Gegenstand der Erfindung sind neue N-Acetylneuraminsäure-Nucleosid-
Derivate, insbesondere Derivate mit immunologischer Aktivität,
ein Verfahren zu ihrer Herstellung und ihre Verwendung.
N-Acetylneuraminsäure kommt im Tierkörper und auf der Zelloberfläche
bestimmter Bakterien in Form eines Sialo-
Komplexes vor (Glycoproteine, Glycolipide, Oligosaccharide,
und Polysaccharide). In jüngerer Zeit wurde erkannt, daß
diese Verbindung auf medizinischem und pharmazeutischem
Gebiet eine wichtige Rolle spielt, da sie die Funktion des
Nervensystems, die Zelldifferenzierung und Immunität, die
Behandlung von Entzündungen, Tumoren und Virusinfektionen
beeinflußt und als Hormonrezeptor wirkt. Die Verbindung
hat außerdem als spezifisches aktives Molekül, das an der
Zelloberfläche lokalisiert ist, Beachtung gefunden. Die
Rolle, die diese Verbindung in dem Sialo-Komplex spielt,
ist jedoch immer noch ungeklärt.
Auch über einfache Derivate der N-Acetylneuraminsäure wurde
bereits berichtet; vgl. J. Biol. Chem., Bd 244 (1969),
S. 1306 und Z. Physiol. Chem., Bd. 352 (1971), S. 1715.
Derivate mit auffallender physiologischer Aktivität sind
bisher jedoch nicht bekannt.
Als Folge der jüngst entwickelten mehrseitigen Behandlungen
von bestimmten Erkrankungen, wie allen Tumorarten
einschließlich von malignen Tumoren der blutbildenden Organe
und Kollagenose (Kollagenkrankheit) wird tatsächlich ein
Apothanasiaeffekt erreicht. Ein überhöhter Gebrauch von
Nebennierenrindenhormonen und Immunosuppressoren ist meist
unvermeidlich. Das führt zu Nebenwirkungen sowie einer Verminderung
oder Abnahme der sogenannten Immunkapazität und
damit zu ernsten Problemen.
Es besteht deshalb ein starkes Bedürfnis nach sicheren
und wirksameren Arzneimitteln, zur Beeinflussung des Immunsystems
ohne ernste Nebenwirkungen.
Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, neue N-Acetylneuraminsäure-
Derivate bereitzustellen, die eine hohe
immunologische Aktivität aufweisen ohne dabei irgendwelche
ernsten Nebenwirkungen zu haben. Diese Aufgabe wird durch
den überraschenden Befund gelöst, daß die vorstehend genannten
Nachteile überwunden werden können, wenn N-Acetylneuraminsäure
zu einer Sialinsäure chemisch modifiziert wird, die
ein natürlicher Bestandteil des lebenden Organismus ist.
Eine weitere Aufgabe der Erfindung ist es, ein Verfahren
zur Herstellung der neuen N-Acetylneuraminsäure-Nucleosid-Derivate
zu schaffen.
Gegenstand der Erfindung sind somit neue N-Acetylneuraminsäure-
Nucleosid-Derivate der allgemeinen Formel I,
in der R¹ ein Wasserstoffatom, einen niederen Alkylrest
oder einen gegebenenfalls mit einem niederen Alkylrest
substituierten Aralkyl- oder Arylrest, R² einen Nucleosidrest, nämlich einen Inosinrest
oder ein Derivat davon oder einen Uridinrest oder ein Derivat davon und R³ und R⁴ unabhängig voneinander
Wasserstoffatome oder Acetylgruppen bedeuten.
Bevorzugte Ausführungsformen der Erfindung sind in den
Unteransprüchen beschrieben.
Der Begriff "niederer Alkylrest" bedeutet Reste mit 1 bis
7, vorzugsweise 1 bis 4 Kohlenstoffatomen. Die Methyl-
und Ethylgruppe ist besonders bevorzugt.
Folgende Nucleosid-Reste können bevorzugt verwendet werden:
Die neuen N-Acetylneuraminsäure-Nucleosid-Derivate der Erfindung
können durch Umsetzen einer Verbindung der allgemeinen
Formel II,
in der R⁵ einen niederen Alkylrest oder einen gegebenenfalls
durch einen niederen Alkylrest substituierten Aralkyl-
oder Arylrest, R³ und R⁴ unabhängig voneinander ein Wasserstoffatom
oder eine Acetylgruppe und hal ein Halogenatom
bedeuten, mit einem der vorstehend genannten Nucleosidreste
hergestellt werden. Die Umsetzung verläuft
nach der Königs-Knorr-Reaktion. Die erhaltenen Produkte
können gegebenenfalls deacetyliert werden.
