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Verfahren zur Gewinnung einer wie Baumwolle verspinnbaren (kotonisierten)
Faser. aus Flachsabfällen u. dgl. Die Erfindung bezieht sich auf ein Verfahren zur
Gewinnung einer baumwollähnlichen und wie Baumwolle verspinnbaren (kotonisierten)
Faser aus Flachs unter besonderer Berücksichtigung der in Flachsröstereien entstehenden
Abfälle und von an sich nicht zur Gewinnung von Langfasern geeignetem Strohflachs,
wie er beispielsweise bei der Erzeugung von Samenflachs abfällt.
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Insbesondere betrifft die Erfindung ein solches Verfahren, bei welchem
das Material zunächst zwecks Entholzung einer mechanischen Behandlung und dann zwecks
Entfernung der Inkrusten einem Chlorungsverfahren unterworfen wird.
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Gegenüber den bekannten Verfahren dieser Art besteht die Erfindung
darin, daß das entholzte Material vor dem Chlorungsverfahren einer bis zur Zerstörung
der hierdurch abbaufähigen Inkrusten getriebenen Überröstung ausgesetzt ,wird und
die nach Auswaschung des Röstgutes in diesem verbliebenen Inkrusten durch Einwirkung
von Chlorkalk- oder Natriumhypochloritlösung oder Elektrolytlauge entfernt werden.
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Die Überröstung ist für die Gewinnung einer kotonisierten Faser deshalb
so vorteilhaft, weil hierdurch, was weder bei der Gewinnung von Langfaser noch bei
der von Werg so schwer ins Gewicht fällt, die durch die mechanische Entholzung vor
der Röste nicht entfernten Rindenparenchvmzellen in ihrem Verband so gelockert werden,
daß sie teils bei den in der Folge vorzunehmenden Waschungen, teils den der chemischen
und den dem Verspinnen vorhergehenden mechanischen Behandlungen der Faser restlos
entfernt werden; gleichzeitig aber auch, um die Zerlegung der Bastbündel und die
Vereinzelung der Bastzellen schon hier so weit zu treiben, wie es im Hinblick auf
spätere, schonend und billiger zu gestaltende chemische Aufschließung möglich ist.
Zu dieser chemischen Aufschließung reicht infolgedessen die genannte Einwirkung
von gebundener unterchloriger Säure oder Elektrolytlauge, um die gänzliche Zerstörung
des die Bastzellen noch zum Teil verkittenden Lignins und der anderen Inkrusten
zu vollenden. Es entfällt somit die früher vorgeschlagene Behandlung mit freiem
Chlorgas, die leicht gesundheitsschädlich bzw. giftig wirkt.
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Das Verfahren gemäß der Erfindung kann beispielsweise wie folgt ausgeführt
werden: Das Ausgangsmaterial (Wirrstroh, Röstereiabfälle, Samenflachsstroh u. dgl.)
wird zunächst auf an sich bekannten Maschinen vor dem Rösten gehnicht oder durch
eine andere geeignete Bearbeitung soweit als möglich von Holzteilen befreit. Diese
Maßnahme hat den doppelten Vorteil, daß erstens mit geringerem Faserverlust gearbeitet
wird, da die noch nicht gerösteten Bastbündel noch ihre volle natürliche Festigkeit
und Zusammenhalt haben (zweckmäßig kann hierbei, sofern das Material feucht ist,
zwecks leichteren Knikkens
eine Trocknung vorhergehen), zweitens
für die nachfolgenden Behandlungen an Raum und Chemikalien gespart wird.
