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Die Erfindung befaßt sich mit Formteilen aus Organopolysiloxanen,
deren Oberflächen mit einer Lage aus Heparin beschichtet werden und die heparinisierten
Oberflächen anschließend einer ionisierenden Bestrahlung in kontrollierbarer Menge
ausgesetzt werden, um das Heparin mit der betreffenden Oberfläche auf wirksame Weise
unlöslich zu verbinden.
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Die so behandelten Formteile verursachen keine Blutgerinnung, wenn
sie mit Blut in Berührung kommen.
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Heparin ist ein Mucopolysaccharid, das im menschlichen Körper vorhanden
ist und das die Gerinnnng und das charakteristische Ausflocken des Blutes verhindert.
Auf vielen Anwendungsgebieten, insbesondere auf dem medizinischen Sektor, wird Heparin
häufig zur Beschichtung von verschiedenen Materialien verwendet, die mit Blut in
Berührung kommen, um die gewünschte antikoagulative Wirkung zu erzielen.
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So ist beispielsweise aus den Arbeiten von G o t t und Mitarb., Heparin
Bonding on Colloidal Graphite Surfaces, Science, vom 6. Dezember 1963, Bd. 142,
Nr. 3597, S. 1297 bis 1298, bekannt, daß die Antikoagulation dadurch gesteigert
werden kann, wenn die Oberfläche des entsprechenden Substrates zuerst mit kolloidalem
Graphit beschichtet, dann ein ober-Rachenaktives Mittel aufgetragen, das die Grenzflächenspannung
erniedrigt, und anschließend eine Lage Heparin aufgebracht wird. Fehlen diese Vorbehandlungsbeschichtungen
vor dem Aufbringen des Heparins, haftet dieses auf der Substratoberfläche nicht,
so daß hier leicht eine Koagulation stattfinden kann. Ein weiterer signifikanter
Nachteil des von G o t t und Mitarb. beschriebenen Verfahrens besteht darin, daß
dieses bei Organopolysiloxanoberflächen vollständig versagt.
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Der Gebrauch von Organopolysiloxanen in der Medizin hat in den letzten
Jahren eine beträchtliche Bedeutung erlangt. Das ist größtenteils auf die Tatsache
zurückzuführen, daß sich Organopolysiloxane gegenüber Körpergewebe praktisch inert
verhalten.
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Daraus resultiert eine konstante Nachfrage nach Formteilen aus Organopolysiloxanen
für die Verwendung als Implantate oder andere medizinische Vorrichtungen. Auf Grund
der Tatsache jedoch, daß Blut rasch zur Koagulation neigt, wenn es mit Organopolysiloxanoberflächen
in Berührung kommt, wird die Verwendung von derartigen Formteilen stark eingeschränkt.
Da sich das Verfahren nach G o t t in dieser Hinsicht unwirksam zeigte, besteht
zur Zeit noch das Problem der Koagulation an Organopolysiloxanobernächen.
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Das erfindungsgemäße Verfahren zur Blutantikoagulativen Behandlung
von Substratoberflächen aus Organopolysiloxanen ist dadurch gekennzeichnet, daß
die aliphatische oder cycloaliphatische Reste aufweisenden Organopolysiloxanoberflächen
mit Heparin beschichtet und zu dessen Verankerung einer kontrollierbaren Menge ionisierender
Bestrahlung ausgesetzt werden.
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Der Ausdruck » Organopolysiloxane< (umfaßt sowohl elastomere als
auch harzartige Organopolysiloxane.
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Zusammensetzungen dieser Art und deren Herstellung sind bekannt, so
daß sich die Beschreibung im einzelnen hier erübrigt.
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Für die Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens ist es Voraussetzung,
daß die eingesetzten Organopolysiloxane zur Erzielung des gewünschten antikoagulativen
Effekts aliphatische oder cyclo-
aliphatische Reste besitzen, da festgestellt wurde,
daß das unlösliche Verankern des Heparins auf der Oberfläche der Organopolysiloxane
vermutlich über die Bildung von freien Radikalen verläuft, die durch Einwirkung
der ionisierenden Strahlung ausgelöst wird.
