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Die
vorliegende Erfindung bezieht sich auf die Verwendung von Selen
zur Behandlung von Patienten, die von einem systemischen inflammatorischen
Response-Syndrom (SIRS; Ganzkörperentzündungssyndrom)
befallen sind.
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Sie
bezieht sich außerdem
auf eine Zusammensetzung zur Ausführung dieser Behandlung.
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Die
Rolle von Selen als Oligoelement, das bei zahlreichen Reaktionen
des Organismus eine Rolle spielt, ist weitgehend bekannt.
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So
spielt dieses Element eine wichtige Rolle im intrazellulären Antioxidationssystem,
insbesondere als Bestandteil der Glutathion-Peroxidase. Außerdem scheint
Selen eine direkte Rolle bei der Regulierung des Entzündungsvorgangs
zu spielen.
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Seit
den 1970er Jahren wurde ein Selenmangel mit schweren Kardiomyopathien
in Zusammenhang gebracht, die man insbesondere in Populationen findet,
die in selenarmen Regionen Chinas leben. Die Wirksamkeit von Natriumselenit
in oraler Form sowohl unter prophylaktischen als auch heilenden
Aspekten gegenüber
diesen Krankheiten wurde beschrieben.
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Die
Rolle von Selen in Situationen mit intensivem oxidativem Stress
wurde nachgewiesen.
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Vitoux
et al. (1996, Therapeutic Uses of trace elements, Neve et al. (Hrsg.),
Plenum Press, New York, 127–131)
haben herausgefunden, dass die Plasmakonzentration von Selen bei
Patienten, die auf Intensivstationen liegen und ein systemisches
inflammatorisches Response-Syndrom aufweisen, erheblich abnimmt.
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Jedoch
wird kein Hinweis auf die Verwendung von Selen zur Behandlung solcher
Patienten gegeben.
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Zimmermann
et al. (1997, Medizinische Klinik, 92, 3–4 Suppl. III) haben etwas
ungenau die Ergebnisse einer Studie über die Wirkung von Natriumselenit
bei Patienten mit systemischem inflammatorischem Response-Syndrom
beschrieben. In dieser Studie erhalten die Patienten zuerst eine
Injektion mit 1000 μg
Natriumselenit, dann 1000 μg
Natriumselenit pro Tag durch kontinuierliche Perfusion während 28 Tagen.
Die Autoren betrachten die verabreichte Selendosis als optimal.
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Jedoch
wird kein Hinweis auf die Pathologie der behandelten Patienten gegeben.
Es wird einfach angegeben, dass es sich um Patienten mit SIRS handelt,
von denen einige ein Organversagen von schlecht präzisiertem
Ausmaß aufweisen.
Außerdem erwähnen Zimmermann
et al., dass die Kontrollgruppe eine Mortalität von 40% aufweist, was in
Bezug auf die Art des behandelten Patienten und den Wert des erwähnten Schwereindex
eine hohe Zahl ist. Diese Zahlen sind also wenig glaubhaft und stehen
außerdem
nicht im Einklang mit den anderen allgemeinen Daten dieses Artikels.
Es war also nicht möglich, von
diesem Artikel abzuleiten, welche Pathologien mit Selen behandelt
werden könnten.
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Gartner
et al. (Med. Klinik, 1997, Vol. 92, Suppl. 3, S. 12–14) beschreibt
die Ergebnisse einer klinischen Studie, in der Patienten mit systemischem inflammatorischem
Response-Syndrom im Vergleich zu den Kontrollen eine zusätzliche
Dosis von 500 μg, 250 μg bzw. 125 μg Natriumselenit
in einer einzigen Dosis pro Tag während 3 Tagen erhielten.
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Borner
et al. (Med. Klinik, 1997, Vol. 92, Suppl. 3, S. 17–19) beschreiben
eine klinische Studie an 34 Kindern im Alter von 1 bis 16 Jahren
mit chirurgischen Entzündungskrankheiten,
wie ausgedehnten Verbrennungen. Die exogene Zufuhr von Selen erfolgt
mit 200 μg
Selen-Pentahydrat bei Patienten mit einem Gewicht von unter 15 kg,
ungefähr
500 μg bei Patienten
mit einem Gewicht von 15 bis 30 kg und ungefähr 1000 μg bei Patienten mit einem Gewicht von über 30 kg.
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Die
geringen Selendosen, die den Patienten in den von Zimmermann, Gartner
und Borner beschriebenen klinischen Studien verabreicht wurden, sind
gerechtfertigt durch zahlreiche Vorurteile, die es gegenüber der
Verwendung von höheren
Dosen gibt, von welchen allgemein angenommen wurde, dass sie toxisch
seien und Risiken für
das Leben des Patienten darstellten.
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Die
PCT-Anmeldung Nr. WO 96/30007 betrifft die Verwendung von Mercapto- und Selenoderivaten
als Inhibitoren des Enzyms Stickstoffoxid-Synthase oder NO-Synthase.
Dieses Dokument beschreibt einzig die Hemmungsaktivität dieses
Enzyms in vitro, wobei solche Ergebnisse vom Fachmann nicht übertragen
werden können,
um die Aktivität
solcher Verbindungen in vivo vorherzusagen, und erst recht nicht
die Dosen, in denen diese Verbindungen in vivo aktiv wären.
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Weitere
Studien, die die Wirkung von Selen auf verschiedene Pathologien
beschreiben, wurden veröffentlicht.
