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Die
vorliegende Erfindung bezieht sich auf eine pharmazeutische Zusammensetzung
zur Behandlung von Harnstressinkontinenz.
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Harninkontinenz
ist der unfreiwillige Verlust von Harn, was objektiv nachweislich
ist, und das Leiden stellt für
die Betroffenen sowohl ein soziales als auch ein hygienisches Problem
dar. „Stressinkontinenz" ist der zur Beschreibung
des Leidens verwendete Begriff, wenn während physischer Anstrengung der
unfreiwillige Verlust von Harn auftritt. Stressinkontinenz befällt bis
zu 10 % der erwachsenen weiblichen Bevölkerung. Die Inzidenz nimmt
nach der Entbindung wesentlich zu.
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Herkömmlich umfasste
die Behandlung von Harnstressinkontinenz entweder Änderungen
am Lebensstil oder eine chirurgische Behandlung. Erstere Behandlung
umfasst das Reduzieren des Gewichts, das Reduzieren oder Unterdrücken des
Rauchens und das Reduzieren der Nahrungs-, insbesondere der Flüssigkeitsaufnahme.
Es sind im Falle, dass die Symptome ausreichend schlimm sind, auch
verschiedene chirurgische Eingriffe möglich. Die Verwendung von Arzneimitteln
ist nicht weit verbreitet und die Leidenden müssen oft auf die Verwendung von
Inkontinenzbinden oder Erwachsenenwindeln zurückgreifen.
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Es
scheinen viele Faktoren in der Pathogenese von Harnstressinkontinenz
mitzuspielen, einschließlich
Urethralstütze,
Blasenhalsfunktion und Tonus und Funktion des Urethralmuskels. Frauen
mit Stressinkontinenz weisen niedrigere Ruhezustand-Urethraldrücke auf
als gleichaltrige Kontrollen, die keine Symptome wahrnehmen. Daher
ist es logisch, dass ein erhöhter
Urethraldruck das Leiden mildern sollte.
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Es
liegen reichliche pharmakologische Beweise vor, dass ein wesentlicher
Teil des Urethraltonus und daher des Urethraldrucks durch die Stimulierung
von Alpha-1-Adrenozeptoren den Vermittler spielt (Andersson (1993)
Pharmaco Rev 45; 253–308).
Die Arzneimitteltherapie richtete sich bis jetzt auf die Verbesserung
des Tonus in dem Urethralmuskel durch das Nachahmen der Wirkung
des natürlichen
Neurotransmitters, Noradrenalin, auf die Alpha-1-Adrenozeptoren.
Es sind klinische Angaben über
einige dieser Noradrenalin-Nachahmungen oder Alpha-Adrenozeptor-Agonisten,
einschließlich Ephedrin
und Norephedrin (Andersson (1988) Drugs 35; 477–494; Wein (1995) Urol Clin
N Am 22; 557–577)
und in der Tat Phenylephrin (Schreiter et al (1976) Urol Int 31;
13–18),
vorhanden. Obwohl diese Agenzien einen bescheidenen Nutzen hervorbringen,
ist ihre klinische Verwendung durch aufdringliche Erhöhungen des
Blutdrucks (Thomas et al. (1991) Br J Clin Pharmacol 32: 705–711) und
Herz- und Gefäß-Nebenwirkungen
wie etwa Schwindelanfälle,
Kopfschmerzen und Zittern (Andersson (1999) Int Consultation in
Incontinence, Plymbridge Distributors ed Abrams, Khoury und Wein:
449–486)
beschränkt.
Obgleich Versuche unternommen wurden, verbesserte Alpha-Adrenozeptor-Agonisten
zu synthetisieren, ist diese Klasse von Agens bei der Verwaltung
von Harnstressinkontinenz noch nicht festgelegt worden. Es ist bisher
auch nicht möglich
gewesen, Arzneimitteldosen zu finden, die zwischen ungewollten Herz-
und Gefäßwirkungen
und der vorteilhaften Wirkung auf die Urethra unterscheiden können.