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Für die ionisierende Bestrahlung ist jede beliebige wirksame Quelle
geeignet. So kann hierfür beispielsweise ein Hochleistungs-Elektronenbeschleuniger
vom Van de Graaff-Typ verwendet werden. Ein handelsübliches Modell hat eine Kapazität
von 2 000 000 Elektronenvolt (2 MeV). Kleinere Modelle für Elektronenbeschleuniger,
die sich auf dem Markt befinden, haben eine Kapazität von etwa 100 000 Elektronenvolt.
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Andere ionisierende Bestrahlungsquellen sind Röntgenstrahlen oder
Gammastrahlen, z. B. aus Co60.
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Die Menge der erforderlichen Bestrahlung kann in weitem Maße in Abhängigkeit
von dem im Einzelfall verwendeten Substrat variiert werden. Das einzige Kriterium
für die Quantität besteht darin, daß diese für das feste Veranlcern des Heparins
auf der Organopolysiloxanoberfläche ausreichend sein muß. So werden beispielsweise
unter bestimmten Bedingungen mit einem Megarad gute Ergebnisse erzielt. Umgekehrt
wurde festgestellt, daß mit Heparin beschichtete Organopolysiloxansubstrate einer
Einwirkung bis zu 10 Megarad widerstehen können, bevor zerstörende Effekte zu bemerken
sind. Der hier verwendete Ausdruck » Megarado bezieht sich auf eine Strahlendosis,
die eine Energieabsorption von 100 erg pro g bestrahlter Substanz bewirkt. Der Ausdruck
» Megarad « wurde jetzt durch den Ausdruck) >Megarep « ersetzt, der die Menge
an ionisierender Bestrahlung angibt, die eine Energieabsorption von 83-106 erg/g
bewirlct ; d. h. 1 Megarep = 0, 83 Megarad oder 1 Megarad = 1, 2 Megarep (angenähert).
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Die Organopolysiloxanoberßäche kann mit dem Heparin vor oder nach
dem Aussetzen der ionisierenden Bestrahlung in Berührung gebracht werden.
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Im letztgenannten Fall sollte das Heparin mit der bestrahlten Organopolysiloxanoberfläche
in Berührung gebracht werden, bevor die freien Radikale auf der Oberfläche verbraucht
worden sind.
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Bei der bevorzugten Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens
wird zuerst eine Heparinschicht auf die Oberfläche des Organopolysiloxansubstrates
aufgetragen und anschließend das beschichtete Substrat bestrahlt. Das Heparin kann
auf die Obernäche des Organopolysiloxansubstrats auf beliebige Weise aufgebracht
werden, beispielsweise durch Aufstäuben oder Aufstreichen. Das Heparin kann auch
in beliebiger Form verwendet werden, z. B. als Pulver, Paste oder Dispersion. Die
besten Ergebnisse werden jedoch durch Aufstäuben des Heparins, das hierzu vorteilhaft
in Pulverform verwendet wird, erzielt.
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Die Menge des auf die Substratoberfläche aufgebrachten Heparins ist
nicht entscheidend, es muß nur in ausreichender Menge zur Verfügung stehen, um den
gewünschten Effekt zu erreichen. So kann das Heparin vorteilhaft auf die ganze Obernäche
des Organopolysiloxansubstrats oder-artikels aufgestäubt werden, dann die Oberfläche
der erforderlichen ionisierenden Bestrahlung ausgesetzt werden und der Überschuß
an Heparin abgewaschen werden.
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Es ist vorteilhaft, jedoch nicht unbedingt erforderlich, daß das
Substrat in ungehärteter oder teilweise gehärteter Form vorliegt vor dem Beschichten
mit
Heparin und anschließender Bestrahlung. Bei Einsatz von Organopolysiloxansubstraten
in ungehärtetem oder teilweise gehärtetem Zustand hat dieses eine klebrige Oberfläche,
auf der das Heparin wirksam haftet während der Dauer der Bestrahlung. In Abhängigkeit
von verschiedenen Faktoren= kann das Substrat in einem beliebigen Stadium gehärtet
werden, bevor das Heparin aufgetragen wird. Selbstverständlich kann das Substrat
auch ganz ungehärtet oder vollständig gehärtet sein.
