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Verfahren zur Entgasung von mit Schwefelwasserstoff beladenen alkalischen
Flüssigkeiten Für die Entschwefelung von Gasen werden immer mehr solche Verfahren
bevorzugt, bei denen die Entfernung des Schwefelwasserstoffs mit Hilfe von solchen
alkalischen Flüssigkeiten erfolgt, die Schwefelwasserstoff in der Kälte aufnehmen
und beim Erwärmen wieder abgeben. Solche Waschflüssigkeiten sind z. B. wäßrige Lösungen
von Alkalicarbonaten, z. B. von Pottasche, oder Lösungen starker organischer Basen,
z. B. von Alkylolaminen, wie Mono- oder Triäthanolamin, oder Lösungen von Salzen
starker anorganischer oder organischer Basen mit schwachen organischen Säuren, insbesondere
Aminosäuren, wie Glykokollkalium oder Alan.innatrium.
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Während die Auswaschung der Gase bei diesen Verfahren in einfacher
Weise erfolgt, erfordert die Regeneration der Waschflüssigkeiten einen großen Aufwand
an Wärme, die in der Regel in Form von Dampf oder heißen Verbrennungsgasen zugeführt
wird.
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Andererseits wird bei der Entgasung der Waschflüssigkeiten der Schwefelwasserstoff
in konzentrierter Form in Freiheit gesetzt. Wegen der Geruchsbelästigung und der
großen Giftigkeit kann er nicht ohne weiteres ins Freie geleitet werden, vielmehr
sind meist ziemlich umfangreiche Anlagen für die Weiterverarbeitung erforderlich,
die wegen der Vergiftungsgefahr besonders sorgfältig gebaut und dauernd überwacht
werden müssen und daher sehr teuer sind.
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Es wurde nun gefunden, daß man diese Schwierigkeiten vermeiden kann,
wenn man die mit Schwefelwasserstoff beladene Waschflüssigkeit mittelbar durch die
heißen, bei der Weiterverarbeitung des bei der Entgasung der Waschflüssigkeit anfallenden
Schwefelwasserstoffs zu Schwefel oder Schwefeldioxyd auftretenden Verbrennungsgase
erhitzt und die hierbei entstehenden Wasserdämpfe zusammen mit dem frei werdenden
Schwefelwasserstoff durch die wiederzubelebende Waschflüssigkeit führt. Man erspart
hierbei umfangreiche Leitungen und Sammelbehälter usw., die bisher für die Verarbeitung
des Schwefelwasserstoffs notwendig waren, und außerdem mindestens einen großen Teil
des für die Wiederbelebung der Waschflüssigkeit bisher erforderlichen Aufwands an
Dampf oder heißen Verbrennungsgasen, so daß also die Wirtschaftlichkeit des Verfahrens
ganz beträchtlich erhöht wird.
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Die Einrichtung für die Wiederbelebung der Waschflüssigkeit setzt
sich meist zusammen aus einer Entgasungskolonne, durch die die zu regenerierende
Flüssigkeit von
oben nach unten fließt, und einem im unteren Teil
der Kolonne oder seitlich neben dieser angeordneten Kocher, in dem die Flüssigkeit
mittelbar mit heißem Gas oder Dampf beheizt wird und der mit der Kolonne in unmittelbarer
Verbindung steht. Zur Durchführung des Verfahrens läßt man nun z. B. die übliche
Beheizung des Kochers mit Dampf oder heißen Gasen fortfallen und führt an ihrer
Stelle den in der Kolonne ausgetriebenen Schwefelwasserstoff, zweckmäßig nach einer
Kühlung, zusammen mit einem sauerstoffhaltigen Gas, wie Sauerstoff oder Luft, als
Heizgas in den Kocher ein.
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Es hängt von der Menge des zur Verfügung stehenden Schwefelwasserstoffs
ab, ob die bei der Verbrennung gebildete Wärme für die Austreibung des Schwefelwasserstoffs
ausreicht. Wird beispielsweise nur Schwefelwasserstoff aus dem zu reinigenden Gas
entfernt und ist das Aufnahmevermögen der Waschflüssigkeit groß, so liefert die
Verbrennung des bei der Entgasung entbundenen Schwefelwasserstoffs zu Schwefeldioxyd
nicht nur die zurWiederbelebung derWaschflüssigkeit notwendige Wärme, sondern noch
einen Wärmeüberschuß, den man verloren geben oder nach bekannten Verfahren nutzbar
machen kann. Z. B. kann man die überschüssige Wärme abführen, indem man bei der
Wiederbelebung eine stärkere Eindampfung der Waschflüssigkeit eintreten läßt und
die Lösung dann durch Zufügen des gekühlten Kondensats oder anderer Wässer wieder
entsprechend verdünnt.
