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Anreicherung der -seltenen Isotopen des Sauerstoffs und Stickstoffs
Es ist bekannt, daß chemische Elemente nicht aus gleichen Atomen bestehen, sondern
sogenannte Isotopengemische darstellen. Indessen nahm man bis vor kurzem an, daß
mehrere der leichten Elemente, wie Wasserstoff, Stickstoff oder Sauerstoff, einheitlich
seien. Erst durch Verfeinerung der Untersuchungsmethoden hat sich in den letzten
Jahren nachweisen lassen, daß auch diese Elemente zusammengesetzter Natur sind.
Die Beimengungen. von Atomen mit anderem als dem bekannten Atomgewicht sind bei
diesen Elementen jedoch sehr gering. So enthält Wasserstoff das Isotop mit dem Atomgewicht
2 (H2) nur im Verhältnis i : 6ooo. Sauerstoff enthält das Isotop mit dem Atomgewicht
18 (018) im Verhältnis i : 6oo und das Isotop mit dem Atomgewicht 17 (O1')
im Verhältnis i : q.ooo.
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Trotz der Geringfügigkeit dieser Beimengungen war das Wasserstoffisotop
H2 das erste, das überhaupt rein hergestellt werden konnte, und zwar durch Elektrolyse.
Man war bis vor kurzem der Überzeugung, daß sich Isotopengemische durch chemische
Mittel überhaupt nicht und durch physikalische Mittel nur unter besonderen technisch
.recht umständlichen Bedingungen trennen lassen. Man glaubte nur solche Verfahren
anwenden zu können, bei denen es ausschließlich auf das Atom- bzw. das Molekulargewicht
ankommt, z. B. die Diffusion. Man nahm ferner an, daß die chemischen Eigenschaften
der Isotopen des gleichen Elementes vollkommen gleich seien und daß infolgedessen
deren Trennung keine technische Bedeutung habe. Die Isolierung des Wasserstoffisotops,
H2 hat aber gezeigt, daß diese Anschauungen nicht aufrechterhalten werden können.
Z. B. unterscheidet sich Wasser, welches statt Hl in größerer Menge H2 enthält,
in chemischer und physiologischer Beziehung recht deutlich von gewöhnlichem Wasser.
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Diese neueren Erkenntnisse haben mit Recht über die beteiligten Fachkreise
hinaus großes Aufsehen erregt, denn. durch die Isolierung des Wasserstoffisotops
ist der Wissenschaft ein gewaltiges. Mittel zum weiteren Eindringen in die Gesetze
der Materie an die Hand gegeben, was sich über kurz oder lang auch in technisch
wirtschaftlicher Hinsicht auswirken muß. Zunächst läßt sich der Einfluß der Maße
als solcher auf chemische und physikalische Eigenschaften genau erforschen. Andererseits
ist gerade durch die große Ähnlichkeit in den Eigenschaften der Isotopen
des
gleichen Elementes die Möglichkeit zum genauen. Studium- chemischer Reaktionen gegeben
insofern, als man die beteiligten Atome des gleichen Elementes kennzeichnen kann.
Dies gestattet das Studium von Austausdh--reaktionen, bei denen verschiedene Atome
des gleichen Elementes vertauscht werden. Ein Beispiel hierfür ist die der nachstehenden
Formel entsprechende Reaktion: .
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Hl Hz O -I- H2 H2 = H2 Hl Q + HIHI. Insbesondere ergeben sich für
das Studium katalytischer Reaktionen neue Aussichten. So konnte z. B. festgestellt
werden, daß bei der Hydrierung von Äthylen zu Äthan nach der Formel C2 H4 + H2 =
C2 H6
kein einfacher Additionsprozeß vorliegt, sondern gleichzeitig ein Austausch
von Wasserstoffatomen stattfindet.
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Große Bedeutung haben die Isotopen auch für das Studium der Kernumwandlungsprozesse,
also derjenigen Vorgänge, die zur Umwandlung eines Elementes in ein anderes führen.
Hierbei verhalten sich die Isotopen des gleichen Elementes gänzlich verschieden.
Das fast völlig gleiche Verhalten in chemischer Beziehung spielt dabei keinerlei
Rolle. Es ist also in diesem Falle besonders wichtig, die Isotopen möglichst rein
anzuwenden, um Fehlschlüsse zu vermeiden. Technisch spielen Elementumwandlungen
bis jetzt-keine Rolle.- Soweit jedoch radioaktive Elemente dabei entstehen, läßt
sich eine technisch medizinische Anwendungsmöglichkeit erwarten.
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Bisher stand der Wissenschaft nur das Wasserstoffisotop H2 zur Verfügung.