So beschreibt der Artikel von Yajun Hu et al. (1997, Biological
Trace Element Research, 56, 331–341)
die Verwendung von Selen zur Reduktion der Toxizität des Krebsmedikaments
Cisplatin bei Krebspatienten. Die Patienten werden mit Dosen von 4
mg Selen pro Tag in Form von Kappa-Selenocarrageen oral behandelt.
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Manche
dieser Studien weisen widersprüchliche
Ergebnisse auf, die auf einer wenig überzeugenden experimentellen
Basis erhalten wurden.
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So
war der Fachmann mit einer großen
Zahl von Dokumenten konfrontiert, die darauf hinwiesen, dass Selen
bei verschiedenen Pathologien verwendet werden kann, ohne jedoch
wirkliche Gewissheit bezüglich
der Wirkung dieses Oligoelements zu haben, das in den Dosen, die
in bestimmten Situationen von oxidativem Stress verwendet werden,
als toxisch und prooxidativ gilt.
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Nun
sind aber bestimmte Pathologien aufgrund eines systemischen inflammatorischen
Response-Syndroms (SIRS) verantwortlich für eine recht hohe Mortalität, hauptsächlich auf
den Intensivstationen, und schweres Organversagen, was starke Ersatztherapeutika
erfordern kann.
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Es
war also notwendig, eine Behandlung zu entwickeln, die es erlaubt,
diese Mortalität
zu reduzieren und die Schwere der damit einhergehenden Organversagen
zu reduzieren.
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Aber
die Patienten, die ein Syndrom des Typs SIRS aufweisen, sind Patienten
in einem Zustand der erheblichen Schwächung als Folge einer Situation
von oxidativem Stress und gelten als kaum in der Lage, Selendosen
auszuhalten, die als toxisch bekannt und außerdem als solche prooxidativ
sind.
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Daher
war es für
den Fachmann nicht möglich,
die an Patienten, die andere Pathologien aufweisen, erhaltenen Ergebnisse
auf Patienten, die ein Syndrom des Typs SIRS aufweisen, zu extrapolieren und
Selendosen, die als toxisch und prooxidativ gelten, in einer Situation
von oxidativem Stress zu verwenden.
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Die
vorliegende Erfindung hat gezeigt, dass es möglich ist, die Mortalität und die
Schwere von Organversagen, insbesondere Nieren-, Atmungs-, Blut- (Gerinnung),
kardiovaskuläres,
Leber-, Magen-Darm- und neurologisches Versagen, aufgrund eines
systemischen inflammatorischen Response-Syndroms (SIRS) zu reduzieren,
indem man Selendosen verwendet, die hoch sind im Vergleich zu denjenigen,
die vom Fachmann allgemein als toxisch angesehen werden.
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So
wurde gezeigt, dass man eine große Wirksamkeit bei der Behandlung
von Syndromen des Typs SIRS erhält,
wenn man die Patienten mit einem Medikament behandelt, das während der
ersten Tage der Behandlung eine hohe Dosis Selen enthält, wobei
man dann in der anschließenden
Behandlung diese Dosis senkt.
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Gegenstand
der vorliegenden Erfindung ist also die Verwendung wenigstens eines
Moleküls,
das Selen enthält,
in einer Menge, die einer Tagesdosis von ungefähr 2 bis 80 mg und vorzugsweise
4 bis 40 mg Atomäquivalent
Selen entspricht, für
die Herstellung eines Medikaments zur Behandlung von schwerem systemischem
inflammatorischem Response-Syndrom (SIRS; Ganzkörperentzündungssyndrom) oder jedes Zustands,
der einem schweren akuten Ausbruch einer Entzündungspathologie entspricht
und zu einer Exazerbation der Cytokinausschüttung führt. Dieser Definition entspricht
insbesondere jeder schwere akute Infektionszustand, wobei die Infektion
auf Bakterien, Pilze, Viren oder Parasiten zurückgehen kann.
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Eine
Dosis von 2 bis 80 mg Atomäquivalent Selen
entspricht einer Dosis von 0,025 bis 1 mg/kg, was das bei Mensch
oder Tier bevorzugte Dosisintervall ist. Die Verabreichung solcher
Dosen verlangt eine strenge klinische Überwachung.
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Gemäß der vorliegenden
Erfindung versteht man unter einem "systemischen inflammatorischen Response-Syndrom" oder SIRS jede Pathologie,
die der von Bone et al. 1992 bei der ACCP/SCCM-Konsensus-Konferenz
(Bone et al., 1992, Chest, 101, 1644–1655) angegebenen Definition
entspricht.
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Die
Erfindung lässt
sich auf die Human- und Veterinärmedizin
anwenden.
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Allgemein
umfasst das in der Anfangsphase der Behandlung, vorzugsweise am
ersten oder während
der ersten vier Tage der Behandlung, verabreichte Medikament eine
Menge des Selen enthaltenden Moleküls, die in der Lage ist, den
Entzündungszustand
des Patienten während
dieser Anfangsphase der Behandlung drastisch zu reduzieren. Insbesondere
während
dieser Zeit wird das Medikament für die Verabreichung einer Menge
des oder der Selen enthaltenden Moleküle angepasst, die ausreicht,
um den Entzündungszustand
des Patienten oder des Tiers unter einer bestimmten Schwelle zu halten.
So können
die Mengen des oder der Selen enthaltenden Moleküle, die täglich verabreicht werden, an
die Entzündungssituation
jedes Patienten angepasst werden, wobei das Ausmaß der Entzündungsreaktion
für jeden
Patienten während
der gesamten Behandlung überprüft werden
kann.