In der Königs-Knorr-Reaktion kann beispielsweise Ag₂CO₃,
Ag₂O, Hg(CN)₂, HgBr₂ oder AgClO₄ als Katalysator eingesetzt
werden. In einer bevorzugten Ausführungsform wird
ein Molekularsieb, beispielsweise Molekularsieb 3A oder
4A zusammen mit einem Katalysator verwendet, um den bei
der Umsetzung entstandenen Halogenwasserstoff wirksam zu
entfernen. Dadurch wird die Reaktionsgeschwindigkeit erhöht
und die Produktausbeute verbessert.
Die Reaktionstemperatur ist nicht besonders kritisch. Die
Umsetzung wird gewöhnlich aus wirtschaftlichen Gründen und
wegen der einfachen Durchführung bei Raumtemperatur vorgenommen.
Die Reaktionszeit beträgt 30 Minuten bis 24 Stunden.
Als Reaktionsmedium werden vorzugsweise Acetonitril oder
Nitromethan verwendet.
Die Deacetylierungsreaktion kann nach einem Verfahren durchgeführt
werden, bei dem das Produkt mit den Acetylgruppen,
das nach der Königs-Knorr-Reaktion erhalten wird, bei einer
Temperatur von -20 bis 0°C etwa 20 Minuten in einem Reaktionsmedium,
wie Methanol, in Gegenwart eines Alkalimetallalkoholats
gerührt wird. Anschließend wird die Reaktionslösung
mit Dowex 50 × 8 (Kationenaustauscher) in der H⁺-
Form neutralisiert und danach nach üblichen Verfahren weiter
behandelt.
Bevorzugte Beispiele für das Verfahren zur Herstellung der
neuen N-Acetylneuraminsäure-Derivate sind in den nachstehenden
Reaktionsgleichungen angegeben.
Die Ausgangsverbindungen der allgemeinen Formel II sind
bekannt. Sie können beispielsweise nach dem Verfahren hergestellt
werden, das von Richard Kuhn u. Mitarb. in Chem.
Ber., Bd. 99 (1966), S. 611 beschrieben wurde. Dieses Verfahren
enthält drei Stufen, nämlich die Veresterung von
N-Acetylneuraminsäure zu β-D-N-Acetylneuraminsäureestern,
die Acetylierung der veresterten Produkte zu 4,7,8,9-tetra-
O-Acetyl-β-D-N-acetylneuraminsäureestern und anschließend
die Halogenierung der erhaltenen acetylierten Produkte.
Die Verbindungen der allgemeinen Formel II können auch
nach einem neuen Verfahren hergestellt werden, das Gegenstand der parallelen Patentanmeldung
P 32 49 916.7 ist.
Dieses Verfahren umfaßt die Veresterung
von N-Acetylneuraminsäure und dann die gleichzeitige
Acetylierung und Halogenierung der erhaltenen N-Acetylneuraminsäureester.
Nach dem neuen Verfahren können die
Verbindungen der Formel II in höherer Ausbeute als nach
dem Verfahren von R. Kuhn u. Mitarb. erhalten werden. Das
Verfahren ist auch im Hinblick auf Sicherheit
und Wirtschaftlichkeit überlegen.
Die Verbindungen der allgemeinen Formel I sind wertvolle
Arzneistoffe mit bemerkenswerter Aktivität im Hinblick auf
eine Beeinflussung des Immunsystems.
Die immunologischen Wirkungen können mit folgenden Verfahren
bestimmt werden:
(i) Wirkung auf die Con A-Aktivierung von Milz-Lymphozyten
der Maus
Suppressor-T-Zellen werden durch Concanavalin A (Con A)
unspezifisch aktiviert. Es wird die Wirkung der N-
Acetylneuraminsäure-Derivate der Erfindung auf dieses Reaktionssystem
untersucht. Die Untersuchung wird nach folgendem
Verfahren durchgeführt. Zunächst werden Con A und
die zu untersuchende Verbindung der allgemeinen Formel I
zu den Milz-Lymphozyten (SPC) gegeben, die aus BALB/C-
Mäusen erhalten werden. Die dabei erhaltenen Proben werden
20 Stunden bei 37°C auf einer Mikroplatte in einer Atmosphäre
mit 5% CO₂ kultiviert. Anschließend werden sie mit
Tritium markiertem Thymidin versetzt. Die Proben werden
weitere 18 Stunden bei 37°C kultiviert. Dann werden die
SPC gesammelt, und die Menge des eingebauten ³H-Thymidins
in den SPC wird unter Verwendung eines Szintillationszählers
bestimmt.
