-
Verfahren zum Vermeiden des Siedeverzuges eines Flüssigmetallkühlmittels
eines Kernreaktors Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Vermeiden des Siedeverzuges
eines Flüssigmetallkühlmittels eines Kernreaktors durch Einbringen gasförmiger Siedekeime
in das Flüssigmetallkühlmittel.
-
Als Wärmetransportmedium für Kernreaktoren, insbesondere für schnelle
Brutreaktoren, ist die Verwendung von Flüssigmetallen geeignet, wobei als Flüssigmetall
das Natrium und die Natrium-Kalium-Legierung am vorteilhaftesten erscheinen. Zum
Unterschied des seit langer Zeit verwendeten Wassers als Kühlmittel für Kernreaktoren
zeigt es sich jedoch durch Unfallanalysen für schnelle Brutreaktoren, daß bei diesen
Flüssigmetallkühlmitteln das Problem des Siedeverzuges durch eine damit evtl. verbundene
Leistungsexkursion oder eine Verminderung der Kühlmittelströmung nicht unberücksichtigt
bleiben darf.
-
In diesen Fällen kann es zur Überschreitung der Siedetemperatur komeinen.
Eine spontane Freisetzung der über dem Siedepunkt gespeicherten Energie kann aber
zu Zerstörungen und Gefährdung der Betriebssicherheit des Reaktors führen.
-
Das Erhitzen einer Flüssigkeit über die Siedetemperatur, ohne dß es
zum Sieden kommt, ist auf das Fehlen von Siedekeimen zurückzuführen, wie es auch
in der Offenlegungsschrift 1 489 855 ausgeführt ist. Hier wird ein Verfahren vorgeschlagen,
welches gegen unkontrolliertes Sieden eines Kernreaktors gerichtet ist. Durch Injektor-Einbauten
in die Kühlmitteleintrittsquerschnitte des Brennstoffkernes, welche inertes Perlgas
mit auf die vorgegebene Siedetemperatur abgestimmten Blasenradien fein verteilt
in das Kühlmittel sprühen, soll dahei dieses Problem gelöst werden. Bei dieser bek?.nnten
Methode muß festgestellt werden, daß sie zur Vermeidung der Uberhitzung eine Unsicherheit
in der Wirksamkeit, eine Kompliziereit in der Durchführung und kostspielige Anlagen
als wesentliche Nachteile aufweist.
-
Es sind jedoch auch andere Möglichkeiten zur Vermeidung einer Überhitzung
des flussigen Natriums denkbar. So können tiefe und schmale Vertiefungen in der
Wandung (Kavitsiten) von Brennstäben angebracht, Spaltprodukte in das Kühlmittel
ausgelassen, Gasblasen in den Natriumstrom eingeführt werden, sowie der Arbeitsdruck
(20 Atom. und rn-hr) erhöht und zur Erniedrigung der Oberflachenspannung des Natriums
Verunreinigungen eingeführt oder Hohlräume durch Subassemblies-Aufbau geschaffen
werden Diese Vorschläge weisen jedoch beachtliche Mängel auf. So erweisen sich die
Kavitäten bzw. die Kavitation nicht in allen Fellen als wirksames Mittel. Das Arbeiten
unter erhöhtem Druck verteuert die Anlage erheblich. Weiterhin muß davon ausgegangen
werden, daß das Durchströmen von Edelgasen durch das Natrium gerade dann versagt,
wenn es am dringendsten benötigt wird, d.h. bei einer Verstopfung, so daß auch der
Einlaß der*Spaltprodukte in den Kühlmittelkreislauf ein ungeeignetes Verfahren ist.
Auch ist die Wirkung der Edelgase gering einzuschätzen. Wie durchgeführte Berechnungen
zeigten, ist auch der Effekt derfl - und Neutronenstrahlung in einem Schnellen Brüter
unbedeutend.
-
Ein wirksames Verfahren zur Erniedrigung der Oberflächenspannung des
Natriums ist demnach nicht bekannt. Konstruktive Vorkehrungen verteuern die Reaktoranlage
und der gewünschte Effekt bleibt durch Änderung
der Betriebsverhältnisse
aus.
-
Die Aufgabe der Erfindung ist es nunmehr ein Verfahren anzubieten,
mit dem es gelingt, den Siedeverzug zu vermeiden oder zumindest abzuschwächen, wobei
der Grundgedanke der Erfindung auf der Beeinflussung des Kühlmittels in der Weise
basieren soll, daß ein keimbildender Wirkstoff vorhanden ist.
-
Das erfindungsgemciße Verfahren löst diese Aufgabe derart, daß dem
Flüssigmetallkühlmittel, z.B. Natrium oder Natrium-Kalium, oder dessen Covergas
Wasserstoff und/oder Stickstoff beigemischt wirdr oder ein Material aus Pseudohydrid
und/oder Nitrid auf Teilen des Iverareaktorkernes angebracht wird, das ab cAer bei
einer unter dem Siedepunkt des Flüssigmetallkühlmittels liegenden Temperatur dissoziiert
und Blasen von Wasserstoff und/oder Stickstoff in das Flüssigmetallkühlmittel abgibt.