Besonderes Interesse besteht aber auch für die Isotopen des Sauerstoffs und Stickstoffs,
weil diese Elemente, ebenso wie der Wasserstoff, in der Chemie eine besonders große
Rolle spielen. Es ist leicht vorauszusehen, daß sich ihre Isolierung oder wenigstens
Anreicherung schwieriger gestalten muß als die des Wasserstoffisotops, denn bei
den Wasserstoffisotopen beträgt der Gewichtsunterschied ioo °/o, woraus sich .auch
der verhältnismäßig große Unterschied in den Eigenschaften erklärt. So hat sich
gezeigt, daß sich eine teilweise Trennung der beiden Wasserstoffisotopen durch Destillation
erreichen läßt. Allerdings wird diese Trennung dadurch erleichtert und vielleicht,
überhaupt - erst ermöglicht, daß der Wasserstoff stets zwei Modifikationen (Para-und
Orthowasserstoff) enthält, deren Gleichgewicht sich bei tiefen Temperaturen verschiebt
(Zeitschrift für Physik, Bd.. 79, 19322,
S.6oi).
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Es wurde gefunden, d-aß auch Sauerstoff und Stickstoff durch Rektifikation
in ihre Isotopen zerlegt werden können. Aus den oben angegebenen Gründen war das
keineswegs vorauszusehen. . Die vorgenommenen Untersuchungen haben jedoch überraschenderweise
ergeben, daß der Unterschied zwischen den Dampfdrucken der Isotopen, der mit 5 e/e
gefunden wurde, groß genug ist, uni eine technische Durchführung der Rektifikation
zu ermöglichen. Benutzt man geeignete Rektifikationskolonnen, so gelingt es bei
entsprechender Arbeitsweise ohne Schwierigkeit, eine Anreicherung der seltenen Isotopen
des Sauerstoffs oder des Stickstoffs zu erzielen. Man erhält so Ausgangsprodukte,
aus denen durch weitere Aufarbeitung die reinen Isotopen hergestellt werden können.
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Da es sich sowohl beim Sauerstoff als auch beim Stickstoff um Isotope
höheren Siedepunktes handelt, läßt sich die Anreicherung mit der Gewinnung der'Edelgase
Argon bzw. Krypton und Xenon kombinieren. Bei der Gewinnung von Krypton und Xenon
erhält man, wie festgestellt werden konnte, ohnehin stets Produkte, die Sauerstoff
mit einer wenn auch geringfügigen 0111 Anreicherung enthalten. Bei der Argonerzeugung
fällt ebenfalls ein Rohprodukt an, welches das seltene Isotop des Stickstoffs Nls
enthält.
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Selbstverständlich müssen bei der Rektifikation zum Zwecke der Isotopenanreicherung
entsprechend dem geringen Dampfdruckunterschiede Rektifizierkolonnen angewendet
werden, die eine sehr große Anzahl von Böden enthalten und mit sehr großem Rücklauf
arbeiten. Man kommt so zu einer Arbeitsweise, wie sie bei anderen Rektifikationen
nicht üblich ist. Schließlich wird es erforderlich sein, nachdem die Anreicherung
bis zu einem gewissen Grade fortgeschritten ist, durch katalytische oder sonstige
Einwirkung dafür zu sorgen, daß ein Austausch zwischen den Atomen der einzelnen
Moleküle herbeigeführt wird, um beispielsweise von 01$ : 011 zum 0111 : 0111 zu
kommen. An Hand der nachfolgenden beiden Beispiele sei das Verfahren im einzelnen
erläutert. I. Ausgangsgas: gewöhnlicher Sauerstoff mit 0,33 % 018 :
018 Endprodukte: i. Sauerstoff mit 2'°/e O18: 018, 2. Sauerstoff mit o, 17
°/e O18: 018.
Ausbeute: 53 °1e (bezogen auf 2prozentiges Gas).
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Rücklaufverhältnis: ig : i.
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Theoretische Bodenzahl: 63 (der zu zerlegende Sauerstoff tritt beim
18. Boden, von oben gezählt, ein).
II. Ausgangsgas: Sauerstoff mit
2 °/o 0l° : 018.
Endprodukte: i. Sauerstoff mit-8 % 016 : 018, 2. Sauerstoff
mit i 0',.01B : 01g. Ausbeute: 57 °/o (bezogen auf 8prozentiges Gas). Rücklaufverhältnis:
ig : i.
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Theoretische Bodenzahl: 58 (der zu zerlegende Sauerstoff tritt .beim
ig. Boden, von oben gezählt, ein).
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Wie bei den meisten Rektifikationsprozessen kann man auch bei der
Isotopenanreicherung den Trenneffekt verbessern, wenn man bei vermindertem Druck
und entsprechend niederen Temperaturen arbeitet.