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Zum
Beispiel kann das Ausmaß des
Entzündungszustands
durch die Quantifizierung verschiedener Cytokine im Plasma, vorzugsweise
von IL-6, das der Standard ist, der zur Zeit als zuverlässigster Indikator
der Stärke
einer Entzündungssituation
gilt, aber auch TNF-α oder
auch IL-1, bewertet werden.
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Man
wird vorzugsweise die Menge von Interleukin-6 bewerten, die in Serum
oder Plasma vorhanden ist, zum Beispiel durch einen Test des Typs
ELISA, wie derjenige, der von der Firma MEDGENIX (Belgien) vertrieben
wird.
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Die
Tagesdosis des oder der Selen enthaltenden Moleküle wird so angepasst, dass
eine Konzentration von zirkulierendem Interleukin-6 von wenigstens
30% unterhalb, vorteilhafterweise wenigstens 40% unterhalb und meist
bevorzugt wenigstens 50% unterhalb der Menge an Interleukin-6, die
unmittelbar vor der Behandlung mit einer pharmazeutischen Zusammensetzung
gemäß der Erfindung
bestimmt wurde, aufrechterhalten wird. Diese Werte werden als Richtwerte
angegeben und können
je nach der Pathologie und bei Tieren je nach Spezies in Abhängigkeit
von den klinischen Ergebnissen variieren, die mit der Modulation
der Entzündungsreaktion
erhalten wurden. Zur Überwachung
der Konzentrationen an Interleukin-6 bei Patienten in einer akuten Entzündungssituation
kann der Fachmann vorteilhafterweise auf den Artikel von K. Reinhart
et al. (1996, Crit. Care Med. Vol. 24, Nr. 5, Seite 733–742) zurückgreifen.
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Zur
Quantifizierung der Konzentrationen an zirkulierendem TNF-α kann der
Fachmann auf den ELISA-Test zurückgreifen,
wie er von I. Engelberts et al. (1991, Lancet, Vol. 338, Seite 515–516) beschrieben
wurde.
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Die
Quantifizierung von IL-1 im Serum oder Plasma erfolgt im Einklang
mit der von C. Munoz et al. (1991, Eur. J. Immunol. Vol. 21, Seite
2177–2184) beschriebenen
Technik.
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Das
Ausmaß des
oxidativen Stresszustands bei einem Patienten kann auch durch den
Test auf TBARS bewertet werden.
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Schließlich stellt
auch der Gehalt an gegenüber
Sauerstoff reaktiven Substanzen (ROS) einen guten Indikator für den Entzündungszustand
des Patienten dar, dessen Messung zum Beispiel gemäß der Technik
erfolgen kann, die von N. Fukuyama (1997, Vol. 22 (5), Seite 771–774) beschrieben
wurde.
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Es
handelt sich um einen Test zur Messung der Konzentrationen der Substanzen,
die mit Thiobarbitursäure
reagieren (TBARS), welche bei Patienten in einer akuten Entzündungssituation
in hoher Konzentration, zum Beispiel über 4 μmol/Liter, vorhanden sind, wobei
dieser Wert als Richtwert angegeben wird.
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Um
die Messung der Konzentration der TBARS durchzuführen, kann der Fachmann vorteilhafterweise
auf den Artikel von H.F. Goode et al. (1995, Critical Care Medicine,
Vol. 28, Nr. 4, Seite 646–651)
zurückgreifen.
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Die
Konzentration der Peroxynitrite kann durch Bestimmung von Nitrotyrosin
bewertet werden, siehe "Quantitation
of protein-bound 3-nitrotyrosine and 3,4-dihydroxyphenylalanine by high-performance
liquid chromatography with electrochemical array detection" (K. Hensley, Analytical
Biochemistry 251, Seite 187–195,
1997).
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Das
Ausmaß des
Entzündungszustands
des Patienten kann auch durch eine Messung des Zustands der Resistenz
gegenüber
Apoptose von Granulocyten bewertet werden, der ein vorgeschlagener Marker
für die
proinflammatorische Aktivierung dieser Granulocyten ist.
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Um
diese Messung durchzuführen,
kann der Fachmann vorteilhafterweise auf die Technik zurückgreifen,
die von S.J. Martin et al. (1996, Cell, Vol. 82, Seite 349–352) beschrieben
wurde.
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Die Überwachung
der Entzündungssituation des
Patienten während
der Behandlung mit einer pharmazeutischen Zusammensetzung gemäß der Erfindung
kann auch anhand einer Messung des Aktivierungszustands des oxidativen
Stoffwechsels der neutrophilen Granulocyten durchgeführt werden,
wie einer Messung durch Chemilumineszenz, wie sie zum Beispiel von
R.C. Allen et al. (1986, Meth. Enzymol., Vol. 133, Seite 449–493) beschrieben
wurde.
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Vorzugsweise
wird das Medikament, das einer Tagesdosis von 2 bis 80 mg und vorzugsweise
4 bis 40 mg Atomäquivalent
Selen entspricht, während einer
kurzen Zeitdauer am Anfang der Behandlung verabreicht, wobei die
anschließende
Behandlung mit geringeren Selendosen durchgeführt werden kann.
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Gegenstand
er vorliegenden Erfindung ist folglich die Verwendung wenigstens
eines Moleküls, das
Selen enthält,
zur Behandlung von SIRS in einer Menge, die am Anfang der Behandlung
einer Tagesdosis von ungefähr
2 bis 80 mg Atomäquivalent
Selen und bei der anschließenden
Behandlung einer Tagesdosis von ungefähr 0,5 bis 2 mg Atomäquivalent Selen
entspricht.