Es wird festgestellt, daß der Einbau von ³H-Thymidin in
SPC beschleunigt und erhöht ist und daß auch die Aktivierung
der T-Zellen durch Con A durch die Gegenwart der Verbindungen
der allgemeinen Formel I verstärkt ist. Die Ergebnisse
mit ausgewählten Verbindungen sind in Tabelle I
zusammengefaßt.
Wirkung von Neuraminsäure-Derivaten auf die DNA-Synthese
von Con A-stimulierten Lymphozyten
Die Ergebnisse in Tabelle I zeigen, daß der durch Con A
induzierte Anstieg der DNA-Synthese der Lymphozyten durch
die Verbindungen gemäß Beispiel 6 (10-5 mol/l) und Beispiel 7
(10-4 mol/l) deutlich erhöht wird. FIU, ein Bestandteil der
Verbindung von Beispiel 6, und DAI, ein Bestandteil der
Verbindung von Beispiel 7, ergeben dagegen keinerlei Erhöhung
der DNA-Synthese bei durch Con-A-stimulierten Lymphozyten.
Eine fast vollständige Hemmung des [6-³H]-Thymidineinbaus
wird bei der mit FIU (10-5 mol/l) behandelten Kultur
beobachtet.
Die Verbindung der Formel II′, die gemeinsamer Bestandteil der
Verbindungen gemäß Beispiel 6 und Beispiel 7 ist, scheint
eine Erhöhung der DNA-Synthese zu induzieren. Das Ausmaß
der Erhöhung ist aber nicht nennenswert. Ein Gemisch aus
der Verbindung der Formel II′ (10-5 mol/l) und FIU (10-5 mol/l),
sowie ein Gemisch aus der Verbindung der Formel II′ (10-4 mol/l)
und DAI (10-4 mol/l) hat die gleiche Wirkung wie FIU oder DAI
allein auf die DNA-Synthese von Con-A-stimulierten Lymphozyten.
Die Verbindungen gemäß Beispiel 6 und Beispiel 7
der Erfindung erhöhen die DNA-Synthese der Lymphozyten
auch bei einer Kultur ohne Con A (Tabelle I).
(ii) Wirkung auf die Immunglobulinsynthese der Milz-Lymphozyten
von Mäusen
Die Wirkung der N-Acetylneuraminsäure-Derivate, die T-Zellen
aktivierende Wirkung aufweisen, auf die Immunglobulinsynthese
wird durch Messung der Anzahl der Plaque bildenden
Zellen (PFC) bestimmt. Zu diesem Zweck werden SPC zusammen
mit roten Blutzellen vom Schaf (SRBC) sowie der zu prüfenden
Verbindung der allgemeinen Formel I 5 Tage bei 37°C
kultiviert. Dann werden die sensibilisierten SPC weiter
mit SRBC und einem Komplement versetzt. Die erhaltenen Proben
werden 3 bis 12 Stunden bei 37°C in einer Cunningham-
Kammer kultiviert. Anschließend wird die Anzahl der PFC
bestimmt.
Es wird festgestellt, daß die Anzahl der PFC vermindert ist
und daß die Lebensfähigkeit der Zellen identisch mit der
Kontrollprobe ist, die keine Verbindung der allgemeinen Formel
I enthält. Dies zeigt, daß die Verbindungen der allgemeinen
Formel I eine unterdrückende Wirkung auf die Immunglobulinsynthese
aufweisen.
Wirkung von Disaccharid-nucleosiden und der zu ihrer Herstellung
verwendeten Ausgangsverbindungen auf die primäre
PFC-Antwort auf SRBC in vitro
Die Ergebnisse in Tabelle II zeigen, daß die Verbindungen
gemäß Beispiel 6 und Beispiel 7 sowie die zu ihrer Herstellung
verwendeten Ausgangsverbindungen eine Abnahme
der PFC-Antwort auf SRBC induzieren.
