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Vorliegende
Erfindung betrifft den Gebrauch eines die Freisetzung von Glutamat
hemmenden Stoffes bei der Behandlung von Retinalischämie. Die Erfindung
betrifft insbesondere den Gebrauch von Riluzol und seinen aktiven
Derivaten im Neuroschutz oder den pharmazeutisch akzeptierbaren
Salzen dieser Zusammensetzungen, für die Vorbereitung von Medikamenten
bestimmt zur Behandlung und/oder Vorbeugung der Krankheiten verbunden
mit einer Ischämie
der Netzhaut.
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Die
Ischämie
der Netzhaut ist klinisch in akuten Situationen zu beobachten, wie
z.B. bei arteriellen oder venösen
Okklusionen der Netzhaut oder Augenquetschungen, und auch bei chronischen
Krankheiten, wie z.B. der altersbedingten makulären Degeneration (AMD), dem
grünen
Star, der diabetischen Retinopathie, der Retinopathie der Frühgeburt,
bei entzündlichen
Krankheiten und Blutkrankheiten, die zur Beschädigung der Netzhaut und in
zahlreichen Fällen
sogar zur kompletten Degeneration derselben führen. Grüner Star und altersbedingte
makuläre
Degeneration sind verbunden mit der Erhöhung der Lebenserwartung die
Hauptursachen für
Sehbehinderungen in den westlichen Ländern und ein Problem des öffentlichen
Gesundheitswesens. Durch Häufigkeit
und Schwere der neuronalen Beschädigung
bei Augenleiden stößt der Begriff
des Neuroschutzes in der Augenheilkunde auf großes Interesse.
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Ischämie ist
ein wesentliches Element in der Pathogenese dieser Netzhauterkrankungen.
Es ist auch ein ungemein komplexes Phänomen, da mehrere Faktoren
eine Rolle spielen. Die Analyse der Netzhautbeschädigung führt zur
Suche einer vorbeugenden Behandlung gegen Neurodegeneration. Die bei
der neuronalen Degeneration im Gehirn implizierten Mechanismen wurden
zwar eingehend untersucht, dennoch gibt es gegenwärtig nur
wenig Daten zu der durch Retinalischämie hervorgerufenen Neurodegeneration.
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Es
gibt derzeit keine effiziente Therapie. Echte Fortschritte wurden
in Bezug auf das Verständnis
der Ursachen des neuronalen Todes im zentralen Nervensystem gemacht.
Die gleichen Konzepte wurden kürzlich
auf die Netzhaut angewandt. Glutamat ist bei der zerebralen Ischämie (7)
der wichtigste excitotoxische Neurotransmitter. Die Excitotoxizität, die an
die verstärkte
Freisetzung von Glutamat (7, 18) gekoppelt ist,
scheint eine der Hauptursachen für
die neuronale Degeneration zu sein. Die Neurotoxizität von endogenem
Glutamat war bei mehreren neurodegenerativen, traumatischen und
ischämischen
Erkrankungen des zentralen Nervensystems (7, 9)
beteiligt. Glutamat spielt eine wichtige Rolle bei der synaptischen Übertragung
der Netzhaut (17). Auch die excitotoxische Hypothese (7, 18)
könnte
auf die Retinalischämie
angewendet werden. Die verstärkte
extrazelluläre
Glutamatansammlung, die infolge einer Ischämie und einer Hypoxie auftritt,
führt angeblich zu
einer Netzhautdegeneration. Das daraus resultierende Energiedefizit
würde die
Fähigkeit
der Müller-Fasern, freigesetztes
Glutamat wieder an sich zu binden, einschränken. Und das Agglomerat des
Neurotransmitters in den extrazellulären Bereichen führt angeblich
eine Depolarisierung der Ganglienzellen, eine Erhöhung des
intrazellulären
Kalziums und schließlich
den Tod der Zelle herbei. Lucas und Newhouse (13) waren
die ersten, die nachwiesen, dass die inneren Netzhautschichten infolge
einer systemischen Glutamatinjektion zerstört werden. Geringe Dosen Glutamat,
die über
einen lagen Zeitraum in den Glaskörperhohlraum der Ratte injiziert
wurden, erwiesen sich als toxisch für die Ganglienzellen der Netzhaut
(21). Eine spezielle Glutamatfreisetzung infolge einer
Ischämie,
die durch intraokulare Druckerhöhung
herbeigeführt
wird, wurde beim Kaninchen (12) beschrieben. In der Glaskörperhöhle des
an grünem
Star (8) leidenden Menschen und des Affen wurde eine deutliche
Erhöhung
von Glutamat festgestellt.