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Gemäß einem
anderen Aspekt können
während
der Anfangsphase der Behandlung gemäß der Entzündungsreaktion modulierte zunehmende
oder abnehmende Dosen des oder der Selen enthaltenden Moleküle so verabreicht
werden, dass der Entzündungszustand
des Patienten oder des Tiers unterhalb eines bestimmten Niveaus
gehalten wird, und auf einem bestimmten Niveau, das mit Hilfe einer
der zuvor beschriebenen Techniken überprüft werden kann. Das oder die
Selen enthaltenden Moleküle können somit
in Tagesdosen verabreicht werden, die während des Tages in Abhängigkeit
von der Entzündungsreaktion
und des oxidativen Stress variiert oder moduliert werden können und
die 2 bis 80 mg Atomäquivalent
Selen betragen, das sind 0,025 mg/kg bis 1 mg/kg Atomäquivalent
Selen.
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Vorzugsweise
dient ein solches Medikament zur Behandlung von septischen Schockzuständen, wie
Peritonitis, Pneumopathien, Meningitis oder bakterieller Sepsis,
und allgemeiner jedes schweren akuten Infektionszustands, bei dem
das Leben des Patienten auf dem Spiel steht, wobei die Infektion
auf Bakterien, Pilze, Viren oder Parasiten zurückgehen kann.
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Es
dient auch allgemein zur Behandlung von Patienten, die eine schwere
immuninflammatorische Reaktion aufweisen, welche mit einer Pancreatitis, einer
ausgedehnten Verbrennung, einem Polytrauma, einer Sepsis irgendeiner
Art, insbesondere bakteriell, aber auch im Rahmen von schweren parasitären Zuständen durch
Pilze oder Viren, einem schweren chirurgischen Eingriff, einem chirurgischen
Eingriff mit Klemmentechnik (Ischämie-Reperfusion), einem Schockzustand
jeglicher Ätiologie
und jeglichen Typs zusammenhängt.
Das neue Medikament kann auch bei Patienten verwendet werden, die
ein Organversagen aufweisen. Der Patient kann außerdem von einer alkoholischen
Hepatopathie, einer Zirrhose jedweden Ursprungs, einer Anorexie,
einer Mangelernährung,
einer Fehlernährung,
AIDS, einer chronischen entzündlichen
Pathologie, insbesondere Darmentzündung, betroffen sein.
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Gemäß einer
bevorzugten Ausführungsform wird
das Medikament so hergestellt, dass man eine Tagesdosis von ungefähr 2 bis
80 mg, vorzugsweise 4 bis 40 mg, Atomäquivalent Selen während des
ersten Tages und gegebenenfalls während des zweiten, dritten
und vierten Tages der Behandlung erhält.
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In
ebenfalls ganz vorteilhafter Weise wird es so hergestellt, dass
man eine Tagesdosis von ungefähr
0,5 bis 2 mg Atomäquivalent
Selen während
1 bis 20 Tagen und vorzugsweise 1 bis 10 Tagen während der anschließenden Behandlung,
d.h. 0,025 bis 1 mg/kg und vorzugsweise 0,05 bis 0,5 mg/kg, erhält.
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Das
Selen enthaltende Molekül
kann jedes pharmakologisch annehmbare Molekül sein. Es kann sich um ein
Selensalz, wie ein mineralisches Selenit oder Selenat, oder eine
organische Selenverbindung, zum Beispiel Selenocystein, Selenomethionin, Selenoglutathion,
Selenomethylselenocystein, Dimethylselenoxid, Selenocystamin, selenierte
Hefen oder Produkte einer chemischen Synthese, die ein oder mehrere
Selenatome enthalten, handeln. Es handelt sich vorzugsweise um Natriumselenit.
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Es
ist möglich
und zuweilen sogar vorteilhaft, bei der Verwendung von Selen, wie
es in der Erfindung vorgeschlagen wird, verschiedene Formen von Selen miteinander
zu kombinieren, insbesondere während
der Phase, wenn sehr hohe Dosen verabreicht werden (0,025 oder 0,05
bis 1 mg/kg).
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Natriumselenit
ist die bevorzugte Form, doch können
auch andere Selenformen in Kombination verwendet werden, wie Selenocystein,
Selenodiglutathion oder andere Selenverbindungen.
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Die
Verwendung eines Gemischs von verschiedenen Selenverbindungen kann
es ermöglichen,
diesen oder jenen Aspekt der Reaktion des Organismus im Verlaufe
eines schweren SIRS spezifischer zu modulieren, so dass man sich
die Wirkung einer im Gemisch vorhandenen Selenverbindung auf den
spezifischen zu behandelnden Aspekt zunutze macht: oxidativer Stress,
NO-Synthese, Aktivierung des NF-kB und anderer Transcriptionsfaktoren,
Sekretion von pro- und antiinflammatorischen Cytokinen, Adhesinen,
Aktivierung verschiedener Kaskaden (Arachidonsäure-, Koagulations-, Komplementkaskade),
Aktivierung von Granulocyten und anderer Phagocyten, Anfangsresistenz
gegen Apoptose dieser Phagocyten, sekundäre Endothel- und Organgewebeapoptose.
Wenn zum Beispiel Natriumselenit allgemein am besten geeignet erscheint,
ist es möglich,
es bei der Kontrolle bestimmter Komponenten der systemischen Entzündungsreaktion,
wie insbesondere zur Modulation der Wirkung auf die Apoptose, mit
anderen Selenverbindungen zu kombinieren.