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Phenylephrin
ist ein Beispiel eines Alpha-Adrenozeptor-Agonisten. Es ist jedoch
für die
orale Behandlung von Stressinkontinenz nicht geeignet. Es hat sich
auch gezeigt, dass Phenylephrin wesentliche Erhöhungen des Blutdrucks produziert
und dass es eine niedrige orale biologische Verfügbarkeit und eine kurze Dauer
der Wirkung, die es als potentielles orales therapeutisches Mittel
nutzlos macht, aufweist (Thomas et al. (1991) Br J Clin Pharmacol
32: 705–7).
Phenylephrin wird jedoch klinisch als ein topisches Agens zur Behandlung
von gewissen ophthalmologischen Leiden oder als topisches Anästhetikumagens
(Hoffman und Lefkowitz (1996) in Goodman und Gilmans The Pharmacological
Basis of Therapeutics (9. Auflage), McGraw-Hill ed von Hardman et
al.: 199–248)
oder als topisches Agens zur Behandlung von fäkaler Inkontinenz (WO-A-98/27971) verwendet.
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Die
topische Verwendung von Alpha-Adrenozeptor-Agonisten zur Behandlung
von Harninkontinenz ist aus WO 98/11888 bekannt. Bis heute ist jedoch
keine Offenbarung zur Verwendung von topischem Phenylephrin zur
Behandlung von Harnstressinkontinenz gemacht worden.
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Es
ist ein Ziel der vorliegenden Erfindung, die topische Anwendung
des Alpha-1-Adrenozeptor-Agonisten Phenylephrin auf Patienten, die
Symptome von Harnstressinkontinenz wahrnehmen, in Erwägung zu
ziehen. Die Abgabe auf diese Weise resultiert in einer bedeutenden
Verbesserung des Nutzen-Risiko-Profils aktiver Agenzien. Es wird
damit gerechnet, dass dieser Weg behördliche Anerkennung als rezeptpflichtiges
Arzneimittel erhalten wird.
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Die
vorliegende Erfindung stellt somit eine Zusammensetzung zum Behandeln
von Harnstressinkontinenz bereit, wobei die Zusammensetzung den
Alpha-Adrenozeptor-Agonisten Phenylephrin und einen Steroiden mit Östrogenaktivität als aktiven Inhaltsstoff,
zusammen mit einem pharmazeutisch zulässigen Träger oder einem pharmazeutisch
zulässigen
Vehikel, beinhaltet. Die Zusammensetzung ist so formuliert, dass
sie zur topischen Anwendung, zum Beispiel auf vaginales Gewebe,
geeignet ist.
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In
einem weiteren Aspekt stellt die vorliegende Erfindung die Verwendung
des Alpha-Adrenozeptor-Agonisten Phenylephrin bei der Herstellung
eines Medikamentes zur Behandlung von Harnstressinkontinenz über topische
Anwendung, zum Beispiel auf vaginalem oder periurethralem Gewebe,
bereit.
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Gemäß der vorliegenden
Erfindung wird Harnstressinkontinenz mittels örtlicher Verabreichung an Vaginalgewebezusammensetzungen,
die den Alpha-Adrenozeptor-Agonisten Phenylephrin enthalten, behandelt.
Auf diese Weise werden die Haupthindernisse der routinemäßigen klinischen
Verwendung von Phenylephrin bei der Behandlung von Stressinkontinenz,
wie etwa Blutdruckerhöhung
und kurze Dauer der Wirkung, umgangen.
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Wie
hier verwendet, umfasst „Stressinkontinenz" alle Arten von Harninkontinenz,
die ausschließlich
oder zum Teil aus physischer Anstrengung oder Provokation hervorgehen.