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Andererseits kann das Verfahren auch dann angewendet werden, wenn
der von derWaschflüssigkeit aufgenommene Schwefelwasserstoff nicht ausreicht, um
bei der Verbrennung die für die Auskochung notwendigen Wärmemengen zu liefern. Man
führt dann die fehlenden Wärmemengen durch zusätzliche Verbrennung von Fremdgasen
oder durch Einführung passender Dampfmengen zu.
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Das Verfahren hat den weiteren Vorteil, daß praktisch der gesamte
Schwefelwasserstoff in Schwefel und/oder Schwefeldioxyd übergeführt wird, die leicht
gewonnen und gegebenenfalls in andere Produkte übergeführt werden können.
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Will man beispielsweise Schwefel gewinnen, so verbrennt man den Schwefelwasserstoff
mit der auf die Bildung von Schwefel berechneten Luftmenge. Es werden dann bereits
im Kocher etwa 70 bis 8o'/, des Schwefelwasserstoffs zu Schwefel umgesetzt,
den man leicht gewinnen kann. Wenn man so arbeitet, daß die Verbrennungsgase den
Kocher mit einer Temperatur unter Zoo' C verlassen, so scheidet sich bereits ein
großer Teil des Schwefels flüssig ab. Der Rest des Schwefels kann in passenden Abscheidern,
wie mit Raschigringen gefüllten Räumen, Multiklonen oder Elektrofiltern, niedergeschlagen
«-erden. Gibt man sich mit der so erzielten Umsetzung nicht zufrieden, so ordnet
man im Weg der Verbrennungsgase im Kocher oder hinter diesem entsprechend dem Vorgehen
bei Clausöfen noch Katalysatoren, wie Bauxit, an. Auf diese Weise wird, besonders
wenn für die katalytische Umsetzung niedrige Temperaturen aufrechterhalten werden,
eine fast vollständige Überführung des in den Gasen noch vorhandenen Schwefelwasserstoffs
und Schwefeldioxyds zu Schwefel erreicht. Die Anordnung von Katalysatoren auf dem
Weg der Gase im Kocher ist notwendig, wenn der Schwefelwasserstoff, z. B: durch
Kohlensäure, so stark verdünnt ist, daß er nicht mehr mit freier Flamme, sondern
nur noch katalytisch verbrannt werden kann. Wenn man die Beheizung des Kochers,
um zu starke Überhitzung am Gaseintritt zu vermeiden, in bekannter Weise unter dauernder
Umwälzung eines Teils der Verbrennungsgase im Kreislauf durchführt, so braucht man
naturgemäß die Umsetzung des restlichen Schwefels und seine Gewinnung nur in demjenigen
Teil des Gases vorzunehmen, der entsprechend der Zufuhr von Frischgasen aus dem
Kreislauf abgeführt wird.
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,Wenn der Schwefelwasserstoff anstatt zu Schwefel zu Schwefelsäure
verarbeitet werden soll, so wendet man bei der Verbrennung so viel Luftüberschuß
an, daß die Verbrennungsgase nach Verlassen des Kochers den Schwefel als Schwefeldioxyd
enthalten und ohne weiteres der Schwefelsäurefabrik zugeführt werden können. Man
muß nur beachten, daß in diesem Falle die Verbrennungsgase stets auch geringe Mengen
von Schwefeltrioxyd enthalten, das bei zu niedrigen Temperaturen, z. B. in der Nähe
von ioo° C, leicht die Apparatematerialien, z. B. die Kocherrohre, angreifen und
zerstören kann. Diese Angriffe werden mit Sicherheit vermieden, wenn die Entgasung
der Waschflüssigkeit unter erhöhtem Druck ausgeführt wird, wobei die. Lösungen dann
bei entsprechend höheren Temperaturen sieden und auch die Kocherwände sich auf höheren
Temperaturen befinden. Es ist dann sogar möglich, innerhalb des Kochers oder im
Anschluß an diesen Katalysatorschichten vorzusehen, durch die das Schwefeldioxyd
unmittelbar in Schwefeltrioxyd umgesetzt wird, das dann bei Einhaltung geeigneter
Temperatur als konzentrierte Schwefelsäure gewonnen werden kann.
