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Verfahren zur Herstellung von Reizstoffen
Es ist bekannt, daß man bei
der sog. Reizkörpertherapie gewisse körperfremde Agenzien parenteral injiziert,
deren Wirkung in der Auslösung klinischer Reizerscheinungen besteht. Zu den Reizwirkungen,
welche man klinisch für bedeutungsvoll hält, gehören u. a. Erzeugung von Fieber
(Fiebertherapie), Verschiebungen im weißen Blutbild und neuerdings die Stimulierung
des Hypophysen Nebennierenrindensystems. Die wirksamsten Reizkörper, welche in diesem
Sinne klinisch Verwendung finden, sind bakterielle Vaccine und mehr oder weniger
gereinigte Extrakte aus gramnegativen Bakterien.
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Mit der Anwendung fiebererzeugender bakterieller Vaccine oderExtraktstoffe
(Pyrogene) sind jedoch vielfach klinisch unerwünschte Nebenerscheinungen, wie Kreislaufbelastungen,
mitunter starke Kopfschmerzen, Übelkeit und Brechreiz, verbunden. Die bisher angewandten
Pyrogene verursachen überdies Gewöhnungserscheinungen in dem Sinn, daß bei wiederholter
Injektion die Dosen ständig erheblich gesteigert werden müssen, um klinisch gleichbleibende
Wirkungen (Fieber, Blutbild) zu erzielen. Pyrogenpräparate werden daher bisher in
verschiedenen abgestuften Dosierungen (bis zu IO Stärkegraden) in den Handel gebracht.
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Die bei der Reizkörpertherapie wirksamsten Pyrogene gehören chemisch
in die Klasse der Polysaccharide.
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Es wurde gefunden, daß man bakterielle Polysaccharidpyrogene auf
chemischem Wege derart abwandeln kann, daß Stoffe entstehen, welche klinisch erwünschte
Reizwirkungen (weißes Blutbild, Stimu-
lierung des Hypophysen-Nebennierenrindensystems)
auslösen, ohne in therapeutischen Dosen Fieber zu erzeugen. Derartige nichtpyrogene
Reizstoffe zeichnen sich durch wesentlich höhere Verträglichkeit aus. Sie erzeugen
im Gegensatz zu genuinen bakteriellen Polysaccharidpyrogenen weit weniger, meist
überhaupt keine unerwünschten Nebenwirkungen und können daher auch bei kreislauflabilen
Patienten verwendet werden. Ein Vorteil für die Klinik besteht überdies darin, daß
derartige Stoffe keine oder nur geringe Gewöhnungserscheinungen hervorrufen, so
daß man auch bei wiederholten Injektionen Ampullen mit verschiedenen Stärkegraden
nicht benötigt.
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Gegenstand der Erfindung ist ein Verfahren zur Herstellung von nichtpyrogenen,
klinisch verwendbaren Reizstoffen, welches dadurch gekennzeichnet ist, daß man bakterielle
Polysaccharide in wäßriger Lösung go bis I50 Minuten bei 95° mit Wasserstoffsuperoxyd
oxydativ abbaut.
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Man kann dabei so verfahren, daß man das nach bekannten Verfahren
hergestellte und gereinigte Polysaccharidpyrogen in neutralemwäßrigem Medium, gegebenenfalls
unter Zusatz von Puffersubstanzen und/oder katalytisch wirkenden Schwermetallionen
(z. B. Fe, Cu, Mn), bei Temperaturen zwischen 20 und I00° C mit verdünntem Wasserstoffsuperoxyd
behandelt. Das Reaktionsprodukt wird in Alkohol--Aceton-Gemisch, gegebenenfalls
unter Zusatz von Natriumacetat, gefällt und anschließend gewaschen und getrocknet.
Das Material kann gegebenenfalls durch Fraktionierung weiter gereinigt werden.
