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Verfahren zur Entfernung der freien, nicht flüchtigen Fettsäuren aus
pflanzlichen und tierischen Ölen und Fetten oder zur Destillation nicht flüchtiger
Fettsäuren. Das vorliegende Verfahren bezweckt, in erster Reihe aus rohen, vegetabilischen
oder tierischen ölen und Fetten die bei gewöhnlichem Druck und beim Siedepunkt des
Wassers weder für sich noch mit Wasserdampf oder indifferenten Gasen destillierbaren
Fettsäuren, wie freie ölsaure, Palmitin-und Stearinsäure, ohne wesentliche Zersetzung
der neutralen Glyzeride teilweise oder vollständig zu entfernen und die abdestillierten,
gewöhnlich als nicht flüchtig bezeichneten Fettsäuren behufs weiterer Verarbeitung
zu sammeln. Das Verfahren ist aber im allgemeinen auch für die Destillation nicht
flüchtiger Fettsäuren verwendbar.
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Von den gewöhnlich als nicht- flüchtig bezeichneten Fettsäuren ist
es bekannt, daß man dieselben für sich nur bei sehr hoher Temperatur und gewöhnlich
unter teilweisen Zersetzungserscheinungen zu destillieren vermag. So z. B. findet
man nach Dr. L. U b b e -lohde und Dr. F. Golds chmidt »Handbuch d. Chemie und Technologie
der öle und Fette«, I91 o, II I. Band, i. Teil, Seite 17 5, daß bei gewöhnlichem
Druck die Palmitins.äure bei 339 bis 356° C und die Stearinsäure bei 359 bis 383°
C siedet, beide aber dabei bereits Zersetzung erleiden. Die ölsaure ist bei gewöhnlichem
Druck überhaupt nicht desti,lliierbar, sondern nur bei einem Druck von ioomm Quecksilbersäule
bei 2851e bis 286° C. S t a s (l. c.) erkannte bereits im Jahre 1865, daß diese
nicht flüchtigen Fettsäuren mit Wasserdampf bei wesentlich niedrigeren Temperaturen
destilherbar sind, und zwar die Palmitinsäure *bei 17o bis i 8o° *C, die ölsaure
bei Zoo bis 2 i o° C und die Stearinsäuxe bei 23o bis 240° C.
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Da aber der Siedepunkt der Fettsäu.remischungen höher liegt als jener
der einzelnen Fettsäuren, wird in der Praxis der Stearinfabrikation, wo das Verfahren.
heute bereits in allgemeiner Verwendung steht, zur Destillation der Fettsäuregem-enge
eine etwas höhere Temperatur angewendet, als sich aus obigen Angaben von S t a s
für die einzelnen Fettsäuren berechnen läßt. In gut geleiteten Betrieben beginnen
die genügend gereinigten Fettsäuren bei etwa 22o° C zu destillieren, und man steigert
die Temperatur behufs vollständiger Destillation bis auf 25o° C.
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Manche rechnen aber mit noch höheren, bis 3oo° C reichenden Temperaturen,
was mit der Reinheit der Fettsäuren im Zusammenhang steht.
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Aus der Praxis und aus der Literatur ist es aber bekannt, daß die
bei dieser verhältnismäßig noch immer hohen Temperatur vor sich gehende Destillation
nur dann glatt und ohne unangenehme Nebenreaktionen verläuft, wenn die Fettsäuren
möglichst geringe Mengen unzersetzter Glyzeride enthalten. Aus diesem Grunde ist
man bei der Fettspaltung bestrebt,
in den gespaltenen freien Fettsäuren
nicht mehr als 4 bis 6 Prozent neutrales Fett zu haben, und in dem Maße, als die
freien Fettsäuren destillieren, ersetzt man dieselben durch frische, rohe Fettsäuren,
wobei man darauf achtet, daß im Rückstande niemals mehr als z o bis 12 Prozent neutrales
Fett enthalten ist. Ist dies eingetreten, so muß der Rückstand wieder einer Fettspaltung
unterworfen werden, und erst dann wird derselbe, weiter verarbeitet. Es mußte also
sowohl aus der Praxis, als auch aus der Fachlitteratur gefolgert werden, daß man
die- freien Fettsäuren aus Ölen und Fetten, die der Hauptmasse nach aus neutralen
Glyzeriden bestehen, unter derartigen Umständen ohne Zersetzung und Verschlechterung
der neutralen Glyzeride nicht entfernen kann. Aus diesem Grunde findet die Destillation
der Fettsäuren, die in der Stearinfabrikation verbreitet ist, bei der Entsäurung
der Öle und Fette bisher leine Anwendung.