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Es sei ferner darauf hingewiesen, daß das Organopolysiloxansubstrat
teilweise gehärtet, anschließend mit Heparin bestäubt, verpackt und dann der Bestrahlung
ausgesetzt werden kann, wodurch auf dem Substrat die erforderliche Menge Heparin
fixiert wird, während dasselbe gleichzeitig gehärtet und sterilisiert wird. Die
mit diesem Verfahren erzielten Vorteile sind seine Wirtschaftlichkeitund Wirksamkeit.
Die Methode ist praktisch und auf medizinischem Gebiet außerordentlich wirksam.
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Als Beispiele für Formteile, die nach dem erfindungsgemäßen Verfahren
zur Erzielung einer antikoagulativen Wirkung behandelt werden können, seien folgende
aufgeführt : Herzklappenprothesen, medizinische Elastomere für Einkapselungen von
implantierten elektronischen Vorrichtungen, Elastomere zur Einkapselung von Aneurysmen,
weiche Zahnprothesenverblendungen und Zahnprothesenbasen, Schwammmaterial für subdermale
Implantate, Brustprothesen, Testikularprothesen, Ohrmuschelplastiken, Nasenimplantate,
sklerale Schutzvorrichtungen für die Methode nach Everett, verstärkte und nicht
verstärkte Folien, Organopolysiloxanelastomere als Ersatzteile bei Verletzungen
des Gesichts und der Extremitäten, Elastomere zur Rekonstruktion von Knochenbrüchen,
Coronararterien, Eustachische Röhren, medizinische Meßrohre für die Durchströmung
und andere für Blut erforderliche Verfahren, z. B. Blutdurchströmungssysteme und
andere Kreispumpensysteme, aufgespulte, kapillarenförmige Membranen für Oxygenatoren
bei vollständigem kardial-pulmonalem Durchfluß und arterielle venöse Ableitungen,
Bauchdrains, Saugdrains, bei orthopädischen Verletzungen, Katheter für die intravenöse
Verabreichung von Flüssigkeit oder für die Blutabnahme, für perkutane cardiale Katheterisierung,
für kontinuierliche Überwachung des Blutzuckergehaltes, intestinale Dekompressionsröhren
und für Bluttransfusionen, verschiedene Katheter oder thorakale Drains.
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Beispiel 1 Glas-Teströhren wurden mit einer Lösung aus hochviskosem
Dimethylpolysiloxan in Pentan wie folgt behandelt : Die Röhren wurden mit der Lösung
gefüllt und anschließend umgedreht, damit der Überschuß herausfließen kann. Nach
Verdampfen des Lösungsmittels wurde gepulvertes Heparin in die Röhren gefüllt und
diese dann kräftig geschüttelt, so daß die Innenseite der Röhre mit Heparin beschichtet
wurde. Das überschüssige Heparin wurde aus den Teströhren herausgeschüttelt und
diese dann für eine Gesamtbestrahlung von 3 Megarad einer Cobalt-60-Quelle ausgesetzt.
Das nicht unlöslich verankerte Heparin wurde durch Waschen der Röhren mit destilliertem
Wasser und salinischer Lösung entfernt.
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Die Teströhren wurden dann mit frisch entnommenem Blut aus der unteren
Hohlvene eines Kaninchens auf ihre antikoagulativen Eigenschaften geprüft. Eine
Teströhre, die, wie oben beschrieben, beschichtet war, wurde zehnmal in salinischer
Lösung gespült, dann wurde 1 ml des frisch entnommenen Blutes zugegeben und die
Teströhre für die Zeitdauer von 26 Minuten jeweils in Abständen von 15 Sekunden
gekippt. Es wurde keine Klumpenbildung beobachtet. Die Teströhre wurde dann für
die nächsten fünf Stunden jeweils periodisch gekippt, wobei keine Klumpenbildung
auftrat. Eine Vergleichsprobe ohne Heparinbeschichtung wurde in der gleichen Weise
getestet, dabei erfolgte innerhalb von 5, 25 Minuten die Klumpenbildung.