Mit Con A stimulierte Lymphozyten zeigen Suppressoraktivität
auf die primäre PFC-Antwort auf SRBC. Diese Aktivierung
von Suppressorzellen durch Con A wird durch die Anwesenheit
der Verbindung gemäß Beispiel 6 (10-5 mol/l) und der Verbindung
gemäß Beispiel 7 (10-4 mol/l) während der Inkubation mit Con A
deutlich verstärkt. Außerdem weisen auch SPC, die mit der
Verbindung gemäß Beispiel 6 oder derjenigen gemäß Beispiel
7 in Abwesenheit von Con A vorkultiviert wurden,
Suppressoraktivität auf. Andererseits induzieren weder
FIU und DAI noch die Verbindung der allgemeinen Formel II′
eine Suppressoraktivität der Zellen; vgl. Tabelle III.
Die Induktion von Suppressorzellen durch die Verbindungen
gemäß Beispiel 6 und Beispiel 7 wird durch Vorbehandlung
der Lymphozyten mit Anti-Thy-1-Antiserum und Komplement
aufgehoben. Diese Ergebnisse weisen darauf hin, daß
diese Disaccharidnucleoside die Suppressor-T-Zellen induzieren
können.
Wirkung der Behandlung von mit Con A stimulierten und von
nichtstimulierten Zellen mit Disaccharidnucleosiden auf
die Suppressoraktivität der Zellen
Bei Autoimmunerkrankungen, wie Kollagenkrankheit, ist
die Funktion der Suppressor-T-Zellen geschwächt. Die
N-Acetylneuraminsäure-Derivate der Erfindung, die eine aktivierende
Wirkung auf die Suppressor-T-Zellen ausüben,
können deshalb wertvolle Arzneimittel zur gezielten Beeinflussung
des Immunsystems darstellen. Die Nucleosid-
Derivate der N-Acetylneuraminsäure weisen, wie erläutert,
immunologische Aktivität auf. Sie sind deshalb
wertvolle Arzneistoffe, insbesondere als Immunosuppressoren
und eignen sich zur Behandlung von Autoimmunoerkrankungen,
wie Kollagenose. Dabei verursachen sie keine ernsten
Nebenwirkungen.
Beispiel 1
a) Herstellung von 2-Chlor-4,7,8,9-tetra-O-acetyl-β-D-N-
acetylneuraminsäuremethylester (Verbindung II′)
1 g N-Acetylneuraminsäure wird in 100 ml Methanol gelöst
und mit 2 g Dowex 50 × 8 (H⁺) versetzt. Das Gemisch wird
2 Stunden bei Raumtemperatur gerührt, anschließend abfiltriert
und das Filtrat zur Trockene eingedampft. Der erhaltene
Rückstand wird aus einem Gemisch von Methanol und
Diethylether umkristalliert. Es werden 1 g β-D-N-Acetylneuraminsäuremethylester
als farblose nadelartige Kristalle
erhalten (Ausbeute: 95%).
Physikalische Eigenschaften:
S. 175 bis 178°C
Elementaranalyse für C₁₂H₂₁NO₉:
ber.:C 44,58 H 6,55 N 4,33
gef.:C 44,62 H 6,57 N 4,23
1 g des erhaltenen β-D-N-Acetylneuraminsäuremethylesters
wird mit 10 ml Acetylchlorid versetzt und das Gemisch
5 Stunden bei Raumtemperatur gerührt. Anschließend wird
das überschüssige Acetylchlorid unter vermindertem Druck
abdestilliert, die Lösung mit Benzol versetzt und das Lösungsmittel
abdestilliert. Es werden 1,5 g der Titelverbindung
als farblose amorphe Substanz erhalten (Ausbeute:
95%). Das Rohprodukt wird aus einem Gemisch von Benzol,
Diethylether und Petrolether umkristallisiert. Es werden
1,26 g der Titelverbindung als farblose nadelförmige
Kristalle erhalten (Ausbeute: 80%).
Physikalische Eigenschaften:
S 116 bis 118°C.