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Ohne
sich auf eine bestimmte Theorie festlegen zu wollen, ist der Anmelder
der Ansicht, dass das Selen auf die Zielstellen, wie Glutathion-Peroxidase und
Selenoprotein P (Gefäßwände), in
einer solchen Weise einwirkt, dass bei den täglichen Mengen an Atomäquivalent
Selen gemäß der Erfindung
die schädlichen
Wirkungen und die Konzentration der reaktiven Sauerstoffspezies
(reactive oxygen species; ROS) und somit die Folgen von oxidativem
Stress und übermäßiger oxidativer
Stress bei dem Patienten oder Tier drastisch reduziert werden. Der
Anmelder denkt auch, dass das Selen eine Modulation der Konzentration
von intrazellulären
Peroxiden erlaubt, insbesondere durch seine Wirkung auf Glutathion-Peroxidase,
was eine Beschränkung
der Aktivierung bestimmter Transcriptionsfaktoren und insbesondere des
Faktors NF-kB induziert, die zu einer Reduk tion der Produktion von
NO-Synthase und bestimmter Cytokine, wie IL-6, führen könnte.
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Außerdem denkt
der Anmelder, ohne sich auf eine solche Theorie festlegen zu wollen,
dass Selen in sehr hohen Dosen eine erhebliche Apoptose bestimmter
Zellen induziert, die an der Entzündungsreaktion des Wirts beteiligt
sind, insbesondere neutrophiler Granulocyten, oder durch Modifikation
ihres Zellzyklus. Diese Wirkungen auf diese Zellen reduzieren den
Entzündungszustand
des Patienten oder des Tiers beträchtlich, wenigstens in den
empfohlenen hohen Tagesdosen an Atomäquivalent Selen. Umgekehrt
kann Selen in gemäßigteren
Dosen, wenngleich sie im Vergleich zu den zur Zeit, insbesondere
in einer Situation mit oxidativem Stress, als verwendbar geltenden
Dosen immer noch hoch sind, die schädliche Apoptose bei schweren
Entzündungszuständen (Endothelzellen,
Organgewebezellen) reduzieren, und zwar insbesondere durch die Reduktion
des extra- und intrazellulären
oxidativen Stress, die es bewirkt.
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Wenn
die Selenverbindungen gemäß der Erfindung
verwendet werden, können
sie auch, wenn sie in sehr hoher Dosis verabreicht werden, eine
direkte antibakterielle (bakterizide), antiparasitäre, antivirale
oder fungizide Wirkung ausüben.
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Folglich
wird ein Medikament gemäß der Erfindung
vorteilhafterweise in Kombination mit einer therapeutisch wirksamen
Menge des oder der Selen enthaltenden Moleküle eine therapeutisch wirksame Menge
wenigstens einer Verbindung enthalten, die den oxidativen Stoffwechsel
hemmen oder die Entzündungsreaktion
reduzieren kann.
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Gegenstand
der Erfindung ist also auch die Verwendung wenigstens eines Selenmoleküls, wie es
oben definiert ist, in Kombination mit einer wirksamen Menge wenigstens
einer nichtselenierten Verbindung, die den oxidativen Stoffwechsel
hemmt oder die Folgen des oxidativen Stress lindert oder die Entzündungsreaktion
hemmt.
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Verschiedene
Verbindungen, die den oxidativen Stoffwechsel hemmen oder die Abwehr
des Organismus gegen den oxidativen Stress verstärken, können in einem Medikament gemäß der Erfindung in
Kombination mit wenigstens einem Selen enthaltenden Molekül verwendet
werden.
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Gemäß einem
ersten Aspekt umfasst ein Medikament gemäß der Erfindung in Kombination
mit dem oder den Selen enthaltenden Molekülen Vitamin E, das gegebenenfalls
mit Vitamin C kombiniert ist, die am Schutz der Membranen vor oxidativem
Stress beteiligt sind, einen im Stand der Technik bekannten Glutathion-Vorläufer, wie
N-Acetylcystein, wobei das Glutathion die Glutathion-Peroxidase
in ihrer reduzierten Form regeneriert.
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Gemäß einem
zweiten Aspekt enthält
das Medikament einen Eisenchelator, wie Desferrioxamin, der die
Produktion von Peroxiden senken kann. Desferrioxamin ist in dem
Medikament vorteilhafterweise in einer Menge vorhanden, die einer
Tagesdosis von 5 bis 100 mg/kg entspricht. Das Medikament kann auch
einen Kupferchelator enthalten, um dieselbe Wirkung auszuüben.
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Gemäß einem
dritten Aspekt enthält
ein Medikament gemäß der Erfindung
in Kombination mit dem oder den Selen enthaltenden Molekülen eine therapeutisch
wirksame Menge Zink oder Kupfer.
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Gemäß einem
vierten Aspekt sind der Kupferchelator und das Kupfer für eine zeitlich
versetzte Verwendung getrennt in einem Medikament gemäß der Erfindung
enthalten. Vorteilhafterweise wird am Anfang der Behandlung eine
Kombination des oder der Selen enthaltenden Moleküle mit einem
Kupferchelator und dann bei der anschließenden Behandlung eine Kombination
des oder der Selen enthaltenden Moleküle mit Kupfer verwendet.
