträgt 77, die Motoroktanzahl nach Bleizusatz 95.
Das
restliche Benzin wurde zu einem Autobenzin vereinigt, das bei einer Motoroktanzahl
von 56 und mit 0,45 ccm Blei pro Liter eine Motoroktanzahl von 76 aufwies und das,
wie die nachfolgenden Zahlen zeigen, auch in seinen sonstigen Qualitäten den Autobenzinnormen
entspricht.
Autobenzin |
Engler-Analyse |
Siedebeginn ........................ 75"C |
95°/o - .................... - ...... 165°C |
Siedekennziffer ..................... zzo°C |
Dichte Deo ......................... o,726 |
Jodzahl ........................... o |
Neutralisationszahl ................. o |
Reid-Druck ........................ o,6 ata |
Motoroktanzahl .................... 56 |
Motoroktanzahl mit 0,5 Pb/Liter ...... 76 |
Abblasetest der ungebleiten Probe in |
mg/zoo cbm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1,5 |
Als Ausgangsbenzin für die vorstehend beschriebene Untersuchung wurde ein Straigt-run-Benzin
ungarischer Herkunft verwendet, das nachfolgende Eigenschaften aufwies.
Ausgangsprodukt |
Engler-Analyse |
Siedebeginn ........................ 55°C |
95°/o - ......... - .................. z5o°C |
Siedekennziffer ..................... 99°C |
Dichte D ZO ......................... 0,729 |
Jodzahl ........................... o |
Neutralisationszahl ................. o |
Reid-Druck ........................ 0,45 ata |
Motoroktanzahl .................... 68 |
Motoroktanzahl mit 0,45 g Pb.; Liter .. 80 |
Die erhaltenen Ausbeuten beliefen sich auf 46 °@o Fliegerbenzin und 540/, Autobenzin.
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Zur Errichtung einer technischen Anlage wird derart verfahren, daß
man die Zusammensetzung der für die Herstellung des hochwertigen Benzins ermittelten
Fraktionen teils durch chemische teils durch physikalische Untersuchungsmethoden
näher bestimmt, so daß man den Prozentsatz derjenigen Komponenten festlegen kann,
deren Gehalt in der Fraktion aus motorischen Gründen eine gewisse Höhe nicht überschreiten
bzw. aus Gründen der Ausbeute nicht unterschreiten darf. Es ergeben sich so die
erforderlichen Unterlagen für die sogenannten Schlüsselkomponenten zur Berechnung
der Destillationsanlage (vgl. E. Kirschbaum, Destillier- und Rektifiziertechnik,
Berlin 1940, S. 151). Auf Grund dieser Schlüsselkomponenten können die betriebstechnisch
nötigen Kolonnen sowohl hinsichtlich Rücklauf wie hinsichtlich Bödenzahl, d. h.
ihr Durchmesser und ihre Höhe wie auch der notwendige Flächenbedarf, für den Wiederaufkocher
und für den Kondensator berechnet werden.
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Für das vorerwähnte Beispiel verläuft die Destillation gemäß Abb.
4 derart, daß zunächst in einer Vorkolonne (I) das Butan abgetrennt wird. Das verbleibende
Kohlenwasserstoffgemisch gelangt sodann in die Vorschnittkolonne A, wo die aus Abb.
2 ersichtliehen Fraktionen 2 bis annähernd 8 als Kopfprodukt abgenommen werden.
Sie gelangen in die Kolonne II, wo sich als Kopfprodukt die Fraktionen 2 bis 4 ergeben.
Das zugehörige Bodenprodukt gelangt in die Kolonne III und liefert dort als Kopfprodukt
die Fraktionen 5 bis 7, während die Fraktion 8/2 als Rückstand verbleibt.
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Das Bodenprodukt der Kolonne A wird einer Kolonne B zugeführt, welche
als Kopfprodukt die Fraktionen 8;2 bis i5;2 (vgl. Abb.2) liefert. Dieses Kopfprodukt
gelangt in die Kolonne IV und liefert dort als Kopfprodukt die Fraktionen 8/2 bis
9, welche mit dem Bodenprodukt der Kolonne III zu der Fraktion 8 bis 9 vereinigt
wird. In den naclhgeschalteten Kolonnen V und VI werden die Fraktionen 1o bis 12
und 13 bis 14 als Kopfprodukte abgeschieden, während die Fraktion 15/2 als Bodenprodukt
zurückbleibt.