¹H NMR (CDCl₃) δ H (TMS): 1,92 (3H, s), 1,99 - 2,10 (OAcx4),
2,87 (1H, dd, J = 5,0 und 12,0 Hz), 3,91 (3H, s)
b) Herstellung von 2′,3′-Di-O-acetyl-5′-O-(4-N-acetyl-2,4-
dideoxy-3,6,7,8-tetra-O-acetyl-1-methoxycarbonyl-D-glycero-
α-D-galacto-octopyranosyl)-inosin
30 ml Acetonitril werden mit 550 mg 2′,3′-Di-O-acetylinosin,
150 mg Hg(CN)₂, 300 mg HgBr₂ und 500 mg eines Molekularsiebs
(4A) versetzt; das Gemisch wird weiter mit
510 mg 2-Chlor-4,7,8,9-tetra-O-acetyl-β-D-N-acetylneuraminsäuremethylester
(Verbindung (II′)) versetzt und das Gemisch
48 Stunden bei Raumtemperatur gerührt. Die erhaltene Lösung
wird abfiltriert und das Filtrat zur Trockne eingedampft.
Der Rückstand wird mit 50 ml Ethylacetat versetzt und die
Lösung zweimal mit einer 30prozentigen Kaliumjodidlösung
gewaschen, um Hg(CN)₂ und HgBr₂ zu entfernen. Anschließend
wird die Lösung über Natriumsulfat getrocknet und das Lösungsmittel
abdestilliert. Zur Reinigung wird das Rohprodukt
an einer mit Aluminiumoxid gefüllten Säule chromatographiert
und mit einem Benzol-Ethylacetat-Gemisch eluiert.
Es werden 430 mg der Titelverbindung als farbloses Pulver
erhalten (Ausbeute: 52%).
Physikalische Eigenschaften:
Elementaranalyse für C₃₄H₄₃ N₅O₁₉:
ber.:C 49,46 H 5,25 N 8,48
gef.:C 49,15 H 5,41 N 8,11
Massenspektroskopie (FD) m/z 825 (M⁺).
¹H NMR (CDCl₃) δ H (RMS): 1,88-2,20 (OAcx7), 2,76 (1H, dd, J = 13,0 und
4,5 Hz), 3,78 (3H, s), 5,95 (1H, d, J = 2,2 Hz), 8,20 (1H, s), 8,44 (1H, s).
Beispiel 2
Herstellung von 2′,3′-Isopropyliden-5′-O-(4-N-acetyl-2,4-
dideoxy-3,6,7,8-tetra-O-acetyl-1-methoxycarbonyl-D-glycero-
α-D-galacto-octopyranosyl)-uridin
Ein Gemisch von 1 g 2′,3′-Isopropylidenuridin, 150 mg
Hg(CN)₂ und 300 mg HgBr₂ wird mit 50 ml Acetonitril und
weiter mit 1 g eines Molekularsiebs (4A) versetzt.
Das Gemisch wird mit 510 mg der Verbindung (II′) versetzt
und 24 Stunden bei Raumtemperatur gerührt. Die erhaltene
Lösung wird abfiltriert und das Filtrat unter vermindertem
Druck bei 40°C vom Lösungsmittel befreit. Der Rückstand wird
mit 100 ml Ethylacetat versetzt und die Lösung mit einer
30prozentigen Lösung von Kaliumjodid zur Entfernung von
Hg(CN)₂ und HgBr₂ versetzt. Anschließend wird die Ethylacetatlösung
über Natriumsulfat getrocknet, das Lösungsmittel
entfernt und ein öliger Rückstand erhalten. Der
ölige Rückstand wird mit Diethylether behandelt, die Diethyletherlösung
mit 10 ml Chloroform versetzt und nichtlösliches
Material entfernt. Nach Zugabe von Diethylether
zur Chloroformlösung entsteht ein Niederschlag, der abfiltriert
und getrocknet wird. Es werden 300 mg eines farblosen
Pulvers erhalten (Ausbeute: 40%).
Physikalische Eigenschaften:
Elementaranalyse für C₃₂H₄₃N₃O₁₈ (MG = 757,70):
ber.:C 50,73 H 5,72 N 5,55
gef.:C 50,56 H 5,90 N 5,22
Massenspektroskopie m/z: 757 (M⁺), 742 (M⁺ -15), 714 (M⁺ -43), 698 (M⁺ -59)
¹H NMR (CDCl₃) δ H (TMS)
1,48 (s, 3H), 170 (s, 3H), 1,88 (s, 3H), 2,00-
2,20 (OAcx4), 260 (dd, 1H, J = 4,0 und 13,0 Hz)
3,80 (s, 3H), 5,68 (d, 1H, J = 7,0 Hz), 7,60 (d, 1H,
J = 7,0 Hz).