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Ein
solches Medikament kann außer
dem oder den Selen enthaltenden Molekülen auch Vitamin E, Vitamin
C oder Zink oder jedes andere Molekül enthalten, das eine antioxidative
Wirkung hat und eine pharmakologische Verträglichkeit mit dem Selen enthaltenden
Molekül
aufweist. Die Zugabe dieser Vitamine oder dieses Metalls ermöglicht es,
die Wirkung des Selens zu potenzieren.
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Als
Richtwert kann ein Medikament oder eine pharmazeutische Zusammensetzung
eine Menge an Vitamin E, gegebenenfalls mit Vitamin C kombiniert, enthalten,
die einer Tagesdosis von 20 bis 2000 mg für jedes dieser Vitamine entspricht.
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Ein
Medikament oder eine pharmazeutische Zusammensetzung gemäß der Erfindung
kann außerdem
eine Menge an Zink, die einer Tagesdosis von 5 bis 50 mg entspricht,
oder jedes andere essentielle Oligoelement enthalten.
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Vorteilhafterweise
umfasst das Medikament eine Menge an Kupfer, die einer Tagesdosis
von 1 bis 10 mg/kg entspricht.
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Vorteilhafterweise
umfasst das Medikament eine Menge an N-Acetylcystein, die einer
Tagesdosis von 50 bis 500 mg/kg/Tag entspricht.
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Vorzugsweise
umfasst das Medikament eine Verbindung, die die Entzündungsreaktion
hemmt, zum Beispiel Gold, in einer Menge, die einer Tagesdosis von
25 bis 300 mg/kg entspricht.
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Im
Falle einer Niereninsuffizienz wird die Verabreichung eines Chelators,
der im Urin ausgeschieden wird, wie Desferrioxamin, vorzugsweise
mit einer extrarenalen Blutreinigung durch kontinuierliche Hämodiafiltration
oder auch durch verlängerte
Hämodialyse
kombiniert.
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Gemäß einem
fünften
Aspekt umfasst ein Medikament gemäß der Erfindung mehrere Verbindungen,
die aus Verbindungen, die den oxidativen Stoffwechsel hemmen, und
Verbindungen, die die Entzündungsreaktion
reduzieren oder hemmen, ausgewählt
sind.
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Vorzugsweise
wird das Medikament in eine injizierbare, perfundierbare oder zur
enteralen Verabreichung geeignete pharmazeutische Form gebracht. Es
kann jedoch auch in jede andere Form gebracht werden, die die Verabreichung
des oder der Selen enthaltenden Moleküle und eine wirksame Behandlung
von SIRS ermöglicht.
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Dieses
Medikament kann parenteral, vorzugsweise intravenös, aber
auch subkutan, intramuskulär
sowie auch intraperitoneal, enteral oder oral verabreicht werden.
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Dieses
Medikament ist vorzugsweise für eine
kurative Behandlung vorgesehen. Es kann aber auch präventiv,
insbesondere vor einem schweren chirurgischen Eingriff, insbesondere
in der Gefäßchirurgie,
verabreicht werden, um den oxidativen Stress zu begrenzen.
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Ein
solches Medikament oder eine solche pharmazeutische Zusammensetzung
kann außer dem
oder den Selen enthaltenden Molekülen auch pharmazeutisch verträgliche Arzneimittelhilfsstoffe enthalten.
In Form einer Perfusion kann es ungefähr 1,3 mg/l bis 800 mg/l Atomäquivalent
Selen umfassen.
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Die
vorliegende Erfindung wird anhand der folgenden Beispiele erläutert, ohne
jedoch auf diese beschränkt
zu sein.
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Beispiel 1
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Ein
Patient von 51 Jahren, 75 kg, chronischer Alkoholiker ohne Anamnese
einer ikteroaszitischen, hämorrhagischen
oder enzephalopathischen Dekompensation, wird nach einer Operation
einer generalisierten purulenten Peritonitis nach Kolonperforation
während
des Abklingens eines Ausbruchs einer divertikulären Sigmoiditis auf die Intensivstation gebracht.
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Sein
anfänglicher
hämodynamischer
Zustand wird bei der Infusion von Flüssigkeit beibehalten. Er wird
unter Sedierung intubiert und mit einem etwas erhöhten FiO2-Wert von 50% beatmet. Es gibt eine moderate
Niereninsuffizienz. Eine adaptierte empirische Antibiotikum-Therapie
wurde begonnen; sie soll nach 48 Stunden anhand der Antibiogramme modifiziert
werden. Nach 24 Stunden betragen seine Risiko-Scores 29 für IGS II/SAPS
II, 17 für
APACHE II, und der SOFA-Score beträgt 5. Einen Tag nach der Operation
verschlimmert sich das Bild schnell mit dem Eintritt eines Schockzustands
mit einer Lactatazidose von 5 μmol/l,
was es erforderte, den Patienten unter Dopamin und dann schnell
unter Noradrenalin bis 4 mg/h (das sind 0,9 μg/kg/min) zu setzen. Es gibt eine
Verschlimmerung seines Atemzustands, die die Erhöhung des FiO2-Werts
aufgrund des Eintritts eines akuten Atemnotsyndroms des Erwachsenen ("Adult Respiratory