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Beispiel 2 Eine Teströhre, die, wie im Beispiel 1 beschrieben, behandelt
worden war (hochviskoses Dimethylpolysiloxan + Heparin + Bestrahlung), wurde 100mal
in salinischer Lösung gespült, dann über Nacht in salinischer Lösung eingeweicht
und anschließend kurz vor Prüfung zehnmal gespült. In die Teströhre wurden 0, 9
ml mit Zitronensäure angesäuertes menschliches Blut und 0, 1 ml einer 0, 1molaren
CaCl2-Lösung gegeben, die Röhre dann bei einer Temperatur von 38 °C für jeweils
10 Minuten in Abständen von 15 Sekunden in einem Wasserbad gekippt, und anschließend
wurde über einen Zeitraum von 3 Stunden durch gelegentliches Kippen die Zeit bis
zur Klumpenbildung festgestellt. Es wurden die folgenden Ergebnisse erhalten :
Zeit bis zur |
Probe Oberflächenbehandlung |
Klumpenbildung |
1 hochviskoses Dimethylpoly-keine Klumpen |
siloxan + Heparin innerhalb von |
3 Stunden |
2 Glas-keine Heparinbehand-2, 25 Minuten |
lung |
3 Organopolysiloxanelastomere 2, 75 Minuten |
-keine Heparinbehand- |
lung |
Beispiel 3 Zum Beweis, daß der Bestrahlungsvorgang für die wirksame Verankerung
des Heparins auf dem Organopolysiloxansubstrat notwendig ist, wurden Teströhren,
wie im Beispiel 1 beschrieben, behandelt und dann verschiedenen Strahlungsstärken
ausgesetzt, während identische Teströhren bei Kontakt mit Blut ohne Bestrahlung
geprüft wurden. Die Teströhren wurden auf ihre antikoagulativen Eigenschaften nach
Eintauchen über Nacht in salinischer Lösung und Verwendung von mit Zitronensäure
angesäuertem menschlichen Blut und 0, 1 ml einer 0, 1 molaren CaCl2-Lösung geprüft.
Die Teströhren wurden dann in Abständen von 30 Sekunden für jeweils 10 Minuten und
dann nur noch gelegentlich gekippt, bis eine Klumpenbildung auftrat. Es wurden folgende
Ergebnisse erhalten :
Probe OberHächenbehandIung Bestrahlung ) I Zeit bis zur Klumpenbildung |
1 Dimethylpolysiloxan/Heparin 1 Megarad nach 24 Stunden keine
Klum- |
penbildung |
2 Dimethylpolysiloxan/Heparin keine Bestrahlung, nach 5 Mi-3
Minuten |
nuten Berührung gespült |
3 Dimethylpolysiloxan/Heparin keine Bestrahlung, nach 30Mi-2,
5 Minuten |
nuten Berührung gespult |
4 Dimethylpolysiloxan/Heparin 1 Megarad Bestrahlung, nach keine
Klumpenbildung in |
30 Minuten Berührung ge-72 Stunden |
spült |
*) Wurde keine Bestrahlung angewendet, wurde das Heparin nicht auf der Organopolysiloxanoberflache
verankert, und die Klumpenbildung erfolgte sehr schnell.
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Beispiel 4 Ein 9mm langer Organopolysiloxanelastomerring mit einem
Außendurchmesser von etwa 10 mm, der, wie im Beispiel 1 beschrieben, behandelt worden
war, wurde in die obere Hohlvene eines Hundes eingesetzt (an einer Stelle, an der
die Oberfläche des Ringes einem schweren und ständigen Blutstrom ausgesetzt war),
und es wurde keine Klumpenbildung beobachtet.
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Beispiel 5 Gleiche Ergebnisse wurden erzielt, wenn die Teströhren,
die entsprechend Beispiel 1 behandelt worden waren, einer Bestrahlung von 4, 5,
6, 7, 8, 9 und 10 Megarad ausgesetzt wurden und dann entsprechend den Verfahren
aus Beispiel 1 geprüft wurden.
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Patentansprüche : 1. Verfahren zur blutantikoagulativen Behandlung
von Substratoberflächen aus Organopolysiloxanen, dadurch gekennzeichnet, daB die
aliphatische oder cycloaliphatische Reste aufweisenden Organopolysiloxanobernächen
mit Heparin beschichtet und zu dessen Verankerung einer kontrollierbaren Menge ionisierender
Bestrahlung ausgesetzt werden.