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Die Entfernung der in den rohen, vegetabilischen und tierischen Ölen
und Fetten enthaltenen, nicht flüchtigen Fettsäuren wurde bisher allgemein durch
Neutralisation bewirkt, wobei, je nach den angewendeten Basen, Seifen von verschiedenen
Eigenschaften entstanden, welche von den neutralen Fetten und Ölen getrennt werden
mußten. Dieses Verfahren hat u. a. den Nachteil, daß besonders bei viel freite Fettsäuren
enthaltenden vegetabilischen Ölen bei der Filtration der gebildeten Seifen wesentliche
Mengen Öl in der Seife verbleiben. Nach den Erfahrungen der Praxis hält nämlich
die Seife in diesem Falle etwa Birne solche Menge des neutralen Öles zurück, welche
der Menge der Seife gleich ist. Auf dieser Grundlage kann man daher bereits aus
einem 25 Prozent freie Fettsäure enthaltenden Öl höchstens 5o Prozent raffiniertes
Öl erhalten, ein Rohöl mit 5o Prozent freier Fettsäure aber ist überhaupt nicht
mehr raffinierbar. Ein weiterer Übelstand besteht darin, daß der zur Hälfte aus
neutralen Glyzeriden bestehende Seifenrückstand wieder verseift werden muß, falls
aus demselben Kernseife hergestellt werden soll. Will man aber die in demselben
enthaltenen Fettsäuren für andere Zwecke verwenden, so erfordert die gemeinschaftliche
Zersetzung der Glyzeride und der Seifen mehrere Prozesse.
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Alle diese Schwierigkeiten werden gemäß dem vorliegenden Verfahren
dadurch vermieden, daß man die freien, nicht flüchtigen. Fettsäuren in einem einzigen
Vorgang, unter hohem Vakuum und mit überhitztem Wasserdampf oder mit indifferenten
Gasen destilliert und sammelt, wobei gleichzeitig auch die Geruchverbesserung des
entsäuerten Öles oder Fettes stattfindet und die gegebenenfalls vorhandenen Eiweißstoffe
koagulieren. Sonach ist insgesamt nunmehr noch ein einziger Filtrationsvorgang erforderlich.
Sollte jedoch auch eine Entfärbung nötig sein, dann wird das Produkt vor dem Filtrieren
noch mit einem Entfärbungsmittel behandelt und dann filtriert.
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Die Durchführung des Verfahrens soll durch nachstehendes Beispiel
erläutert werden: Rohes Maisöl mit einer Säurezahl go, welches auch suspendierte
Verunreinigungen enthält und zufolge seines Gehaltes von etwa 45 Prozent freier
Fettsäure ganz salbenartig ist, wird filtriert und dann in deinem geeigneten Gefäß,
z. B. Fraktionierkolben, durch Zuführung von überhitztem Wasserdampf auf etwa i
i o bis 140' C unter Kondensation des abziehenden Wasserdampfes erhitzt. Dieser
Vorgang muß so lange fortgesetzt werden, bis das Öl vollständig getrocknet ist,
da dasselbe I sonst bei der nachi@olgenden Luftverdünnung stark aufschäumt. Ist
die Feuchtigkeit aus dem Öl vollständig ausgetrieben, so schaltet man am Ende des
Kühiers eine stufenweise immer stärker werdende Luftverdünnung ein. Mit der Erhöhung
des Vakuums beginnt die Destillation der nicht flüchtigen Fettsäuren, die sich bereits
im Kühlerrohre abscheiden und mit dem Kondenswasser in die Vorlage laufen. Bei einem
Druck von etwa 35o bis 250 mm Quecksilbersäule (41o bis 5iomm Luftverdünnung)
gelingt es, sämtliche freien Fettsäuren bei einer Temperatur von i2o bis i 4o- C
abzudestillieren und in der Vorlage, auf dem Wasser schwimmend, zu sammeln. Diese
Fettsäuren können dann nach Wunsch entweder nach dem bekannten Karbonatverfahren
auf Seife verarbeitet werden, oder aber man kann die Fettsäuren, mit Alkohol esterifiziert,
für Speisezwecke oder andere gewerbliche Zwecke verarbeiten. Das entsäuerte Maisöl
hat seinen unangenehmen Geruch verloren und die Eiweißstoffe sind koaguliert. Da
seine Farbe noch dunkel ist, wird es mit Tonsyl entfärbt und filtriert. Das gewonnene
Produkt wird demnach in einem einzigen Prozeß entsäuert, desodorisiert und von den
Eiweißstoffen getrennt. Das gewählte Beispiel bezieht sich auf ein Öl, welches nach
den derzeit üblichen Raffinierverfahren für Speisezwecke gewerblich überhaupt nicht
verarbeitbar ist, da es im besten Fall io Prozent des Rohöles ergeben würde. Demgegenüber
erhält man nach dem beschriebenen Verfahren eine theoretische Ausbeute von 55 Prozent
neutralen Öles, welche gemäß den Versuchsergebnissen auch annähernd erreicht wird.
Außer- ;
dem werden die gesamten nicht flüchtigen Fettsäuren beinahe
vollständig zurückgewonnen und können besonders verarbeitet -werden.
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Der gleiche Zweck kann auch erreicht werden, wenn man statt überhitzten
Dampfes mit einem Dampf von ioo° C oder mit indifferenten Gasen bei einer zweckentsprechenden;
Temperatur arbeitet. In diesen Fällen muß man aber das Öl mittels einer.äußeren
Wärmeduelle auf entsprechende Temperatur erhitzen, Ein Vorteil der indifferenten
Gase liegt darin, ciaß man, z. B. beim Arbeiten mit Wasserstoff, gleichzeitig auch
die Entfärbung erreicht.