Distress Syndrome" =
ARDS) erfordert. Sobald die Notwendigkeit der Verabreichung von
Noradrenalin empfunden wurde, wurde mit einer Behandlung mit Natriumselenit
durch kontinuierliche Verabreichung in einer Menge von 4 mg Atomäquivalent
Selen in den ersten 24 Stunden begonnen, und anschließend erfolgte
eine kontinuierliche Verabreichung von Natriumselenit in einer Menge
von 1 mg Atomäquivalent
Selen während
10 Tagen.
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Diese
Behandlung ermöglichte
es, die Stärke
dieses Zustands des vasodilatatorischen Schocks zu begrenzen und
dadurch ein vorzeitiges Ableben zu vermeiden. Ebenso hat es diese
Behandlung ermöglicht,
das Ausmaß des
Organversagens zu begrenzen. Die Entwicklung war durch das plötzliche Auftreten
einer Niereninsuffizienz mit erhalten gebliebener Diurese gekennzeichnet,
die aber keine Dialyse erforderte. Eine Beatmung mit einem FiO2-Wert von 70% war nur ganz vorübergehend
aufgrund eines schnell zurückgehenden
ARDS notwendig. Die Verabreichung von Noradrenalin wurde in drei
Tagen nach und nach abgesetzt. Die Lactatazidose ist schnell zurückgegangen.
Es ist keine Verbrauchskoagulopathie aufgetreten, und der Thrombocytenwert ist
stets über
150 000 Thrombocyten/mm3 geblieben. Nach
der Operation wurde keinerlei nosokomiale Infektionsepisode festgestellt,
und insbesondere ist keine nosokomiale Pneumopathie aufgetreten.
Es ist auch keine abdominale Komplikation aufgetreten. Dieser Patient
hat die Intensivstation 10 Tage nach der Operation verlassen.
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Er
wurde 3 Monate später
einer Nachuntersuchung unterzogen. Er hatte damals seine Berufstätigkeit
und seine gewohnte Lebensweise wieder aufgenommen.
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Beispiel 2
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Eine
Patientin von 35 Jahren, depressiv, appetitlos, 51 kg bei 1,75 m,
wird wegen der Diagnose Selbstmordversuch mit Medikamenten nach
Einnahme einer großen
Menge Schmerz- und Beruhigungsmitteln aufgenommen. Die Diagnose
wird schnell berichtigt als generalisierte purulente Peritonitis
durch Magendurchbruch infolge eines Geschwürs. Sie wird nach der Operation
auf die Intensivstation gebracht. Es gibt sofort einen Schockzustand,
der eine Infusion von Flüssigkeit
und die Einführung
von Catecholaminen durch Noradrenalin und Dobutamin erfordert; Lactatazidose
bei 6 μmol/l.
Eine antibakterielle und fungizide Antibiotikum-Therapie wird durchgeführt. Die
Diurese wird unter Diuretika aufrechterhalten. Eine Stunde nach
Beginn der Verabreichung von Noradrenalin wurde mit einer Behandlung
mit Natriumselenit durch kontinuierliche Verabreichung in einer
Menge von 4 mg Atomäquivalent
Selen in den ersten 24 Stunden begonnen, und anschließend erfolgte
eine kontinuierliche Verabreichung von Natriumselenit in einer Menge
von 1 mg Atomäquivalent Selen/Tag
während
10 Tagen. In der 24. Stunde betrugen ihre Risiko-Scores 44 für IGS II/SAPS
II, 35 für APACHE
II. Der SOFA-Score betrug 8.
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Die
Entwicklung ist anfangs günstig
mit einem Rückgang
des Schockzustands in 24 Stunden. Kein schweres Organversagen, Wiederaufnahme der
Diurese (Creatinin-Clearance bei 40), Beatmung mit 60% FiO2, ohne PEP (positiven Ausatmungsdruck),
keine große
Störung
der Gerinnung außerhalb
eines TP von 50%. Auftreten von zwei Atelektaseepisoden, die eine
Bronchoskopie mit Absaugen erforderten. Mit einer vorzeitigen enteralen
Ernährung
wurde begonnen.
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Acht
Tage nach der Operation beobachtet man einen andauernden purulenten
Ausfluss durch die Drains. In der Unterleibs-CT sieht man eine subhepatische
Ansammlung ohne freien Peritonealerguss. Eine Punktion unter CT
ermöglicht
es, diese Ansammlung abfließen
zu lassen. In der Bakteriologie mit offenkundigem Eiter wurden Kolonien
von Hafnia alvei und Candida albicans nachgewiesen; die Antibiotikum-Therapie
wurde an das Antibiogramm angepasst.
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Zwölf Tage
nach der Operation tritt eine nosokomiale Pneumopathie durch alpha-hämolytische Streptokokken
auf (Diagnose durch Bronchoskopie mit geschützter Bürste und bronchoalveolärer Lavage).
Eine empirische Antibiotikum-Therapie gegen Gram-positive Kokken
wird begonnen und dann an das Antibiogramm angepasst. Die Extubierung
erfolgt 20 Tage nach der Operation. Eine verlängerte Kinesitherapie ist notwendig,
um eine Reintubierung zu vermeiden.
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Diese
Patientin wird am 35. Tag in ein Erholungsheim übergeführt, um die Wiederaufnahme
der Ernährung
fortzusetzen. Sie wird nach 3 Monaten einer Nachuntersuchung unterzogen.
Man beobachtet eine Gewichtszunahme mit einem Gewicht von 56 kg.
Eine Psychotherapie wurde begonnen.
