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Verfahren zur Herstellung eines Halbstoffes für Papier; Zellulose;
Zellstoffseide, insbesondere einer direkt verspinnbaren Faser als Baumwollersatz
aus ausgereiftem Leinstroh. Gegenstand der Erfindung ist eine Verbesserung und weitere
Ausbildung des durch Patent 297559 geschützten Verfahrens. Der Grundgedanke beider
Erfindungen ist der gleiche, nämlich die wechselweise Behandlung mit nahezu gesättigter
Sulfitlauge und nachfolgender alkalischer Behandlung.
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Während nach dem Hauptpatent 297559 die Aufschließung durch nahezu
gesättigte Sulfitlauge erfolgt und die nachfolgende alkalische Behandlung mehr ein
Wasch- und Lösungsprozeß ist, bezweckt die vorliegende Erfindung eine stufenweise
Aufschließung des Rohmaterials derart, daß durch die gelinde Kochung mit nahezu
abgesättigter Sulfitlauge nur eine teilweise Aufschließung erfolgt, indem nur ein
Teil der organischen Substanz in wenig veränderter Form aus der Pflanzenfaser in-
Freiheit gesetzt und durch die Basen der Lauge gebunden wird, während durch die
folgende alkalische Behandlung, die zweckmäßig nicht nur bei gewöhnlichem Druck
und 8o bis go° C, sondern auch -bei erhöhtem Druck bis zu etwa 5 bis 6 Atm. und-
entsprechender Temperatur vorgenommen werden kann, nicht nur ein Waschen und Auflösen
schon aufgeschlossener Substanz, sondern die weitere stufenweise Aufschließung des
nur teilweise aufgeschlossenen Rohmaterials bewirkt wird.
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Diese stufenweise Behandlung mit wechselnder saurer und alkalischer
Aufschließung kann eventuell wiederholt werden, um den Aufschluß möglichst vollkommen
zu gestalten. Es ist dadurch möglich, nicht nur, wie nach dem Hauptpatent, Leinstroh
zu leicht bleichbarem Zellstoff aufzuschließen, sondern auch das viel schwerer aufschließbare
Hanfstroh, sowie auch Bagasse, Bambus und andere schwer aufschließbare Pflanzenfasern,
die nach den üblichen Verfahren nicht aufgeschlossen werden können.
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Des ferneren gelingt es auf diesem Wege, bei größter Schonung der
Faser und Erhaltung ihrer Festigkeit einen so weitgehenden Aufschluß zu erzielen,
daß der Rohstoff bis in seine einzelnen Faserzellen zerlegt wird und so eine Zellenfaser
erhalten wird, die unmittelbar auf den üblichen Baumwollspinnmaschinen versponnen
werden kann und so einen wertvollen Baumwollersatz gibt.
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Grundbedingung für die technische Durchführbarkeit und Wirtschaftlichkeit
des neuen Verfahrens ist aber die im folgenden ausgeführte Arbeitsweise, bei der
die dabei verwen-
Beten Aufschlußlösungen, also die nahezu gesättigte
Sulfitlauge und die alkalische Kochlösung, nach Entfernung der gelösten organischen
Substanzen wiedergewonnen und Bern Betriebe zugeführt werden müssen.
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Während sonst bei ähnlichen Verfahren der technische Effekt der Zwischen-
und Endlaugenverarbeitung die Gewinnung der organischen Substanz ist, ist für die
vorliegende Erfindung maßgebend, daß die Ausfällung der organischen Substanz durch
Wechselwirkung der sauren und alkalischen Endlaugen erzielt werden soll und die
derart von organischer Substanz befreiten anorganischen Salze nach geeigneter Umsetzung
wieder regeneriert und dem Aufschließungsprozesse zugeführt werden können.
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Daß die dabei ausgefällte organische Substanz dann auch verwertet
werden soll, ist selbstverständlich, jedoch für die Neuheit des Verfahrens ohne
Bedeutung.
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Das neue Verfahren wird in der Weise durchgeführt, daß die schwer
aufschließbaren Faserstoffe einer kombinierten sauren und alkalischen Behandlung
unterworfen werden. Die Faserstoffe werden zuerst in einem der gebräuchlichen Druckkocher
der Einwirkung von Sulfitlauge unterworfen. Von den gebräuchlichen Sulfitverfahren
weicht diese Behandlung insofern ab, als die Zusammensetzung der Sulfitlauge eine
andere sein muß. Die gebräuchlichen Sulfitlösungen enthalten ungefähr i Prozent
Ca O (Mg O) und q. bis 5 Prozent S O, bei einem Verhältnis zwischen freier und gebundener
Säure von etwa 2: 1. Kocht man solche schwer aufschließbaren Faserstoffe mit solchen
Lösungen, so erhält man einen zwar weichen, aber unbleichbaren braunen Stoff, da
sich bei diesen Faserstoffen viel 'größere Mengen an sauren organischen Verbindungen
der schwefligen Säure (Sulfan- und Sulfinsäuren) bilden, die durch die geringen
Mengen Basen (Kalk, Magnesium) nicht vollständig gebunden werden und im freien Zustande
die Bräunung bewirken.