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Die Höhe des Vakuums, bei welchem das Verfahren mit Vorteil ausführbar
ist, kann zwischen etwa 36o mm und 25o mm Quecksilbersäule variieren, was einer
Destillation.stemperatur von etwa i .5o bis 9o° C entspricht.
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Es soll darauf hingewiesen werden, daß die Destillation im Vakuum
mit überhitztem Wasserdampf in der Stearinindustrie an und für sich zwar bekannt
ist, aber, wie dies z. B. L b b e 1 o h d e in seinem oben angeführten Werke (III.
Band, i. Teil, S.199) erwähnt, wurde damit nicht eine weitgehende Herabsetzung der
Siedetemperatur, sondern vielmehr eine Ersparnis an Dampf oder Heizmittel bezweckt.
Denn während man beim Arbeiten unter gewöhnlichem Druck die 1,5- bis 2,5fache Menge
der destillierten Fett-: äuren an Wasserdampf verbraucht, schätzt man im Falle der
Anwendung des Vakuums die Menge des verbrauchten Wasserdampfes bleich der Menge
der destillierten Fettsäuren. Der Kohlenverbrauch beträgt aber, auf iookg destillierte
Fettsäure berechnet, bei gewöhnlichem Druck etwa 5o kg, beim Arbeiten im Vakuum
aber kaum 3o kg (1. c. S. 2oo).
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Genaue Angaben über die in der Stearinindustrie venvendete Luftverdünnung
stehen zwar nicht zur Verfügung, jedoch kann man aus der Bemerkung U b b e 1 o h
d e s (1. c. S. i99), wonach infolge des Vakuums der Siedepunkt um kaum io bis i5'C
herabgesetzt wird, -was gegenüber der bei der Destillation der nicht flüchtigen
Fettsäuren unter gewöhnlichem Druck üblichen Temperatur von etwa 22o bis 300°C eine
nur sehr geringe Herabsetzung bedeutet, mit Sicherheit folgern, daß man in der Praxis
bei der Destillation, nicht flüchtiger Fettsäuren unter Vakuum unverhältnismäßig
geringere Luftverdünnungen und höhere Temperaturen angewendet hat als bei den Verfahren
der vorliegenden Erfindung, wo eine Verdünnung von etwa 350 mm Quecksilbersäule
und eine Temperatur von etwa i2o' C sich am vorteilhaftesten bewährt hat.
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Es ist demzufolge unzweifelhaft, daß die Neuheit des Gegenstandes
vorliegender Erfindung darin liegt, daß ges unter Anwendung einer viel stärkeren
Luftverdünnung als bisher üblich gelingt, die D;estillationstemperatur der nicht
flüchtigen Fettsäuren mit etwa i oo bis 15o° C herabzusetzen. Dieser Umstand hat
besonders bei der Entsäu@erung der Öle und Fette eine ausschlaggebende Bedeutung.
Denn in Gegenwart von Wasserdampf erleiden die Glyzeride bereits bei Temperaturen
über 15o° C merkliche Zersetzungen, die insbesondere darin zur Geltung kommen, daß
die derart behandelten Öle einen Geruch nach Akrolein und einen unangenehmen Geschmack
besitzen.
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Die erfolgreiche Ausführbarkeit des Verfahrens gemäß vorliegender
Erfindung war um so weniger vorauszusehen, als U b b e 1 o h d ie (1. c. S. i99),
augenscheinlich von rein theoretischen Überlegungen ausgehend, die gemeinsame Verwendung
des hohen Vakuums und des überhitzten Wasserdampfes überhaupt für unausführbar hält,
da seiner Ansicht nach die großen Dimensionen der Vakuumapparate, die starke Ausdehnung
des überhitzten Wasserdampfes und das Schäumen des Rohmaterials die Verwendung höheren;
Vakuums nicht gestatten. Demgegenüber wurde gefunden, daß man das Gleichgewicht
zwischen der Luftverdünnung unter Anwendung des überhitzten Wasserdampfes durch
entsprechende Regelung des Dampfeinlaßventils herstellen kann, das 'Überschäumen
des Öles aber durch die vorherige Entwässerung vollständig verhindert wird. Die
Möglichkeit der praktischen Ausführung ist demnach gegeben. Trotzdem und obwohl
die Ölraffinerien gewöhnlich ähnliche Vakuumapparate und Verfahren zur Desodorisierung
verwenden. wie die Zuckerfabriken, wurde niemals versucht, mit stärkerem Vakuum
zu arbeiten und die nicht flüchtigen Fettsäuren bei niedriger. Temperatur mit Wasserdampf
zu entfernen, welcher Umstand außer der oben angeführten und allgemein verbreiteten
Ansicht U b b e 1 o h d e s unzweifelhaft dadurch; zu erklären ist, daß Tran bisher
gar nicht daran dachte, daß die nicht flüchtigen Fettsäuren unter hohem Vakuum bereits
bei Temperaturen von 9o bis i 5o° C destillierbar sind.