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Bei der Verbrennung des Schwefelwasserstoffs zu Schwefel gibt die
Durchführung der Entgasung unter Druck gleichfalls einen Vorteil
an
die Hand, weil eine Kochtemperatur von über iig° C verhindert, daß sich an den Heizrohren
des Kochers fester Schwefel abscheidet.
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In jedem Falle ist es vorteilhaft, den Druck in der Entgasungskolonne
mindestens auf eine solche Höhe einzustellen, daß der entbundene Schwefelwasserstoff
allein durch den in der Kolonne herrschenden Druck nicht nur durch den Gaskühler,
sondern auch durch Verbrennungskammer und Kocher sowie alle dahintergeschalteten
Vorrichtungen gefördert wird.
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Die beschriebene Arbeitsweise setzt bei allen mit basisch wirkenden
Waschmitteln arbeitenden Entschwefelungsverfahren die großen Gefahrenquellen, welche
durch den Schwefelwasserstoff gegeben sind, auf ein Mindestmaß herab, indem sie
den Schwefelwasserstoff ohne Zuhilfenahme von Gasometern, Gebläsen und zusätzlichen
Anlagen auf kürzestem Wege durch Umarbeitung in die gewünschten Produkte unterbringt.
Darüber hinaus bedeutet die neue Arbeitsweise eine beträchtliche Vereinfachung der
Verfahren, weil der größte Teil der für die Weiterverarbeitung der Schwefelwasserstoffgase
sonst erforderlichen Anlagen entfällt, die Wärmetönung der bei der Weiterverarbeitung
des Schwefelwasserstoffs sich abspielenden Reaktionen für die Regenerierung der
Waschflüssigkeit nutzbar gemacht wird und die sonst in Form von heißem Gas oder
Dampf für die Regenerierung aufzuwendende Wärme eingespart wird.
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Es ist zwar bekannt, bei der Verbrennung oder katalytischen Umsetzung
von Schwefelwasserstoff zu Schwefeldioxyd bzw. Schwefel die frei werdende Wärme
zur Erzeugung von Dampf oder heißer Luft auszunutzen, die dann z. B. zum Beheizen
von Trockeneinrichtungen benutzt werden können. Bei dem vorliegenden Verfahren handelt
es sich aber nicht um eine solche Wärmeübertragung auf einen Zwischenträger, sondern
die bei der Verarbeitung des Schwefelwasserstoffs frei werdende Wärme soll ohne
Zwischenüberträger für die Erhitzung der Waschflüssigkeit nutzbar gemacht werden.
Hierdurch hat man nicht nur die schon erwähnte Ersparnis an Vorrichtungen, sondern
erreicht auch ein automatisches Wechselspiel zwischen der Entgasung der Waschflüssigkeit
und der Weiterverarbeitung des Schwefelwasserstoffs, durch das z. B. bei einer Betriebsstörung
bei der Weiterverarbeitung des Schwefelwasserstoffs die Entwicklung von Schwefelwasserstoff
sofort aufhört und damit die Gefahren, die durch den üblen Geruch und die hohe Giftigkeit
des Schwefelwasserstoffs bedingt sind, beseitigt werden. In der beiliegenden Zeichnung
ist schematisch eine Vorrichtung, die zur Durchführung des neuen Verfahrens geeignet
ist, dargestellt. Sie soll in dem nachstehenden Beispiel näher erläutert «erden.
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Beispiel Eine 3oprozentige Glykokollnatriumlösung wird zur Entschwefelung
eines Abgases aus der Kohlehydrierung benutzt. Dabei kommen stündlich io cbm Lösung
zur Anwendung, die stündlich 300 cbm Schwefelwasserstoff aufnehmen. Die Lösung
fließt in einem ständigen Kreislauf über einen Waschturm und eine Entgasungseinrichtung.
Die Entgasungseinrichtung besteht im wesentlichen aus einer Entgasungskolonne x,
einem Kocher 2, einer Verbrennungskammer 3, einem Gaskühler q., einem Ofen 5 mit
Katalysatorschicht 6, einem Multiklonapparat 7 und einer Staubkammer B.