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Beispiel 3
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Ein
Patient von 57 Jahren, der eine starke Alkohol-Tabak-Vergiftung
(mehr als ein Liter Wein am Tag, 2 Päckchen Zigaretten pro Tag),
eine chronische obstruktive Lungenkrankheit (BPCO), eine Arteritis der
unteren Gliedmaßen
Stadium II und eine Veränderung
des Allgemeinzustands seit mehreren Monaten mit einem Schleimhusten
aufwies, wird nach einem kurzen Aufenthalt im Krankenhaus auf die
Intensivstation verlegt. Bei seiner Aufnahme liegt eine Atemnot
vor, die eine Not-Intubierung/Beatmung erfordert. Die Blutgasanalyse
bestätigt
eine starke Atemazidose. Dieser Patient ist fiebrig. Es liegt eine
Hyperleukocytose mit 24 000 Leukocyten, darunter 88% Granulocyten,
vor. Der Druck ist bei der Infusion von Flüssigkeit stabil, doch beobachtet
man Flecken an den Knien. Es liegt keine Koagulationsstörung oder Niereninsuffizienz
vor. In der 24. Stunde beträgt
der IGS-II/SAPS-II-Score 41, der APACHE II beträgt 26, und der SOFA-Score beträgt 8. Die
Bronchialabstriche mit geschützter
Bürste
und bronchoalveoläre
Lavage bestätigen
die Diagnose einer spontan erworbenen Pneumopathie: 47% infizierte
Zellen, beta-Lactamase-negative Haemophilus influenza und Streptococcus
anginosis Wildtyp. Eine Zwei-Antibiotika-Therapie wurde sofort begonnen
und erwies sich später
als wirksam gegen diese Keime. In der Oberkörper-CT liegt eine voluminöse Flüssigkeitsansammlung
innerhalb des Lungenparenchyms der rechten Basis vor, die sich pleural
zu verfisteln scheint mit einer Pleuritis. Außerdem bestätigt die Unterleibs-CT das
Vorliegen eines thrombosierten Aneurysmas der Aorta abdominalis
infrarenalis.
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Die
unmittelbare Entwicklung ist durch eine rasche Verschlimmerung seines
Atemzustands gekennzeichnet, mit der Notwendigkeit einer Beatmung mit
100% FiO2, PEP8. Außerdem ist eine sehr starke Infusion
von Flüssigkeit
unter Druckmessung durch einen Katheter im rechten Vorhof notwendig.
Dopamin muss in einer Menge von 10 μg/kg/min eingeführt werden.
Nach 8 Stunden. Verabreichung von Dopamin wurde mit einer Behandlung
mit Natriumselenit durch kontinuierliche Verabreichung in einer
Menge von 4 mg Atomäquivalent
Selen in den ersten 24 Stunden begonnen, und anschließend erfolgte
eine kontinuierliche Verabreichung von Natriumselenit in einer Menge
von 1 mg Atomäquivalent
Selen pro Tag während
10 Tagen.
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Nach
einer Steigerung des Dopamins auf 20 μg/kg/min und Beigabe von 1 mg/h
Adrenalin scheint sich das hämodynamische
Bild zu stabilisieren. Die Hyperlactatämie nimmt parallel dazu bis
auf 10 μmol/l zu
und dann ab dem zweiten Tag wieder ab. Die Entwicklung hin zu einem
fatalen Schock kann so vermieden werden. Was die Atmung betrifft,
so wurde eine Behandlung mit 10 ppm Stickstoffmonoxid (NO) begonnen.
Die Diurese wird unter Diuretikum aufrechterhalten. Es liegt eine
Thrombopenie mit 7500 Thrombocyten/mm3 vor,
die mit einer Verlängerung der
Gerinnungszeit und einer Steigerung der Fibrinabbauprodukte einhergeht,
was auf eine mäßige Verbrauchskoagulopathie
(DIC) hinweist. Eine Drainage der purulenten Pleuritis wurde eingeleitet.
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Ab
dem zweiten Tag stellt man eine fortschreitende Verbesserung des
Bilds sowohl in bezug auf die Atmung als auch die Hämodynamik
fest. Die Drainage erlaubt eine vollständige Evakuierung der Peluritis
mit einer Drainage des Lungenabszesses. Das Absetzen des Catecholamins
erfolgte am fünften Tag.
Die Extubierung erfolgt am zehnten Tag. Dieser Patient wird am fünfzehnten
Tag in die Pneumologie zurückverwiesen,
um die Untersuchung fortzusetzen und sich um seine Ateminsuffizienz
zu kümmern.
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Dieser
Patient wird 3 Monate später
einer Nachuntersuchung unterzogen. Ein Zahnabszess wurde behandelt.
Eine Wiederaufnahme der beruflichen Tätigkeit ist im Gange. Dieser
Patient hat zu Hause keine Oxygenation.
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Diese
Ergebnisse stehen im Einklang mit denjenigen, die in einer großen Reihe
erhalten wurden, was eine Nettoverbesserung der Prognose der Patienten,
die mit Selen in hoher Dosis behandelt wurden, gegenüber denjenigen,
die ein Placebo erhielten, zeigt.
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Unter
IGS II/SAPS II versteht man den vereinfachten Risiko-Score II, wie
er von Le Gall et al. 1993 definiert wurde (A New Simplified Acute
Physiology Score [SAPS II] Based on a European/North American Multicenter
Study. JAMA, 1993; 270: 2957–2963),
unter APACHE II (Acute Physiology and Chronic Health Evaluation
II) den Risiko-Score, der von W.A. KNAUS et al. definiert wurde
(APACHE II: A severity of disease classification system, Crit. Care Med.
1985; 13: 818–829),
und unter dem SOFA-Score versteht man den Score des Organversagens,
der von J.L. VINCENT et al. definiert wurde (The SOFA [Sepsisrelated
Organ Failure Assessment] score to describe organ dysfunction/failure,
Intensive Care Med. 1995; 22: 707–710).