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Im Verlauf dieses Abbaus werden die für die Fieberwirkung (beim Menschen)
verantwortlichen Gruppen des Moleküls sukzessiv angegriffen und unwirksam, bevor
die übrigen reiz auslösenden Gruppen ihre Wirksamkeit verlieren. Wenn man z. B.
den Wasserstoffsuperoxydabbau des Polysaccharidpyrogens von Bact. Coli nach 60 Minuten
bzw. 120 Minuten unterbricht und das jeweils vorliegende Produkt isoliert, so erhält
man Präparate, die in therapeutischer Dosierung geringe bzw. gar keine Fieberwirkung
zeigen, bei denen jedoch die klinisch erwünschte Beeinflussung des weißen Blutbildes
und des Hypophysen-Nebennierenrindensystems voll erhalten ist. Die folgende Tabelle.
gibt ein typisches Beispiel:
Differenzialblutbild |
Wasserstoff- Dosis Reaktion |
Eosiono- Lympho- |
superoxyd- in Erreichte des weißen Stabk. philen- zyten |
behandlung Gamma Temperatur Blutbildes v. n. abfall v. n. |
% % % % % |
unbehandelt 1-2 40° Leucopenie 9 34 70 34 6 |
Leucozytose |
nach 60 Minuten 3 38° Leucopenie 2 30 70 36 5 |
Leucozytose |
nach 120 Minuten .... 5-10 keine Tem- mäßige 2 4I 80 36 5 |
peratur- Leucopenie |
erhöhung mäßige |
Leucozytose |
v. = vor der Injektion, n. = größte Verschiebung nach der Injektion.
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Beispiele I. Man löst das nach bekannten Verfahren durch (z. B. Wasser-,
Pyridin-Wasser-, Phenol-Wasser-) Extraktion aus Bakterien (z. B. Bact. Coli, Eb.
Typhosa, Bact. Dysenteriae) isolierte und durch Fraktionierung Init organischen
Lösungsmitteln gereinigte pyrogene Polysaccharid zu 2 bis 3 01o in Wasser und erhält
eine schwach opaleszierende Lösung. Diese wird im siedenden Wasserbad auf go bis
95° C gebracht und mit so viel einer 2,5 bis 5%igen Wasserstoffsuperoxydlösung versetzt,
daß die Endkonzentration 0,4 bis 0,5 01o beträgt. Nach go bis 150 Minuten bei go
bis 95° C wird gekühlt, gegebenenfalls zur Entfernung geringer Trübungen kurz zentrifugiert
und die klare Lösung in das In fach Volumen eines Alkohol-Aceton- Gemisches (1:
1) mit einem 0,5%igen Gehalt an Natriumacetat eingegossen. Das in feinen, weißen
Flocken ausgefällte Produkt wird mit Alkohol, Aceton und Äther gewaschen und getrocknet.
Ausbeute 60 bis 70 ole des Ausgangsmaterials. Die Substanz stellt ein in Wasser
leicht und klar lösliches, weißes Pulver dar.
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2. Ein Beispiel des katalytischen oxydativen Abbaus ist folgendes:
Eine 2- bis 30/0ige Lösung des gereinigten pyrogenen Polysaccharids wird durch Zugabe
einer 20%igen FeCl3-Lösung auf einen Gehalt von 0,04 bis o,o8% Eisen3+-Ionen gebracht.
Man versetzt nun mit so viel Wasserstoffsuperoxyd, daß die Endkonzentration 0,5
bis I 010 beträgt, und läßt den Ansatz bei 200 C stehen. Nach 30 bis 40 Minuten
wird das Reaktionsprodukt in das Iofache Volumen Allohol eingegossen und das in
feinen Flocken ausgefallene Material mit Alkohol und Äther gewaschen und getrocknet.
Ausbeute 60 bis 7001, des Ausgangsmaterials.
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Die gewonnenen Reizkörper bewirken, intravenös in geeigneter Dosierung
injiziert, charakteristische Verschiebungen im weißen Differenzialblutbild und Stimulierung
des Hypophysen - Nebennierenrindensystems bei guter Verträglichkeit und ohne Fieberwirkung
zu zeigen. Sie sind niedermolekular und diffundieren daher leicht. Sie eignen sich
nicht nur zur Injektion, sondern können auch per os verabfolgt werden.