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Riluzol,
das auch 2-Amino-6-Trifluoromethoxybenzothiazol genannt wird, ist
eine Verbindung, die aufgrund ihrer zahlreichen Eigenschaften bekannt ist.
Es wird beschrieben als Antikonvulsivum und Antiepileptikum (europäisches Patent
Nr. 50 551) bei der Behandlung neurologischer Schädigungen
im Zusammenhang mit Verletzungen (Französisches Patent Nr. 2 699 077)
und bei der Behandlung von Schizophrenie (Europäisches Patent Nr. 305 276), Schlafstörungen und
Depression (Europäisches
Patent Nr. 305 277). Kürzlich
wurde die Verwendung von Riluzol für die Behandlung von Mitochondrienerkrankungen
vorgeschlagen (Internationale Patentanmeldung Nr. WO95/19170).
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Man
fand jetzt heraus, dass Riluzol und seine aktiven Derivate im Neuroschutz,
beschrieben im vorhergehenden Artikel, bei der Behandlung oder zum
Vorbeugen vor Erkrankungen in Verbindung mit einer Retinalischämie, wie
z.B. arterielle oder venöse Okklusion
der Netzhaut oder Augenquetschungen, benutzt werden können, und
auch bei chronischen Erkrankungen wie altersbedingter makulärer Degeneration,
grünem
Star, diabetischer Retinopathie, Retinopathie der Frühgeburt,
entzündlichen
Krankheiten und Blutkrankheiten.
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Riluzol
hat die Eigenschaft, die präsynaptische
Freisetzung von Glutamat zu hemmen (6, 10, 15).
Die Neuroschutzeigenschaften von Riluzol wurden an der zerebralen
Ischämie
(9, 14, 19, 22) und an Rückenmarkverletzungen
(20) aufgezeigt; in Modellen der Parkinson- und Huntington-Krankheit
(1, 2, 4, 5, 16). In
klinischen Tests ist Riluzol bis heute das einzig effiziente Molekül bei der
Behandlung der amyotrophischen Lateralsklerose (ALS) (3, 11)
und wird von der Firma Rhône
Poulenc France unter dem Namen Rilutel© kommerzialisiert.
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Das
Aufzeigen der neuen Eigenschaften von Riluzol nach der vorliegenden
Erfindung gründet
auf einer In-vivo-Studie des möglichen
Neuroschutzeffekts von Riluzol in einem Modell der Retinaischämie, hervorgerufen
durch intraokulare Druckerhöhung. Als
Instrument zur Beurteilung der Funktionsfähigkeit der Retina wird die
Elektroretinographie herangezogen.
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Die
nachstehend dargelegten Resultate ermöglichten das Aufzeigen des
Neuroschutzeffektes eines Inhibitors für die Freisetzung von Glutamat
und den erstaunlichen Neuroschutzeffekt von Riluzol. Sie gestatten
folglich den Einsatz dieser Verbindung und ihrer aktiven Derivate
im Neuroschutz, bzw. ihrer pharmazeutisch akzeptierbaren Salze bei
der Vorbereitung von Medikamenten, bestimmt zur Behandlung der Krankheiten
verbunden mit einer Ischämie der
Netzhaut.