-
Eine vorteilhafte Weiterbildung der ErEindung kann vorsehen, daß das
Material als Schicht auf die Brennstabumhüllung einzelner odnr aller Brennstäbe
oder an anderen Stelle, z.B. Halterungen der Brennstäbe, des Kernreaktorkernes aufye.bracht
wird. Auch ist es denkbar, dem Flüssigmetallkühlmittel Lithium als hydrid-oder nitridbildendes
Metall zuzusetzen oder dem Flüssigfltallkühlmittel Substanzen zuzugeben, bei denen
durch n-C( -und/oder n-t-i'ernreaktionen iielium und/oder Wasserstoff bzw. Tritium
freigesetzt wird.
-
Die Erfindung wird im folgenden anhand eines Ausführungsbeispiels
mittels der Figuren 1 bis 3 und einer Tabelle näher erläutert.
-
Figur 1 und 2 zeigen dabei eine schematische Darstellung der Wechselwirkung
einer pseudohydridbildenden Auflage auf der Brennelementhülle mit dem Wasserstoff,
Figur 3 die Wasserstofflöslichkeit in verschiedenen Metallen, abhängig von der Temperatur
und die Tabelle die freigesetzte Wasserstoffmenge von einem Brennstab mit einer
lor Auflage, wobei der Brennelementdurchnesser 6,7 mm beträgt und die Länge 100
cm.
-
Die Wasserstofflöslichkeit in Natrium-Kalium-78 hängt gemäß der folgenden
Gleichung von der zweiten Wurzel des Wasserstoffdruckes p ab:
Dabei wird die Wasserstofflöslichkeit C in ppm, der Wasserstoffdruck p in atm und
die Temperatur T in Grad Kelvin gemessen.
-
Die Löslichkeit C der Edelgase ist um mehr als 103 - mal geringer
als die des Wasserstoffs. Die Löslichkeit C des Wassersto£fs läßt sich durch Lithiumzugabe
noch erhöhen. Dcr gelöste Wasserstoff H2 liegt in allen flüssigen Alkalimetallen
weitgehend als undissoziiertes Hydrid vor. Dieses Hydrid wirc bei höherer Temperatur
dissoziiert und der dissoziierte Wasserstoff H2 trägt dann zur Siedekeimbildung
im Reaktorkern bei, wenn ein derartiges Hydrid in Teile des Reaktorkernes eingebracht
wird.
-
Der Wasserstoff H2 kann dem Covergas zugemischt werden. Bei der Zugabe
muß lediglich darauf geachtet werden, daß ein evtl. Vermischen mit Luft (02) keir.
explosives Gcmisch ergibt. Die Wasserstoffkonzentration C im Flüssigmetallkühlmittel
muß derart gehalten sein, daß eine Verstopfungsgefahr durch ausgeschiedenes festes
Hydrid im Kreislauf des Kernreaktors nicht auftritt. Eine Wasserstoffatmosphäre
kann sich sogar als korrosionshemmend erweisen.
-
Neben dem Lösen von Wasserstoff H2 im Flüssigmetallkühlmittel kann
auch die mit steigender Temperatur T abnehmende Wasserstofflöslichkeit der Pseudohydridbildner
zur Vermeidung von Siedeverzug eingesetzt werden. Dazu wird eine genügend starke
Auflage dieser Metalle bzw. Metallverbindungen auf die Brennelementhülle von Brennstäben
oder an anderen Stellen des Kernrcaktorkerns aufgebracht. In der Figur 1 und 2 ist
diese Konzeption schematisch näher erklärt.
-
Figur 1 zeigt einen Teil eines Brennstabes, in dessen Innern der Brennstoff
1 enthalten ist, wobei dieser Brennstoff von einer Hülle 2 umgeben wird. Auf diese
IIülle, die aus Metall besteht, wird eine
Schicht bzw. eine Auflage
3 von pseudohXtdrid-oder nitridbildendem Material aufgebracht. Diese Schicht 3 steht
im direkten Kontakt mit dem Flüssigmetallkühlmittel 4, z.B. Natrium. Im Normalbetrieb,
d.h. die Temperatur des Flüssigmetallkühlmittels 4 liegt unter dem Siedepunkt, steht
die Wasserstoffkonzentration C in der Schicht im Gleichgewicht.
-
In Figur 2 ist der1Nicht-Normalfall11, d.h. bei überhöhter Temperatur,
dargestellt. Es ist wiederum ein Teil eines Brennstabes mit dem Brennstoff 1 und
seiner Hülle 2 sowie der pseudohydridbildenden Auflage bzw. Schicht 3 dargestellt.
Das Flüssibmetallkühlmi;-tel 4 strömt weiterhin entlang der pseudohydridbildenden
Schicht 3.