Beispiel 3
Herstellung von 2′,3′-Isopropyliden-5′-O-(4-N-acetyl-2,4-
dideoxy-1-methoxycarbonyl-D-glycero-α-D-galacto-octapyranosyl)-
uridin
Die gemäß Beispiel 2 erhaltene Verbindung wird in 10 ml
Methanol gelöst und mit einer Lösung von 100 mg metallischem
Kalium in 10 ml Methanol versetzt. Die erhaltene
Lösung wird 20 Minuten bei 0°C gerührt. Anschließend wird
die Lösung mit Dowex 50 × 8 (H⁺) bei -20°C neutralisiert,
abfiltriert, konzentriert und zur Trockne eingedampft.
Der erhaltene Rückstand wird in 5 ml Methanol gelöst, mit
Dioxan versetzt und vom ausgefällten Niederschlag abfiltriert.
Es werden 230 mg eines farblosen Pulvers erhalten
(Ausbeute: 60%).
Physikalische Eigenschaften:
Elementaranalyse für C₂₄H₃₅N₃O₁₄ (MG = 589,55):
ber.:C 48,89 H 5,98 N 7,13
gef.:C 48,25 H 6,03 N 7,05
¹H NMR (D₂O) w H (DSS):
1,55 (s, 3H), 1,66 (s, 3H), 2,30 (s, 3H), 3,4 (s, 3H),
5,96 (d, 1H, J = 8,5 Hz), 5,99 (d, 1H, J = 1,2 Hz),
7,90 (d, 1H, J = 8,5 Hz).
Beispiel 4
Herstellung von 5′-O-(4-N-Acetyl-2,4-dideoxy-1-methoxy-
carbonyl-D-glycero-α-D-galacto-octopyranosyl)-inosin
nach folgendem Reaktionsschema:
300 mg der Verbindung (A) werden in 10 ml Methanol gelöst
und mit einer Lösung von 80 mg metallischem Kalium in
10 ml Methanol versetzt. Die erhaltene Lösung wird 20 Minuten
bei 0°C gerührt und anschließend durch Zugabe von
Dowex 50 × 8 (H⁺) bei -20°C neutralisiert. Die neutralisierte
Lösung wird abfiltriert und zur Trockne eingedampft.
Der erhaltene Rückstand wird in 1 ml Wasser gelöst und
mit Ethanol versetzt. Es werden 150 mg der Verbindung (B)
als farbloses Pulver erhalten (Ausbeute: 71%).
Physikalische Eigenschaften:
Elementaranalyse für C₂₂H₃₁N₅O₁₃ (MG = 573):
ber.:C 46,07 H 5,45 N 12,21
gef.:C 45,65 H 5,61 N 12,18
¹H NMR (D₂O) δ H (DSS):
2,05 (s, 3H), 3,85 (s, 3H),
8,15 (s, 1H), 8,62 (s, 1H).
Beispiel 5
Herstellung von 5-Fluor-2′,3′-isopropyliden-5′-O-(4-N-
acetyl-2,4-dideoxy-1-methoxycarbonyl-D-glycero-α-D-
galacto-octopyranosyl)-uridin nach folgendem Reaktionsschema:
Eine Lösung von 500 mg der Verbindung (C) in 10 ml Methanol
wird mit einer Lösung von 100 mg metallischem Kalium
in 10 ml Methanol versetzt und 20 Minuten bei 0°C gerührt.
Anschließend wird das Reaktionsgemisch mit Dowex 50 × 8
(H⁺) bei -20°C neutralisiert, die erhaltene Lösung abfiltriert
und zur Trockne eingedampft. Anschließend wird der
erhaltene Rückstand in 5 ml Methanol gelöst und mit Dioxan
versetzt. Der Niederschlag wird abfiltriert. Es werden
180 mg der Verbindung (D) als farbloses Pulver erhalten
(Ausbeute: 48%).