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CHEW
S. J. E AL („Neuroprotection:
The next breakthrough in glaucome? Proceedings of The Third Annual
Optic Nerve Rescue and Restoration Thin Tank." JOURNAL OF GLAUCOMA, (1997) 6/4 (263–266) und
DREYER E B ("Intelligent
selection of glutamate antagonists for the management of glaucoma." ANNUAL MEETING OF
THE ASSOCIATION FOR RESEARCH IN VISION AND OPHTALMOLOGY, PARTS 1–2, FORT
LAUDERALE, FLORIDA, USA, MAY 11–16,
1997. INVESTIGATIVE OPHTALMOLOGY & VISUAL
SCIENCE 38 (4 PART 1–2). 1997.
S221.) schlagen lediglich vor, dass Riluzol als einer von vielen
potentiellen Wirkstoffe einer Liste, eine therapeutische Wirkung
auf den grünen
Star oder die Retinalischämie
haben könnte.
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Die
in den vorgenannten Patenten beschriebenen Riluzolsalze können im
Rahmen der vorliegenden Erfindung verwendet werden. Der Fachmann kann
gegebenenfalls selbst das aussuchen, was sich für den neuen Gebrauch gemäß Erfindung
am besten eignet. Von den pharmazeutisch akzeptierbaren Salzen kann
man insbesondere Additionssalze mit Mineralsäuren nennen, wie Chorhydrat,
Sulfat, Nitrat, Phosphat, oder organische Salze wie Azetat, Propionat,
Sukzinat, Oxalat, Benzoat, Fumarat, Maleat, Methansulfonat, Isetionat
usw. oder Ersatzderivate derselben.
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Die
Medikamente gemäß Erfindung
bestehen zumindest aus Riluzol in ungebundener Form oder in Form
eines Additionssalzes mit einer pharmazeutisch akzeptierbaren Säure, pur
oder in Form einer Zusammensetzung, in der es mit anderen pharmazeutisch
kompatiblen Produkten kombiniert wird. Die Medikamente gemäß Erfindung
können
oral, parenteral, rektal oder topisch angewendet werden.
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Als
Feststoffzusammensetzungen für
die orale Verabreichung kann man Tabletten, Pillen, Pulver usw.
benutzen, in dem Riluzol mit einem oder mehreren herkömmlicherweise
benutzten inerten Lösungsmitteln
vermischt wird, und eventuell mit anderen Stoffen, wie z.B. einem
Gleitmittel, einem Farbstoff, einer Umhüllung usw.
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Als
Flüssigzusammensetzungen
für die
orale oder okulare Verabreichung kann man Suspensionen, Lösungen,
Emulsionen, pharmazeutisch akzeptierbare Sirupe benutzen, die herkömmlicherweise benutzte
inerte Lösungsmittel
enthalten, und eventuelle andere Stoffe, wie Benetzungsmittel, Süßungsmittel,
Verdickungsmittel usw.
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Sterile
Zusammensetzungen für
die parenterale Verabreichung können
wässrige
Lösungen,
Suspensionen oder Emulsionen sein. Als Lösungsmittel oder Trägerstoff
kann man Wasser, Propylenglykol, pflanzliche Fette oder andere geeignete
organische Lösungsmittel
verwenden. Diese Zusammensetzungen können auch Adjuvantien enthalten,
wie Benetzungsmittel, Isotonika, Emulgatoren usw.
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Zusammensetzungen
zur topischen Verabreichung können
beispielsweise Cremes, Lotionen, Mundwasser, Nasen- oder Augentropen
oder Aerosole sein.
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Wie
den nachstehend dargelegten Experimenten zu entnehmen ist, zieht
man insbesondere eine lokale Anwendung der Zusammensetzung der Erfindung
im Auge vor.
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Die
Dosen hängen
von der benutzten Verabreichungsart ab. Sie liegen bei oraler Einnahme
generell zwischen 50 bis 400 mg pro Tag mit Einheitsdosen zwischen
25 und 200 mg Wirksubstanz.
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Die
lokale Anwendung im Auge ist eine vorteilhafte Anwendung von Riluzol
im Gebrauch gemäß der Erfindung.