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Das Bodenprodukt der Kolonne B gelangt als Fraktion 15/2 bis 21 in
die Kolonne VII. Hier wird als Kopfprodukt die Fraktion 15;2 abgenommen, die mit
dem Bodenprodukt der bereits erwähnten Kolonne VI die Fraktion 15 liefert. Das Bodenprodukt
der Kolonne VII durchläuft die Kolonne VIII und IX, wobei sich die Fraktionen 16
bis z9 bzw. 2o und 21 ergeben.
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Die erhaltenen Fraktionen werden derart zusammengemischt, daß die
Fraktionen 2 bis 4, 8 bis 9, 15 und 2o das Fliegerbenzin ergeben, während die Fraktionen
z, 5 bis 7, 1o bis 14, 16 bis 1g und 21 als Autobenzin Verwendung finden.
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Die Schlüsselkomponenten für Kolonne I sind im vorliegenden Fall C4
und Iso-C", für Kolonne 1I einfachverzweigtes und unverzweigtes C6, für Kolonne
III Normal-C, und Methylcyclopentan, für Kolonne IV Cyclohexan und einfachverzweigtes
C7, für Kolonne V einfachverzweigtes C7 und unverzweigtes C, für Kolonne VI Methylcyclohexan
und zweifachverzweigtes C8, für Kolonne VII Toluol und einfachverzweigtes C, für
Kolonne VIII unverzweigtes C, und Xylol und für Kolonne IX Xylol und einfachverzweigtes
C9_ Aus diesen Schlüsselkomponenten und den gestellten Anforderungen ergibt sich,
wie bereits erwähnt, für jede Kolonne ohne weiteres das Rücklaufverhältnis und die
notwendige Bödenzahl. So hat die Kolonne II beispielsweise 70 praktische
Böden bei einem Rücklauf von 7,30, Kolonne III 135 Böden bei einem Rücklauf
von 18,2 usw.
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Der außerordentliche technische Vorteil des Verfahrens ergibt sich
schon aus der einfachen Betrachtung des für die Anlage erforderlichen Materialaufwandes.
Die übliche technische Rechnungsweise besteht in der Angabe des aufgewendeten Eisens
in Kilogramm pro Jahrestonne erzeugten Produktes. Bei dem erfindungsgemäßen Verfahren
liegt der notwendige Eisenbedarf bei etwa 30 kg pro Jahrestonne hochwertiges
Fliegerbenzin. Das ist eine Zahl, die sich von den bekanntgewordenen anderen chemischen
Aufarbeitungsverfahren um etwa eine Zehnerpotenz unterscheidet. Auch der Aufwand
an sonstigen Betriebsmitteln, wieEnergie usw., ist in entsprechender Weise wesentlich
günstiger als bei den bekanntgewordenen
Verfahren. Durch die Überwindung
des technischen Vorurteils, daß es nicht möglich sei, durch eine großtechnisch noch
erstellbare Destillationsanlage die Erdölbenzine so aufzuteilen, daß die Gewinnung
höchstwertiger Kraftstoffe auf rein destillativem Wege aus ihnen möglich ist, wird
mit dem erfindungsgemäßen Verfahren eine neue Möglichkeit gegeben, um unter Vermeidung
aller Materialverluste und mit geringstem Aufwand an Anlagekosten sowie Betriebsmitteln
hochwertige Treibstoffe aus Erdölbenzin herzustellen.
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Außer der beschriebenen Herstellung von hochwertigen Treibstoffen
und normalen "Motortreibstoffen ist es in manchen Fällen auch möglich, gewisse Fraktionen
für andere Zwecke abzutrennen, beispiels:reise für die chemische Weiterverarbeitung
bzw. für die Herstellung von anderen Erdölprodukten, wie speziellen Dieselölen usw.