Physikalische Eigenschaften:
Elementaranalyse für C₂₄H₃₄N₃O₁₄F (MG = 607):
ber.:C 47,45 H 5,60 N 6,92
gef.:C 47,92 H 5,45 N 6,21
Beispiel 6
Herstellung von 5-Fluor-2′,3′-isopropyliden-5′-O-(4-N-
acetyl-2,4-dideoxy-3,6,7,8-tetra-O-acetyl-1-methoxycarbonyl-
D-glycero-α-D-galacto-octopyranosyl)-uridin nach
folgendem Reaktionsschema:
Verfahren (i)
500 mg 5-Fluor-2′,3′-isopropylidenuridin (E), 150 mg Hg(CN)₂
und 300 mg HgBr₂ werden in 30 ml Acetonitril gelöst und mit
1 g pulverigem Molekularsieb (3A) versetzt. Nach 1stündigem
Rühren wird das Reaktionsgemisch mit 510 mg der Verbindung
(II′) versetzt und die Lösung 24 Stunden bei Raumtemperatur
gerührt. Anschließend wird die Lösung abfiltriert und das
Lösungsmittel des Filtrats unter vermindertem Druck bei 40°C
zur Trockene eingedampft. Der Rückstand wird in 100 ml Ethylacetat
gelöst und mit einer 30prozentigen wäßrigen Kaliumjodidlösung
gewaschen, um Hg(CN)₂ und HgBr₂ zu entfernen.
Die Ethylacetatlösung wird über Natriumsulfat getrocknet
und das Lösungsmittel abdestilliert. Der ölige Rückstand
wird mit Diethylether behandelt und die Diethyletherlösung
mit 10 ml Chloroform versetzt, um in Chloroform unlösliches
Material zu entfernen. Die so erhaltene Chloroformlösung
wird mit Diethylether versetzt, wobei ein Niederschlag ausfällt.
Der Niederschlag wird an einer mit Aluminiumoxid
gefüllten Säule chromatographiert und mit einem Gemisch von
Ethylacetat und Ethanol eluiert. Es werden 62 mg der Verbindung
(F) als farbloses Pulver erhalten (Ausbeute: 8%).
Physikalische Eigenschaften:
Elementaranalyse für C₃₂H₄₂N₃O₁₈F:
ber.:C 49,55 H 5,42 N 5,45
gef.:C 49,24 H 5,80 N 5,12
Massenspektroskopie m/z:
775 (M⁺), 760 (M⁺ - Me), 732 (M⁺ - Me), 716 (M⁺ - COOMe).
¹H NMR (CDCl₃) δ H (TMS):
1,89-2,20 (15H, all s, -NHAc und -OAc),
2,63 (1H, dd, J = 4,0 und 14,0 Hz, 3′′-H eq.)
3,80 (3H s, Methylester), 5,95 (1H, d, J = 2,0 Hz,
1′-H), 7,62 (1H, d, J = 7 Hz, 6-H).
Verfahren (ii)
500 mg der Verbindung (E) werden in 10 ml Nitromethan gelöst
und mit 350 mg AgClO₄ und 200 mg pulverisiertes Molekularsieb
(4A) versetzt. Das Gemisch wird 30 Minuten gerührt.
Anschließend wird das Reaktionsgemisch mit einer Lösung von
510 mg der Verbindung (II′) in 5 ml Nitromethan versetzt
und die erhaltene Lösung 2 Stunden bei Raumtemperatur gerührt.
Die erhaltene Lösung wird abfiltriert und das Filtrat
mit 50 ml Ethylacetat versetzt. Nach Zugabe von 20 ml
einer gesättigten Natriumchloridlösung wird die Nitromethan-
Ethylacetatlösung über Natriumsulfat getrocknet und
nach dem Abfiltrieren des Lösungsmittels abdestilliert.
Der Rückstand wird mit Diethylether extrahiert, um etherlösliche
Substanzen zu entfernen. Anschließend wird der
Rückstand mit Chloroform extrahiert, um choroformunlösliches
Material zu entfernen. Die erhaltene Chloroformlösung
wird mit Diethylether versetzt. Der erhaltene Niederschlag
wird an einer mit Aluminiumoxid gefüllten Säule
chromatographiert und mit einem Gemisch von Ethylacetat
und Ethanol eluiert. Es werden 150 mg der Verbindung (F)
als farbloses Pulver erhalten (Ausbeute: 20%).
Beispiel 7
Herstellung von 2′,3′-Di-O-acetyl-5′-O-(4-N-acetyl-2,4-
dideoxy-3,6,7,8-tetra-O-acetyl-1-methoxycarbonyl-D-glycero-
α-D-galacto-octopyranosyl)-inosin nach dem folgenden Reaktionsschema:
30 ml Acetonitril werden mit 550 mg der Verbindung (G),
150 mg Hg(CN)₂, 300 mg HgBr₂ und 500 mg pulverisiertes Molekularsieb
(4A) versetzt. Das erhaltene Gemisch wird 1
Stunde gerührt. Anschließend wird das Reaktionsgemisch mit
510 mg der Verbindung (II′) versetzt und die erhaltene Lösung
48 Stunden bei Raumtemperatur gerührt. Die Reaktionslösung
wird abfiltriert und das Filtrat zur Trockne eingedampft.