Klinisch gesehen umfasst dies milde, mäßige und starke Symptome, die
aus echter Stressinkontinenz oder sekundärer oder gemischter (Stress-Drang-)
Inkontinenz, unabhängig
vom Verfahren der Diagnose, hervorgehen. Die Erfindung wird insbesondere
Frauen von Nutzen sein, die nicht für die chirurgische Behandlung
geeignet sind, sich einer solchen nicht unterziehen möchten und/oder
keine inkontinenzbinden oder Erwachsenenwindeln verwenden möchten.
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Vorzugsweise
wird Harnstressinkontinenz mittels örtlicher oder topischer Anwendung
der pharmazeutischen Zusammensetzung in oder um den Bereich der
Vagina und/oder Vaginalmukosa, nahe bei der Urethra, behandelt.
Ein Verfahren für
eine derartige topische Abgabe ist von Hilton und Stanton 1993 (Br
J Obstet Gynecol 90; 940–944)
beschrieben worden. In allen Fällen
ist ein pharmazeutisch zulässiger
Träger
oder ein pharmazeutisch zulässiges
Vehikel mit dem aktiven Anteil vorhanden.
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Die
pharmazeutischen Zusammensetzungen zur topischen Abgabe können als
Cremes, Salben, Suspensionen, Lotionen, Pulver, Gele, Lösungen,
Pasten, Matrizen oder Depots mit kontrollierter oder langsamer Freisetzung,
Sprays, Schäume, Öle, Zäpfchen,
Klistiere oder Arzneimittelabgabevorrichtungen formuliert sein.
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Die
topischen Zusammensetzungen können Emulgatoren,
Konservierungsmittel, Stabilisatoren und pH-Wert-Pufferagenzien
und Antioxidationsmittel beinhalten. Die Zusammensetzungen beinhalten vorzugsweise
auch Steroide mit Östrogenaktivität.
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Verfahren
zur Zubereitung verschiedener pharmazeutischer Zusammensetzungen
mit einer gewissen Menge an aktiven Inhaltsstoffen sind dem Fachmann
bekannt oder werden ihm angesichts dieser Offenbarung offensichtlich.
Für Beispiele
von Verfahren zur Zubereitung pharmazeutischer Zusammensetzungen
siehe Remington's
Pharmaceutical Sciences, Mack Publishing Company, Easter PA., 15. Auflage
(1975).
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Die
genaue Dosierung von Phenylephrin in der verabreichten Zusammensetzung
hängt von
der behandelten Person, des Grades an behandelter Stressinkontinenz,
dem Alter, Gewicht und medizinischen Leiden des behandelten Patienten
und schließlich
von dem Urteil des behandelnden Arztes ab. Da das Leiden von Patient
zu Patient verschieden ist und von Tag zu Tag variieren kann, sind
die untenstehenden Dosierungen lediglich Richtlinien und der Arzt
kann die Dosis von Phenylephrin anpassen, um die von dem Patienten
als angemessen empfundene Reaktion zu erzielen.
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Im
Allgemeinen würde
für einen
70 kg schweren Patienten mit mäßiger Stressharninkontinenz
die Dosis des Alpha-Adrenozeptor-Agonisten (wie etwa Phenylephrin)
in dem Bereich von 20 mg bis 2 000 mg pro Tag, vorzugsweise bei
50 mg bis 200 mg pro Tag liegen.
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Der
Prozentsatz des aktiven Inhaltsstoffs (vorzugsweise Phenylephrin)
in der Zusammensetzung beträgt
vorzugsweise zumindest 5 Gew.-%, besser zumindest 10 Gew.-% und
am besten bis zu 50 Gew.-% der gesamten Zusammensetzung. Beispielhafte
Zusammensetzungen können
15 bis 25 Gew.-% Pherylephrin, zum Beispiel 20 Gew.-% Phenylephrin,
beinhalten. Die Dosierung von Phenylephrin wird zumindest 20 mg
pro 0,5 ml der Zusammensetzung sein, besser zumindest 50 mg pro
0,5 ml und vorzugsweise bis zu 200 mg pro 0,5 ml. Die topische Anwendung
der Zusammensetzung sollte zwischen 1 und 6 Mal täglich, zum
Beispiel 3 Mal täglich oder
so häufig,
dass sie eine angemessene Milderung der Symptome von Harnstressinkontinenz
bereitstellt, geschehen.
