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Verfahren zur Herstellung von Seren und Impfstoffen
Blutegel werden
bisher in der Medizin ausschließlich zum Blutentziehen, insbesondere bei Embolie,
Thrombose und Venenentzündung, verwendet. Schittenheim, Dinand, Bottenberg haben
festgestellt, daß der aus der äußeren Schleimhaut, dem Darmtraktus oder aus der
Bißwunde zu züchtende Blutegelbazillus für den Menschen völlig unschädlich ist.
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Blutegel saugen wahllos gesundes und infiziertes Blut an und bleiben
dabei selbst gesund, ganz gleich, welche Art von Erregern sich in dem Blut befindet.
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Wir haben zur Aufklärung der eigenartigen Widerstandsfähigkeit Ws
Blutegels gegen patiogene Erreger Versuche an weißen Mäusen, Meerschweinchen und
Kaninchen durchgeführt, welche mit Spirochäten infiziert waren. An diesen Tieren
wurden bisher ungefüttertie Blutegel angesetzt. Es zeigte sich bereits am ersten,
mehr noch am zweiten und dritten Tage, daß die Spirochäten in dem von dem Blutegel
angesaugten Blut eine Schädigung erleiden, indem sie ihre lebhafte Eigenbeweglichkeit
verlieren und seltsam starr werden. Dieses Starrwerden tritt auch dann ein, wenn
die Egel in warmem Wasser von 35 bis 38l°' gehalten werden, so daß ein Kälteschock
hier nicht vorliegen kann. Wird den Egeln durch Punktierung z. B. am vierten Tag
Blut entnommen und gesunden Tieren subkutan eingespritzt, so lassen sich im Blut
dieser Tiere nach 2 Tagen normal bewegliche Spirochäten feststellen. Eine merkliche
Schädigung der Virulenz der Spirochäten konnte nach viertägiger Verweilzeit des
infizierten Blutes im Blutegel nicht l)eolachtet werden. Beläßt man das infizierte
Blut
jedoch 11 Tage im Blutegel darm, und entnimmt man darauf durch
Punktierung Blut und spritzt es den Versuchstieren ein, so erfolgt in keinem Fall
eine Infektion, obgleiell die Bazillen beim Impfen von Nährboden noch als lebend
nachgewiesen werden können. Damit ist der Beweis erbracht, daß der Blutegelorganismus
die Fähigkeit hat, pathogene Mikroorganismen bis zum vollen Verlust der Infektionstüchtigkeit
abzuschwächen.
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Diese zunächst mit Spirochäten gemachten Feststellungen wurden später
mit einer großen Anzahl weiterer Erreger, und zwar btilzbrand-, Tetanusbazillus,
Staphylo-, Strepto-, Pneumokokken, Abortus Bang-, Schweinerotlauf-, Subtilisbazillus,
Gasbranderreger, Diphtherie-, Botul inus-, Tuberkel-und Keuchhustenbazillus, Gonohokken,
Meningokokken, Scharlach- und Colibazillus. Chiga-, Ruhr-, Typhus- und Cholerabazillus,
bestätigt gefunden.
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Weitere Versuche zeigten, daß sich bei längerem Verweilen des Blutes
im Blutegel, also z. B. 6 bis 8 Wochen nach der Fütterung, in dem angesogenen Blut
spezifische Antikörper bilden, Die Wirksamkeit der Antikörper wurde in der üblichen
Weise geprüft. Es wurde weiter gefunden, daß eine der Abschwächung der Erreger und
der Bildung der Antikörper im angesaugten Blut ähnliche Wirkung auch unmittelbar
durch Behandlung mit Blutegelbazillenkulturen oder keimfreien Filtraten von derartigen
Kulturen tSubtiligin H) erzielt werden kann. Parallellwersuch,e zeigten, daß Injektionen
mit einer Blutegelbazillenaufbereitung in Kaninchen serum die gleiche Fleilwirkung
hatten wie Injektionen mit von Egeln angesaugtem Blut aus den mit Tularämie infizierten
Kaninchen.