So zieht man insbesondere eine Verabreichung in Form von Augentropfen
vor. Bei einer Extrapolation der beim Kaninchen erzielten Ergebnisse
besteht für
den Menschen die Möglichkeit
einer auf 10–5 M/I
dosierten Lösung,
die vorzugsweise 2 Mal am Tag benutzt wird, und zwar jeweils in
Form eines Tropfens zu ca. 50 Mikrolitern pro Auge.
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Die
Erfindung betrifft auch das Vorbereitungsverfahren der Medikamente
gemäß Erfindung, das
darin besteht, Riluzol oder sein Derivat oder seine pharmazeutisch
akzeptierbaren Salze mit einem oder mehreren kompatiblen und pharmazeutisch
akzeptierbaren Lösungsmitteln
und/oder Adjuvantien zu vermischen.
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Andere
Merkmale und Vorteile der Erfindung werden in den nachstehenden
Beispielen erläutert.
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I – VERFAHREN.
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1/Tiere.
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Die
pigmentierten Brown-Norway-Ratten (Charles River-Zucht) zu 250 bis
300 g wurden wegen ihres hohen Melaningehalt im Auge ausgewählt, was
eine erhöhte
Effizienz der therapeutischen Versuche ermöglicht.
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2/Modell der Ischämie durch
intraokulare Druckerhöhun
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Die
Ratten werden mit einer intraperitonealen Injektion mit 6% Pentobarbital
(100 ml/100 g) anästhesiert.
Nach der Instillation eines Tropfens Oxybuprocain (Chauvin-Labor),
um die Pupille zu erweitern und somit das Kontrollieren des Augenhintergrunds
durch direkte Ophtalmoskopie zu ermöglichen, wird eine 30-Gauge-Heparinnadel
in die vordere Augenkammer in Höhe
des Limbus positioniert. Sie ist mit einem Behältnis verbunden, dass eine
isotonische Salzlösung
enthält
(Hank's Balance
Sal Solution), eine Wassersäule,
die durch Elevation das Erzielen eines erhöhten Augeninnendrucks von ca. 130
mm Hg ermöglicht.
Die Zeit bis zur Feststellung der Ischämie beträgt 30 Minuten. Die ausgewählten Reperfusionszeiten
sind 2 und 7 Tage.
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3/Behandlung der Tiere
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In
einem ersten Schritt des Experiments wird Riluzol (8 mg/kg, Research
Biochemicals International) das zunächst in 0,1 N Salzsäure aufgelöst und dann
in physiologische Kochsalzlösung
verdünnt wurde,
intraperitoneal 30 Minuten vor (IP-Vorbehandlung) oder 30 Minuten
nach der Ischämie
(IP-Nachbehandlung) und jeweils einmal täglich bis zum Ende des Experiments
injiziert.
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In
einem zweiten Schritt des Experiments wird eine 0,02%ige Riluzollösung (20 μl), verdünnt in „Hanks
Balanced Salt Solution" 30
Minuten vor (Topical-Vorbehandlung) oder direkt nach der Ischämie (Topical-Nachbehandlung)
und jeweils zweimal täglich
bis zum Ende des Experiments lokal im Auge angewandt.
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4/Verfahren der Elektroretinographie
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a) Prinzip
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Das
Auge zeichnet sich im Ruhezustand durch einen dauerhaften Potentialunterschied,
das sogenannte Korneoretinalpotential, zwischen der positiven Hornhaut
und dem negativen Hintergrund des Augapfels aus. Das Elektroretinogramm
(ERG) erfasst dieses Wirkpotential an der Oberfläche des Auges. Mehrere Zellen
wirken bei dessen Erstellung mit. Es handelt sich also um eine globale
elektrische Antwort. Das erfasste Signal, das verarbeitet und verstärkt wird,
kann sich in zwei aufeinanderfolgende Wellen zerlegen:
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Die
negativ gepolte Welle „a", die von den Fotorezeptoren
erzeugt wird (Hyperpolarisierung der Membran durch die Veränderung
der Pigmentmoleküle
durch Photoneneffekt, die zu einem ionischen Ungleichgewicht führt).
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Die
positiv gepolte Welle „B", die im wesentlichen
von den Müllerschen
Zellen (durch Depolarisierung) erzeugt wird.