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Das s41cliermaßen von Holzteilen möglichst weit befreite Material
wird jetzt erst der Röste unterworfen, wobei das System, nach welchem geröstet wird,
chemische oder biologische (Kalt- oder Warmwasserröste oder Tauröste mit oder ohne
Zusatz von Rösteerregern oder Chemikalien), belanglos ist. Im Gegensatz zu der Durchführung
der bekam fiten Röstverfahren, die alle clie Gewinnung von Langfasern bezwecken
und bei welchen die Röste nicht bis zur Erschöpfung getrieben werden darf, sondern
unterbrochen werden maß, sobald Röstreife eingetreten ist, d. h. sich der Bast leicht
vorn Holzkörper rler Pflanze loslöst, wird nach dein vorliegenden Verfahren bewußt
und absichtlich überröstet. Hierdurch wird erreicht, daß die die einzelnen Bastzellen
verkittenden Substanzen, vornehmlich die Pektinstoffe, sonst auch Inkrusten genannt,
sogweit sie durch die Röste abbaubar sind, zerstört werden, wodurch eire sehr weitgehende
Trennung der Bastzellen voneinander eintritt. Zweckmäßig wird das geknickte Gut
vor der Röste gründlich gewässert, um die wasserlöslichen Stoffe zu entfernen, besonders
die eiweißartigen, welche bei der biologischen R#:ste zunächst zerlegt werden, dabei
eine Bakterienflora zeitigend, welche der Pektinvergärung hinderlich ist, sie also
verlangsamt, und nebenbei auch durch die üblen Gerüche nach Buttersäure störend
wirkt.
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.Nach beendeter Röste wird das Röstgut zur Entfernung der bei der
Röste entstandenen bzw. in wasserlösliche Form gebrachten Stoffe gründlich und zweckmäßig
heiß mit Wasser gewaschen.
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Das gewaschene Gut wird nun einem Prozeß unterworfen, durch welchen
die jetzt noch die Bastzellen verkittenden Substanzen, in erster Linie das L ignin,
zerstört und entfernt «-erden, somit eine weitere Lockerung des Zellgefüges erzielt
wird. Erreicht wird dies dadurch, daß das Material zunächst durch Behandlung in
kalter oder warmer Lösung von Ätzalkali oder ntzalkalisoda in geeigneter Konzentration
unter Druck oder ohne Druck in zirkulierender Flotte von den in diesen Mitteln löslichen
Stoffen befreit und für die Einwirkung der in der nachfolgenden als Chlorungsverfahren
zu bezeichnenden Behandlang angewendeten Chemikalien empfänglich gemacht wird. lach
Ablaufenlassen der Lauge und .Spülung in Wasser wird nämlich das Gut jetzt einer
Behandlung in Chlorkalklösung, Natriumhvpochloritlösung oder Elektrolytlauge so
lange und derart unterworfen, daß die beabsichtigte weitere Teilung der Faserbündel
in Bastzellen bzw. in kleinere Verbände erreicht wird. Die hierbei eintretende Bleichung
ist, obgleich ein gleichzeitiger Vorteil, für das Verfahren an sich Nebensache.
Das Wesentliche an dem Vorgang ist vielmehr, daß im Gegensatz zur Bieiclie, welche
im Hinblick auf den Griff und die Festigkeit des Garnes eine restlose Entfernung
der Pflanzenwachse, Pektinreste tisw. ängstlich vermeidet, nach dem vorliegenden
Verfahren der Prozeß bis zu einer möglichst weitgehenden Entfernung dieser Substanzen
geführt wird.
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Nach beendeter Chlorung wird gespült, abäesäaert bzw. finit Antichlor
behandelt, das ;Material von Wasser durch Schleudern befreit, maschinell in Flocken
zerlegt, getrocknet, geöffnet, und gekrempelt. Bei den letzten Vorgängen, die auf
an sich bekannten Maschinen vorgenommen werden können, werden (l'e letzten Reste
Scheben (Holzteile) entfernt und die Fasern gleichgelegt, welche jetzt als gleichmäßiges
Fließ die Krempel verlassen. Sie können in dieser Form für sich allein zu gröberen,
oder mit Baumwolle vermischt zu feineren Garnnummern versponnen -werden.