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In Auswertung dieser Feststellungen wird erfindungsgemäß dadurch
ein Heilmittel gegen Infektionskrankheiten hergestellt, daß aus dem äußeren Schleim,
aus der inneren oder äußeren Bißwunde, aus dem Saugnapf-, aus dem Blutegelkopf,
aus Schleimhaut, aus der Bißwunde eines Blutegels oder aus dem von Blutegeln angesaugten
Bltit bzw.
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Blutserum Bakterienkulturen gezüchtet und gegebenenfalls keimfrei
filtriert wird. So kann man zur Herstellung eines Impfstoffes oder Serums von einem
Erreger infiziertes Blut bzw. Blutserum von Blutegeln ansaugen lassen oder gesundes,
von einem Blutegel angesaugtes Blut im Blutegel durch Zusatz einer entsprechenden
Bazillenkultur infizieren, worauf man den Impfstoff, das Heilserum oder das Gemisch
beider Stoffe nach mehr oder weniger langer Verweilzeit im Egel aus dem von diesem
angesaugten Blut in bekannter Weise gewinnt. Der in dieser Weise gewonnene Impfstoff
kann auch größeren zur Herstellung von Heilseren dienenden Tieren, z. B. Pferden,
eingespritzt werden. Ebenso können derartige Impfstoffe oder Seren mit z. B. aus
der äußeren Schleimhaut von Blutegeln gezüchteten Blutegelbazilluskulturen oder
deren keimfreiem Filtrat (Subtiligin H) vermischt werden.
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Zur Veranschaulichung der Erfindung seien im folgenden einige Ausführungsbeispiele
mitgeteilt: Zwei Kaninchen wurden mit Meningokokken infiziert. Das Anziehen der
Infektion wurde im Sulturversuch geprüft. An rasieren Körperstellen der Kaninchen
wurden dann bisher ungefütterte Blutegel angesetzt. Das angesaugte und nochmals
im Kulturversuch geprüfte Blut wurde positiv befinden. Da jede Infektion eine Inkubationszeit
von 8 bis 10 Tagen benötigt, wurde das Blut 10 Tage in den Blutegeln belassen. Am
II. Tage wurde je zehn an den mit Meningokokken infizierten Kaninchen angesetzten
Egeln eine kleine Nu enge Blut entnommen und dreh Impfung auf Blntplatten und Bouillon
geprüft. Es wurden in allen Fällen Meningokokken lebend nachgewiesen.
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Den gleichen Egeln wurde darauf durch Punktierung wiederum Blut entnommen
und nach Verdünnung mit physiologischer Kochsalzlösung teils subkutan, teils interperitoneal
weißen Mäusen und Kaninchen eingespritzt. Eine Infektion erfolgte in keinem Fall.
Es war also bei diesem Versuch gelungen, im Blutegel Vakzine durch nur eiftägiges
Verweilen des angesaugten infizierten Blutes herzustellen. Da derartige Impfstoffe
nur auf sehr viel umständlichere Weise durch langwieriges Umzüchten und -u7armblüter-
und KaltNüterdarmpassagen unter endlosen Kontrollen hergestellt werden konnten,
stellt das neue Verfahren demgegenüber eine erhebliche Erleichterung und Vereinfachung
dar.
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Ein entsprechender Versuch wurde mit Kaninchen durchgeführt, die
B. tetanie infiziert waren.
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Nach elftägigem Belassen des aus derartigen Kaninchen abgesaugten
und zunächst positiv befundenen Blutes im Blutegel konnte trotlz Nachweis des B.
tetanie mit diesem Blutegel auch bei wiederholter Impfung trotz zusätzlicher Zweitinfektion
kein Wundstarrkrampf hervorgerufen werden.
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Drei Schweinsblasen werden mit je 1000 ccm defibriniertem Rinderblut
gefüllt, das mit einem Zehntel des Gesamtvolumens an Bonillonkulturaufschwemmung
des Meningokokkus versetzt. ist. Auch an diese Tierblasen werden ungefütterte Egel
angesetzt. 1 nfektionsversuche mit dem angesaugten Blut scheitern nach II,Tagen
ebenso wie die Infektionsversuche mit dem Blut, das von Blutegeln aus mit Meningokokken
infizierten Kaninchen angesaugt und ii Tage in den Blutegeln verblieben war.