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Die
positiv gepolte, sehr langsame Welle „c" erscheint erst spät und wird zum Teil durch das
pigmentierte Epithel als Antwort auf eine Stimulierung der Stäbchenzellen
erzeugt.
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Retinalischämie führt zu Beeinträchtigungen des
Ionenaustauschs in den Zellen und folglich der Signalübertragung.
Handelt es sich um eine ausgeprägte,
lang anhaltende Ischämie,
kommt es zu einem Verlust der elektrischen Aktivität, der irreversibel werden
und zu Blindheit führen
kann.
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b) Technik.
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Die
Tiere werden 4 Stunden vor dem Experiment an die Dunkelheit gewöhnt. Die
Elektroretinographie wird im Dunkeln an der anästhesierten Ratte nach der
Erweiterung der Pupillen durch Instillation einer Tropfens Mydriaticum
(0,5% Tropikamid, Chibret laboratory) durchgeführt. Eine Kontaktlinse mit Silberchloridring
wird auf die Kornea gelegt (die zuvor lokal durch einen Tropfen
Oxybuprocainhydrochlorid 0,04% betäubt wird). Die Bezugselektrode
besteht aus einer Silber/Silberchloridnadel, die in das Ohr des
Tiers eingeführt
wird. Vor der Durchführung
der Retinalischämie
wird eine elektroretinographische Grundmessung durchgeführt.
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Die
Lichtstimuli werden durch ein Stroboskop erzeugt, das in 20 cm Entfernung
vom Auge entfernt in der visuellen Achse positioniert wird. Der
weiße
Lichtblitz dauert 10 μSekunden.
Er hat eine Lichtstärke
von 5 × 10–4 cd/m2 (cd ist das Symbol für Candela, die Lichtstärkeeinheit
des internationalen Einheitensystems).
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Nach
der Stimulierung durch einen Blitz wird das elektrische Signal durch
einen Differentialverstärker
erfasst (Verstärkung × 1000,
0,1–500
Hz), auf einem Digital-Analogoszilloskop
angezeigt und in einen IBM-Computer übertragen. Eine Software ermöglicht die
Erfassung der Daten, sowie die Bestimmung der Amplituden und Latenzzeiten
der verschiedenen Wellen des Elektroretinogramms (ERG). Die ERG
werden in einem Abstand von je 4 Minuten vor der Ischämie, während der
Ischämie
und 2 und 7 Tage nach der Ischämie
aufgezeichnet. Für
jede analysierte Reperfusionszeit wurden sechs Ratten untersucht.
Die zur Auswertung des ERG herangezogenen Parameter sind die Amplitude
der Welle, gemessen in μV
von der Grundlinie bis zum Tiefstpunkt der Linie (für Welle „a) und
von diesem Tiefstpunkt bis zur Spitze (bei Welle „b"). Fünfzehn hintereinander
erfolgte Antworten werden aufgezeichnet, die Durchschnittswerte
berechnet und statistisch nach dem „Mann Witney U" Test pro Rattengruppe
analysiert. Die ERG- Wellenwerte
für „a" und „b" werden in Prozent
des Ausgangswertes ausgedrückt.
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II – HISTOPATHOLOGIE
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a) Argyrophile Silberimprägnationsfärbung
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Diese
spezielle Färbung
soll den Neuronentod durch Nekrose aufzeigen. Sie wird an 7 μm-Retina-Schnittpräparaten
inklusive im Paraffin nach einem von Galyas und Koll. beschriebenen
Standardprotokoll (23) vorgenommen. Die histologische Analyse
erfolgt eine Woche nach der Ischämie.
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b) Apoptose-Test nach
dem TUNEL-Verfahren (TdT-mediated dUTP nick end labelling).
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Die
Technik für
die Erkennung und Mengenbestimmung der Apoptose, auch programmierter Zelltod
genannt, basiert auf der DNA-Fragmentierung. Sie wird nach der Methode
von Gravrieli und Koll. (24) mit Hilfe des von Boerhinger
Mannheim kommerzialisierten Sets „In Situ Cell Death Detection" durchgeführt.