-
Jedoch herrscht nunmehr kein Gleichgewicht mehr zwischen der pseudohydridbildenden
Schicht 3 und dem es umgebenden Flüssigmetallkühlmittel 4, so daß es zur Wasserstofffreisetzung
kommt, wobei dieser Wasserstoff als Bläschen- oder Blasenstrom 5 in dem Strom des
Flüssigmetallkühlmittels 4 eindringt.
-
Das Prinzip dieses Verfahrens besteht darin, daß in der Schicht 3
bei normalem Reaktorbetrieb eine Wasserstoffgleichgewichts-Konzentration gelöst
ist, die sich bei Temperaturerhöhung erniedrigt und aus der Schicht 3 in das geschmolzene
Natrium (Flüssigmetallkühlmittel 4) entweicht. Dabei muß der entweichende Wasserstoff
fl2 als Siedekeim (Bläschen 5) wirken. Im Zusammenhang mit diesen Schichten 3 muß
auf die Haftfestigkeit zwischen der Brennstabhülle 2 und der Schicht bzw. Auflage
3 sowie auf die auftretende Diffusion und Korrosion geachtet werden. Zu berücksichtigen
ist auch ein sich einstellendes Gleichgewicht zwischen dem Wasserstoff 112 in der
Schicht 3 und dem Wasserstoff H2 im Covergas.
-
Um die Wirksamkeit derartiger Anordnungen zu zeigen, ist folgende
Berechnung aufgestellt: Bei einer Schichtdicke von lo/u (0,001 cm) auf einen Brennstab
1, 2 von 6,7 mm (0,67 cm) Durchmesser und einer Länge von 100 cm wird je nach dem
Material, welches als Schicht 3 vorliegt, Wasserstoffmen-3 3 gen von 3,75 cm (NTP)
bis 960 cm (NTP) bei einer Temperaturerhöhung von 6000 C auf 7000 C freigesetzt.
Bei einer Erhöhung von 6000 C auf 8000 C vergrößert sich diese Menge auf fast das
Doppelte.
-
Wird zwischen den einzelnen Brennstäben ein hydraulischer Durchmesser
von 6,8 mm angenommen, so befindet sich auf der Länge von 100 cm 3 ca. 36 cm3 Natrium.
Das heißt aber, daß auf dieses Volumen 3,75 cm (NTP) Wasserstoff H aus einer 10
- Vanadiumschicht bei einer Temperaturerhöhung von 6000 C auf 7000 C freigesetzt
wird.
-
Aus der Figur 3, in der die Wasserstofflöslichkeit in den Metallen
Titan, Zirkon, Cer, Lauthan, Thorium, Niob, Vanadium, Tantal in Abhängigkeit von
der Temperatur T aufgetragen ist, und der Tabelle können Werte über die Löslichkeit
und die Freisetzung von Wasserstoff einiger Pseudohydridbildner entnonmen werden.
Die errechneten Werte in der Tabelle sind zum Vergleich mit der Edelgaslöslichkeit
im Nat:rium geeignet. Die freizusetzende Wasserstoffmenge läßt sizh durch die Art
und Stärke der Auflage sowie durch den Partialdruck des Wasserstoffs im Covergas
regulieren. Aus der obigen Berechnung ist zu entnehmen, daß je nach Auflagemetall
mit Schichten unter 10/u auszukommen ist und daß als besonderer Vorteil der Erfindung
die pseudohydrid- bzw. nitridbildende Schicht 3 nur auf Teilen oder auf einigen
Brennstäben 2 aufzubringen ist bzw. an einigen anderen Stellen in einem Subassembly,
oder an EIaAterungen der einzelnen Brennstäbe gegeneinander.
-
Bei der Zugabe des Lithiumszu den Alkaliwetallen, die als Flüssigmetallkühlmittel
dienen, als ilydrid- oder Nitridbildner wirkt sich die zugleich ablaufende n -M
- Reaktion positiv aus. Bei einer cvtl.
-
Leistungssteigerung werden durch diese Kernreaktion mehr Helium und
Tritium (n-t-Kernreaktion) erzeugt, die ebenfalls als Siedekeime wirken.
-
Die besonderen Vorteile des erfindungsgemäßen Verfahrens zur Vermeidung
bzw. Verminderung der Überhitzung bestehen darin, daß eine größere Löslichkeit C
von Wasserstoff H2 bzw. Stickstoff N2 in diesen Flüssigmetallkühlmitteln im Vergleich
zu Edelgasen gegeben ist, daß die Zersetzbarkeit der in die Flüssigmetallkühlmittel
einbringbaren Hydride bzw. Nitride, wie z.B. das Lithiumhydrid, gegeben ist, daß
es möglich ist, auf der Brennstabhülle 2 eine Pseudohydridbildnerschicht 3 aufzubringen
und daß eine zusätzliche Siedekeimbildung durch Helium- und Tritiumerzeugung mittels
der n-o( -Reaktion bzw. der n-t-Reaktion mit Lithium erfolgen kann.