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Die Behandlung durch Einspritzen von Impfstoffen der neuen Art kann
auch mit der an sich bekannten Eigenblutbehandlung in geeigneter Weise kombiniert
werden, wie folgender Vergleichsversuch zeigt. Man läßt an drei an Rotlauf erkrankten
Afastsehwein,en im Gewicht von etwa 70 Ns 80 kg je drei Blutegel bis zum Abfallen
saugen. Aus je einem der Egel wird anschließend mittels Injektionsspritze das angesaugte
Blut entnommen und intramuskulär in die Schweine zurückgespritzt. In Abständen von
je 24 Stunden erhalten die Tiere noch zwei weitere Spritzen mit dem Blut, das sich
in den am ersten Tage angesetzten Egeln befindet.
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Alle drei Schweine bleiben am Leben, während ein viertes, unbehandeltes
Tier stirbt.
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Die Wirliung der Behandlung mit Blutegelhazillusaufbereitungen ergibt
sich aus folgenden Aus-
führungsbeispielen: Man läßt an sechs Kaninchen
(belgische Rilesen) derselben, Zucht je einen Blutegel je I Stunde saugen. Drei
der Kaninchen werdlen mit Tularämie infiziert. In die sechs Blutegel wird' dann
je V2 ccm Blutegelbazillenaufschweminung gespritzt. Das Blut wird durch Punktierung
wieder aus den Egeln entnommen und in Abständen von 6 Stunden in eines der infizierten
Kaninchen eingespritzt. Das Kaninchen bleibt am Leben. Das zweite der infizierten
Tiere erhält ebenfalls alle 6 Stunden eine Injektion von I ccm Blutegelbazillusaufschwemmung
in Kaninchen serum. Auch dieses Kaninchen übersteht die Krankheit in der gleichen
Weise wie das erste Kaninr chen, während das dritte Tier stirbt.
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Blut mit spezifischen Antikörpern wird aus dem von Blutegeln angesaugten
Blut etwa 6 bis 8 Wochen nach der Fütterung gewonnen. Die Blut egel können dabei
wiederum entweder unmittelbar an infizierte Tiere oder an Schweinsblasen od. dgl.
angesetzt werden, die mit defibriniertem Rinderblut gefüllt sind, das mit einem
Zehntel des Gesamtvolumens an Bazillenkulturaufs,chwemmung versetzt ist. Die Blutegel
können aber auch an gesunde Tiere angesetzt und das angesaugte Blut dann im Egel
durch Zusatz von Erregerkulturen infiziert werden, Die Untersuchung auf Antikörperbildung
wurde in der üblichen Weise ausgeführt und bestätigte die Wirksamkeit des neuen
Verfahrens. Da jeder Egel 10 bis I6 ccm Blut oder Blutserum faßt, kann die Nilenge
Heilserum, die blisher von einem Pferd gewonnen wird, von 500 bis 600 Blutegeln
geliefert werden. Das vom Blutegel stammende Heim serum kann genau so aufbereitet,
gereinigt, konzentriert, konserviert und standardisiert werden wie die von anderen
Tieren stammenden Seren.
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Es ist weiter möglich, Blutegel auch bei der Serumgewinnung durch
Pferde, Rinder, Schafe, Kaninchen od. dgl. einzuschalten, wie z. B. folgendes Beispiel
zeigt: Man läßt auf rasierten Körperteilen eines vierjährigen Pferdes II Blutegel
bis zum Abfallen saugen. In die prall gefüllten Egel wird mit ein facher Injektionsspritze
je I ccm verdünnter Diphtheriekultuir hineingespritzt. Während der nächsten 10 Tage
wird nun je ein Egel durch einfaches Durchstechen der Daruiwand mit der Injektionsspritze
und Ansaugen entleert und die Ausbeute von etwa IO ccm dem gleichen Pferde, von
dem das Blut entstammt, subkutan verabreicht. Die Antikörperblildung wird auf diese
Weise außerordent lich beschleunigt, so daß die Immumtät viel schneller eintritt
als normalerweise'. Bereits nach einem Monat kann von dem Pferd ein albuminarmes
dreitausendfaches Serum in nativer Form erhalten werden. Besonders wichtig ist noch,
daß bei der Anwendung von spezifische Antikörper enthaltenden Seren, die aus eigenem
Blut bereitet waren, weder ein Serumschock noch die übliche Serumkrankheit eintreten.