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III – ERGEBNISSE
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1) Elektroretinographie
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1 zeigt
die Elektroretinogramme (ERGs) von 6 Kontroll- und Versuchsratten
(mit Riluzol behandelt), die 30 Minuten nach der durch intraokulare
Druckerhöhung
induzierten Ischämie
aufgezeichnet wurden. Die ERGs werden vor der Ischämie, nach
2 Tagen und nach 7 Tagen Reperfusion aufgezeichnet. Die Behandlung
mit Riluzol wird als „Vor-
und Nachbehandlung IP" und „Lokale
Vor- und Nachbehandlung„ angegeben.
Ein Mittel von 15 Versuchen hintereinander als Reaktion auf die
Stimulation.
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In 2 ist
die Wirkung der Ischämie
mit einer Reperfusionszeit von 2 und 7 Tagen auf die Amplitude der
Wellen „a" und „b" des ERG der Kontrollratten
und der mit Riluzol behandelten Ratten dargestellt (IP = Intraperitoneale
Injektion oder topikal = lokale Instillation 30 Minuten vor (Vorbehandlung)
oder 30 Minuten nach der Ischämie
(Nachbehandlung). Das Riluzol wird in der Reperfusionszeit täglich verabreicht.
Die Amplituden der Wellen „a" und „b" werden in Prozent
der jeweiligen präischämischen
Werte ausgedrückt
(% of control). Die signifikanten statistischen Unterschiede zwischen
den Kontrollratten und den behandelten Ratten sind durch Asterixe
gekennzeichnet (P < 0.01
versus Kontrollratte, n = 6, Mann Witney U test).
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3 zeigt Fotomikrographien, auf denen die
Morphologie der nach der Silberimprägnationsmethode kolorierten
Retina bei den Kontrollratten (a), ischämischen unbehandelten Ratten
(b) und ischämischen,
lokal mit Riluzol behandelten Ratten (c) zu sehen sind und welche
nach 7 Tagen Reperfusion beobachtet wurden. Die durch die Pfeile
angezeigten Silbergranulaniederschläge erscheinen in der Ganglienschicht
(GCL), in den inneren Kernschichten (INL) und den äußeren Kernschichten
(ONL) der beschädigten
Retina.
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4 zeigt Fotomikrographien, auf denen apoptotische
Zellen zu sehen sind, die durch das TUNEL-Verfahren in den Retina-Schnittpräparaten
der Ratte nach 30 Minuten Ischämie-Reperfusion und der
Wirkung von Riluzol bei lokaler Anwendung festgestellt wurden. In
der Retina der Kontrollratte (a) gibt es keine apoptotische Zelle.
Nach 30-minütiger, durch
intraokulare Druckerhöhung
hervorgerufene Ischämie
erscheint die spezifische Markierung der apoptotischen Zellen (Pfeile)
in der Ganglienschicht (CGL) nach zweitägiger Reperfusion (b) und zusätzlich in
den inneren und äußeren Kernschichten
(INL) nach viertägiger
Reperfusion (c). In der Retina der mit Riluzol behandelten Ratte
(d) sind nach 30 Minuten Ischämie
und 4-tägiger
Reperfusion überhaupt keine
apoptotischen Zellen vorhanden.
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In 1 werden
die ERG-Profile der Kontrollratten und der behandelten Ratten direkt
vor und 2 Tage bzw. 7 Tage nach der Ischämie miteinander verglichen.
Die kontrollierten ERGs der verschiedenen Gruppen von Ratten sind
stabil und nicht signikant abweichend von den Grundwerten. Während der
durch intraokuläre
Druckerhöhung
30 Minuten lang induzierten Ischämie
wird die Linie der Wellen „a" und „b" flach (nicht dargestellt).
Während
der Reperfusion bei Unterlassen einer Riluzol-Behandlung erholen
sich die Wellen „a" und „b" langsam (1 und 2).