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Die
Zusammensetzung kann zusätzlich
zu Phenylephrin Gewebemembran-Penetration verbessernde Agenzien,
insbesondere Sulfoxide wie etwa Dimethylsulfoxid (DMSO), vorzugsweise
innerhalb des Bereichs von 25 bis 50 Gew.-%, beinhalten. Geeignete
Alternativen sind Amide (DMA, DMF), Pyrrolidine, organische Lösungsmittel
und Calciumthioglycolat und Polyacrylsäure-Derivate. Mehrere der Bestandteile
würden
dazu dienen, bei der Penetration durch Wirkungen als Gewebe hydratisierende
Agenzien und/oder Emulgatoren behilflich zu sein. Andere Agenzien,
insbesondere Propylenglykol, können ebenfalls
vorhanden sein, um die Haut zu erweichen. Die endgültige Zusammensetzung
wird einen leicht säurehaltigen
pH-Wert vorzugsweise in dem Bereich von 3,5 bis 4,5 aufweisen.
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Die
vorliegende Erfindung wird unter Bezugnahme auf die nicht einschränkenden
Beispiele und Figuren weiter beschrieben, wobei:
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1 den
durchschnittlichen Urethraldruck im Zeitablauf und den mittleren
arteriellen Druck im Zeitablauf für einen ersten Patienten darstellt. ∎ = Zeitdauer
1, Plazebo; ⎕ = Zeitdauer 2, Phenylephrin;
=
Zeitdauer 1, Plazebo; O = Zeitdauer 2, Phenylephrin.
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2 den
durchschnittlichen Urethraldruck im Zeitablauf und den mittleren
arteriellen Druck im Zeitablauf für einen zweiten Patienten darstellt. ∎ = Zeitdauer
1, Plazebo; ☐ = Zeitdauer 2, Phenylephrin;
=
Zeitdauer 1, Plazebo; O = Zeitdauer 2, Phenylephrin.
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Beispiel
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Die
Erfindung wurde in einer doppelten, willkürlichen Zweiwege-Überführungs-Blindstudie an weiblichen
Patienten mit dokumentierter Vorgeschichte von Stressinkontinenz
ausgewertet. Jeder Patient wurde im Laufe der Studie sowohl Plazebo- als
auch aktiven Arzneimitteln ausgesetzt.
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Jeder
Patient erhielt entweder eine Einzeldosis topischen Phenylephringels
(20 Gew.-% in einem Volumen von 0,5 ml) oder eines Plazebos gemäß dem Randomisierungsplan.
Das Gel wurde auf den periurethralen Bereich angewendet; innerhalb,
auf oder um den Bereich der Vagina und/oder der Vaginalmukosa, nahe
bei der Urethra. Der Urethraldruck wurde unter Verwendung des standardmäßigen, ambulanten
Lectromed/Galetec MPR/2 Messsystems bis zu 5 Stunden nach der Dosierung
gemessen. Der Blutdruck und die Pulsfrequenz wurden gleichermaßen unter
Verwendung standardmäßiger Methodik über einen
halbautomatischen Dinamap-Sphygmomanometer auf dem Rücken liegend
und stehend gemessen.
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Die
von zwei typischen Patienten (1 und 2)
erhaltenen Ergebnisse zeigen, dass die topische Anwendung von Phenylephrin
(0,5 ml, 20 Gew.-%)
im Gegensatz zum Plazebo merkliche und anhaltende Erhöhungen des
intraurethralen Drucks produzieren. Im Gegensatz zu den gut dokumentierten Änderungen
des Blutdrucks, die nach systematischer Verabreichung beobachtet
werden, produzierte das topische Phenylephrin keine klinisch bedeutenden Änderungen
des diastolischen oder systolischen Blutdrucks oder der Pulsfrequenz.