Der erhaltene Rückstand wird in 50 ml Ethylacetat
gelöst und die Lösung zweimal mit 30prozentigem Kaliumjodid
gewaschen, um Hg(CN)₂ und HgBr₂ zu entfernen. Anschließend
wird die Ethylacetatlösung über Natriumsulfat getrocknet
und das Lösungsmittel abdestilliert. Der ölige Rückstand
wird an einer mit Aluminiumoxid gefüllten Säule chromatographiert
und mit einem Gemisch aus Benzol, Ethylacetat
und Ethanol eluiert. Es werden 210 mg der Titelverbindung
als farbloses Pulver erhalten (Ausbeute: 25%).
Physikalische Eigenschaften:
Elementaranalyse für C₃₄H₄₃N₅O₁₉:
ber.:C 49,46 H 5,25 N 8,48
gef.:C 49,15 H 5,41 N 8,11
Massenspektroskopie (FD) m/z: 825 (M⁺).
¹H NMR (CDCl₃) δ H (TMS):
1,88-2,20 (21H, alle s, NHAc und OAcx6)
2,76 (3H, s, Methylester), 595 (1H, s, J = 2,2 Hz,
1′-H), 8,20 (1H, s, 2-H), 8,44 (1H, s, 6-H).
Versuchsbericht
1. Testverfahren
Verwendete Tiere: Acht Wochen alte weibliche SPFBALB/c-Mäuse.
Krebszellen: NL-17.
Die Tiere aller Testgruppen werden mit NL-17-Zellen in einer
Menge von 5 × 10⁴ Zellen/Maus infiziert. Die Testverbindung
(Verbindung von Beispiel 9) wird intravenös in der nachstehend
angegebenen Menge verabreicht.
22 Tage nach der Infizierung mit den Krebszellen werden die
Mäuse getötet und auf die Zahl in der Lunge entstandenen
Metastase-Knoten untersucht.
Testgruppen:
- I: Ungekochtes Futter
- II: NL-17 + ungekochtes Futter
- III: NL-17 (vorbehandelt mit der Testverbindung) +
Testverbindung (0,5 mg/Maus/3 Tage)
- IV: NL-17 + Testverbindung (0,5 mg/Maus/3 Tage)
- V: NL-17 + Testverbindung (1,0 mg/Maus/3 Tage)
- VI: NL-17 + Testverbindung (0,5 mg/Maus/jeden Tag)
- VII: NL-17 + Testverbindung (0,5 mg/Maus/7 Tage)
2. Ergebnisse des Tests
Die erhaltenen Ergebnisse sind in Tabelle I zusammengefaßt.
Sie zeigen, daß die mit der Testverbindung behandelten
Versuchstiergruppen III bis VII eine
erheblich verminderte Metastasenbildung zeigten, wobei ein
Hemmfaktor von 66 bis 88% im Vergleich zur Kontrollgruppe II
erhalten wurde. Eine bemerkenswerte Wirkung wurde in der
Gruppe VII festgestellt, bei der die Testverbindung 7 Tage
lang verabreicht und dann abgesetzt wurde. Eine gewisse
Konzentrationsabhängigkeit ist beim Vergleich der Ergebnisse
der Gruppen IV und V festzustellen.
3. Toxizität
Die akute Toxizität der Testverbindung wurde an weiblichen
und männlichen Mäusen geprüft, denen die Verbindung oral
und intravenös verabreicht wurde.
Testverfahren
Verwendete Tiere:
Zur oralen Verabreichung 6 Wochen alte männliche ddy-Mäuse,
zur intravenösen Verabreichung 6 Wochen alte weibliche
ICR-Mäuse.
Konzentration der Testverbindung: 13 bis 15% (G/V in entsalztem
Wasser).
Anzahl der Tiere pro Dosierungshöhe: 10 Mäuse.
Beobachtungszeitraum: 14 Tage.
Die Ergebnisse sind in Tabelle II zusammengefaßt. Sie zeigen
die extrem niedrige Toxizität der Testverbindung.