Zwei Tage nach der Ischämie
beträgt die
Amplitude der Wellen „a" und „b" jeweils 38% und 26%
des Ausgangswertes. Nach einer Reperfusionszeit von einer Woche
stabilisiert sich die Amplitude der Wellen „a" und „b" jeweils auf 27% und 37% der Ausgangswerte.
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Die
aufgezeichneten ERGS bei nicht-ischämischen, jedoch mit Riluzol
behandelten Ratten bleiben im Laufe der Zeit unverändert und
die Amplitude der Wellen „a" und „b" wird durch die Behandlung nicht
beeinflusst (1). In allen Gruppen behandelter
Ratten verhindert Riluzol die Veränderung der durch Ischämie induzierten
Wellen „a" und „b" (1 und 2).
Sieben Tage nach der Ischämie hat
die Amplitude der Wellen „a" und „b" bei den Kontrollratten
ungefähr
40% der Ausgangswerte erreicht, wohingegen sie bei den behandelten
Ratten zwischen 65% und 95% liegt. Die Art der Riluzol-Verabreichung
(intraperitoneale Injektion oder lokale Behandlung) und der Zeitpunkt
der Behandlung (vor oder nach der Ischämie) scheinen nach einer langen Reperfusionszeit
(7 Tage) keine größeren Auswirkungen
auf die Erholung von Welle „b" zu haben. In sämtlichen
Fällen
beträgt
die Amplitude der Welle „b" ca. 75% des Kontrollwerts.
In kürzeren
Reperfusionszeiten (2 Tage nach der Ischämie), gewährleistet vor der Ischämie lokal
angewendetes Riluzol eindeutig den wirksamsten Schutz ( 2).
Die Erholung von Welle „a" ist bei den mit
Riluzol behandelten Ratten auch nach einer Woche Reperfusion ausgezeichnet. Die
beste Erholung der Amplitude von Welle „a" wird erzielt, wenn Riluzol vor der
Ischämie
verabreicht wird, sowohl mit intraperitonealer als auch lokaler
Behandlung, und nach 2 Tagen oder 7 Tagen Reperfusion.
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2) Histopathologie
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Der
neuronale Tod durch Ischämie
erfolgt durch Nekrose und Apoptose. Nekrose wird durch die argyrophile
Färbung
in Form von sichtbaren Silbergranulaniederschlägen im Zellkern nachgewiesen. Auf
der Retina der Kontrollratten (3a)
erscheint keine Färbung.
Auf 3b dagegen ist zu sehen, dass
die Retinazellen durch die Ischämie
stark beschädigt
sind. In der Schicht der Ganglienzellen (GCL), der inneren Kernzellen
(INL) und der äußeren Kernzellen
(ONL) erscheinen nach der Ischämie
und nach 7 Tagen Reperfusion Silbergranulaniederschläge. 3c zeigt den spektakulären Effekt von Riluzol. Eine
Behandlung vor und/oder nach der Ischämie intraperitoneal injiziert
oder lokal angewendet schützt
die Retina vollständig
vor Ischämie. 3c zeigt, dass nach einer lokalen Anwendung
von Riluzol 30 Minuten nach der Ischämie und nach 7 Tagen Reperfusion
in den Zellen der 3 Netzhautschichten, die bekannt dafür sind,
nach einer Ischämie
verletzt zu sein, keine Silbergranulaniederschläge auftreten.
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Der
Apoptoseprozess wird mithilfe der DNA-Fragmentierungs-Methode, dem sogenannten TUNEL-Verfahren
nachgewiesen. Die apoptotischen Zellen werden in Form einer dunkelrosa
gefärbten Kernkondensation
hervorgehoben. Die Retina der Kontrollratten weist keine Färbung auf
(4a). Die Retina-Schnitte der „ischämischen" Ratten weisen Apoptose
nach der Ischämie
und nach 2 Tagen Reperfusion in der Ganglienschicht (GCL) auf (4b) und nach 4 Tagen Reperfusion in den
inneren (INL) und äußeren Kernschichten (ONL)
(4c). Diese Apoptoseuntersuchung zeigt
wiederum auf, dass Riluzol einen Neuroschutz bewirkt. Die systemische und
lokale Verabreichung von Riluzol mindert den Tod durch Apoptose
erheblich. 4d zeigt, dass vier Tage
nach einer lokalen Riluzolanwendung 30 Minuten nach der Ischämie die
apoptotischen Zellen in der Ganglienschicht und den Schichten der
Fotorezeptoren praktisch komplett verschwunden sind.