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Die mit Schwefelwasserstoff beladene Lösung wird bei g oben in die
Entgasungskolonne i eingeführt, durchläuft diese nach unten und gelangt über den
Kolonnensumpf io durch die Leitung ii in den Kocher 2. Hier wird die Lösung ausgekocht,
wobei sie durch Thermosyphonwirkung in einem kräf.. tigen Kreislauf durch den Kocher
2, die Leitung 12, den Kolonnensumpf io und die Leitung i i bewegt wird. Eine der
bei g zugeführten gesättigten Lösung gleiche Menge wiederbelebter Lösung wird aus
diesem Kreislauf bei 13 abgezweigt und mit der Pumpe 1q. durch die Leitung 15 wieder
auf den Waschturm gedrückt.
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Unter deni Einfluß der Wärme und der in der Entgasungskolonne nach
oben aufsteigenden Wasserdämpfe und schließlich bei der Auskochung wird der Schwefelwasserstoff
aus der Lösung ausgetrieben; er strömt mit Wasserdämpfen vermischt nach oben durch
die Leitung 16 aus der Kolonne aus. Er wird nach Kühlung im Gaskühler .4 durch die
Leitung 17 der Brennkammer 3 zugeführt, in der er mit stündlich 720 cbm Luft
verbrannt wird. Die heißen Verbrennungsgase durchstreichen den Kocher 2 von oben
nach unten und verlassen ihn mit einer Temperatur von etwa 22o bis 26o° C. Die Gase,
die an dieser Stelle bereits zu über 70°/o zu Schwefel umgesetzt sind, werden nunmehr
durch den Bauxitkatalysator 6 geführt, unter dessen Einfluß in den Gasen vorhandener
Schwefelwasserstoff und Schwefeldioxyd so weit reagieren, daß etwa 95°1o des ursprünglich
in die Brennkammer eingeführten Schwefelwasserstoffs zu Schwefel umgesetzt werden.
Die Gase, die sich im Katalysator 6 um etwa 8o° C erhitzt haben, werden hierauf
im unteren Teil des Ofens 5 durch Einspritzen von zerstäubtem Wasser auf etwa 13o°
C abgekühlt,
wobei sich der größere Teil des gebildeten Schwefels
abscheidet. Zur Niederschlagung des restlichen Schwefels werden die Gase noch durch
einen Multiklonapparat 7 und die Staubkammer 8 geführt. In der Staubkammer wird
außerdem der noch vorhandene Schwefelwasserstoff mit dem Schwefeldioxyd noch so
weit umgesetzt, daß die Gase am Ende der Staubkammern nur mehr so geringe Schwefelmengen
enthalten, daß sie unbedenklich durch die Leitung 18 ins Freie abgeführt werden
können. Sowohl die kleineren Schwefelmengen, die sich im Kocher ausscheiden, als
auch die im Kühlraum unter dem Katalysator 6 und im Multiklon 7 anfallenden Schwefelmengen
werden über Syphons laufend flüssig abgezogen und in einem Sammelgefäß i9 gesammelt.
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Zur Aufrechterhaltung der Konzentration der Waschflüssigkeit werden
die gesamten in dem Schwefelwasserstoffkühler 4 ausgeschiedenen Wässer, nötigenfalls
noch unter Zufügung von weitergn Mengen Wasser, in die Lösung zurückgeführt.
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Bei Inbetriebnahme der Anlage werden entweder in der Brennkammer 3
zunächst so lange beliebige Heizgase verbrannt oder es wird die Lösung im Kocher
2 solange mit Dampf durch die Leitung 2o erhitzt, bis die Austreibung des Schwefelwasserstoffs
die erforderliche Höhe erreicht hat. Von da an schreitet die Wieder-Belebung der
Lösung selbsttätig unter steter Gewinnung des Schwefels fort. Man hat lediglich
mit Hilfe der Meßscheibe 2i die Menge des entbundenen Schwefelwasserstoffs zu beobachten
und die Menge der der Brennkammer zugeführten Luft stets so einzustellen, daß auf
ein Raumteil in die Brennkammer eingeführten Schwefelwasserstoffs jeweils 2,4 Raumteile
Luft kommen.