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Um das zu vermeiden, wird bei dem neuen Verfahren eine Kochlösung
angewendet, die durch einen höheren Gehalt an Basen das Auftreten solcher organischen
freien Säuren vermeidet, und zwar wird die Lauge mit Basen soweit als möglich abgesättigt,
ohne schwerlösliches Monosulfit auszufällen, entsprechend einem Gehalte von z. B.
3 bis q. Prozent Ca O bei q. bis 5 Prozent S O2. Bei einem Höchstdrucke von etwa
5 bis 6 Atmosphären und 125 bis =3o ° C Höchsttemperatur genügt eine Kochzeit von
6 bis 7 Stunden, um die Fasern für die erfolgreiche Weiterbehandlung genügend aufzuschließen.
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Die mit Sulfitlösung gekochte Fasermasse wird in bekannter Weise einem
mechanischen Ze:-kleinerungsprozeß mit nachfolgender gründ-1'cher Waschung unterworfen.
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Die bei der Sulfitkochung entfallenden Zwischen- und Endlaugen können
einerseits in bekannter Weise auf schweflige Säure ver---rbeitet werden, andererseits
kann die darin gelöste organische Substanz, die infolge der schwächeren Kochung
keine so weitgehende Zerstörung wie bei den gewöhnlichen Sulfitverfahren erlitten
hat, durch Neutralisation und Fällung mit der alkalischen Endlauge oder durch Eindampfen
in verwertbarer Form wiedergewonnen werden, oder aber in bekannter Weise auf Spiritus
weiter verarbeitet werden.
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Das aus der Sulfitkochung stammende gewaschene Fasermaterial, das
noch mehr oder weniger braun gefärbt ist und noch zahlreiche, schwer bleichbare
organische Verbindungen enthält, wird zur weiteren Aufschließung mit einer 5- bis
ioprozentigen Lösung kalzinierter oder besser kaustischer Soda in offenen Gefäßen
(am besten gleich im Bleichholländer) auf 8o bis 9o° C erhitzt und je nach dem Fasermaterial
eine oder mehrere Stunden digeriert, und zwar im Gegenstromprinzip, so daß die frische
Sodalösung mit dem ziemlich ausgelaugten Fasermaterial zusammentrifft, während die
mit organischer Substanz schon angereicherte Lauge der noch nicht alkalisch digerierten
Masse zugeführt wird, so daß die Lauge mit organischer Substanz möglichst gesättigt
wird, oder aber in Druckkochern auf 5 bis 6 Atm. erhitzt. In gleicher Weise wird
nachher die Masse mit kaltem oder heißem Wasser im Gegenstrom gewaschen, so daß
die mit Alkali angereicherten Waschwässer zur alkalischen Digestion mitverwendet
werden können. - Durch diese alkalische Behandlung werden" aus der Masse die schwer
bleichbaren, organischen Verbindungen herausgelöst, so daß die derart gereinigten
Fasern mit den gebräuchlichen Bleichmitteln leicht gebleicht werden können. Die
derart aufgeschlossenen Pflanzenfasern sind vollständig in die Einzelzelle zerlegt,
so daß man auf diese Art eine unmittelbar spinnbare Faser als wertvollen Baumwollersatz
gewinnen kann.
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Die in der alkalischen Lösung enthaltenen organischen Substanzen bestehen
in der Hauptsache aus Pflanzenproteinen, Fettstoffen sowie Gummi- und harzartigen
Stoffen und können durch Neutralisieren der Lauge leicht in pulverförmiger Form
abgeschieden werden, während die gelösten Silikate nicht ausgefällt werden. Zum
Neutralisieren dienen die schwefligsauren Lösungen, die als Endlaugen der sauren
Aufschließung entfallen, durch die. die organische Substanz größtenteils gefällt
wird. Nach Absetzen der organischen Substanz
wird die überstehende
Lösung \-on Natronsulfit abgezogen und nach Kaustizierung mit Ätzkalk wieder dem
Betriebe zugeführt. Das beim Kaustizieren gebildete, schwerlösliche Kalziummonosülfit
kann wieder dem Betriebe zugeführt werden und dient zum Ansatz der Sulfitlösungen.
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Die ausgefällte organische Substanz kann nach dem Entwässern und Trocknen
ihrer chemischen Beschaffenheit nach (eine Analyse ergab z. B. bei Bagasse 5,25
Prozent Protein, 3,30 Prozent Fettstoffe, keine Kieselsäure, keine Asche) als Futtermittel
verwendet werden sowie auch zur Herstellung- von Leim und Klebstoffen Anwendung
finden.