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III – SCHLUSSFOLGERUNG.
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Das
Modell der durch intraokulare Druckerhöhung induzierten Ischämie wird
zur Untersuchung sowohl der Mechanismen als auch der potentiellen Therapien
der Retinalischämie
am häufigsten
benutzt. Der Verletzungsgrad der Retina ist abhängig von der Tierspezies, der
Dauer und der Stärke
des auferlegten Augendrucks. In vorliegender Studie wird dieses
Modell auf die Ratte 30 Minuten lang mit einem Augeninnendruck von
130 mm Hg angewendet, um Ischämie
hervorzurufen. Die elektrische Antwort der Retina ist stark verändert und
die zum Tod der Retinazellen führenden
Mechanismen sind bereits in Gang gesetzt. Die im Rahmen dieser Erfindung durchgeführten Forschungsarbeiten
zeigen anhand der Untersuchung der ERGs zur Beurteilung der Retinaschäden erstmals
die spektakuläre
Neuroschutzwirkung von Riluzol gegenüber Retinalischämie auf.
Bis heute gab es keine wirksame Behandlung gegen die ischämisch bedingte
Degeneration der Retina. Vorliegende Forschungsarbeiten zeigen, dass
Riluzol sowohl bei systemischer als auch bei lokaler Verabreichung
die Erholung der Wellen „a" und „b" des ERGs verglichen
mit einer unbehandelten Ratte spektakulär verbessert. Nach einer Vor-
und selbst einer Nachbehandlung mit Riluzol bei lokaler Anwendung
stimmen die Wellen „a" und „b" fast mit den Amplituden
der Zellen der Kontrolltiere nach einwöchiger Reperfusion überein.
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Der
neuronale Tod durch Ischämie
wird durch Apoptose und/oder Nekrose, zwei ganz unterschiedliche
Arten des Zelltodes, erzeugt, die sowohl aktive als auch passive
Mechanismen beinhalten. In diesen Forschungsarbeiten werden die
apoptotischen Mechanismen über
das TUNEL-Verfahren erkannt, das die DNA-Fragmentierung in den Zellkernen
markiert. Die nekrotischen Neuronen werden durch Silberimprägnationsfärbung sichtbar
gemacht, bei der in den sich degenerierenden Neuronenkernen Silbergranulaniederschläge sichtbar
werden. In den Schichten GCL, INL und ONL der Retina von Ratten,
bei denen der Augeninnendruck erhöht wurde, sind zahlreiche apoptotische
Zellen und argyrophile Neuronen ersichtlich. Riluzol verhindert
zum einen eindeutig Nekrose und Gliosis-Reaktionen und reduziert zum andern
erheblich das Phänomen
der Apoptose. Die lokale Anwendung ist im Vergleich zu einer systemischen
(intraperitonealen) Injektion das wirksamste Mittel zum Schutz der
Retina. Die Vorbehandlung mit lokal angewendetem Riluzol (vor der
Ischämie)
führt bei
kürzeren
Reperfusionszeiten zu einem Neuroschutzeffekt, wohingegen eine Nachbehandlung
bei lokaler Anwendung wirksamer bei längeren Reperfusionszeiten ist.
Die hier erläuterten
Ergebnisse (Schutz und lokale Behandlung) beschreiben Riluzol als
ein wichtiges potentielles Molekül
in der Augenheilkunde. Diese Wirkungen lassen sich auf andere schwere
Netzhauterkrankungen anwenden, wie z.B. grünen Star, Pigmentretinopathie
und altersbedingte makuläre
Degeneration (AMD). In allen diesen Pathologien hat Riluzol eine
Neuroschutzwirkung.